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St. Johannis und Gostenhof- Kultur und Kneipen

St. Johannis und Gostenhof- Kultur und Kneipen

Wie eng Leben und Tod nebeneinander liegen, zeigen beispielhaft die Nürnberger Stadtteile St. Johannis und Gostenhof. Beide sind berühmt für ihre alten Friedhöfe, sowohl von der besonderen Sarkophag-Optik als auch von den Persönlichkeiten darunter. Wobei der Johannisfriedhof als traditioneller Grabplatz der Sebalder Stadt mehr VIPs aufzuweisen hat als der Rochusfriedhof auf Lorenzer Seite. Beide Viertel zeichnen sich gleichermaßen durch spritzige Vitalität aus, sind nicht zuletzt ein heißer Tipp für eine selten so konzentrierte Knci-penszenc. Zuerst hatten Studenten und Künstler die günstigen Altbau-micten in der Nordstadt und St. Johannis entdeckt. Als nach dem Wegzug der Bleistiftfabrikcn Slaedt-ler und Lyra der Stadtteil aufge-peppt, für Yuppies interessant und Bafög-unverträglich wurde, wanderten die iPionierc ins Multikulti-Viertel Gostenhof ab. Gaststätten, Cafes und Atmosphäre blieben.

Der 1897 nach einem Entwurf Fritz Zadows zu Ehren Jakob Daniel Burgschmiets (1796-l858) aufgestellte Brunnen (1) am Eingang zur Burgschmictslraße versteckt sich auf einem kleinen, unschönen Platz und wird daher leicht übersehen. Zwischen der zweiten und dritten Bildstockkopie von Adam Krafs Kreuzweg (Originale: GNM, s. St. Johannis und Gostenhof- Kultur und Kneipen 82) zum Johannisfriedhof wird man indes erneut auf jenen Mann aufmerksam, nach dem die Straße benannt ist. Schon mit elf Jahren Vollwaise, arbeitete sich der Drechsler rein autodidaktisch zum versiertesten Kunstgießer seiner Zeit empor, in dem viele die Reinkarnation Peter Vischers sahen. In seiner Werkstatt Burgschmictslraße 14 gab sich die Hautevolee die Klinke in die Hand, selbst König Ludwig I. machte seine Aufwartung. Burg-schmiet meißelte Melanchlhon in Stein, goss Albrecht Dürer (beide Nürnberg), Beethoven (Bonn) und Karl IV. (Prag) in Frz. Schwiegersohn Christoph Lenz gab Martin Behaim (Nürnberg) und uren des Niederwalddenkmals (bei Rüdesheim) Form, lieferte Standbilder bis nach Übersee. Werkstatt und Arbeitsweise haben sich unter Franz Jahns Agide kaum verändert. Denkmäler kamen aus der Mode. Wie seine Vorgänger aber sichert er sich Aufträge für Epitaphien auf dem Johannisfriedhof, zum Teil auch in der Anfertigung von Kopien. Dies in Reaktion auf den Schock 1993/94, als Grabräuber eine ganze Reihe kostbarer Bronzeplatten abmontierten (Kunstgießerei Lenz [2], F. Jahn, Burgschmictstr. 14, Werkstattbesichtigung n. V, Tel. 09 11/33 02 16).




Nicht nur die Hallerwiesc, seit 1434 durch Kauf erste städtische Parkanlage Nürnbergs und Schauplatz von allerlei Volksbelustigungen, erinnert an die Patrizierfamilie. Berthold Haller stiftete 1352 das Pilgerhospital Heilig Kreuz (3) als
Quartier für Reisende, nach 1494 auch Domizil für Malafranzosen-krankci (Syphilis). Bomben ließen nur eine Kirchenruine zurück, einzusehen über den Hof an der Ecke Mühlgasse/lohannisstraße, inmitten von Mietskasernen in einer unglaublichen Allianz mit einer Garage.
Als Baugrund in der Altstadt rar und die Gräslein hinterm Haus auf Handluchgröße schrumpften, machten sich im 17./18. Jh. reiche Bürger jenseits der Mauern mit einem grünen Kranz von Johannis bis Ciostenhof gute Luft. In den Hesperi-dengärten (4) gediehen zwar nicht die goldenen Apfel«, die Herakles den Nymphen raubte, wohl aber Zitrusfrüchte in I Kille und Fülle, seltene Blumen, Gemüse und Krauler. Die barocken Kleinparadiese folgten alle dem gleichen Schema: hinler dem repräsentativen Vorderhaus der mit Exolenpflanzen bestückle Hof, die geometrisch abgezirkelte, mit uren und Brunnen aufgelockerte Grünanlage und schließlich der Nutzgarten. Nach alten Vorbildern restauriert sind Gärten in der lohan-nisstralie 13 (ehemals Besitz Willibald Pirckheimcrs) und miteinander verbunden 43-47 (Cafe Barock-häusle), wo seit 1999 eine Bodensonnenuhr aus Buchs die Zeit anzeigt.

Begonnen hat Johannis im 13. Jh. als Sozialstation für die Ausgestoßenen. Gegen Lepra, eine der schlimmsten Geißeln Goltes, war kein Heilkraut gewachsen. So pflegte man die Kranken in Siechkobeln vor den Toren der Stadt und bestattete die Toten gleich nebenan. Als 1395 der ebenfalls aus dem Orient importierte schwarze Tod Europa erneut heimsuchte, gesellte sich ein Pestfriedhof dazu. Erst nach Auflassung des Gottesackers an der Se-balduskirche wurde der Johannis-friedhof (5) zum Grabplalz der Prominenz. Und so reiht sich Steingrab an Steingrab, vielfach Blumenschmuck obenauf. Unterm Schirm der lohanniskirche liegen sie hier, Patrizierfamilien und Genies, die berühmtesten per dezentem Wegweiser auffindbar. Aus Platzgründen kamen meist Mitbewohner hinzu, sodass beispielsweise Albrecht Dürers Schädel partout nicht zu identifizieren war. Aber auch die vielen Rädchen«, ohne die nichts lief im Getriebe der Stadt, fanden Kühe unter kunstvoll gegossenen Platten, wo Zunftzeichen den Beruf preisgeben, manchmal ein längst ausgestorbenes Handwerk (Führer: Sleinschrei-berhaus im Friedhof).

Die Desi und ihre beispiellose Karriere von der städtischen Desinfektionsanstalt zur Kultkneipe mit vollem Haus (s. St. Johannis und Gostenhof- Kultur und Kneipen 217) lassen wir (noch) links liegen und machen stattdessen einen Riesenschritt« direkt hinunter zur ehemaligen Großweidenmühle (7). Übrig blieb nur die sanierte Villa des Lyra-Fabrikanten Froescheis am Holzsteg über die Pegnitz. Mühlen klappern keine mehr, auch am jenseitigen Ufer nicht. Malerische Winkel hüben wie drüben, vor allem rings um den hübschen Fachwerkgiebel und Treppentürm des Gesindegebäudes der Klcinweidenmühle (8). Schickimieki, aber schön! Im 16. Jh. wurde hier aus Lumpen Papier geschöpft.

Im Kontumazgarten (9) unweit der Praterstraße stand wegen der permanenten Seuchengefahr vom 17. bis 19. Jh. tatsächlich eine Qua-ranlänestalion, die systematisch bis zur Pcgnitz hin erweitert wurde. Neun Tage Zwangsaufenlhalt waren vorgeschrieben, ehe Menschen und Güter die Stadttore passieren durften. Und so mancher Liebesbrief verlor seinen zärtlichen Duft, denn die Post wurde durch Käuchern gesäubert. Exotisches Flair prägte hingegen die Rosenau (10), heute ein unscheinbarer Park mit Kinderspielplatz, der allein im Sommer von der Biergartenatmosphäre des Cafe Kiosk lebt. 1819 hatte der Fabrikant Johann David Wiß hier einen luxuriösen Vergnügungspark im indischen Stil angelegt, den er nach seiner Frau nannte. Zum Entzücken begüterter Abonnenten schwammen auf dem vormaligen Fischweiher Schwäne und Kähne, Brücken verbanden Inseln mildem von üppiger Garten- und Landhauspracht gezeichneten Festland. Nach Erwerb durch die Kommune 1893 wurde er zum Volkspark. Nichts überstand die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg.

Abfahrt der ersten deutschen Eisenbahn am Plärrer 1835, Eröffnung des Ludwig-Donau-Main-Kanals 1843, erstes Gaswerk Bayerns 1847 - und das alles in Gostenhof. Zwisehen Fürther Straße, wo einst der Adler qualmte (s. St. Johannis und Gostenhof- Kultur und Kneipen 99), und den Gleisen der 1044 eröffneten Süd-Nord-Bahn bzw. dem Franken-schnellweg im ehemaligen Bett des Kanals erstreckt sich die Vorstadt. Die Industrialisierung veränderte ihr ländliches Gesicht, die ebenso berühmten Hesperidengärlen wichen Fabriken und Mietshausbebauung. Einzig der Rochusfriedhof (11), Zwilling des Johannisfriedhofs. bewahrt trotz des Verkehrslärms der Rothenburger Straße (Eingang) seit 1518 sloische Ruhe. Peter Vischers Grab (Nr. 90) findet man hier, an Johann Pachelbel erinnert eine Gedenktafel auf Nr. 308.

Von den eingemeindeten Dörfern im Süden industriell und materiell überflügelt, sank Goslenhof gegen Ende des 19. Jh. zum Sozialfall ab. Sein bunt gemischtes, immer von Außenseitern! -damals Katholiken, luden und ärmlichste Fabrikarbeiter - geprägtes Profil verlor es nicht. Im Viertel mit dem höchsten Ausländeranteil klappt das Zusammenleben ohne größere Probleme, auch dank diverser Stadtteil- und Kuliurtrcffs.

Toleranz als Selbstvcrsländlichkcil. »Gostenhof hat ein Gesicht«, zeigte ein Plakat Anfang der 90er als Reaktion auf bundesdeutsche Ausländerfeindlichkeit Flagge.

Aus dem Glasscherbenviertcl wurde ein Sanierungsobjekr. Sonnenbeheizte Wohnanlagen in der Knauerstraßc, grüne Innenhöfe, ästhetische Modernisierung in der Bauerngassc, der Wohnwert steigt. Die Belkerung blieb - alteingesessen, studentisch, künstlerisch und international. Gostncr Hottheater, Gostenhofer Jazztagc, Gostenhofer Atelier- und Werkstatttage, Kohlenhof-Hallen (12) als Einkaufsquclle für Ökos, Läden, Kneipen - Mulli-kulti eben.







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