1. Der Begriff Expressionismus in Literaturgeschichte
Es ist klar für alle Literaturwissenschaftler oder Literaturtheoretiker, die mit der Forschung der Literaturgeschichte der Zeitspanne zwischen 1910 und 1925 beschäftigt sind, also mit der Epoche, die man als Expressionismus kennt, dass der rsuch um eine komplexe und richtige einführende Darstellung dieser Epoche zu geben, auf sehr große Schwierigkeiten trifft. Auch die Bestimmung dieses Epochenbegriffs hat zu viele verschiedene Varianten. Man kann bemerken, dass es zu viele unterschiedliche rsuche waren um eine Epoche zu definieren, obwohl diese Epoche mit einer großen Anzahl von Einflüssen, Tendenzen und Autortalenten konfrontiert ist, deren Zusammenwirken die Entstehung expressionistischer Kunst bedingen.
Der Begriff Expressionismus stammt vom lateinischen Wort “expressio” (=Ausdruck) und bedeutet “Ausdruckskunst”.
Es gibt mehrere Varianten von Definitionen, die die Bewegung zu erklären versuchen. Drei besonders typische Definitionsvarianten möchte ich hier ausführlich zitieren und analysieren. Hier noch stärker das jeweils Charakteristische heraustellen.
„Der Begriff Expressionismus ist verwendet zur Bezeichnung einer alle Künste umfassenden Stilrichtung des frühen 20. Jahrhunderts, vor allem in Deutschland. Nahezu gleichzeitig mit dem Expressionismus in der bildenden Kunst entwickelte sich in Deutschland der Expressionismus als eine literarische Generationsbewegung der etwa zwischen 1875 und 1895 Geborenen, bei stark individueller Ausprägung übereinstimmend in der Radikalität der die Tradition durchbrechenden Kunsttheorie und -praxis. Typisch für den Expressionismus waren zahlreiche, oft nur kurzlebige Zeitschriften der expressionistischen Gruppen („Der Sturm“, 1910–32; „Die Aktion“, 1911–32; „Die weißen Blätter“, 1914–21).“ [1]
Eine andere Definitionsvariante wäre:
„Der Expressionismus ist eine überwiegend deutsche, farbenbunte Kunst- und Literaturrebellion und wird in der Zeit zwischen 1905 und 1914/20 angesiedelt, von der Gründung der Künstlervereinigung „Brücke“ in Dresden bis zum Kriegsausbruch beziehungsweise Ende des Krieges.“ [2]
„Der Expressionismus ist eine sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts, um 1905/06 durchsetzende Stilrichtung in bildender Kunst und Literatur. Der Expressionismus kann als Reaktion auf Naturalismus und Impressionismus gedeutet werden.“ [3]
„Der Begriff Expressionismus wird 1911 zum ersten Mal fürdie jungen französischen Maler der 2 Berliner Sezession gebraucht. Ihr Hang zur Übertreibung in Gestik, Form und Farbigkeit und zur gegennaturalistischen rformung des äußeren Erscheinungsbildes hatte entsprechungen in der Dichtung, was Kurt Hiller zur Übertragung dieses Stilbegriffes auf die Literatur veranlaßte.“[4]
„Eine moderatere rsion der Avantgarde-Literatur elierte sich zuvor in Deutschland mit dem Expressionismus. Auch der Expressionismus ist nur kurzlebig gewesen; im Kern entwickelte er sich zwischen 1910 und 1920. Als literarische Bewegung ist er ein spezifisch deutsches Phänomen, das aber wichtige Impulse von expressionistischen Malern wie Paul Cézanne, Vincent van Gogh und Henri Matisse erhalten hat.“[5]
Man kann leicht bemerken, dass alle Definitionen eine zeitliche Beschränkung des Expressionismus, ohne konkrete, deutliche Erklärung geben, ohne Stilmerkmale, Eigenschaften zu beschreiben. Diese Definitionen versuchen zu beschreiben, was Expressionismus nicht ist oder verstehen ihn im Gegensatz zu Impressionismus und Naturalismus zu stellen. Es ist das einzige Mittel um Expressionismus zu definieren, weil alle weiteren rsuche um diese Bewegung einfach und klar zu definieren, problematisch sind.
Im Zusammenhang mit der 2 Ausstellung der Berliner Sezession wird der Begriff “Expressionismus“ zur Bezeichnung der Bilder junger französischer Maler, wie Braque, Derain, Dufy, Picasso und Vlaminck gebraucht; von Rezensenten übernommen. 1911 überträgt Kurt Hiller als erster den Begriff auf die jungen Dichter und schreibt in „Literatur und Wissenschaft“, der monatlichen Beilage zur Heidelberger Zeitung:
“Wenigstens erschienen uns jene Astheten, die nur zu reagieren verstehen, die nur Wachsplatten für Eindrücke sind und exakt-nuancesam arbeitende Deskribiermaschinen (…) als ehrlich inferior. Wir sind Expressionisten. Es kommt uns wieder auf den Gehalt, das Wollen, das Ethos an”.[6]
„Expressionisten“ nannte er die Mitglieder des im März 1909 in Berlin gegründeten Neuen Club und des aus ihm 1911 hervorgegangenen „Neo-pathetischen Kabaretts“. Die Gruppierung, der u.a. Ernst Blass, Jakob van Hoddis und Georg Heym angehörten, gilt als literarische Keimzelle der Bewegung.
Die jungen Schriftsteller selbst nannten sich allerdings nicht „Expressionisten“ und sie wollten einer bestimmten ästhetischen Kategorie nicht angehören und unter einigen bestimmten ästhetischen Gesichtspunkten gelesen werden. Gemeinsam sind ihnen jedoch einige Ziele und Richtlinien gegen das wilhelminische Bürgertum und gegen der impressionistische Asthetik.
Die häufig konstatierte große Variationsbreite im Gebrauch verschiedener Definitionen und Grundformeln, kann man durch die quantitativ erstaunliche Teilnahme von Hunderten der unterschiedlichsten Autorentalente erklären. Nicht nur die große Anzahl der verschiedenen Autoren, sondern auch die entscheidende Differenzen im Stil und in der jeweiligen Entwicklung bzw. in der Reaktion auf die politischen und gesellschaftlichen ränderungen. Der originelle und individuelle Tonalität und das Lebensgefühl der expressionistischen Autoren müssen wir auch bemerken, als Grundlage für die Schwierigkeiten, auf der eine beschriebende Definition des Expressionimus aufbauen will. Deshalb ist ein „richtiger“ und konkreter Epochenbegriff des „Expressionismus“ schwer zu formulieren. Der Begriff umfasst nicht nur als eine Sammelbezeichnung Schriftsteller, die in den Voraussetzungen und Zielen ihres literarischen Schaffens scheinbar miteinander unvereinbar sind, sondern er wird darüber hinaus auch zur Bestimmung von Stilepochen der bildenden Künste und der Musik verwendet. Im literaturwissenschaftlichen Gebrauch suggeriert der Begriff häufig eine Einheit des Epochenstils, die es in Wirklichkeit niemals gab. Aufgrund seiner rschiedenheit und Individualität kann die gegenwärtige Literaturgeschichte eine bestimmte, richtige Definition des Begriffes mit einer Zusammenstellung von Merkmalen oder Eigenschaften nicht vollständig formulieren. Die Eigenschaften der Literatur des Expressionismus sind verschieden, obwohl es etwas gibt, das diese Autorentalente verbinden kann. Es gibt ein starkes und homogenes Lebensgefühl, das als Charakteristik betrachtet werden kann.
Wenn man über die Epoche des Expressionismus spricht, konfrontiert man sich mit so einer großen Anzahl von Namen, Talenten, Klassifizierungen, Definitionen und Erklärungen, dass über diese Epoche zu sprechen fast unmöglich ist ohne die Epoche nach einigen Motiven, Themen oder Namen zu begrenzen. Deshalb hat G.P. Knapp in seinem Buch „Die Literatur des deutschen Expressionismus“ die folgende Auffassung vertreten:
„Allein zahlenmäßig bietet die Epoche des deutschen Expressionismus, wenn man sie etwa in den Jahren von 1910 bis 1925 ansetzt, eine fast unübersehbare Vielfalt von Namen und Talenten, deren Aufnahme, Berücksichtigung und Klassifizierung eine enzyklopädisches Vorgehen diktieren müsste. Eine überschauende und überschaubare Darstellung der Epoche kann ohne notwendige reinfachung, ohne Beschränkung aufs Exemplarische und Nivellierung des Spezifischen nicht auskommen, will sie das Phänomen Expressionismus als Ganzes in einem vertretbaren quantitativen Rahmen zu entfalten versuchen. Es wäre unzulässig auch eine naive Reduktion des Begriffes etweder auf den Bezirk des Asthetischen allein – keine künstlerische Stilprägung findet und befindet sich außerhalb gesellschaftlicher Entwicklungen – noch auf das Schlagwort von der Reaktion. Zwar begreifen sich die meisten Expressionisten als Bildstürmer und Schlächter der „heiligen Kühe der Wilhelminischen Bourgeoisie“, als Antipoden zu den ästhetischen rmittlungsprinzipien von Naturalismus und Impressionismus, obwohl es wäre naiv und gefährlich das Phänomen Expressionismus auf die Kategorie der Reaktion gegen die materielle Wirklichkeitsnachbildung im Naturalismus und die Wiedergabe subjektiv-sinnlicher Eindrücke im Impressionismus zu reduzieren. Der Begriff des Expressionismus meint selbst einen komplexen, aber wesenmäßigen Begriffszusammenhang, ein Bezugsystem von heterogener Begrifflichkeit, die am ehesten noch auf den gemeinsamen Nenner der historischen Kontinuität gebracht werden kann. Das Wort Expressionismus subsummiert gleichzeitige Autoren, deren Wirklichkeitserfahrungen und literarische Produkte gleichermaßen Gemeinsamkeiten
aufweisen. Eine Bewegung des Expressionismus jedoch ist letzten Endes das Wunschprodukt der Literaturgeschichtsschreibung.“[7]
Man darf nicht vergessen, dass die gesellschaftliche Entwicklung immer einen direkten Einfluss auf die Literatur hat und damit als Bestandteil nicht nur des ästhetischen Umbruchs, sondern auch der realpolitischen ränderungen des ersten Viertels dieses Jahrhunderts gesehen werden muss. Expressionistiche Literatur ist revolutionäre Literatur und die Darstellung des Phänomens Expressionismus wird nicht auskommen können, ohne sich der historischen und gesellschaftlichen Bedingungen, aus denen er entsteht und auf die er wiederum trifft, intensiv bewusst zu sein.
Warum ist eine klare Definition des Expressionismus fast unerreichbar?
Wie oben erklärt, ist es nahezu eine Pflicht für Literaturgeschichte und Literaturkritiker eine Erklärung und Analyse für jede literarische Strömung zu geben. Die Literaturgeschichte versucht, alle Bewegungen und Stilepochen zu definieren und zu kategorisieren, um eine chronologische Entwicklung oder ränderung während der Jahrzehnte abzubilden.
Man muss nur bemerken und verstehen, dass wenn man sich mit der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts beschäftigt, die Definitionen oder Katalogisierungen nicht mehr so klar und eindeutig sind. Man kann moderne Literatur nicht mehr so einfach betrachten, wie man das bei früheren Literaturbewegungen gemacht hat. Es ist einfach zum Beispiel frühere romantische oder klassische literarische Werke zu definieren und der Romantik oder der Klassik zuzuordnen, weil es für die Romantik oder die Klassik mehrere bestimmte Stilmerkmale, Themen sind, die romantische oder klassische Werke kennzeichnen und die als Hilfe für die Bestimmung einer Epoche oder einer Stilbewegung dienen.
Wenn man mit Expressionismus beschäftigt ist, kann man über eindeutige Stilmerkmale nicht mehr sprechen. Auch bei anderen Strömungen der modernen Literatur ist die Situation dieselbe, die mit dem Phänomen der Individualisierungs- und Originalisierungstendenzen der modernen Literatur erklärbar ist.
3. Historischer und gesellschaftlicher Hintergrund
Der Begriff, den wir heute Expressionismus nennen, wurde von der damaligen jungen deutschen Schriftstellergeneration getragen. Die meisten expressionistischen Autoren waren zwischen 1875-l895 geboren worden und obwohl sie sich in ihrer Individualität und Originalität unterschieden, bemerkt man, dass die ganze Bewegung durch gemeinsame Erlebnisse und bei den gemeinsamen Lebensgefühle verbunden wurde. Die ganze literarische und künstlerische Bewegung des Expressionismus wurde durch das Erlebnis der inneren Krise vor dem Ersten Weltkrieg bestimmt, geprägt und ausgelöst. Die Jugend protestierte gegen die autoritäre wilhelminische Vater-Gesellschaft, durch die sie sich als Außenseiter diskriminiert fühlte. Das Ende des Krieges 1918 und die fehlgeschlagene deutsche Revolution brachten dann den Höhepunkt des Gefühls, an einer Zeitwende zu stehen. Was damals geschah, bestimmte die politische und die literarische Entwicklung auf viele Jahre hinaus. Die Literatur des Expressionismus lässt sich als symbolischer Ausdruck kollektiver Krisenerfahrung lesen, die von den jungen Autoren des vorigen Jahrhunderts einerseits als Möglichkeit zur Befreiung von überalterten und nur noch zwanghaft aufrecht erhaltenen Orientierungsangeboten wahrgenommen, andererseits jedoch auch als rlust begriffen wurden. Denn wenn man alles zusammenrechnet, entstehen Leerstellen, die wieder gefüllt werden müssen.
Die Unsicherheit der politischen und gesellschaftlichen Situation der Zeit, sowie auch die parallele künstlerische, literarische und philosophische Bewegungen aus andere Ländern Europas und die Entwicklung der Technik und der Forschung haben einen großen Einfluss auf die literarischen Tätigkeiten des damaligen Künstlers gehabt. Um diese gesellschaftlichen, historischen Grundlagen zu präsentieren, soll die folgende ellarische Darstellung der Zeitspanne zwischen 1910 und 1925 dienen.
Zeitlich-literarische Einordnung
· Wichtige eigenständige literarische Epoche
· Literarische Paralellepochen:
Symbolismus (Frankreich 1890-l920)
Decadence (Frankreich 19. Jh.)
Jugendstil (19. Jh. -20. Jh.)
Surrealismus (erste Hälfte des 20 Jh.)
Dada (erste Hälfte des 20 Jh.)
Literartur der Weimarer Republik (1919-l933)
· Künstlerische Epochen zur Zeit des literarischen Expressionismus
Kubismus
Fauvismus / Expressionismus: Die Brücke, Der blaue Reiter
Futurismus
Orphismus
Gegenstandslose Kunst / abstrakte Malerei / Konstruktivismus
Pittura metafisica
Dadaismus
Surrealismus
Neue Sachlichkeit / magischer Realismus / sozialer Realismus
Hintergründe
· Politisch-historischer Hintergrund
Imperialismus
Unter Wilhelm II
- rnachlässigung innerpolitischer und sozialer Probleme
- rstärkte Militarisierung
- Turbulente Außenpolitik
Erster Weltkrieg (1914-l918)
- rsailler Friedensvertrag
- Reparationszahlungen
Weimarer Republik
- Inflation
- Demokratisierung des ehemaligen Kaiserreiches
· Philosophische Hintergrund
Henri Bergsons Philosophie
- Intuition und nicht der rstand kann das wesentliche erfassen
- Findet in Deutschland und Österreich Nachfolger
Friedrich Nietzsches Philosophie
- forderte der neuen so genannten „Übermenschen“
· Soziale und ethische Hintergründe
Gegen Enthumanisierung durch die Industrialisierung
Gegen die Gesellschaft der Großstadt, ohne Rücksicht und Moral
· Signifikante Fortschritte:
- 1905 Relativitätstheorie (Albert Einstein)
- 1911 Amundsen erreicht Südpol
- 1912 technische Neuerung nach untergang der Titanic
- 1913 Einführung der Fließbandarbeit (Henry Ford, USA)
- 1918 Frauenwahlrecht
Der Expressionismus kann betrachtet sein als eine Reaktion der künstlerischen Seele gegen die materielle Wirklichkeit dargestellt von Naturalisten und gegen die wiedergabe äußerer Eindrücke der Impressionisten. Die künstlerische Gestaltung erfolgte nun als rein geistiger Ausdruck innerlich geschauter Wahrheiten und seelischer Erlebnisse des Ichs unter freier Benutzung der äußeren Gegebenheiten wie Natur und Sprache. Man kehrte das Innerste nach außen.
„ Kunst wurde dabei zum Agitationsmittel. Denn die Forderung nach ästhetischer Neuerung verband sich zugleich mit Gesellschaftskritik, politischen Ideen und utopischem Entwurf. Der Expressionismus war mithin alles andere als eine l'art pour l'art-Bewegung. Man empörte sich über das Grauen der entseelten Welt. Man machte Front gegen eine ungeistige beziehungsweise avitale Wirklichkeit der zivilisatorischen Moderne, der Wissenschaft, der Technik und gegen das Phänomen der Masse, weil man fühlte, dass das Leben, die Seele oder das Gefühlsleben, menschliche Wärme und der Geist durch die zunehmende Vorherrschaft von Technik und Wissenschaft zu kurz kamen, Phänomene, an denen auch unsere Gegenwart leidet, und man wehrte sich dagegen mit allen Mitteln, vor allem mit den Mitteln der Kunst. Ernst Bloch schrieb in der zweiten Fassung von Geist der Utopie(1922) von der technischen Kälte.
Man protestierte, revoltierte, suchte nach neuen Werten und forderte einen neuen Menschen und ein neues Menschenideal.“[8]
„ Mensch“ ist geradezu zu einem Schlüsselwort des Expressionismus geworden. Die Forderung nach dem neuen Menschen kommt in vielen Titeln zum Ausdruck, wie Der Mensch in der Mitte, Menschheitsdämmerung oder Masse Mensch.
Die expressionistischen Künstler und Autoren fühlten sich als Außenseitern der Gesellschaft. Sie wollten sich nicht integrieren, sie versuchten Außenseitern zu bleiben, wie auch ihrer literarischen Hauptfiguren. Dieses rhalten ist in rbindung mit ihrer Antibürgerlichkeit zu sehen. Die negative Darstellung der bürgerlichen Welt stand im Zentrum der expressionistischen Gesellschaftskritik.
4. Warum muss man die gesellschaftlichen und künstlerischen Grundlagen des Expressionismus betrachten?
Wenn man Literaturgeschichte im allgemeinen studiert, bemerkt man dass es fast bei allen literarischen Stilepochen oder Strömungen eine starke rbindung zwischen der politischen und gesellschaftlichen Grundlagen und dem literarischen Schaffen einer Zeit gibt. Eine andere Tatsache, die man mit der Literaturforschung bemerken kann, ist, dass literarische und künstlerische Bewegungen eine Wechselwirkung untereinander haben. Einige Strömungen dienen als Inspiration und beeinflussen andere Stilepochen während neue Bewegungen sich oft als Reaktion gegen frühere oder zeitlich parallele künstlerische und literarische Epochen. Formen.
Es ist auch bei dem Expressionismus so. Die Literaturgeschichte betrachtet den Expressionismus als Reaktion auf Naturalismus und Impressionismus, was oft als literarische Antwort auf den Krieges dargestellt wird.
Deshalb, wenn man den Expressionismus oder irgendeine andere literarische oder künstlerische Bewegung zu definieren versucht, muss man mit allen politischen und gesellschaftlichen Grundlagen rechnen und muss auch die parallelen Bewegungen der Zeit kennen lernen. Im Fall des Expressionismus sind nicht nur die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe, sondern auch die Wirkung anderer Bewegungen unerlässlich, weil diese die einzigen Mittel sind, um die Stilepoche des Expressionismus zu begrenzen.
5. Charakteristika
Wie oben erklärt ist, ist es nicht so einfach den Expressionismus als künstlerische Bewegung oder literarische Strömung einzugrenzen oder zu beschreiben. Man kann die Frage stellen, was denn nun konkret unter der als „Expressionismus“ bekannten literarischen Revolution zu verstehen sei, oder gibt es einen bestimmten „expressionistischen Stil“, der Ergebnis und Ausdruck einer entsprechenden Bewusstseinslage wäre? Vielleicht ist es leichter über eine expressionistische Bewusstseinslage zu sprechen, deren Ergebnis ein entwicklungsgeschichtlich relevanter Stil sein kann. Die Literaturgeschichte versucht Ausdrucksformen auf feste Begriffe zu bringen und bei jeder Bewegung einige charakteristische Merkmale und Eigenschaften zu bestimmen. Was sicher ist, dass man die Zeit zwischen 1910 und 1925 mit
„expressionistisch“ überschreiben kann und als Epoche des Expressionismus bezeichnet wird.
Alles, was man im letzten Viertel des Jahrhunderts über Expressionismus finden kann, sind einige Überblicke, die uns über Ausdrucksformen und Zielsetzung informieren, von dessen Zeit uns mehr als ein halbes Jahrhundert trennt. Man kann Jahreszahlen finden, meistens 1910-l925, Namen, Werke, Außerungen von rtretern der Epoche, mit Begriffstimmungen von Kritikern, Sammlern, Theoretikern. Man kann Schlagwörter über Expressionismus finden, die die Bewegung erklären wollen, aber oft nur Klischees sind, die alles und nichts sagen.
„Es gibt deshalb kaum etwas Peinlicheres oder Komischeres zu lesen als die Selektionsergebnisse jener kritischen Nachgeborenen, die sich mühen, einige Jahrzehnte danach die Epoche des literarischen Expressionismus zu deuten, zu verwirren, zu zerhacken und wieder zu entwirren – im gl;eichem Atem und mit der gleichen Leidenschaft, die Unproduktive häufig besitzen () Sie haben diese Zeit nicht miterlebt, sie kennen die Maßstäbe nicht, die damals galten, sie haben die Atmosphäre nicht gespürt, weder in der Kameraderie noch in der Leistung, weder im Humanen noch im Artistischen, weder in Anspruch noch im revolutionären Angriff. Aber sie haben Methode, schlechte oder gute, doch dies ist einerlei. Nichts lässt sich weniger genau mit Methode abmessen als der Expressionismus, der, seit der Romantik, der erste große Aufbruch einer Jugend war, den Deutschland kennt.“[9]
Der Autor macht uns klar, dass Expressionismus schwer zu verstehen ist für jemand, der es nicht erlebt hat. Obwohl nach der heutigen Literaturgeschichte wir mehrere Erklärungen, Merkmale und Themen bestimmen können, muss man sich bewusst sein, dass man den Epochenbegriff des Expressionismus aufmerksam betrachten muss, weil es um zu viele verschiedene Autoren geht und vor allem haben die Werke sehr verschiedene Eigenschaften und Formen. Worin sind jedoch die Gemeinsamkeiten expressionistischer Kunst zu sehen? Hier sind einige Themen, die Ziele ihres Schaffens zu nennen, in erster Linie aber die Ideologie.
Auch eine Phaseneinteilung expressionistischer Literatur kann man nach Charakteristika nicht machen. Eine Darstellung nach Entwicklung kann möglich sein, eine relativ flexible Drei- oder Vierteilung der Epoche: in ihre Frühphase als reine Protestströmung (1910 bis 1914), in eine Interimsphase der Bewusstwerdung, vor allem unter dem Eindruck des Krieges (1915-l916), in die Phase der revolutionären Konkretisierung des ränderungsanspruches in den Jahren 1917-l920 und eine Spätphase, die bis in die Mitte der zwanziger Jahre hineinreicht. Auch diese Einteilung ist nach Zeiträumen, Ideologien und nach ein gemeinsamen Lebensgefühl der Autoren aufgebaut. Eine mögliche Gliederung wäre auch:
Gliederung der Epoche
In Bezug auf die Lyrik lässt sich der Expressionismus in 3 Abschnitte gliedern, den Früh-, den Hoch/Kriegs- und den Spätexpressionismus.
Phase
Dauer
Merkmale
Frühexpressionismus
1910-l915
Der von ca. 1910-l914 dauernde Frühexpressionismus setzt sich mit metaphysischen-ethischen Themen auseinander und auch vornehmlich der Zerstörung und Vorahnungen auf
einen kommenden Krieg. Themen sind auch die Großstadtproblematik, rlust der Identität, Ich-Zerfall und rstädterung. z.B. Georg Heym „Der Gott der Stadt“, oder Gottfried Benn „Schöne Jugend“
Hoch/Kriegsexpressionismus
1915-l918
Der Hoch/Kriegsexpressionismus verarbeitet die Schrecken des I. Weltkriegs, sowie die daraus resultierenden Folgen: Tod, Krankheit, Zerstörung. Georg Trakl „Grodek“
Spätexpressionismus
1918-l925
Der Spätexpressionismus versuchte mit seiner Aufbruch proierenden Einstellung den Aufbruch in die Weimarer Republik zu begleiten er wickelt eine neue pathetisch-
leidenschaftliche Lyrik mit dem Glauben an einen neuen Menschen und verkündet eine neue Brüderlichkeit. Mit dem Scheitern der Weimarer Republik wird jedoch auch dieser Phase ein
jähes ende gesetzt.
Ein Epochenbegriff „Expressionismus“ hat neben den konstanten vergleichbaren Bewusstseinsinhalte und künstlerischen Ausdrucksformen die Variablen von beträchtlichen äußeren Umwälzungen und ihrer jeweiligen individuellen Bewältigung Rechnung zu tragen. Eine Untersuchung muss das Selbstverständnis der Kunstschaffenden jener Jahre betreffen. Dieses Selbstverständnis begründet sich einmal durch die derzeit vorgefundenen realen Umstände und oftmals in weit stärkerem Masse noch durch den Willen zu Aufbruch und Ausbruch, zur Wandlung, zur revolutionären ränderung dieser Umstände. Nur im Blick auf dieses Spannungsverhältnis zwischen der Ablehnung einer abgelebten und der humanen Mitte beraubten Gegenwart und der Projektion einer idealen Zukunft kann die Bewusstseinslage der expressionistischen Künstlergeneration und der ästhetische Ausdruck dieser Bewusstseinslage recht gedeutet werden. Nur in zweiter Linie versteht sich expressionistische Kunst als formaler Protest gegen die überlieferten Ausdrucksformen von Impressionismus und Naturalismus.
In der retrospektiven Betrachtung der Epoche des Expressionismus wird deutlich, dass die für ihre rtreter entscheidenden Impulse nicht primär ästhetischer Natur, sondern gesellschaftskritischer Art sind. Was sich in der ästhetischen rmittlung darstellt als leidenschaftliche Zivilisations- und Ideologiekritik, als das Pathos von Aufbruch, rkündigung, vom „neuen Menschen“, all das hat seine konkreten Wurzeln in der Krise des modernen Ich, die die Generation der zwischen 1880 und der Jahrhundertwende Geborenen prägt. Das Erscheinungsbild dieser Krise ist so vielfältig wie ihre Ursachen. Diese liegen im Bereich der technisch-zivilisatorischen Umwelt, in der Konfrontation mit einschneidenden sozio-ökonomischen ränderungen, die Hand in Hand gehen mit dem Aufkommen neuer Ideologien, und schließlich in der Erfahrung des Krieges.
In diese gesellschaftliche Umgebung müssen wir die Frage über den Stand des expressionistischen Dichters in seiner Gesellschaft, die Beziehung zwischen ihm und der Gesellschaft und das rhalten des Künstlers gegenüber seiner gesellschaftlichen Umgebung stellen. Alte Traditionen dichterischen Selbstverständnisses aufnehmend, sieht Franz Werfel sich als Medium zwischen Gott und die Menschen gestellt. Die Mittlerrolle aber bedeutet sowohl Auserwähltheit wie Fluch. Der Dichter fühlt sich zur Welt hingezogen und empfindet zugleich das Trennende, die Distanz zu ihr.
Aus historischer Distanz wird den Expressionisten oft vorgeworfen, dass sie trotz allen revolutionären Pathos die Welt nicht verändert hätten. Viele Kritiker sagten, dass der Dichter die Gesellschaft kritisiert, aber nicht kämpfe. Es ist leicht das Problem des expressionistischen Dichters so zu betrachten, aber wir müssen auch sehen, dass die Künstler der Zeit mit den Leiden des alltäglichen Menschen beschäftigt sind, er „singt“ von Misere, aber er will nicht kämpfen. Er beschreibt Gefühle ohne den Gedanken an Anderung oder Besserung. Obwohl es scheint, dass die expressionistischen Künstler mit ihren Werke keine konkrete gesellschaftliche Ziele hatten, sie hatten die Aufgabe übernommen, durch das Mittel des Worts den Geist auf den Menschen wirksam werden zu lassen, um den Menschen zur Tat zu bewegen. In diesem Sinn können wir die literarische Bewegung „Expressionismus“ als revolutionäre Bewegung charakterisieren.
Das rhältnis des expressionistischen Schriftstellers zur Politik ist nicht auf eine einfache Formel zu bringen. Die Vielfalt einander zum Teil direkt widersprechender Haltungen schließt sich nicht zum einheitlichen Bild zusammen. Der extrem apolitischen Einstellung steht der naive Optimismus eines Dichtertums gegenüber, das glaubt, dass es durch das dichterische Wort geradewegs die Welt verändern kann.
Der Drang nach Zerstörung der zur leeren Maske erstarrten Erscheinungswelt und der komplementäre Impuls der Erneuerung aus dem hinter der Erscheinung verborgenen Wesen, beide Grundantriebe expressionistischer Kunst und Dichtung finden auch in der Sozialtheorie des Expressionismus Ausdruck.
Der Expressionismus hat kein konkretes Modell einer neuen Gesellschaft vorgelegt. Er hat aber seine Vorstellungen von einer besseren und menschlicheren Gesellschaft auf eine kleine Zahl soziologischer Grundbegriffe ausgerichtet, die er mit spezifischem Bedeutungsgehalt erfüllte. Die Begriffe von Gemeinschaft, Gesellschaft, Individuum, Masse, Führer, Volk und Mensch oder Menschheit bilden das zentrale Wortfeld im gesellschaftstheoretischen Schrifttum des Expressionismus. Nur in ihrer vielfältigen wechselseitigen Bezogenheit werden sie voll verständlich. Im Begriff Gemeinschaft kommt für den Expressionisten zum Ausdruck, was die moderne Gesellschaft dem Menschen versagt: Wärme, enge zwischenmenschliche Bindung, ein lebendiges und starkes Gefühl der Zugehörigkeit und der Identifikation mit dem Mitmenschen. Das bindende Element zwischen expressionistische gesellschaftliche Tendenzen besteht zu aller erst in gemeinsamem Geist. Dieser Geist richtet sich gegen die Atomisierung und Entseelung der sozialen Lebensformen in der immer machtvoller sich entfaltenden Industriegesellschaft. Gesellschaft in der expressionistischen Terminologie bedeutet unverbundenes, oft feindliches Nebeneinander der einzelnen. Gesellschaft erscheint als rfallsprodukt der Gemeinschaft. Sie bedeutet in solcher Sicht ein organisiertes Ganzes, das sein Dasein nicht dem gemeinsamen Interesse dieses Ganzen verdankt, sondern dem egoistischen und subjektiven Interesse des Individuums.
Noch eine wichtige Idee der expressionistischen Literatur ist die Idee des Weltendes, visionär beschrieben als eine unvermeidliche und zwangsläufige Folge einer gefühlslosen Gesellschaft. Der spezifische expressionistische Hintergrund für dieses sinnlose Leben ist die Großstadt. Deswegen kann man eine starke rbindung zwischen der Idee des Weltendes und dem Motiv der Großstadt bemerken. Nachdem eine pessimistische Zukunftsvision kommt die Idee der Apokalypse, die von einer Vision des Weltuntergangs beginnt und der neuen oder verwandelten Welt berichtet. Das Schema der expressionistischen Apokalypse hat also zwei Phasen: Weltende und dann Geburt einer neuen, geläuterten Menschheit. Es handelt sich nicht nur um eine Vision der Apokalypse als Urheber eines allgemeinen Angst- und Bedrohungsgefühls, sondern auch um einen unvergängliche Wunsch für die Geburt eines neues Mensches.
Das Motiv des Jüngsten Gerichtes, noch aus der christlichen Religion übernommen, verbindet sich häufig mit der Thematik des Weltunterganges, verliert aber in der expressionistischen Dichtung mehr und mehr seinen christlichen Gehalt, um sich mit neuen, teils sozialen, teils anti-christlichen Gehalten zu füllen. Zwar bleibt das Moment des Richtens erhalten, aber die Rollen werden vertauscht. Nicht mehr Gott ist der Richter und sie sündigen Menschen sind die Gerichteten, sondern die Menschheit richtet sich selbst und manchmal auch Gott. Nach Auffassung der Expressionisten sind alle Menschen schuldig. Die Schuld dieser sich derart anklagenden und selber richtenden Menschheit liegt in ihrer bisherigen Daseinsweise: Egoismus, Aggression, Krieg, nicht mündig zu sein gegenüber Technik und ihren Konsequenzen.
Man kann einen Wechsel von Perspektiven bemerken wenn man über das expressionistische Motiv des Krieges spricht. Zunächst hängt Expressionismus untrennbar mit einem Krisengefühl zusammen. Alle Repräsentanten der Generation, die zwischen 1905 und 1914 zu schreiben, zu malen oder Theater zu machen beginnen, haben dies erlebt und ausgedrückt. Sie empfinden ein Unbehagen, eine Unmöglichkeit, sich zu verwirklichen, eine Unzufriedenheit gegenüber der Wirklichkeit, die sie vor sich haben. Sie erleiden die Folgen einer späten und beschleunigten Industrialisierung der deutschen Gesellschaft, die dadurch in ihren moralischen Grundlagen erschüttert wird: brüchige menschliche Beziehungen, den frenetischen Rhythmus der Stadt, Knechtschaften aller Art. An der Probe der individuellen Erfahrung erweist sich diese Wirklichkeit als eine furchtbare Zermalmungsmaschine. Sie muss zerstört werden. Das ist es, was in den Werken durch Themen und Formen zum Durchbruch kommt. Die Expressionisten betrachten die Idee des Krieges als Hintergrund für alle diese negative Lebensgefühle, auch die Frühexpressionisten verspüren schon der kommende Krieg. Neben die Bedrohungsgefühle, von einem anderen Standpunkt sehen die Expressionisten als eine Möglichkeit der Erlösung, die unvermeidlich ist. Krieg und Technik in ihrer engen rflechtung werden vielfach im expressionistischen Schrifttum als auslösendes Moment des Untergangs gedeutet.
Eine geistig-literarische Strömung wie der Expressionismus, welcher von allen materiellen, äußerlichen Bestimmungen des Menschen fort – und hin zum Geistig-Seelischen, zum Wesenhaften strebt, muss religiöse Züge tragen. Man überblickt die Aspekte der Christus-Thematik im expressionistischen Schrifttum, so bemerkt man, dass die Göttlichkeit Christi kaum mehr wesenhaftes Merkmal der Christusgestalt ist. Der Heiland dient entweder zum Modell utopischer Wünsche oder er wird zur exemplarischen ur menschlichen Leidens und menschlicher Erniedrigung. In fast allen expressionistischen Werke stellt Christus nicht Gottes Sohn, sondern den „ewigen Menschen“ dar. In optimistischer Sicht sind Leid und Kreuz als Durchgangsphase, als Voraussetzung des Neuen Menschen zu werten. Meistens wird dem Menschen selbst die Kraft zugetraut, sich zu erlösen.
Der Gott der Expressionisten wird als ein dunklen Gott präsentiert, er ist auch ein Gott, der seine Geschöpfe quält, indem er sie zur Selbstvernichtung im Kriege eines ungeahnten Ausmaßes treibt. Gegen einen solchen Gott bleibt der gequälten Kreatur nur mehr die Geste der Rebellion.
Die expressionistischen Schriftsteller und ihre literarischen uren standen außerhalb der bürgerlichen Ordnung, rebellierten betont jugendlich gegen die Welt der Väter und aller autoritären Repräsentanten des patriarchalischen Systems. Sie brachen auf aus erstarrten, leblosen Konventionen und begaben sich, mit oft messianischem Pathos, auf die Suche nach dem neuen Menschen, nach anderen formen sozialer Gemeinschaft, nach neuen Arten des Erlebens, der Wahrnehmung und des künstlerischen Ausdrucks. Die expressionistischen Schriftsteller beschreiben sich immer wieder als Fremde und Heimatlose in einer ihnen fremden und feindlichen Gesellschaft. Ein dafür typisches Gedicht ist „Fremde sind wir auf der Erde alle“ von Werfel. Bilder der Entfremdung werden zu Leitmotiven der gesamten expressionistischen Literatur.
Der literarische Expressionismus hatte zwei Seiten. Er war zum einen geprägt von messianischen Hoffnungen auf einen neuen, paradiesischen Zustand, zum anderen von Erfahrungen des Leidens. Diese zwei Ansichten zentralisierten sich in dem Vorgefühl und in der Erfahrung des Krieges. Für den Expressionismus ist überhaupt die Vorstellung typisch, dass etwas Altes gehen muss, damit etwas Neues entstehen kann.
Zusammen mit der Erfahrung des Krieges bemerkten diese jungen Schriftsteller, dass die neue Realität nicht mehr mit den Kriegs- und Heldenklischees übereinstimmten. Die expressionistische Literatur hat solche Erweckungs- und Wandlungserlebnisse in immer neue Variationen erzählt. Diese wurden nicht mehr als Entwicklung betrachtet, sondern vielmehr als Revolution, als Befreiungsakt. Mit den Scheitern der Revolution brach der utopische Elan des Expressionismus in sich zusammen.
Nach dem Gemetzel des Ersten Weltkriegs, in das man die expressionistische Generation geworfen hatte und dessen grauenhafte Katastrophe sie in ergreifenden prophetischen Visionen vorausgeahnt hatte, beginnt sie, das Kommen eines Neuen Menschen herbeizuwünschen. Seit 1916 tendiert sie zum Pazifismus. Nach der Ankündigung des Weltuntergangs bringt die Apokalypse ein zweites Moment mit sich: die Regeneration, die Rekonstruktion. Angesichts der Grausamkeiten bietet sich der utopische Idealismus vielen als Basis eines möglichen Auswegs an. Das Heil wird nicht in einem gemeinsamen sozialen Kampf, in einer ökonomischen und politischen ränderung der Gesellschaft gesehen, sondern in einer inneren Erneuerung des Menschen. Jeder einzelne soll zu einer Askese und zum Glauben an die höchste Güte gelangen.
Es wäre allerdings ein Fehler, den Expressionismus auf sein politisches Engagement und seine religiöse Heilslehre vom Neuen Menschen zu reduzieren. Der revolutionäre Aktivismus geht zusammen mit einer ästhetischen Revolution, deren Wirkung bis heute andauert. Der Protest dieser literarischen Jugendbewegung gegen die Autorität der Erwachsenen fand im ästhetischen Bereich Entsprechungen in der Auflehnung gegen die Autorität literarischer Traditionen.
Die Abstraktion von der Realität, die damit verbundene Suche nach dem Wesen hinter den äußeren Erscheinungen, die Typisierung der dargestellten Personen und Gegenstände sind Kennzeichen expressionistischer Programmatik. In mitten dieser Zielsetzung steht das Signalwort „Geist“. Mit ihm insistierte der Expressionismus auf seiner ästhetischen und politischen Autonomie gegenüber der Realität der Tatsachen, von deren Macht sich das menschliche Subjekt bedroht sieht.
Wie oben erklärt, trotz aller Analyse und Erklärungen, die vorhergehend präsentiert wurden, ist es viel zu schwer die Bewegung des Expressionismus einzugrenzen, es ist fast unmöglich. Die Dateien, Kommentare und Eigenschaften, die vorher beschrieben wurden, dienen mehr für eine Einführung in die Welt des Expressionismus und des expressionistischen Künstlers zu entwerfen.
Das Wort Revolution muss man sich nicht als Kampf vorstellen oder verstehen. Es geht mehr um ein Konflikt des Künstlers zwischen Gesellschaft und Individuum.
[1] Zitiert nach: http://lexikon.meyers.de/meyers/Expressionismus, P. Raabe: Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus ,1992
[2] Zitiert nach: http://www.hatjecantz.de/controller.php?cmd=artinfo&id=17, Dorothee Fauth - Expressionismus
[3]Zitiert nach: http://www.wissen.de/wde/generator/ressorts/unterhaltung/index.e=1096298.html, Wissen Media rlag - Expressionismus
[4] Zitiert nach: Rothmann, Kurt – Kleine Geschichte der deutschen Literatur, Reclam rlag 2002, Stuttgart, Seite 229
[5] Zitiert nach: Brenner, Peter J. – Neue deutsche Literaturgeschichte, Niemeyer rlag, 1996, Tübingen, Seite 212
[6] Zitiert nach: Best, Otto F. – Theorie des Expressionismus, Reclam rlag, 2004, Stuttgart, Seite 3
[7] Zitiert nach: Knapp, Gerhard Peter – Die Literatur des deutschen Expressionismus, Beck rlag, 1999, München, Seite 13
[8] Zitat nach: Anz, Thomas – Literatur des Expressionismus, Metzler rlag, 2002, Stuttgart, Seite 24
[9] zitiert nach Best, Otto F. – Theorie des Expressionismus, Reclam rlag 2002, Seite 10
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