Nachdem Kaiser Wilhelm II. sowie die Nazi-Ideologie das mittelalterliche deutsche Königtum jeweils für ihre Proanda brachial vereinnahmt hatten, um als glanzvolle Vollender staufischer Herrschaft zu erscheinen, ist das heutige Publikumsinteresse daran verständlicherweise etwas erlahmt. Doch wie in einem Brennspiegel zeigt sich gerade im höchsten Herrscheramt, das in Europa errungen werden konnte, die typisch mittelalterliche rbindung handfester Machtpolitik und überhöhender Sakralisierung.
Karl der Große Superstar
Bis zum offiziellen Ende des Deutschen Kaiserreiches 1806, als Franz II. auf Druck Napoleons die Krone niederlegte, galt Karl der Große (768-814) als Gründer und Lichtgestalt des Reiches. Sein Mythos wurde bis ins späte Mittelalter intensiv gepflegt, um daraus politisch Kapital zu schlagen. Und selbst die auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs sich bildende Europäische Union berief sich zumindest anfangs auf ihn. Die Grundlage für Karls erstaunliche Karriere legte sein Vater Pippin der Jüngere (751-768). Er war vom Amt her zunächst eine Art Kanzler der Merowinger-Dynastie. Da diese aber moralisch abgewirtschaftet und politisch machtlos geworden war, entschloss sich Pippin zu einem Staatsstreich. 751 ließ er sich zum König der Franken wählen. Um dem Makel abzuhelfen, kein Merowinger zu sein, musste ihn Papst Stephan II. nach dem Vorbild der Königserhebung Davids im Alten Testament salben und krönen. Diesem Dreiklang aus öffentlicher Wahl, Salbung und anschließender Krönung blieb man dann jahrhundertelang treu. Dem Papst blieb auch nichts anderes übrig, benötigte er doch dringend die Hilfe des damals mächtigsten Mannes Europas gegen die Langobarden.
Karl der Große vergrößerte das ererbte Riesenreich durch seine Sachsen- und Langobardenkriege erheblich, so dass es schließlich die heutigen Länder Frankreich, Deutschland, Österreich, Schweiz und Norditalien umfasste. Nachdem wiederum der Papst in Nöten war und ihn persönlich um Hilfe bat, erreichte Karl als Belohnung eine unerhörte Rangerhöhung: Weihnachten 800 setzte Leo III. ihm im Petersdom die Kaiserkrone auf, die alle seine Nachfolger nun für sich beanspruchen sollten. Angeblich soll Karl von der Krönung durch den Papst überrascht worden sein, wie sein Biograph Einhard vermerkt. Doch dürfte es sich hierbei um die übliche Bescheidenheitsfloskel einer geschönten Vergangenheitsbetrachtung handeln. Karl sah sich als direkter Nachfolger der (west)römischen Cäsaren, deren Machtfülle er tatsächlich fast erreicht hatte. Im oströmischen Kaiserreich in Konstantinopel war man über diese Konkurrenz natürlich wenig begeistert, akzeptierte das Ganze aber gegen größere Gebietsabtretungen an der Adria. Karl versuchte energisch sein ererbtes und zusammenerobertes Reich nach antikem Vorbild zu einem einheitlichen Staat zu formen.
Karls Enkel teilten ihr Erbe in mehreren Phasen bis ins späte 9. Jh. in unterschiedlich große Ländermassen auf. Aus dem westfränkischen Reich Karls des Kahlen entwickelte sich das heutige Frankreich, aus dem ostfränkischen Königreich Ludwigs des Deutschen schließlich Deutschland. Die Königreiche Bur-gund und (Nord)Italien, die damals auch entstanden, kamen erst unter den Staufern zeitweise wieder zum Deutschen Reich.
Machtpoker, Blaues Blut und Heiliger Geist - die deutsche Königswahl
Innerhalb Europas war das deutsche Wahlkönigtum die große Ausnahme. Aus der vornehmsten Familie des Reiches sollte mit Gottes Hilfe das geeignetste männliche Mitglied von den geistlichen und weltlichen Großen des Landes zum König gewählt werden. Auch wenn natürlich alle Herrscher versuchten, ihren ältesten Sohn in die Nachfolgeposition zu bringen, musste dieser dennoch erst einmal gewählt werden. Daher wandten sie bis ins hohe Mittelalter gerne einen Umgehungstrick an, indem sie noch zu Lebzeiten ihr Kind krönen ließen. Legitimiert wurde diese Maßnahme dadurch, dass mit dem Erwerb der Kaiserkrone des Vaters der Sohn auf die Steile des Königs nachrücken konnte. Das reibungslose Durchsetzen des eigenen Nachwuchses gelang natürlich nur den größten deutschen Königen. Deren mächtigster, der Staufer Heinrich VI. (1190-1197), der kurze Zeit von Sizilien bis zur Nordsee herrschte, versuchte vergeblich, den Fürsten die offizielle Erblichkeit des Königtums innerhalb seiner Dynastie abzuringen. Dass das dynastische Prinzip auch nicht das allein selig machende war, zeigt sich in den zahlreichen Aufständen einzelner Söhne gegen ihren kaiserlichen Vater, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des deutschen Königtums ziehen. Dies beginnt schon beim ersten König des karolingischen Hauses, Pippin I., und hört bei dem letzten großen Staufer, Friedrich IL, auf. Unzufriedene Große des Reiches ergriffen seit dem Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst oftmals die Gelegenheit, mit Rückendeckung aus Rom einen Gegenkönig aufzustellen, der ihren Eigeninteressen besser entsprach. Nach dem Tod des Staufers Heinrich VI. begann mit der Doppelwahl von 1198 jene unselige Reihe zweier Wahlsieger, deren Kämpfe das Reich schwächten und immer wieder ins politische Chaos stürzten, bis einer von beiden politisch erledigt oder tot war.
Bis weit ins 13. Jh. hinein war es mehr oder weniger zufällig den jeweiligen politischen Koalitionen überlassen, wer von den geistlichen und weltlichen Großen den deutschen König wählte. Das »Volk« nahm dabei nur eine Statistenrolle ein und durfte per (bestelltem) Beifall seine Zustimmung ausdrücken. Erst im Spätmittelalter kristallisierte sich das Wahlgremium der sieben Kurfürsten heraus, die seit dem Reichsgrundgesetz der »Goldenen Bulle« (so genannt nach dem großen goldenen Wachssiegel) Karls IV. 1356 stellvertretend für alle den deutschen König wählten. Neben den drei geistlichen Kurfürsten, den Erzbischöfen von Mainz, Köln und Trier, waren dies der Pfalzgraf bei Rhein, der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Diese wählten jedoch beileibe nicht in erster Linie den für das Reich fähigsten Kandidaten aus, sondern oftmals denjenigen, der ihnen die großzügigsten Versprechungen machte.
Da die wichtigsten Kurfürstentümer (Mainz, Köln, Trier, Pfalz) im Westen und Südwesten des Reiches lagen, fanden ihre wahlvorbereitenden Treffen auch in dieser Region statt. Traf man sich noch im frühen 14. Jh. in einem Garten in Rhens am Rhein, so wurde mit der »Goldenen Bulle« Frankfurt am Main aufgrund seiner zentralen Lage zum festen Wahlort. An der dortigen gotischen Stiftskirche St. Bartholomäus (Dom) hat sich bis heute die Wahlkapelle seitlich des Chores erhalten, in der sich die Kurfürsten auf einen Kandidaten einigten. Nach der Mitte des 16. Jh. wurde der deutsche König, der nun überwiegend aus dem Haus der Habsburger stammte, auch dort gekrönt, da die Reise nach Aachen dem Hof zu mühsam wurde. Nach den oft wochenlangen Wahlverhandlungen im teuren Frankfurt war einfach auch das Geld zu knapp, um noch grojsartig in Aachen repräsentieren zu können. Aber immerhin baute man in Frankfurt noch den Aachener Thron Karls des Grojsen nach, um wenigstens an die große Tradition zu erinnern.
Am rechten Ort - die Königskrönung in Aachen
Erst Otto I. (936-973) begründete die Tradition von Aachen als Krönungsstätte des deutschen Königs. Hier am Grab Karls des Grojsen in der von ihm Ende des 8. Jh. erbauten Marienstiftskirche war bis zur Krönung des Habsburgers Ferdinand 1.1531 der einzig rechte Ort zur Königserhebung. Ganz bewusst knüpfte Otto I. an die schon fast legendäre Gestalt Karls an, indem er dort dessen Thron bestieg. Auch Karls Politik erneuerte er glanzvoll. So rief er sich zum König der Langobarden aus und ließ sich 962 in Rom zum Kaiser krönen. Sein Enkel Otto III. ging in seiner Karls-Verehrung sogar so weit, dass er dessen Grab im Aachener Münster öffnen liejs, wo er der Legende nach den toten Kaiser auf einem Thron sitzend vorfand. In der Nähe seines Idols liejs er sich 1002 auch bestatten.
Neben Aachen als rechtem Ort kristallisierte sich der Kölner Erzbischof, in dessen Bistum Aachen lag, als derjenige heraus, dem allein das Recht vorbehalten war, den König zu krönen. Dadurch fühlte sich jahrhundertelang sein Mainzer Kollege beleidigend zurückgesetzt, war er doch als Primas der deutschen Kirche und Erzkanzler das eigentliche politische Schwergewicht unter den Geistlichen des Reiches.
Wer sich als deutscher König durchsetzen wollte, musste jedoch nicht nur in Aachen gekrönt sein, er musste auch noch die richtige Krone mitbringen. Daher war der Besitz der Reichskrone samt den zugehörigen Kleinodien von immenser Wichtigkeit, was deren sorgfältige Sicherung und wechselnden Aufbewahrungsort erklärt.
War der deutsche König gewählt, so zog er feierlich mit den Kurfürsten und Großen des Reiches nach Aachen. Dort wurde er von Bevölkerung und Klerus ehrenvoll in die Reichsstadt eingeholt und für ein erstes Gebet zum Münster gebracht. Am folgenden Tag führten die drei rheinischen Erzbischöfe unter Vorsitz des Kölners während einer Messe am Marienaltar die Krönung durch. Zunächst erfolgte die Salbung an Haupt, Brust, Nacken, Armen und Händen. Danach wurde der König mit den prachtvollen Gewändern des Reichsschatzes angekleidet, mit der Reichskrone gekrönt und erhielt Schwert, Reichsapfel und Szepter. Anschließend krönte der Kölner Oberhirte auch die Gemahlin des neuen Herrschers. Nun schwor der neue König den Treueeid auf das ka-rolingische Reichs-Evangeliar. Erst jetzt wurde er auf den Thron Karls des Großen geführt, der noch heute auf der Westempore des Umgangs steht. Hier nahm er den Beifall der im Münster versammelten Menge entgegen, bevor er wieder nach unten zum Al tar ging und dem weiteren Verlauf der Messe folgte.
Nach dem ernsten sakralen Teil des Krönungszeremoniells schritt das Herrscherpaar unter dem Jubel des Volkes, Glockenklang und Festmusik den kurzen Weg hinüber in das gotische Rathaus am Markt, das auf den Grundmauern des Thronsaales Karls des Großen steht. Im zweischiffigen, gewölbten Saal des Obergeschosses, der zu den größten Räumen mittelalterlicher Profanarchitektur gehört, fand das Krönungsmahl statt. Doch während das Volk auf dem Marktplatz sich lauthals am Weinbrunnen und dem gebratenen Ochsen verlustierte, herrschte im Innern strenges Zeremoniell. Denn nun hatten die vier weltlichen Kurfürsten ihren rangbestätigenden, großen Auftritt, indem sie den neuen Herrscher in unterschiedlichen Ehrenämtern zu Diensten waren.
Römisches Abenteuer - die Kaiserkrönung
Nach dem Vorbild Karls des Großen versuchten seit Otto I. wieder alle deutschen Könige möglichst rasch nach Rom zu ziehen, um dort aus der Hand des Papstes die Kaiserkrone zu erhalten. Damit wurden sie in direkter Linie Nachfolger der römischen Cäsaren, in deren Tradition sie sich und ihr Reich sahen. Denn erst dadurch erreichten sie ihre Spitzenposition unter den europäischen Königen und wurden von ihrem Selbstverständnis her zu Weltherrschern.
Den Zug über den »Berg«, die Alpen, wollte man mit einem möglichst glanzvollen Aufgebot an geistlichen und weltlichen Fürsten unternehmen, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Daher war die Teilnahme am Romzug eigentlich obligatorisch für die Großen des Reiches. Nach dem Untergang der Staufer blieb hiervon jedoch meist nur ein kümmerliches Unternehmen übrig, dem sich die Mehrzahl der hohen Herren aus fadenscheinigen Gründen nicht mehr anschloss. Die Reise nach Rom war alles andere als eine Vergnügungsreise, auch wenn im Mittelalter Italien als der »Garten des Reiches« bezeichnet wurde. Denn die ewig untereinander verfeindeten norditalienischen Städte riefen den durchziehenden deutschen König als ihren obersten Richter an und forderten militärisches Eingreifen. Richtig kompliziert wurde es erst in Rom, das unter meist tödlich zerstrittenen Adelssippen aufgeteilt war. Auch hier musste erst einmal Ordnung geschaffen werden. Neben den politischen Gefahren sorgten die malariaverseuchten Sümpfe vor der Ewigen Stadt für einen hohen Blutzoll unter den Teilnehmern des Romzuges, teilweise sogar unter den Herrschern selbst. Schließlich wägte man Nutzen und Risiken eines Romzugs in der Renaissancezeit nüchtern gegeneinander ab, so dass seit Maximilian I. der deutsche König ohne päpstliche Krönung den Kaisertitel annahm.
Sacrum Imperium - Königsheil und Heiliger König
Der deutsche König war nicht einfach ein per Mehr-heitsbeschluss der Großen des Reiches gekürter Herrscher, sondern ein durch Gott besonders auserwählter König. Für die Menschen des Mittelalters galt der König und Kaiser automatisch als Stellvertreter Gottes auf Erden. Diese sakrale Funktion drückt sich schon in der Salbung aus, die noch vor der eigentlichen Krönung durch die drei rheinischen Erzbischöfe vorgenommen wurde. Vorbild hierfür war die im Alten Testament beschriebene Salbung König Davids, der nicht nur als Stammvater Christi, sondern auch als Verkörperung eines christlichen Königs schlechthin galt. Wobei man im Mittelalter großzügig die in der Bibel geschilderte Vielweiberei und moralische Fragwürdigkeit Davids übersah... Durch die Salbung war der erwählte Herrscher nicht nur König. Sie machte ihn auch zum Diakon, weshalb er auf Wunsch innerhalb der Liturgie an Hochfesten wie Weihnachten mitwirken konnte. Aus seiner geistlichen Weihe heraus erklärt sich der Sitz in einigen Stiftskapiteln wie z. B. dem des Kölner Domes und der Lateransbasilika in Rom, der ihm automatisch eingeräumt wurde. Auch die Gewänder aus Tunika, Albe und Stola, die ihm bei der Inthronisation die Erzbischöfe anlegten, waren liturgische Kleidungsstücke und zwar die eines Diakons. Besuchte der König eine Stadt, so wurde er feierlich vom Klerus in einer mehr liturgischen als weltlichen Prozession eingeholt.
Am deutlichsten ablesbar ist für uns heute das sakrale Selbstverständnis des deutschen Königs an der Reichskrone, die in der Schatzkammer der Wiener Hofburg besichtigt werden kann. Sie ist weniger prunkvolles Schmückstück denn Versinnbildlichung der sakralen Aura des Königtums. Allein schon ihre achteckige Form, die einmalig unter den Kronen des Mittelalters ist, muss dahingehend gedeutet werden. Die Zahl acht steht in der christlichen Zahlensymbolik für Vollendung und damit die Wiederkehr Christi beim Jüngsten Gericht. Nicht nur Taufsteine, Mausoleen, Vierungstürme der Kaiserdome, auch der Zentralbau der Aachener Pfalzkapelle Karls des Großen folgt dieser Symbolik. Vier gegenüberliegende Seiten sind mit Edelsteinen, vier mit figürlichen Emailles verziert. Dieses zweifache Viereck spielt auf Rom und das Himmlische Jerusalem aus der Offenbarung des Johannes an. Auf letztere bezieht sich auch das Material aus Gold und Edelsteinen, so dass die Reichskrone Symbol der Himmelsstadt ist. In den Emailles sind David und Salomo als die Vorbilder eines christlichen Königs dargestellt, sie enthalten aber in ihren Spruchbändern Mahnungen an den Träger der Krone, gerecht und gottesfürchtig zu bleiben. Eine weitere Szene zeigt den kranken König Ezechias, dem der Prophet Isaias verkündet, dass Gott ihm als gutem Herrscher noch weitere 15 Jahre Leben schenkt. Am bedeutungsschwersten ist das vierte Emaille, das auf der Ehrenseite rechts vom Stirnkreuz zu finden ist. Hier erscheint der thronende Christus in seiner Herrlichkeit als König des Himmels, begleitet von Engeln. Der beigefügte Spruch lautet übersetzt »Durch mich regieren die Könige«. Damit ist unmissverständlich ausgedrückt, dass sich der deutsche König und Kaiser unmittelbar von Gott in seine Herrschaft eingesetzt fühlte - ein hohes Selbstverständnis, das im Investiturstreit hart mit dem des konkurrierenden zweiten Stellvertreters Gottes auf Erden, dem Papst, zusammenprallen musste. Wohl in Konkurrenz zu den drei Kronen, die der Kaiser erhielt (zwei Königskronen für Deutschland und das Langobardenreich sowie die Kaiserkrone), ließ schließlich der Papst die berühmte Tiara aus drei übereinander liegenden Kronen kreieren. Überwölbt wird die Reichskrone von einem prächtigen Bügel, auf dem mit Perlen eine Inschrift angebracht ist, die übersetzt lautet: »Konrad (II.) von Gottes Gnaden Kaiser der Römer«. Umstritten ist in der Forschung, ob die komplette Krone für die Kaiserkrönung Konrads II. 1027 in Rom geschaffen wurde.
Ursprünglich befand sich anstelle des Saphirs auf der Stirnplatte ein höchst symbolträchtiger heller Edelstein, der das Königsheil versinnbildlichte, das der Träger inne hatte. Das Königsheil war für die wundergläubigen Menschen des Mittelalters etwas ganz Konkretes, weshalb viele versuchten, beim Einzug des Königs in die Stadt sein Gewand oder Pferd zu berühren. Die Armspangen, die der König erhielt, wurden nach dem Vorbild der Salbung Davids geschaffen. Szepter und Reichsapfel, die heute ebenfalls in der Wiener Hofburg gezeigt werden, entstanden später als die Reichskrone. Ganz deutlich symbolisiert das Kreuz auf der vergoldeten Kugel den Anspruch des deutschen Kaisers, Herrscher der Welt zu sein. Man Als Berührungsreliquie wurde wohl im Mittelalter auch das Material des Thrones angesehen. Denn bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die Stufen aus Trommeln einer römischen Marmorsäule und die Platten des Thronsitzes aus Fußbodenplatten (wie das eingeritzte Mühlespiel zeigt) geschnitten wurden. Karl oder Otto I. beschafften sie vermutlich aus Jerusalem, vielleicht aus der Grabeskirche. Der »Stellvertreter Christi« sollte demnach auch auf einem geheiligten Thron sitzen. Pilger konnten diese Jerusalem-Reliquie verehren, indem sie durch den Hohlraum unter dem Thronsitz hindurchschlüpften.
Die sakrale Aura des deutschen Königs unterstrich die reiche Reliquiensammlung, die den eigentlichen »Schatz« des Reiches ausmachte. An der Spitze stand die Heilige Lanze, so genannt nach dem Nagel vom Kreuz Christi, der in eine Lanze eingearbeitet war. Sie galt zudem als diejenige Lanze, mit der Longinus die Seite Christi bei der Kreuzigung durchbohrt hatte und damit sehend und gläubig geworden war. Zudem soll sie danach Kaiser Konstantin gehört haben, dem ersten christlichen römischen Kaiser und damit dem Urahnen aller deutschen Herrscher. Weitere wichtige Reliquien wurden in kostbaren Behältern gefasst, von denen noch die sogenannte Stephansbursa und das Reichskreuz als Hauptstücke erhalten sind. Die beiden Schwerter, die zu den Reichskleinodien gehörten, wurden ebenfalls zu Reliquien erklärt. Eines soll Karl dem Großen, das andere dem hl. Mauritius, dem Anführer der Thebäischen Märtyrer-Legion, gehört haben.
Seit 1424 verblieben die Reichskleinodien, die vorher immer wieder an verschiedenen Orten aufbewahrt wurden, in der zentral gelegenen Reichsstadt Nürnberg. Nur zu den Königskrönungen verließen sie die Stadt, penibel bewacht von Nürnberger Patriziern. In der fränkischen Metropole fanden bis zur Reformation jährlich sogenannte Heiltumsweisungen statt, bei denen der Reichsschatz mit seinen Reliquien Massen von Pilgern gezeigt wurde. Ansonsten hingen die Reliquien diebstahlsicher in einem silbernen Schrein an einer Kette im Chor der Kirche des Heilig-Geist-Spitals, während Krönungsornat und Reichsinsigni-en in einem feuersicheren Raum über der Sakristei aufbewahrt wurden.
Die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst um die höchste Autorität, die seit der Mitte des 11. Jh. das Verhältnis zwischen beiden vergiftet hatte, eskalierte noch einmal unter dem mächtigen Staufer-kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-1190). Sein »Propagandaminister« Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln und Erzkanzler für Reichsitalien, fuhr in diesem Streit härtestes ideologisches Geschütz auf. Er prägte das Schlagwort vom »sacrum imperium« (heiliges Kaiserreich), das noch bis in die Bezeichnung Deutschlands als »Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation« am Ausgang des Mittelalters weiter wirkte. 1164 brachte er die bei der Eroberung des aufständischen Mailand erbeuteten Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln, wo sie noch heute im prachtvollsten und größten Reliquienschrein ruhen, der je geschaffen wurde. Das hatte zwar den schönen Nebeneffekt, dass Köln als europäisches Pilgerziel enorm aufgewertet wurde, war aber in erster Linie als politische Speerspitze gegen den Anspruch des Papstes gedacht, dass er den König ein- und absetzen konnte. Denn so wie die Heiligen Drei Könige die ersten Herrscher sind, die Christus huldigten, der sie wiederum in ihrem Amt bestätigte, indem er ihre Geschenke annahm, so wäre auch der deutsche König direkt von Christus eingesetzt und zwar ohne Vermittlung des Papstes! Dass die Heiligen Drei Könige im Neuen Testament nur bei Matthäus und dort auch nur als »Magier« erwähnt werden, wurde im deutungsflexiblen Mittelalter nicht weiter beachtet. Rainald zementierte mit seinem Reliquien Coup zudem das Krönungsvorrecht des Kölner Erzbischofs gegen die Ansprüche des Mainzer Konkurrenten. Nach der Krönung in Aachen ritten nun die frisch gekürten deutschen Könige ins eine Tagesreise entfernte Köln, um wie die Heiligen Drei Könige Christus zu huldigen und Geschenke zu bringen.
Damit noch nicht genug, erreichte Rainald 1165 vom kaisertreuen Gegenpapst die Heiligsprechung Karls des Großen. Auf diese Weise wurde nicht nur Karl selbst geheiligt, sondern vor allem das Amt des Königs insgesamt. Deutlicher Ausdruck dieser Denkweise ist der um 1185 begonnene Reliquienschrein Karls, in den Kaiser Friedrich II. nach seiner Krönung 1215 die letzten Nägel einschlug. Nicht nur die Figur Karls des Großen erstrahlt hier in schönster Goldschmiedearbeit, sondern auch fast alle seine Nachfolger auf dem Kaiserthron. Der Schrein stand einst inmitten des von Karl errichteten Zentralbaus des Aachener Münsters, das nun erst recht zu einem Staatsheiligtum geworden war. Barbarossa stiftete zusammen mit seiner Gemahlin Beatrix von Burgund noch die Lichterkrone als Abbild des Himmlischen Jerusalem, die bis heute im Oktogon hängt.
Der letzte große Verehrer Karls des Großen im Sinne eines Staatsheiligen war Kaiser Karl IV. (1346-1378), der sich demonstrativ nach seinem großen Vorbild umbenannte. Er übertrug den Karlskult in seine böhmische Hauptstadt Prag. In Aachen erinnert an ihn vor allem die monumentale Reliquienbüste für das Haupt Karls des Großen, für die er auch eine seiner Kronen stiftete. Ein letzter Abglanz des kaiserlichen Selbstverständnisses als Stellvertreter Christi findet sich bei Sigismund I. (1410-1437), der auf dem Konstanzer Konzil (1414-1418) innerkirchlich für Ordnung sorgte, indem er die drei konkurrierenden Päpste absetzte und ein neues Kirchenoberhaupt wählen ließ.
Mobile Regierung - das hauptstadtlose Reich
Trotz oder gerade wegen seiner gewaltigen Größe besaß das mittelalterliche Deutschland keine Hauptstadt - ein in Europa einzigartiges Phänomen! Zwar regierten die Habsburger, die ab dem 16. Jh. fast ausschließlich den Kaiser stellten, überwiegend von Wien aus ihr Riesenreich als Hauptresidenz ihres Stammlandes Österreich, doch offizielle Hauptstadt des Deutschen Reiches wurde die Donaumetropole dadurch nicht. Erst bei der von Bismarck initiierten Reichsgründung 1871, die allerdings unter Ausschluss Österreichs stattfand, erhielt Berlin als alte preußische Residenz Hauptstadtrang.
Von unserem heutigen, völlig durchbürokratisierten Staatsverständnis her ist ein hauptstadtloses Deutschland absolut undenkbar. Aber gerade die fehlenden Verwaltungsstrukturen machten die persönliche Herrschaftsausübung zur Grundvoraussetzung mittelalterlicher Politik. Der Kaiser reiste daher als oberster Richter und Lehensherr mit seinem Hof umher, um vor Ort präsent zu sein. Hier sprach er Recht, vergab Lehen und schmiedete politische Bündnisse. Begleitet wurde er dauerhaft von einem nicht allzu großen Tross aus seiner Familie, hohen geistlichen und weltlichen Verwaltungsbeamten sowie Bediensteten. Unterwegs schlössen sich ihm immer wieder die Großen des Landstriches an, den er gerade besuchte. Daher wechselte die Zusammensetzung des herumziehenden Hofes ständig. Auch die meist repräsentativ angelegten Hoftage als vom König einberufene Versammlungen der geistlichen und weltlichen Fürsten des Landes, die in der Regel viermal im Jahr stattfanden, hatten oft mehr regionalen Charakter. Denn gerade im Spätmittelalter scheuten weiter entfernt lebende Landesherren den oft weiten Weg dahin. Der sakrale Charakter des Königtums zeigt sich auch darin, dass die Hoftage meist mit kirchlichen Hochfesten verbunden waren. Die Prachtentfaltung der Liturgie steigerte den festlichen Rahmen noch. Hier zeigte sich nicht nur der König mit seiner Familie im Schmuck seiner Insignien, die ihm bis zur Stauferzeit im Rahmen von Festkrönungen feierlich übergeben wurden. Auch die Fürsten des Reiches demonstrierten durch zahlreiche Begleiter, die mehrere Hundert betragen konnten, prachtvolle Kleidung sowie großzügige Geschenke ihren Rang. Gastmähler, festliche Musik, Jagden und Turniere machten die Hoftage neben aller Politik zu den zentralen gesellschaftlichen und gemeinschaftsstiftenden Treffen des mittelalterlichen Reiches.
Bei der in seiner Blütezeit fast halb Europa umfassenden Größe des Kaiserreiches wäre es für den Herrscher unmöglich gewesen, überall präsent zu sein. Vielfach nahmen von ihm benannte Stellvertreter seine Aufgaben wahr. Zudem muss man sich vergegenwärtigen, dass die verschiedenen Landesteile in unterschiedlicher Nähe zum Herrscher standen. Große Teile des mittelalterlichen Reiches wie Nord-und Ostdeutschland besuchte der Kaiser gar nicht, da dort das Reichsgut als Basis seiner Herrschaft fehlte und mächtige Fürsten sich durch die Anwesenheit des Herrschers in ihren Interessen gestört gefühlt hätten. Nachdem die Ottonen noch das heutige Ost- und Mitteldeutschland zum Zentrum ihrer Herrschaft gemacht hatten, verlagerte sich unter Saliern und Staufern der Schwerpunkt königlicher Macht nach Südwest-Deutschland. Besonders an Ober- und Mittelrhein sowie entlang von Neckar und Main spielte sich bis zum Ende des Mittelalters die persönliche Herrschaftsausübung des Königs ab - ein doch recht begrenzter Rahmen innerhalb des großen Reiches.
Neben den Freien sowie den Bischofs- und Reichsstädten waren Pfalzen beliebte Aufenthaltsorte des Königs. Sie wurden von ihm innerhalb bedeutender Reichsgutkomplexe errichtet und dienten daher in erster Linie als Verwaltungsmittelpunkte dieser größeren Gebietseinheiten, die noch direkt dem Herr-
scher gehörten und seinen eigentlichen Reichtum ausmachten. Während Karl der Große sich in Aachen und Ingelheim bei Mainz noch große, symmetrisch angelegte Paläste nach spätantikem Vorbild errichten ließ, waren die Pfalzen der Salier und Staufer eher größere Burganlagen. Innerhalb einer dem Gelände angepassten Befestigungsmauer mit Toren und Türmen lagen große Wirtschaftsgebäude, Wohngebäude für die Dienstmannen, die Pfalzkapelle und der Palas. Dieser vereinte unter einem Dach die Wohnräume des Königs und seiner Familie mit einem großen Saal für die Versammlungen. Verglichen mit der Bedeutung des Kaisers nehmen sich die erhaltenen oder archäologisch fassbaren Pfalzen sowohl im baulichen Aufwand als auch in ihrer Größe doch etwas bescheiden aus. Viele geistliche und weltliche Fürsten konnten mit ihren eigenen Residenzen dem König Paroli bieten und so ihren eigenen Machtanspruch augenfällig in Szene setzen. Mit der Verpfändung des Reichsguts im 14. Jh. hatten auch die Königspfalzen ihren Besitzer gewechselt und wurden zweckentfremdet. Die spätmittelalterlichen Könige nahmen nun bei ihren Reisen durch Deutschland fast ausschließlich in den Reichsstädten ihren Aufenthalt. Hier besaßen sie aber keine eigenen Residenzgebäude, sondern stiegen in den Häusern reicher Bürger ab. Ihr Tross verteilte sich entsprechend über die Stadt.
Wenn auch die Herrscher des Deutschen Reiches nicht zu Lebzeiten von einem Ort aus ihr Land regierten, so versammelten sie sich wenigstens im Tode mit einigen Ausnahmen von Konrad II. (1024-1039) bis zu Albrecht von Österreich (1298-1308) in einer gemeinsamen Gruft. Und wenn es einen Ort in Deutschland gibt, der die Bedeutung des deutschen Kaisertums, zumindest im Hochmittelalter, zum Ausdruck bringt, dann ist es der Speyerer Dom. So wie sein Vorgänger Heinrich II. (1002-1024), der letzte Herrscher aus dem ottonischen Haus, das Bistum Bamberg gegründet und den Dom als passende Grablege errichtet hatte, wollte auch sein Nachfolger Konrad II. aus der neuen Dynastie der Salier tätig werden. Nachdem seine Familie wenige Jahre zuvor vom dortigen Bischof aus Worms verdrängt worden war, wertete er das Nachbarbistum Speyer durch einen Neubau des Domes auf. In relativ kurzer Bauzeit (1025/30-1106) entstand das größte erhaltene romanische Bauwerk des Abendlandes (nur noch übertroffen von der allerdings zerstörten Abteikirche Cluny), das als kaiserlicher Bau in jeder Hinsicht völlig neue Maßstäbe setzte. Vor der Vierung fanden die Bestattungen ihren Platz, der allmählich zum sogenannten Königschor umgestaltet wurde. Hier beteten die sogenannten Stuhlbrüder für das Seelenheil der verstorbenen Herscher. Noch Maximilian I. (1493-1519) plante eine prächtige Ausgestaltung des Königschores zum Mausoleum, die aber leider nicht ausgeführt wurde. Nach dem Brand des Speyerer Domes und Plünderung der Gräber 1689 und 1794 durch französische Truppen erhielt die Gruft erst 1902 wieder eine würdige Gestaltung, nun aber als Erweiterung der salischen Krypta. Bei der vorausgehenden Öffnung auch der nicht geschändeten Gräber kamen die kupfernen Grabkronen der Salier zum Vorschein, die über den Tod hinaus den Rang der Verstorbenen demonstrieren sollten (heute im benachbarten Historischen Museum der Pfalz).
Vom Stellrtreter Gottes zum Bettelkönig
Obwohl das Deutsche Reich bis zum Ende der Stau-ferzeit Mitte des 13. Jh. die führende Großmacht in Europa war, gelang es ihm bis zur Auflösung 1806 nie, zum straff durchorganisierten Territorialstaat zu werden. Es blieb mehr oder weniger ein loser Verband selbstständiger Landesfürsten unter einem ab dem Spätmittelalter recht machtlos gewordenen Kaiser. In den Nachbarländern Frankreich und England ist eine völlig gegensätzliche Entwicklung zu beobachten. Hier setzte sich der König als oberster Lehensherr durch und band das Land durch zentralisierende Verwaltungs-, Steuer- und Heeresstrukturen immer mehr an sich und seine Dynastie. In Deutschland weigerten sich die meisten Fürsten zunehmend, den Kaiser als obersten Lehensherrn anzuerkennen, und verstanden ihre Ländereien als erblich ohne jede Einschränkung. Bedingt durch das Wahlkönigtum und das rasche Aussterben der Königsfamilien kam es in Deutschland oftmals zu einem Wechsel an der Spitze, was einer kontinuierlichen Zentralstaatspolitik zuwiderlief.
Eine weitere, selbst verschuldete Schwächung des deutschen Königtums bedeutete die Verschleuderung der anfangs mehr als üppigen materiellen Basis seiner Herrschaft. Denn der Reichtum des Königs kam aus den riesigen Ländereien und Wäldern des Reichsguts, das dem Herrscher direkt unterstand und ihm trotz mangelhafter Verwaltung immense Einkünfte bescherte. Nie ließ der König aber systematisch aufzeichnen, was ihm wirklich gehörte. So fiel es ihm oft schwer, seine Ansprüche durchzusetzen oder sich gegen Entfremdung seiner Ländereien zu wehren. Im 14. Jh. setzten die Könige das Reichsgut ein, um die eigene Wahl oder die des Sohnes durchzusetzen sowie politische Weggefährten zu belohnen. Die Ländereien des Königs wurden zwar von ihm nur verpfändet, aber fast nie mehr ausgelöst. Auch die einträglichen Rechte, die nur dem König zustanden (Regalien), wie Zoll-, Markt-, Münz-, Geleit-, Berg- und Judenrechte, waren bis zum Spätmittelalter überwiegend an die Landesfürsten übergegangen. Dieser Raubbau an den eigenen Ressourcen führte dazu, dass die deutschen Könige des Spätmittelalters vergleichsweise arm waren. Nur ihre eigenen Hausmachtsgebiete, die ihre Familie als Erblande besaß, bildeten nun den finanziellen Rückhalt. Trotzdem gelang es nie, diese Lücke durch einheitliche und kalkulierbare Reichssteuern zu schließen. Personengebunden wie mittelalterliche Herrschaftsausübung nun eben einmal war, kam der König am ehesten zu Geld, wenn er seine Reichsstädte besuchte, von denen er großzügige Geldgeschenke erwartete, die auch gezahlt wurden. Als oberster Gerichtsherr strich der König weitere Einkünfte ein, wobei sich die Rechtsprechung des Herrschers oft zu der finanzkräftigeren Seite neigte. Um verdiente Parteigenossen trotz klammer Kassen zu versorgen, bestand der König auf dem Recht der Ersten Bitte. Dies bedeutete, dass der neu gewählte Herrscher in jedem Stift des Reiches die erste freiwerdende Pfründe zur Versorgung eines seiner Anhänger oder dessen Verwandtschaft nutzen konnte.
Das unberechenbare Finanzchaos, indem sich ab dem Spätmittelalter der Kaiser befand, führte manchmal zu recht unwürdigen Szenen. So blieben die Gastwirte und Handwerker der Reichsstädte, in denen sich der Herrscher mit seinem Tross oft wochenlang aufgehalten und entsprechend konsumiert hatte, bei der Abreise oft auf ihren Kosten sitzen. Nicht immer stand die Stadtspitze, wohl mit geballter Faust in der Tasche, dafür gerade. Manchmal entlud sich der Zorn der Geprellten ganz handfest, indem sie den Hof beim Auszug aus der Stadt beschimpften und mit Mist bewarfen.
Erst ganz am Ende des Mittelalters versuchte Maximilian I. (1493-1519) den zahllosen Gebrechen des deutschen Königtums mit seiner Reichsreform abzuhelfen. So rief er auf dem Reichstag zu Worms 1495 das Reichskammergericht ins Leben, um den von ihm verkündeten Ewigen Landfrieden zu sichern und das selbstzerstörerische Fehdewesen abzuschaffen. Das Gericht tagte zunächst in Frankfurt, ab 1527 in Speyer und seit dem Ende des 17. Jh. in Wetzlar. Personell schwach ausgestattet, wurde es sprichwörtlich für seine Langsamkeit. So konnte es passieren, dass sich einzelne Prozesse über ein Jahrhundert hinzogen! Ahnlich uneffektiv arbeitete der Reichstag als oberste Reichsgewalt. Oft war die Festlegung des nächsten Tagungstermines der einzige handgreifliche Beschluss, was zum griffigen Spott führte »Der Reichstag gebiert den Reichstag«. Hier versammelten sich die Reichsstände zur Beratung über die Vorschläge der kaiserlichen Regierung. Erst 1663 erhielt er mit Regensburg einen festen Tagungsort als Immerwährender Reichstag, was seine Effektivität aber auch nicht wirklich verbesserte. Maximilian sorgte auch noch dafür, dass eine Reichssteuer erhoben und ein Reichsheer aufgestellt wurde. Zugleich legte er durch seine geschickte Heiratspolitik für sich und seine Kinder das Fundament für das Weltreich der Habsburger, das nun das verblasste und inhaltsleere deutsche Kaisertum bei weitem überstrahlte und in seiner Bedeutung ablöste.
Speyerer Dom
Wie kein zweites Bauwerk verkörpert der Speyerer Dom Macht und Sakralität des hochmittelalterlichen deutschen Königtums. Von Konrad II. 1025/30 als Stiftung der neuen Dynastie begonnen, wurde der Bau in nur dreißig Jahren ungewöhnlich rasch vollendet. Doch kaum fertig, begann um 1090 ein umfassender Umbau des Langhauses und ein Neubau der Ostteile, was den Dom zum größten erhaltenen und außergewöhnlichsten Sakralbau der Romanik machte. Allein schon die Länge von 134 Meter und die erst wieder in der Gotik erreichte Mittelschiffhöhe von 33 Meter ging über alles bisher Gebaute hinaus. Um die Dimensionen statisch bewältigen zu können, wandten die Baumeister ein völlig ungewöhnliches, schon der Gotik vorausgreifendes Skelettsystem an. Riesige Fenster und eine umlaufende Zwerggalerie gliedern den Bau, dessen Ostteile aufwendige Quadertechnik zeigen. Um erstmals einen Raum von solcher Breite und Höhe wie das Mittelschiff beim Umbau Ende des 11. Jh. einwölben zu können, wurde jeder zweite Pfeiler verstärkt. Unter den gesamten Ostteilen erstreckt sich die größte Krypta der Romanik. Von hier aus ist heute die neuromanische Kaisergruft zugänglich, in der von Konrad II. bis zu Albrecht von Österreich einige der bedeutendsten deutschen Herrscher ruhen.
Bei der vollständigen Zerstörung des mittelalterlichen Speyer 1689 durch die Truppen Ludwigs XIV. von Frankreich brannte der Dom aus und stürzte in seiner westlichen Hälfte ein. Als Vorläufer moderner Denkmalpflege baute der Sohn Balthasar Neumanns 1772-1778 das Zerstörte in den romanischen Formen getreu wieder auf. Der Westbau hingegen ist eine etwas zu dekorativ ausgefallene Neu-schöpfung kurz nach der Mitte des 19. Jh.
Dom geöffnet von Nov. bis März 9 -17 Uhr, Apr. bis
Okt. 9-19 Uhr
www.dom-speijer.de
Kaiserpfalz Goslar
Kaiser Heinrich II. ließ im frühen 11. Jh. zu Füßen des Rammeisberges mit seinen reichen Silbervorkommen eine große Pfalz errichten, die unter den Saliern und Staufern zu einer der meistbesuchten werden sollte. Mitte des 11. Jh. baute Heinrich III. die Pfalzanlage äußerst repräsentativ aus und gründete darin ein eigenes Stift. 1253 ist der letzte Besuch eines (Gegen)Königs belegt. Nachdem die Pfalz 1289 abgebrannt war, ließ die Stadt sie als Sitz des Reichsvogtes nur noch teilweise wieder aufbauen. Im frühen 19. Jh. verschwand die kaiserliche Stiftskirche. 1865 stürzte ein Teil des Paias ein, der nun ganz abgerissen werden sollte. Erst jetzt setzte ein Umdenk ein, da man sich nun der Pfalz als Zeugnis einer großartigen Vergangenheit erinnerte. 1868-1870 erfolgte der Wiederaufbau des Pal in neuromanischen Formen, der nach der Reichsgründung 1871 bis 1879 nun als Natio naldenkmal fortgesetzt wurde. Als Abschlu erhielt der Saal seinen monumentalen Freskenschmuck. Wer heute die Goslarer Pfalz besucht, steht deshalb vor einer Mischung aus mittelalterlichen Resten und wilhelminischer Vergangenheitsbegeisterung durch die wiederhergestellte »Kaiserherrlichkeit«. Während die doppelgeschossige Ulrichkape le in den Formen des 12. Jh. samt gotischem Stifterdenkmal für Heinrich III. erhalten bll erinnert an die dem Palas gegenüber liegend kaiserliche Stiftskirche nur deren Vorhalle. Sie birgt den neben Aachen einzigen erhaltenen mittelalterlichen Thron, hervorgehob durch aufwendige romanische Bildhauer- ur Bronzearbeiten.
geöffnet von Apr. bis Okt. 10-17 Uhr, Nov.bisMärzw-16 Uhr www.goslar.de
Kaiserburg Nürnberg
Dank einer Versicherungswerbung blieb die Nürnberger Kaiserburg bis heute im Bewusst-sein einer breiten Öffentlichkeit. Markant überragt der Burgfelsen die moderne Großstadt. Kaiser Heinrich III. aus dem Geschlecht der Salier errichtete an diesem verkehrsgünstig und strategisch wichtigen Ort um die Mitte des u. Jh. eine Pfalz, die in der Stauferzeit einen großartigen Ausbau erfuhr. Neben dem runden Bergfried, dem Sinwellturm, führt vor allem die Burgkapelle am eindrucksvollsten zurück in die Blütezeit des deutschen Königtums. Als Herrscherkapelle ist sie doppelge-schossig angelegt, wobei beide Räume durch eine Mittelöffnung verbunden sind. Das Ober-geschoss ist weitaus aufwendiger gestaltet, denn hier nahm der König auf einer Empore am Gottesdienst teil. Daher sind die Kapitelle mit Adlern, dem Wappentier des Herrschers, geschmückt.
Im östlichen Teil des überwiegend spätmittelalterlich geprägten Areals residierten die Burggrafen als örtliche Stellvertreter des Königs. Seit dem späten 12. Jh. stammten sie aus der Familie der Zollern, die von hier aus ihren Siegeszug durch die jüngere deutsche Geschichte antreten sollten. Da deren Interessen dem Freiheitsdrang der Reichsstadt entgegen standen, lief» der Rat den Luginsland errichten, um mit diesem Turm das Geschehen in der Burg zu überwachen. Erst 1427 gelangte die Stadt nach der Vertreibung der Hohenzollern in den Besitz der Burggrafenburg, wo sie einen riesigen Getreidespeicher anlegen ließ.
Öffnungszeiten: Apr. bis Sept. 9-18 Uhr, Okt. bis März 10-16 Uhr. www.schloesser.bayem.de
Königspfalz Wimpfen
Die ehemalige Reichsstadt Wimpfen hat bis heute eine geschlossene, äußerst reizvolle Fachwerkaltstadt bewahrt, ergänzt durch die Talsiedlung mit der gotischen Ritterstiftskirche St. Peter. Auf dem steil zum Neckartal hin abfallenden Geländesporn erheben sich die Überreste der größten deutschen Königspfalz der Stauferzeit. Von einst drei monumentalen Bergfrieden haben sich zwei erhalten, die dank unterschiedlicher Baumaterialien Blauer und Roter Turm genannt werden. Durch die Einfügung in die mittelalterliche Stadtmauer blieb die talseitige Front des romanischen Pa-las erhalten. Als Hauptschmuck besitzt er im ersten Obergeschoss eine Folge romanischer Arkaden, die einst zum Saal gehörten. Vom Pa-las aus war direkt die Pfalzkapelle zugänglich, die noch vollständig erhalten ist. Ebenfalls erhalten blieb eines der größten romanischen Steinhäuser Deutschlands, in dem sich heute das Museum der Stadt befindet. Reste eines Ministerialenhauses sowie ein Torturm ergänzen das eindrucksvolle Bild der Gesamtanlage. Unmittelbar vor der Westseite der Pfalz, gleich neben der spätgotischen Pfarrkirche, liegt das Gebäude des Bischofshofes aus der ersten Hälfte des 13. Jh., ein seltenes Zeugnis eines bischöflichen
Stadthofes aus dem Mittelalter.
Pfalzgelände frei zugänglich.
www.badwimpfen.de