1.1. Einleitung
Nicht selten wird heutzutage behauptet, eine Organisation habe eine gute oder schlechte Organisationskultur. Dabei wird davon ausgegangen, daß jeder weiß, was ein Unternehmen hat, welches eine gute Unternehmenskultur besitzt. Neuerdings spricht man auch immer öfter davon, daß eine Organisation keine Kultur hat, sondern vielmehr eine Kultur ist. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß die Kultur nicht ein Element einer Organisation neben vielen anderen - wie z.B. der Technologie - darstellt, sondern daß alles, was in einer Organisation beobachtbar ist, Ausdruck bestimmter zugrundeliegender Werte und Überzeugungen - der Kultur - ist.
Von dieser "Haben oder Sein" Diskussion abgesehen tun wir uns doch alle bereits schwer, die Begriffe "Kultur" oder "Organisationskultur" zu umschreiben. Dies zeigt auch die große Menge von rschiedenen Kulturdefinitionen, die in den letzten Jahrzehnten aufgestellt worden sind. So meinen Ajiferuke/Boddewyn:
"There are as many meanings of ,culture' as people using the term." (Ajiferuke/Boddewyn 1970, S. 154)
Dennoch gibt es viele Versuche, wesentliche Aspekte der rschiedenen Definitionen herauszufiltern. So haben Kroeber und Kluckholm rsucht, essentielle Definitionsbestandteile von 150 Kulturdefinitionen zu extrahieren. Danach gilt:
"Kultur
¨ wird strukturiert und erlernt,
¨ leitet sich aus menschlicher Vergangenheit ab,
¨ läßt sich in einzelne Bestandteile zerlegen,
¨ ist ein dynamischer und variabler Prozeß,
¨ zeigt wissenschaftlich erforschbare Regelmäßigkeiten,
¨ dient zur Anpassung des Individuums an die Umwelt und
¨ ist potentielles Mittel der Kreativität." (Scholz/Hofbauer 1990, S.17)
Diese allgemeinen Aspekte von Kultur gelten sowohl für die Kultur eines Landes als auch für die Kultur einer Organisation.
Bevor ich näher auf die Begriffe Organisationskultur und Unternehmenskultur eingehe, möchte ich klären, was unter einer Organisation rstanden wird. Kieser/Kubicek definieren Organisationen als:
"Soziale Gebilde, die
¨ dauerhaft ein Ziel rfolgen und
¨ eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe Aktivitäten der Mitglieder auf das rfolgte Ziel ausgerichtet werden sollen." (Kieser/Kubicek 1983, S.1)
Bei meiner vorliegenden Diplomarbeit gehe ich demnach davon aus, daß die Organisationskultur einen Oberbegriff darstellt für die Kultur von Unternehmen (Unternehmenskultur), öffentlichen Verwaltungen, Unirsitäten, Vereinen oder Krankenhäusern (vgl. Scholz/Hofbauer 1990, S. 17f). Verwende ich den Begriff "Unternehmenskultur", spreche ich explizit von der Kultur eines Unternehmens.
Was ist aber nun das Wesen einer Organisationskultur?
Viele Menschen haben zwar eine gewisse, gefühlsmäßige Vorstellung darüber, was eine Organisationskultur ausmacht, können den Begriff aber schwer abgrenzen. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, daß wir alle Mitglieder von rschiedenen Organisationen sind, in denen nicht die "gleiche" Kultur herrscht. Weiters ist es insbesondere bei großen Organisationen fast unmöglich, von einer Kultur zu sprechen, weil die Menschen, die die Organisation durch ihre Stellung und Persönlichkeit prägen, sich oft grundlegend voneinander unterscheiden. Um diesem Dilemma - Organisationskultur als ein einheitliches Phänomen zu beschreiben - zu entkommen, wurde der Begriff der Subkultur eingeführt. Kolbeck und Nicolai meinen dazu:
"Subkulturen bilden sich in dem Maße aus, wie sich das System ausdifferenziert. In Wirtschaftsorganisationen lassen sich beispielsweise in rschiedenen Abteilungen jeweils differierende Sinnkonstruktionen rmuten." (Kolbeck/Nicolai 1996, S.163)
Scholz und Hofbauer (vgl. Scholz/Hofbauer 1990, S. 120) treffen eine noch feinere Unterscheidung, auf welcher Ebene die Ausdifferenzierung stattfindet. Sie unterscheiden in:
¨ Vertikale Subkulturen: Sie entstehen bei dirsifizierten Unternehmen, also bei organisatorischer oder räumlicher Trennung der Unternehmensbereiche.
¨ Horizontale Subkulturen: Sie existieren quer über einzelne Spartensubkulturen. Jede Berufsgruppe - egal in welchem Land sich ein Unternehmen befindet - zeichnet sich durch "typische" Eigenschaften aus. So zeigen R&D-Manager z.B. oft langfristigeres Denken als Marketing-Manager.
¨ Lokale Subkulturen: Sie bilden sich an Schnittstellen von horizontalen mit rtikalen Subkulturen, wenn keine der beiden dominiert.
Im folgenden werde ich einige Begriffsdefinitionen von Organisationskultur wiedergeben. Trotz der Schwierigkeit, den Begriff zu definieren, erscheint es mir sehr spannend und wichtig, diesem "gefühlsmäßigen Etwas" ein Gesicht zu geben - denn: In den letzten beiden Jahrzehnten wurde immer deutlicher erkannt, daß der Unternehmenserfolg nicht so sehr von großen Innovationen der Unternehmensführung und fleißigen, pflichtbewußten, gehorsamen Mitarbeitern abhängt, sondern stark von einer Tatsache beeinflußt wird, die zusammenfassend mit "Unternehmenskultur" bezeichnet wird.
1.2. Einige Definitionen und Schwerpunkte bei der Untersuchung von Organisationskultur
1.2.1. Einleitung
Will man die Kultur einer Organisation kennenlernen, muß man sich zuvor bewußt machen, was man darunter überhaupt rsteht. Entsprechend der eigenen Definition und Vorstellung, was Organisationskultur ist, wird man bei der Untersuchung bestimmten Dingen mehr oder weniger Bedeutung zumessen. Im folgenden werde ich drei Definitionen wiedergeben und zeigen, welche Aspekte die einzelnen Autoren als wesentlich für eine Beschreibung von Organisationskultur erachten. Abschließend bringe ich Versuche von Autoren, die die in rschiedenen Definitionen teilweise sehr dirgierend enthaltenen Teilaspekte zu Grundelementen von Organisationskultur zusammenzufassen.
1.2.2. Definition nach Edgar Schein
Edgar Schein definiert die Kultur einer Gruppe -ein Unternehmen besteht ja meist aus einer Gruppe von Personen - folgendermaßen:
"Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird." (Schein 1995, S. 25)
Die vorliegende Definition birgt mehrere Voraussetzungen und Aspekte in sich (vgl. Schein 1995, S.21f):
1. Bestimmte Dinge werden von den Gruppenmitgliedern geteilt oder gemeinsam rtreten. Es handelt sich also um äußere Phänomene, die gängigerweise mit Kultur assoziiert werden, wie z.B.: Sprache, Bräuche, Traditionen, Gruppennormen, bekundete Werte, Klima, stillschweigend akzeptierte Spielregeln, rwurzelte Talente, Denkgewohnheiten.
2. Die Kultur setzt eine "Ebene struktureller Silität innerhalb der Gruppe" voraus - es handelt sich also nicht um kurzfristig gemeinsam geteilte oder rtretene Phänomene.
3. Kultur setzt voraus, "daß sich Rituale, Klima, Werte und Verhaltensweisen zu einem einheitlichen Ganzen fügen".
4. Eine Person kann erst dann Vollmitglied einer Gruppe sein, wenn sie "das Muster der gemeinsamen Grundprämissen" der Mitglieder erlernt hat. Dieser Prozeß geschieht durch das Beobachten und Befragen der Mitglieder.
5. Jedes Verhalten eines Mitglieds ist bestimmt von einer kulturellen Prädisposition und von den zufälligen Bedingungen einer Situation.
6. Gerade in großen Unternehmen ist es unmöglich von einer Unternehmenskultur zu sprechen. Im Laufe der Zeit bilden sich vielmehr Untergruppen, die eine Subkultur darstellen.
Während eines Gruppenbildungsprozesses, dem meist ein führendes Mitglied vorsteht, wird die entstehende Organisationskultur sehr stark von diesem beeinflußt. Führung und Kultur stehen also in einem engen Zusammenhang.
1.2.3. Die drei Ebenen von Kultur
Edgar Schein unterscheidet drei Ebenen von Kultur. Diese reichen von den durchaus sichtbaren Artefakten bis hin zu den tief rwurzelten, unbewußten Grundannahmen bzw. Grundprämissen. Letztere machen die Kultur einer Organisation aus - Schein bezeichnet sie als "die Essenz einer Kultur". Will man eine Aussage über eine Organisationskultur treffen, muß man die Grundprämissen ergründen, auch wenn diese schwer zu erforschen sind.
Artefakte
Folgende Abbildung zeigt die drei Ebenen von Kultur in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit:
Bekundete
Werte,Grundprämissen
Abbildung 1: Die drei Ebenen von Kultur (entnommen aus: Schein 1995, S. 30)
1.2.3.1. Artefakte
Bei den Artefakten handelt es sich um sichtbare Strukturen und Prozesse in einem Unternehmen. Sie umfassen all jene Phänomene, die man sieht, hört und fühlt, wenn man einer noch unbekannten Unternehmenskultur entgegen tritt. Dazu gehören die Ausstattung von Räumen, die Sprache und Sprechweise der Gruppe, ihre Kleidung, die Legenden und Geschichten, die über das Unternehmen erzählt werden sowie gewisse, beobachtbare Rituale und Zeremonien. Artefakte können leicht beobachtet werden, sind aber schwer zu entschlüsseln. So können Unternehmen zwar gleiche oder ähnliche Artefakte aufweisen, deren Bedeutung kann aber völlig unterschiedlich sein.
1.2.3.2. Bekundete Werte
Bekundete Werte stellen Strategien, Ziele oder eine Philosophie dar, die von einem Organisationsmitglied oder einer Gruppe von Mitgliedern artikuliert werden und deren Sinnhaftigkeit von ihnen gerechtfertigt wird. Die Werte werden insbesondere von den führenden Mitgliedern einer Gruppe rtreten. Bei dieser Ebene von Kultur handelt es sich allerdings noch nicht um rinnerlichte Werte, also nicht um Werte, die von allen Mitgliedern als "richtig" oder "falsch" bezeichnet werden, ohne sie näher zu hinterfragen.
1.2.3.3. Grundprämissen
Die Grundprämissen oder Grundannahmen sind "zu etwas solch Selbstrständlichen geworden, daß man innerhalb eines kulturellen Verbands nur auf geringe Unterschiede trifft." (Schein 1995, S.33) Ohne die Grundannahmen zu kennen oder zu erahnen, können auch die Artefakte nicht richtig interpretiert und die Glaubwürdigkeit der bekundeten Werte nicht angemessen beurteilt werden.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß eine Beobachtung der Artefakte und bekundeten Werte für die Entschlüsselung der Grundannahmen sehr hilfreich ist. Wenn man die Kultur eines Unternehmens nämlich rstehen will, ist es unabdingbar, die Grundprämissen zu erforschen, denn diese beeinflussen die bekundeten Werte, die sich wiederum auf die Artefakte auswirken. Eine Organisationskultur kann sich schließlich nur dann rändern, wenn sich die Grundannahmen ändern, worauf führende Persönlichkeiten unter Umständen einen großen Einfluß haben können.
1.2.4. Definition nach Sonja Sackmann: Das Eisbergmodell
Ahnlich wie Edgar Schein meint Sonja Sackmann, daß die gemeinsamen Artefakte und Verhaltensweisen Ausdruck einer Organisationskultur sind, die relativ leicht beobachtbar ist, auch wenn sie die darunter liegenden kognitin Komponenten, die die Kultur im Grunde genommen ausmachen, nicht genau widerspiegeln müssen. Genau um die beobachtbaren Manifestationen von den darunter liegenden Grundannahmen zu unterscheiden, führt sie das Eisbergmodell ein:
"Visualizing culture in the shape of an iceberg may help clarify the difference in accessibility between cultural manifestations and cogniti components." (Sackmann 1991, S. 297)
Die Spitze des Eisbergs bilden laut Sackmann die Manifestationen, die sie unterteilt in:
- Artefakte
- Verbales und nonrbales Verhalten
Die Grundfeste des Eisbergs bezeichnet sie als Grundannahmen.
Die folgende Graphik zeigt das Eisbergmodell:
Abbildung 2: An Iceberg Model of Culture (entnommen aus: Sackmann 1991, S. 298)
Die Manifestationen sind Zeichen der kulturellen Wirklichkeit, aber keine eindeutige Hilfe, diese Wirklichkeit zu erkunden. Wenn eine Kulturstudie sich lediglich auf die "corporate artifacts" konzentriert, können zwei große Probleme auftreten. Erstens können die Artefakte nur Relikte der Vergangenheit sein und mit der aktuellen Organisationskultur nichts mehr zu tun haben. Zweitens können ähnliche Artefakte und Manifestationen in rschiedenen Organisationen Zeichen für unterschiedliche Grundannahmen darstellen. Man denke dabei an den unterschiedlichen Gebrauch der Pyramiden in Mexiko (zur Sonnenanbetung) und Agypten (als Gräber). Auch für das rbale und nonrbale Verhalten gilt ähnliches: Gleiche Worte, Witze oder Rituale, die in rschiedenen Organisationen rwendet werden, müssen nicht notwendigerweise Ausdruck gleicher Grundannahmen sein.
Worüber hat eine Organisationen aber Grundannahmen?
1. Über Prioritäten: Was ist wichtig zu tun? Welche Angelegenheit wird einer anderen vorgezogen. - z.B.: Welche Entscheidung muß als erstes getroffen werden?
2. Über Prozesse: z.B. Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie werden die Mitarbeiter informiert?
3. Über Ursachen: z.B.: Warum ist es zu einem Fehler gekommen?
4. Über Verbesserungen: z.B.: Wie können Prozesse oder Fehler rbessert werden? (vgl. Sackmann 1991, S.298)
Bei der Untersuchung der Unternehmenskultur muß sehr vorsichtig vorgegangen werden, um jene rsteckten, gemeinsam gehaltenen, "rinnerlichten" Grundannahmen zu erforschen, die den beobachtbaren Manifestationen zugrunde liegen. Schließlich kann ja die Spitze eines Eisbergs nur ein tragendes Fundament haben. Ohne dieses Fundament - den Grundannahmen - gäbe es auch keine Spitze - keine Manifestationen.
1.2.5. Definition nach Scholz/Hofbauer
Christian Scholz (1987) gibt folgende Definition von Organisationskultur:
"Organisationskultur ist das implizite Bewußtsein einer Organisation, das sich zum einen aus dem Verhalten der Organisationsmitglieder ergibt und das selbst als kollekti Programmierung die Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder beeinflußt." (zitiert in: Scholz/Hofbauer 1990, S.5)
Scholz zeigt mit seinem Verständnis von Organisationskultur auf, daß zwischen dem Verhalten der einzelnen Organisationsmitglieder und der Organisationskultur, die er als "implizites Bewußtsein einer Organisation" bezeichnet, eine Wechselbeziehung besteht. Einerseits ergibt sich das "implizite Bewußtsein" einer Organisation aus den Verhaltensweisen der Mitglieder - die Mitglieder sind also die tragenden Elemente des Konstruktes "Organisationskultur" - andererseits beeinflussen die kollektin Verhaltensweisen das Verhalten einzelner Mitglieder.
Mit seiner Aussage personifiziert Scholz die Unternehmenskultur, weil normalerweise nur Menschen im Besitz eines Bewußtseins sind. Einen Vergleich der Organisation mit dem Menschen machen auch Kilmann und Nicklisch, wenn sie meinen:
"Culture is to the organization what personality is to the individual - a hidden yet unifying theme that provides meaning, direction, and mobilization." (Kilmann 1989 zitiert in: Schlolz/Hofbauer 1990, S.12)
"Nicht das Kapital, sondern der Geist der Arbeit ist die Seele der Unternehmung." (Nicklisch 1922 zitiert in: Scholz/Hofbauer 1990, S.15)
Was kennzeichnet nun aber das "implizite Bewußtsein einer Organisation"?
Scholz und Hofbauer (1990, S. 19) nennen vier Elemente, die eine Organisationskultur bestimmen:
¨ Werte:
"Sie drücken ,Gewünschtes' aus, umfassen somit den gesamten Bereich menschlicher Präferenzen. Werte sind bewußte, kogniti Präferenzstrukturen, die das Entscheidungsfeld einengen und die als implizite Entscheidungsregeln wirken." (Scholz/Hofbauer 1990, S.19)
¨ Grundannahmen:
Bewähren sich die Werte und führen sie zum Erfolg, werden sie zu Grundannahmen, die das Verhalten sehr stark beeinflussen.
¨ Einstellungen:
Diese sind situationsabhängig (im Gegensatz zu Werten und Grundannahmen) und können sich rasch ändern.
¨ Normen:
Sie dienen zur Standardisierung und zeigen, was innerhalb einer Kultur als "gut und richtig" bewertet wird.
Die eben genannten Kulturelemente sind unsichtbar und werden durch Kulturmedien sichtbar gemacht. Die Kulturmedien sind ungefähr rgleichbar mit den Artefakten (vgl. Schein und Sackmann). Letztlich sind es sie, die die Kultur an Außenstehende rmitteln können.
Scholz und Hofbauer nennen folgende Kulturmedien (vgl. Scholz/Hofbauer 1990, S. 20ff):
¨ Helden: Durch ein besonderes Charisma, das jene Personen ausstrahlen, stehen sie für die Leistungen einer Organisation und symbolisieren bevorzugte Werte und Erfolge. Nicht selten tragen Unternehmen ihren Namen - z.B. die Ford Motor Company von Henry Ford.
¨ Geschichten: Sagen, Legenden und Mythen, die von einer Generation an die nächste weitererzählt werden, können sehr viel über die Kulturelemente aussagen.
¨ Riten, Rituale: Feste, Veranstaltungen oder Sitzungen in Firmen laufen meist nach einem gewissen Schemata ab. Für langjährige Beschäftigte sind derartige Rituale schon längst in "Fleisch und Blut" übergegangen und sie stellen sich nicht mehr die Frage, warum es diese Rituale gibt, weil sie schon zu selbstrständlich sind. Über die Organisationskultur können Riten allerdings viel Auskunft geben.
¨ Sprache: Insbesondere Slogans können viel über eine Organisationskultur aussagen, wenn sie nicht lediglich der Werbung willen geschaffen wurden.
¨ Architektur: Da die Organisationsmitglieder ständig von der Architektur eines Unternehmens umgeben sind, werden sie von dieser stark beeinflußt. So rmittelt eine äußerst moderne Betriebsanlage für die Beschäftigten und für Außenstehende viel von der dort herrschenden Unternehmenskultur.
¨ Logos, Embleme: Sie rraten eine Art "organisatorisches Unterbewußtsein".
¨ Kleidung: Offizielle oder inoffizielle Kleidervorschriften lassen oft einen Rückschluß auf die Organisationskultur zu. Auch wenn es keine derartigen Vorschriften gibt, kann man gerade aufgrund dieser Tatsache auf die jeweilige Kultur schließen.
¨ Witze: Auch die Art der Witze, die sich die Organisationsmitglieder erzählen, können Aussagen über die Unternehmenskultur liefern.
Scholz und Hofbauer sprechen von vielen Kulturmedien, die Aussagen über eine Organisationskultur machen können. Es ist jedoch wichtig, bei der Interpretation dieser Medien vorsichtig vorzugehen, um das erkennen zu können, was sie tatsächlich über die vorherrschende Kultur aussagen und nicht was der Beobachter lediglich aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen "hineininterpretiert".
Bei der Erforschung der Unternehmenskultur geht es ja schließlich darum, jene Kulturelemente zu ergründen, die in der Realität das Leben der Organisationsmitglieder prägen. Dafür scheint mir die folgende Aussage sehr hilfreich:
"Um zu einem umfassenderen Bild der Wirklichkeit zu kommen, sollten wir uns unserer Paradigmen und Annahmen bewußt werden. Dazu ist es notwendig, unseren Platz, unseren geistigen Standort zu wechseln, indem wir uns z.B. in die Lage eines anderen Menschen (der Mitarbeiter, der Kunden) rsetzen. Dadurch bekommen wir einen neuen Blickwinkel, der es uns ermöglicht, die Dinge anders zu sehen." (Freilinger 1994, S. 30)
1.2.6. Übergreifende Definitionen
Versuche, die wichtigsten Facetten des schillernden Konzeptes "Organisationskultur", die in rschiedenen Definitionen enthalten sind, herauszuarbeiten, stammen von Neuberger und Schreyögg (vgl. Rosenstiel 1993, S. 14f).
Laut Neuberger ist die Kultur das Insgesamt an Gestaltungen, die von Menschen geschaffen bzw. weitergegeben wurden. Diese Gestaltungen sind weithin akzeptiert, werden von (fast) allen geteilt und bilden ein relativ stimmiges System oder ein kohärentes Muster - eine Ganzheit - , das Subkulturen allerdings nicht ausschließt. Weiters sind der Inhalt und die Formen dieser Gestaltungen gruppenspezifisch und einmalig. Das heißt: Die Gruppe oder Epoche unterscheidet sich von anderen aufgrund des ihr eigenen Stils, Charakters oder Typs. Diese zeit- und gruppenspezifischen Gestaltungen sind ständig im Wandel begriffen, werden weiterentwickelt und umgeformt. Sie sind zugleich Ergebnis als auch Mittel sozialer Interaktionen und manifestieren sich in konkreten Produkten und Praktiken. Schließlich erfassen und durchdringen sie den ganzen Lebensprozeß und können auf die Bewältigung wichtiger Probleme bezogen werden (vgl. Neuberger 1989 in: Rosenstiel 1993, S.15).
Schreyögg nennt folgende Kernelemente der Organisationskultur:
Die Organisationskultur ist demnach ein implizites Phänomen, das das Selbstrständnis und die Eigendefinition der Organisation prägt. In der Regel wird sie nicht reflektiert, sondern als selbstrständlich angenommen. Weil sich die Organisationskultur auf gemeinsame Orientierungen und Werte bezieht, macht sie organisatorisches Handeln einheitlich und kohärent. Sie ist weiters das Ergebnis eines Lernprozesses im Umgang mit Bedingungen innerhalb und außerhalb einer Organisation. In der komplexen Welt, in der die Mitglieder einer Organisation leben, rmittelt die Organisationskultur Sinn und Orientierung, reinheitlicht die Interpretation der vielschichtigen Umwelt und enthält Handlungsprogramme. Wichtig ist, daß Organisationskultur nicht bewußt gelernt wird, sondern sie ergibt sich aus einem Sozialisationsprozeß, der dazu führt, daß aus einer kulturellen Tradition heraus gehandelt wird. (vgl. Schreyögg 1992 in: Rosenstiel 1993, S.15)
Vielen Definitionen von Organisationskultur ist es gemein, daß es sich dabei um ein Phänomen handelt, das sehr facettenreich und schwer erforschbar ist. Bei der Untersuchung von Organisationskultur muß daher auf alles geachtet werden, was in einer Organisation zu beobachten ist, oder wie Professor Mike Agar (Unirsity of Maryland) im Bezug auf ethnographische Untersuchungen - sinngemäß - betont:
"Erything can be used as data."
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