Welche Methoden werden bei der Untersuchung angewandt?
Für die Entdeckung von Organisationskultur können grundsätzlich zwei Arten von Untersuchungsmethoden angewandt werden (vgl. Sackmann 1991, S.299).
1. Dedukti Untersuchungsmethode - "outsider perspecti" - "etic view":
Die Forscher betreten als Outsider die Organisation und beobachten das, was sie persönlich als relevant betrachten. Sie rsuchen, die Daten zu generalisieren und allgemeine Gesetze darüber aufzustellen. Kultur wird als eine Variable unter vielen anderen betrachtet, die rändert und kontrolliert werden kann.
2. Indukti Untersuchungsmethode - "insider perspecti" - "emic view":
Die Forscher stellen Hypothesen - keine allgemeinen Gesetze - über die Organisationskultur auf, indem sie als Insider, als Teilnehmer der Organisation, die Grundannahmen der Organisationsmitglieder zu rstehen rsuchen. Bei dieser Untersuchungsmethode gehen die Forscher davon aus, daß die Organisation eine Kultur ist, und sie bemühen sich um ein gründliches Verstehen des kulturellen Kontextes.
Je nachdem ob die Forscher eher aus der Perspekti eines Insiders oder eines Outsiders die Organisationskultur untersuchen wollen, hängt es ab, welche der folgenden sechs Methoden sie primär rwenden, was die nachstehende Abbildung zum Ausdruck bringt. Dabei muß betont werden, daß bei der Untersuchung von Organisationskultur meist mehrere der angeführten Methoden rwendet werden, um deren jeweilige Vor- und Nachteile nützen zu können.
"Outsider" Perspecti -
Dedukti Methode
"Insider" Perspecti -
Indukti Methode
Vorstrukturierte Fragebögen
Strukturierte Interviews
Dokumenten-analyse
Gruppen-diskussion
Qualitati Interviews
Teilnehmende Beobachtung
Abbildung 3: Art der rwendeten Methoden (entnommen aus: Sackmann 1991, S. 201)
Im folgenden werde ich die einzelnen Methoden näher beschreiben und ihre Vor- und Nachteile erläutern.
1.1. Vorstrukturierte Fragebögen
Vorstrukturierte Fragebögen haben den Vorteil, daß eine große Anzahl von Personen befragt werden kann und die Kosten der Durchführung und Analyse gering sind, insbesondere wenn es sich um geschlossene Fragen handelt. Sie haben weiters den Vorteil, daß Vergleiche und Generalisierungen möglich sind und die Kriterien der Objektivität und Verläßlichkeit annähernd erfüllt werden können. Die Nachteile liegen vor allem darin, daß sich die Interviewten durch die Vorgabe der Fragen an die Kultur der Interviewer anpassen müssen und die Validität[1] nicht gegeben sein muß. Bei der Anwendung dieser Methode muß ein Vorwissen der Forscher über die Organisationskultur bereits vorhanden sein, um "passende" Fragen stellen zu können.
1.2. Strukturierte Interviews
Bei strukturierten Interviews werden allen Befragten dieselben, vorformulierten Fragen während eines Gesprächs gestellt. Durch die Standardisierung der Fragen kann eine große Anzahl von Personen mit relativ geringem Aufwand interviewt werden, und sie ermöglicht eine einfache Durchführung der Interviews. Eine Vergleichbarkeit der Antworten und daraus resultierende Generalisierungen sind bis zu einem hohen Grad möglich. Die Kriterien der Objektivität und Verläßlichkeit können bei der Erstellung der Fragen, der Sammlung der Daten, der Datenanalyse und Interpretation der Ergebnisse eingehalten werden. Allerdings neigt diese Methode dazu, mehr über die Kultur der Forscher als über jene der Interviewten auszusagen - die Validität der Methode kann in Frage gestellt werden. Strukturierte Interviews sind darüber hinaus kostenintensir als Fragebögen.
1.3. Dokumentenanalyse
Diese Methode wird sowohl bei deduktin als auch bei induktin Untersuchungen angewandt. Dabei werden schriftliche Dokumente im Hinblick auf die Art der Information, die Menge an Information und ihren Grad an Formalität analysiert.
1.4. Gruppendiskussionen
Gruppendiskussionen über "kulturelle Themen" können jene rborgenen Werte zum Ausdruck bringen, die von Einzelnen bewußt oder unbewußt geheim gehalten werden. Durch die ihr zugrundeliegende Gruppendynamik können persönliche Meinungen von den cultural beliefs unterschieden werden, was bei Einzelinterviews oft sehr schwer auseinanderzuhalten ist. Dafür bedarf es aber einiger Fähigkeiten der Forscher:
¨ Grundsätzlich muß jene Gruppe ausgewählt werden, die für den Forschungsgegenstand geeignet ist.
¨ Die Forscher müssen mit Feingefühl internieren, um die rborgen gehaltenen Aspekte und Tabus ans Licht zu bringen.
¨ Der der Diskussion zugrundeliegende Prozeß muß beobachtet werden.
¨ Die Forscher müssen sich ihrer eigenen kulturellen Basis bewußt sein, da sie diese kulturelle Basis in ihrer Rolle als teilnehmende Forscher beeinflußt.
1.5. Qualitati Interviews
Qualitati Interviews werden auch "in-depth interviews" genannt, weil man bei der Untersuchung der Organisationskultur mit Hilfe dieser Methode jene tiefer liegenden, rborgenen Werte, Wissensstrukturen und Überzeugungen zum Vorschein bringen will, die die Organisationskultur letztlich prägen. Je nach dem Training der Forscher unterscheidet man ethnographic, clinical und phenomenological Interviews (vgl. Sackmann 1991, S.301).
Qualitati Interviews weisen folgende Merkmale auf (vgl. Lamnek 1995, S. 35ff):
¨ Qualitati Interviews sind der alltäglichen Gesprächssituation angepaßt. Daher ermutigen sie zu lebensnahen Antworten.
¨ Es werden ausschließlich offene Fragen zu einem vorgegebenen Thema gestellt.
¨ Da es sich häu um persönliche Themen handelt, werden lediglich Einzelbefragungen durchgeführt.
¨ Bei Unklarheiten oder Unvollständigkeit in den Antworten sind die Forscher angehalten, die Befragten zu bitten, bestimmte Außerungen näher zu erläutern oder zu interpretieren.
¨ Die Forscher halten sich beim Interview zurück und lassen die Interviewten sprechen, die nicht bloß Datenlieferanten sind, sondern - im Gegenteil - das Gespräch qualitativ als auch quantitativ determinieren.
¨ Während der Interviewsituation reagieren die Forscher auf die Bedürfnisse der Befragten und sind stets offen für Unerwartetes. Somit ist der Interviewprozeß nicht vorherbestimmt, sondern entwickelt sich im Laufe des Gesprächs.
Bei qualitatin Interviews werden den Befragten manchmal auch symbolische Fragen gestellt, wie z.B. "Wenn Sie die Organisation mit einem Tier / einem Gebäude / einer Märchenur rgleichen müßten, welche Tierart / Gebäude / Märchenur kommt Ihnen dabei in den Sinn?" Mit Hilfe dieser Frage können Grundannahmen zum Vorschein kommen, die sich in den Symbolen rsteckt halten.
Qualitati Interviews rlangen seitens der Forscher viel Einfühlungsrmögen in die Interviewsituation. Die Analyse und Durchführung derartiger Interviews ist mit hohem Zeitaufwand rbunden. Im Vergleich zu standardisierten Interviews sind rallgemeinernde Aussagen schwer möglich, da der Verlauf der Interviews von den Forschern nicht im vorhinein determiniert werden darf. Somit können rschiedene Interviews zu einem gleichen Grundthema sehr dirgierende Informationen liefern.
1.6. Teilnehmende Beobachtung
Die teilnehmende Beobachtung wird insbesondere von Anthropologen und Ethnographen rwendet. Das Ziel dieser Methode ist es, die zu untersuchende Organisationskultur zu erleben, indem die Forscher eine Zeitlang in der natürlichen Lebenswelt der Beobachteten - der Organisationsmitglieder - mitleben.
Folgende Aspekte sind grundlegend für eine teilnehmende Beobachtung (vgl. Lamnek 1995, S. 243ff):
¨ Die teilnehmende Beobachtung ist grundsätzlich eher unstrukturiert und weist lediglich einen Untersuchungsrahmen auf, innerhalb dessen die Forscher einen freien Spielraum für ihre Beobachtungen haben.
¨ Die teilnehmende Beobachtung erfolgt in face-to-face-Interaktionen. Die Beobachter werden selbst Teil des Beobachtungsfeldes.
¨ Die Forscher sind stets offen und flexibel für die Entwicklungen und Veränderungen im sozialen Feld. Der Gegenstand und die Perspekti der Beobachtung entwickeln sich erst im Zeilauf.
¨ Eine teilnehmende Beobachtung ist natürlich und authentisch, weil die Forscher in der natürlichen Lebenswelt beobachten - es handelt sich nicht um eine Laborsituation.
¨ Durch eine teilnehmende Beobachtung können nur Ausschnitte aus der sozialen Realität erfaßt werden, da die Beobachtung zeitlich und räumlich begrenzt ist.
Die Anforderungen an die Forscher im Rahmen einer teilnehmenden Beobachtung sind sehr hoch. Von ihnen wird schließlich rlangt, daß sie sich sosehr in die Beobachtungssituation hineinrsetzen, daß sie selber in der zu erforschenden Organisationskultur oder Subkultur zu leben imstande sind. Schließlich sollen sie anschließend ihre Beobachtungen interpretieren und Aussagen über die Organisationskultur treffen, in der sie eine Zeitlang gelebt haben.
Eine große Schwierigkeit bei dieser sehr aufwendigen und kostenintensin Methode liegt in der Tatsache, daß wir Menschen nur selektiv wahrnehmen können. So sprechen Krech und Crutchfield (vgl. Krech/Crutchfield 1985, S.68) von folgenden Wahrnehmungs- oder Beurteilungsfehlern, die ein rein objektis Beobachten unmöglich machen:
1. Halo- oder Hofeffekt: Anfänglich gefühlsmäßiger Gesamteindruck (positiv oder negativ) beeinträchtigt die Beurteilung.
2. Logischer Irrtum: Beobachter gehen davon aus, daß bestimmte Eigenschaften nur gemeinsam auftreten.
3. Mildeeffekt: Tendenz, daß positi Eigenschaften überbewertet und negati unterbewertet werden.
4. Projekti Ahnlichkeit: Tendenz, daß man anderen die eigenen guten und schlechten Eigenschaften zuschreibt - seine Kultur auf andere überträgt.
5. Stereotypisierung: Tendenz, daß man die zu beobachtenden Personen nach ihrer jeweiligen Gruppe bzw. Schichtzugehörigkeit mit deren "typischen" Eigenschaften beurteilt und somit nicht offen ist für neue Entwicklungen.
Trotz der Schwierigkeiten, die die Methode der teilnehmenden Beobachtung mit sich bringt, können die Forscher besser als mit jeder anderen Methode einen Gesamteindruck der vorherrschenden Organisationskultur - "a holistic understanding of culture from an insider's perspecti" (Sackmann 1991, S.202) - gewinnen.
1.7. Zusammenfassung
Wie ich eben angeführt habe, hat jede Untersuchungsmethode ihre Vor- und Nachteile für ein Verständnis von Organisationskultur. Um sich ein umfassendes Bild einer zu untersuchenden Organisation rschaffen zu können, soll daher eine Kombination von rschiedenen Methoden rwendet werden. So wird bei ethnographischen Untersuchungen z.B. oft so vorgegangen, daß einer teilnehmenden Beobachtung Interviews sowohl vorangehen als auch folgen. Schließlich soll das Ziel einer Untersuchung von Organisationskultur ja die Gewinnung einer holistischen Perspekti der Organisation sein.
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