Das Zeitalter politischer Desorganisation wird ausgehend n Frankreich m absoluten Landesfürstentum abgelöst. Es llzieht sich die Umwandlung m mittelalterlichen Feudalstaat zum Flächenstaat neuzeitlicher Prägung. Ein wichtiges Werkzeug dabei ist der Aufbau einer Bürokratie und die dadurch mögliche Reglementierung aller Lebensbereiche der Bevölkerung und der Wirtschaft. Als Ausdruck der politischen Machtentfaltung kommt es zur Ausbildung eines stehenden Heeres. Beamten- und Offiziersstand werden damit zu Trägern dieser neuen Staatsform. Die Vereinheitlichung der Verwaltung hat die Einführung der allgemeinen Schulpflicht zur Voraussetzung.
Die Machtentfaltung des Landesfürsten beruhte in ihren Anfängen auf den religiösen Auseinandersetzungen im Zuge der Reformation und Gegenreformation. Das Prinzip des "cuius regio, eius religio bot dem jeweiligen Landesfürsten die Möglichkeit der Enteignung des Adels, aber auch der bürgerlichen Schichten, verschaffte ihm also einerseits Vermögenszuwachs und gestattete ihm andererseits, durch Vergabe n Besitztümern und Privilegien den neu elierten Adel in Abhängigkeit zu bringen. Die religiöse Intoleranz verfestigte sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts und hatte Wanderungsbewegungen zur Folge, die zum Teil, wie die Einwanderung der Hugenotten nach Deutschland und England, auch Anlass für neue wirtschaftliche Impulse waren.
Die Barockkultur als "Geopolitik der Gegenreformation hat sich nach dem Konzil n Trient (1545-l563) als neue gloriose Architektur der Ec-clesia triumphans n Rom aus über das katholische Europa ausgebreitet, nach Spanien, der österreichisch-ungarischen Monarchie, hier besonders in Prag und Böhmen (Abb.3.31), in Bayern und Polen bis an die Grenze der Orthodoxie (Abb. 3.29). Zahllose Klöster und Kirchen, aber auch Profanbauten wurden im Barockstil umgebaut.
Die Residenzstadt
Im Städtebau steigerte die Barockzeit das aus dem Mittelalter geläufige Repräsentationsprinzip zum Monumentalen hin. Sichtachsen zu Schlössern und sonstigen Monumentalbauten entstanden und ersetzten als breite Boulevards für Reiter und Kutschen die fußgängerbezogene Enge mittelalterlicher Gassen. Weiträumige Parkanlagen dienten als ergänzende Elemente architektonischer Gestaltung.
Das Schloss des Herrschers bildete die neue "soziale Mitte der Stadt und damit das Zentrum einer sozialräumlichen Gliederung, von dem aus sich die sozialen Gruppen fächerförmig zentral-peripher anordneten.
Die Residenzfunktion brachte neue Sozialgruppen in die Stadt: Adelige, Beamte und Offiziere. Der Adel drängte sich in den Dienst des Hofes. Er wurde stadtsässig, freilich nicht überall. Im Raum des deutschen Altsiedeilandes, im Machtbereich der Hansestädte und vor allem in Großbritannien verblieb er auf dem Lande. Darauf ist es zu einem Gutteil zurückzuführen, dass das englische Städtewesen im Zeitalter der Industrialisierung einen anderen Weg einschlug als das des Kontinents.
Besonders eindrucksvolle duale Stadtstrukturen sind überall dort entstanden, wo mittelalterliche Bürgerstädte in der Zeit des Absolutismus zu Residenzen des jeweiligen Herrscherhauses wurden. Dort verschmolz die ältere Bürgerstadt mit der "Fürstenstadt, und angelagert an das Schloss gelangte ein adeliger und höfischer Stadtsektor zur Ausbildung.
Aufgrund der absolutistischen Machtstrukturen erfolgte ein Transfer des Besitzes an Grund, Boden und Häusern von der alten bürgerlichen Elite an die neue Elite des Adels und des Hofes. Das Bürgertum wurde vielfach aus der Stadt in den Vorstadtraum abgedrängt, gleichzeitig damit jedoch die Qualität der Stadtmitte als soziale Mitte verstärkt.
Frankreich setzte das Vorbild für das politische System des Absolutismus. Seine Hauptstadt Paris wurde zum Vorbild für die Bautätigkeit in den großen Residenzstädten Europas.
Bereits Ludwig XIII. errichtete eine neue Residenz in Saint-Germain-en-Laye. Ludwig XIV. verließ den Louvre und übersiedelte mit seinem Hof in die neue Residenz von Versailles, die nach und nach zu einer kleinen "künstlichen Hauptstadt erweitert wurde, schließlich eine gleich große Fläche einnahm wie die Hauptstadt Paris und als Modell über ganz Europa bis nach St. Petersburg nachgeahmt worden ist (Abb. 3.30).
Vor allem die Zersplitterung der politischen Landkarte in der Mitte Europas hat die Diffusion von "kleinen Versailles begünstigt (Abb. 3.32) und wirkt bis zur Gegenwart nach.
Die Wirtschaftspolitik
Das wirtschaftliche Konzept des Merkantilismus, welches zuerst Frankreich kreierte, sah im Export von Gewerbeprodukten den Schlüssel zum Reichtum des Staates. Durch staatliche Förderung und Organisation entstanden zahlreiche Manufakturen. Zum zünftisch geordneten Gewerbe gesellte sich die staatlich privilegierte Manufaktur. Ebenso wie die Barockkultur verbreitete sich das Manufakturwesen über Europa. Ausgehend von den großen Städten erfolgte eine Delegierung der gewerblichen Fertigung an die ländlichen Siedlungen, ähnlich wie dies die Fernhandelsstädte Flanderns, Oberitaliens und Süddeutschlands bereits im Mittelalter getan hatten.
Hatte der Merkantilismus die Landwirtschaft vernachlässigt, ihr sogar durch den Import von billigen Nahrungsmitteln geschadet, so brachte der Physiokratismus eine staatliche Förderung der Landwirtschaft und in Ost- und Mitteleuropa, in Preußen und in der Habsburgermonarchie eine umfangreiche Binnenkolonisation. Bisher schlecht genutzte Räume, Sümpfe, Moore, Waldgebirge, wurden erschlossen und das von den Türken verwüstete Pannonische Tiefland wieder in Kultur genommen. Die Fehnkolonien Friedrichs des Großen, die Anlage neuer Einödfluren in den Waldgebirgen und die Schachbrettdörfer der Ungarischen Ebene sind verschiedene Glieder desselben Prozesses, durch den eine Erweiterung des agraren Lebensraumes in Ostmitteleuropa erfolgt ist.
Ungefähr zur gleichen Zeit begann in Großbritannien die so genannte "Agrarrevolution, die Auflösung der grundherrschaftlichen Abhängigkeit und das Überhandnehmen des Gutsbetriebes. Der wirtschaftliche Motor für diese Bewegung war die Intensivierung der Viehwirtschaft von der Dreifelderwirtschaft in Richtung auf die Fruchtwechselwirtschaft. Gleichzeitig wurden die Kollektivfluren aufgelöst, die Gewannfluren verschwanden und wurden durch Großblöcke ersetzt. An die Stelle des Dorfes trat der Einzelhof.
Dieser in Großbritannien als Enclosure-Bewe-gung bezeichnete Vorgang breitete sich von hier nach Nordeuropa und nach Nordfrankreich aus. In
Schleswig-Holstein wird für diese Flurumlegung der Ausdruck "Verkuppelung verwendet. Auch im Allgäu haben einzelne Klöster Umlegungen der Siedlung und eine so genannte "Vereinödung durchgeführt. Ansonsten blieb dieser Prozess im deutschen Sprachraum von geringer Bedeutung. Es wurde nicht wie in Nordeuropa im 18. Jahrhundert ein rationales Hofsystem geschaffen, sondern man versuchte, durch die Kompromisslösung der Kom-massierung die Zahl der Parzellen zu reduzieren. Diese Bewegung reicht bis hinein in die Gegenwart.
In den neuen absolutistischen Staaten "verfestigten sich ähnlich wie im Römerreich die Grenzen. Auf die Militärgrenze der Habsburgermonarchie gegen das Osmanische Reich wurde bereits hingewiesen. Eine weitere wichtige Befestigungslinie entstand an der Ostgrenze Frankreichs gegen Deutschland hin.
Neue Verkehrswege
Die Organisation derartiger Flächenstaaten hatte die Verbesserung der inneren Erschließung zur Voraussetzung. Hierbei stand zuerst der Ausbau der Wasserwege auf dem Programm. Frankreich mit den niedrigen Wasserscheiden zwischen den Einzugsgebieten der großen Flüsse gab das Vorbild für den Kanalbau ab, durch den alle Großstädte miteinander verbunden wurden. Preußen imitierte dieses Vorbild, besaß es doch im Norddeutschen Tiefland mit seiner Vergitterung von Urstromtälern und Flussdurchbrüchen zur Ostsee und Nordsee günstige natürliche Voraussetzungen. Diese fehlten in der österreichisch-ungarischen Monarchie aufgrund des hohen Anteils an Gebirgsräumen, so dass hier der Ausbau des Straßennetzes früher als in anderen Staaten begonnen wurde. Die Hauptstadt Wien wurde zum Zentrum der Kommerzial-straßen, die als Neutrassierungen - ähnlich modernen Autobahnen - an den alten Ortskernen vorbeigeführt wurden. Dadurch blieb eine untere Schicht von Marktorten und Kleinstädten abseits liegen und konnte nicht an der wirtschaftlichen Entwicklung partizipieren. Die Kommerzialstraßen verstärkten das Verkehrsprimat von Wien, die später errichteten Routes Napoleon jenes von Paris.
Den Flächenstaaten gelang es jedoch nicht, Europa zur Gänze auszufüllen. Zwischen ihnen verblieben andere Strukturen, Konföderationen von Stadtstaaten bzw. Freibauerngebieten, die, wie die Schweiz und die Niederlande, zu föderalistischen Organisationsformen gefunden hatten. Diesen fehlte die durchgreifende Einflussnahme absolutistischer Staatsgewalt auf Bevölkerung, Siedlung und Wirtschaft. Neben diesen beiden Staatsformen blieben ferner in beachtlichen Teilen Europas, im deutschen Altsiedelland ebenso wie in Italien, die älteren territorialstaatlichen Bildungen erhalten. Im deutschen Raum gelang es nur dem auf Kolonialboden erwachsenen östlichen Flügel, zu staatlicher Konzentration zu gelangen, nämlich den Königreichen Sachsen und Preußen.
Die Aufklärung
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kommt es in zahlreichen europäischen Staaten zu einer Weiterentwicklung des absolutistischen Systems. Die Aufklärung ging hierbei von den Herrschern aus (Abb. 3.33), deren Namen der Abbildung zu entnehmen sind ebenso wie die Namen der nationalen Vordenker. Die Aufklärung verbreitete sich über die Salons des Adels und des Bürgertums und die Kaffeehäuser in den intellektuellen Circles, von Lissabon bis St. Petersburg, von Neapel bis Dublin. Zeitungen und Enzyklopädien waren die neuen Informationsmedien. Die Aufklärung blieb jedoch einer gebildeten Elite vorbehalten, die sich um die soziale Frage noch nicht gekümmert hat.
Großbritannien beendete mit dem Gesetz Ha-beas Corpus 1679 die Willkür der absolutistischen Exekutive und sicherte mit der "Bill of Rights (1689) die Unabhängigkeit des Parlaments gegenüber dem englischen König. Es ersparte sich damit die französischen Revolutionen von 1789 und 18i*8.
Mit der "Bill of Rights bot Großbritannien seiner Kolonie Virginia in Nordamerika das Vorbild für eine eigene Verfassung und letztlich für die Erklärung der Unabhängigkeit von England (Abb.3.31*). Die französische Nationalversammlung verabschiedete im August 1789 die "Deklaration des droits de l'homme et du citoyen (Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers), wonach "Ziel jeder politischen Vereinigung die Erhaltung der natürlichen und unabdingbaren Menschenrechte ist. Diese Rechte sind die Freiheit, das Eigentum, die Sicherheit und der Widerstand gegen die Unterdrückung (Heidelmeyer 1997, S. 57). Die Gleichheit der Menschen bezog sich jedoch nur auf Männer; Frauen waren ausgeschlossen (Men-schlik 1972, S. 52).