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Zwischen Harz und Unstrut

Zwischen Harz und Unstrut

Geographisch gehört das Eichsfeld zu Thüringen, genauer gesagt, zum Thüringer Becken, als dessen nordwestliches Randgebiet es sich zwischen dem Harz im Norden, den Schichtstufenbö-gen des Dün und der Hainleite im Osten und dem Hessischen Bergland im Westen erstreckt, wobei Wipper und Leine diese Landschaft in das obere und das untere Eichsfeld trennen. Historisch war es dagegen eigentlich bis in die Gegenwart hinein niemals Teil eines der Thüringer Staaten. Schon im 6. Jahrhundert hatten sich Sachsen und Franken in dieses Land geteilt, bis es schließlich in karolingischer Zeit ganz unter fränkische Herrschaft gelangte. Seit dem 10. Jahrhundert faßten die Erzbischöfe n Mainz hier Fuß und gewannen durch Käufe, Verträge, Schenkungen ein Stück nach dem anderen dazu, so daß schließlich Ende des Mittelalters das gesamte Eichsfeld kur-mainzischer Besitz war. Wenn für geistliche Fürstentümer an der "Pfaffengasse am Main und Rhein das Sprichwort galt "Unter dem Krumms ist gut leben, so bildete das Eichsfeld eher die Ausnahme, die diese Regel bestätigte. Zwar hatten das ganze Mittelalter hindurch zahlreiche Klöster die Erschließung des Landes gefördert, aber schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts wuchs die Unzufriedenheit über Unterdrückung und Ausbeutung und entlud sich schließlich im Ungewitter des Bauernkrieges, der das Eichsfeld mit Macht erfaßte. Auch die Reformation breitete sich rasch aus, doch nach dem Dreißigjährigen Krieg, als die Mainzer Erzbischöfe ihre Macht erneut festigen konnten, griffen sie hart durch und erzwangen die Rekatholisierung des Landes. Bei Mainz blieb es bis zum Reichsdeputationshauptschluß n 1803, dann fiel es erstmals, endgültig dann 1815 an Preußen, das aber nur Verwaltungsstrukturen änderte, indem das Untereichsfeld zu Hannover kam und das übrige der Provinz Sachsen angegliedert wurde, zur Förderimg der Wirtschaft aber wenig tat.




Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts hatte sich im Eichsfeld ein bescheidenes Zentrum der Hausweberei entwickelt, aber die Einführung des mechanischen Webstuhls und die damit wachsende Konkurrenz in Deutschland und im übrigen Europa ließen den Aufschwung wieder zunichte werden, und viele Eichsfelder suchten ein dürftiges Einkommen als Hausierer und Wanderarbeiter. Erst seit Beginn unseres Jahrhunderts brachte der Kalibergbau allmählich Strukturverbesserungen. Die Randlage an der Zonen- bzw. Staatsgrenze hemmte für mehr als vierzig Jahre erneut den wirtschaftlichen Aufschwung. Nach der Auflösung der alten Länder in der damaligen DDR gelangte das Eichsfeld 1952 zum Bezirk Erfurt, und so mündete der politische Weg in das heutige Land Thüringen, die wirtschaftlichen Sackgassen aber sind durch den Wegfall der Grenzen wieder zu zukunftsträchtigen Durchgangsstraßen geworden.
Es schadet nichts, wenn man sich bei einem Ausflug in das Eichsfeld solche Fakten r Augen hält. Wer das Leinetal aufwärts fährt, gelangt gleich nach der Landesgrenze in das Gebiet einiger Dornröschenschlösser. Aber nicht die Natur hatte eine Dornenhecke um sie gezogen, sondern die politischen Machthaber. Nahe am gefürchteten Todesstreifen, waren sie jeglicher Touristik entrückt, und keiner der offiziellen Fremdenführer erwähnte sie. Wenigstens die malerische Burg Hanstein in Bornhagen sollte den winzigen Abstecher wert sein, aber Burgenfreunde dürfen sich hier auf manche Neu- oder Wiederentdeckung freuen!
Am Zusammenfluß n Geislede und Leine erreichen wir Heiligenstadt. Im Stadtwappen reitet der Mainzer Erzbischof, deutlich erkennbar an seinem eigenen Wappen auf Fähnlein und Schild. Ihren Namen verdankt die nun schon mehr als tausend Jahre alte Siedlung den Reliquien zweier christlicher Märtyrer, die in der Kirche des Augustiner-Chorherrenstifts St. Martin ruhten. Die noch immer gut erhaltenen Teile der ehemals drei Kilometer langen Stadtbefestigung erinnern heute noch an die alte Wehrhaftigkeit um das Ansehen der Stadt.
Hier wurde um 1460 der Bildschnitzer Tilman Riemenschneider geboren. Sein Lebensweg führte ihn über Ostcrrode im Harz, wo er den Großteil der Kindheit verbrachte, nach Würzburg, und dort entfaltete er seine Kunst als einer der wohl bedeutendsten Holzschnitzer der Spätgotik.

Der Heinrich-Heine-Park erinnert daran, daß sich 1825 der damals siebenundzwanzigjährige Dichter in der ehemaligen Stiftskirche St. Martin taufen ließ, um sich durch den Taufzetlel, "das Entreebillett zur europäischen Kultur zu verschaffen. Nach den Erzählungen n Pastor Grimm, der die Taufe llzog, entstand der folgende authentische Bericht:
"Es war um die Rosenblüte 1825. Im Pfarrhause herrschte reges Leben. Die Hausfrau hatte r einigen Wochen ihren Mann, den Superintendenten M. Gottlob Grimm mit einem Zwillingspärchen beschenkt, und der morgige Tag war zur Taufe der Zwillinge bestimmt, zu welcher der Freund des Hauses, Doktor Bonitz aus Langensalza, als erbetener Pate schon gestern eingetroffen war. Es sollte eine große Taufe sein und alle Hände waren ll Arbeit, doch als der Hausherr die kurze Mitteilung machte: ,Wir haben heute noch einen Gast', war es weniger das Erscheinen eines neuen Tischgenossen, was den weiblichen Teil der Familie beschäftigte, denn man lebte in einfachen Zeiten und war gewohnt Gäste zu sehen, wenn auch bei einfacher Bewirtung und wenig Gerichten - es waren mehr die ungewohnte lakonische Kürze der Mitteilung, welche über die Person des Fremden keine Auskunft gab und deshalb den Vermutungen freies Spiel ließ.
Kurz r zehn Uhr klingelte es und die Dienstmagd, welche geöffnet hatte, meldete, es sei der blasse Göttinger Student, welcher in letzter Zeit öfter dagewesen, gekommen und habe sich sofort nach oben zum Herrn begeben, wo auch schon der Herr Doktor Bonitz warte. Damit war nun zwar der Gast bekannt, was aber der blasse Student so oft bei dem Hausherrn zu tun habe, darüber fehlte die Aufklärung. Nach zwölf Uhr erschienen die Herren im Familienzimmer und stellte der Hausherr den Fremden als stud. jur. Heinrich Heine r, unwillkürlich auf den Vornamen einen stärkeren Akzent legend, was den Freund Bonitz zu einem raschen Aufblicken und Lächeln veranlaßte. Das Mittagessen verlief still; der Hausherr und Bonitz führten die Unterhaltung ziemlich allein; aber nur mit halber Aufmerksamkeit. Heine beteiligte sich dabei nur so viel wie nötig, um nicht unhöflich zu sein; sein Gesicht trug den Stempel tiefer innerer Erregung und in den dunklen Augen war erkenntlich, daß seine Gedanken nicht bei der Unterhaltung waren. Ebenso ging es den geistlichen Herren, die, beide als geistreiche Gesellschafter in ihren Kreisen bekannt, heute offenbar mit anderen als den geführten Gesprächsgegenständen beschäftigt waren und öfter ihre Blicke zu dem jungen Mann prüfend und doch mit einer besonderen Milde und Freudigkeit hinübergleiten ließen. Nach Tisch empfahl sich Heine bald. Sein Abschied n dem Superintendenten Grimm war ein besonders herzlicher und warmer, und als er schon, an der Tür, sich nochmals umwendete und demselben wiederholt die Hand reichte, schimmerte es ihm feucht im Auge.
Nun teilte Grimm seiner Familie mit, daß heute der jüdische Student Heine n ihm die Taufe empfangen habe, nachdem die Vorbereitung dazu seit längerer Zeit geschehen, und daß Bonitz dessen Pate sei.

1856 war Theodor Storm zum Kreisrichter in Heiligenstadt ernannt worden. Nachdem ihm die Dänen in der schleswigschen Heimat eine Adkatur versagt hatten, war er in preußische Justizdienste eingetreten, hatte anfangs in Potsdam gearbeitet und wurde dann hierher versetzt, wo sein Bruder eine Gärtnerei führte. Gleich nach der Ankunft schrieb er an seine Frau Constanze:

"Da sind wir denn! Die erste Wegstrecke erreichen war überaus schön, Wälder, Berge und Täler Dazwischen reiche Getreidefelder; dann wurden die Höhenzüge kahler, bis endlich dunkle, bewaldete Berge sich r uns lagerten; im Grunde lag eine Stadt mit alten Kirchtürmen. ,Heiligenstadt!' sagte der Kutscher. Mir schössen die Tränen etwas in die Augen. So fuhren wir denn nach dreistündiger Fahrt den abschüssigen Weg hinunter in die Stadt! Lehmhütten und Baracken, Häuser, wie sie bei uns nicht für Geld aufzuweisen wären. Man begreift nicht, daß darin die lustigen Heiligenstädter, wie sie überall heißen, existieren können. Nur sehr einzelne gute Häuser liegen dazwischen; das beste ist unser Wirtshaus, offenbar ein altes Palais. Daß Heiligenstadt eine Residenz des Kurfürsten (geistlich) n Mainz gewesen, sieht man nur an den zwei oder drei alten großen Kirchen und dem alten Residenzschloß, dem jetzigen Gerichtsgebäude. Von der Lustigkeit der Leute kriegten wir gestern abend noch einen Beweis. Eine große Schützengilde zog mit Musik und Lärm im Dunkel durch die Straßen, sie feierten schon den dritten Tag, und heute geht's Tanzen wieder los. Wir befinden uns offenbar in Seldwyla; ich denke, die Heiligenstädter florieren auch bis in die dreißig, und dann sind sie fertig. Schlecht geschlafen habe ich; unter uns wurde noch eine Stunde lang - übrigens rtrefflich - Klavier gespielt; jeden Augenblick blies eine Post, es scheint hier lebhafter Verkehr zu sein, und zum Überfluß leitet der Nachtwächter seinen Gesang auch durch einen Hornstoß ein. Das Ganze hier macht mir trotz der Armlichkeit keinen üblen Eindruck, die Berge gucken überall in die Stadt; es muß sich im Sommer hier angenehm im Freien und Winters recht heimelig in den Stuben leben lassen. Sehr schönes Wetter ist hier.2
Der erste Schein trügte nicht, Storni war mit der neuen Wirkungsstätte durchaus zufrieden, er fand Muße für die eigene dichterische Arbeit, und so entstanden hier mehrere Novellen wie "Auf dem Staatshof oder "Abseits.
Nicht nur Heiligenstadt selbst, sondern auch seine Umgebung sind einen Besuch wert: Beuren etwa mit seinem ehemaligen Zisterzienserkloster, Leinefelde, der Geburtsort des Realschullehrers Johann Carl Fuhlrott, der 1856 bei Düsseldorf die ersten Gebeine eines Neandertalers entdeckte, Burg Scharfenstein und schließlich die ehemaligen Nonnenklöster n Zella und Anrode. Sie gehören eigentlich schon zur Umgebung n Mühl-hausen, der alten freien Reichs- und Hansestadt an der Unstrut, die sich heute ganz offiziell Tho-mas-Müntzer-Stadt nennt und damit an jenen Bauernkriegsführer erinnert, dessen Andenken in der ehemaligen DDR n offizieller Seite besonders gepllegt wurde, weil man in ihm einen Wegbereiter des Kommunismus sah. Nur drei mitteldeutsche Städte hatten es überhaupt geschafft, den begehrten Rang einer Freien Reichsstadt zu erlangen. Goslar, Nordhausen und Mühlhausen, und ein Blick auf den schönen Merian-Stich n 1650 zeigt schon, daß die Stadt auch rein äußerlich diese Würde spiegelte. Trotzdem waren die Bürger hier ärmer als in vielen süddeutschen Reichsstädten. Nur neun Bürger der Gemeinde versteuerten beispielsweise Anfang des 16. Jahrhunderts mehr als 4000 Gulden, besaßen aber zusammen immer noch weniger als etwa ein süddeutscher Handelsherr. Fast die Hälfte besaß nur zwischen 80 und 800 Gulden, und ein Viertel hatte gar nichts. Damit war die wirtschaftliche Lage vieler dieser Bürger schlechter als die mancher süddeutscher Bauern. Vielleicht gaben sie deshalb einen guten Nährboden ab für neue politische und r allem soziale Ideen.

In der Stadt begann es schon 1523 zu gären, die Bürger erzwangen unter der Führung des protestantischen Stadtpredigers Heinrich Pfeiffer gegenüber dem Patriziat einen Anteil am Stadtregiment. 1524 kam Thomas Müntzer nach Mühlhausen, jener Mann, dessen Denkmal seit 1957 r der Stadtmauer am Frauentor steht.
Es bleibt viel zwiespältig und merkwürdig im Leben dieses Thomas Müntzer. So ist es nicht zu verwundern, daß auch heute noch die Meinungen über ihn auseinandergehen. Für die marxistische Geschichtsschreibung ist er ein großer Vorläufer des Kommunismus. Andere wieder meinen, daß sein später durch die Folter erpreßtes Geständnis: Omnia sunt communia - einem jeden sollte seiner Notdurft ausgeteilt werden nach Gelegenheit -nicht mit der Verwerfung des Privateigentums gleichgesetzt werden dürfe, sondern sich weit stärker an eine urchristliche Lebensgemeinschaft anlehne. Als er nach Mühlhausen kam, erkannte Pfeiffer wohl die geistige und rednerische Überlegenheit des anderen; denn er ordnete sich ihm unter. Aber Müntzers radikale Gedanken drangen noch nicht durch. Merkwürdigerweise wandten sich gerade die Bauern des umliegenden Landes gegen ihn, und mit ihrer Hilfe gelang es dem Rat, einen Aufstand in der Stadt entscheidend niederzuschlagen. Müntzer wurde aus Mühlhausen verwiesen und ging in den Schwarzwald, um dort den Bauern seine Ideen zu predigen, und half dadurch mit, den großen Aufstand rzubereiten. Im Februar 1525 kehrte er wieder nach Mühlhausen zurück und bereitete dort den allgemeinen Aufstand r. Hatten die süddeutschen Bauern den Bundschuh als Wahrzeichen ihres Kampfes auf den Fahnen abgebildet, ließ Müntzer hier eine große weiße Seidenfahne verfertigen mit einem Regenbogen darauf und den Spruch: "Verbum domini manet in aeternum - Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit. Erst in der zweiten Hälfte des April 1525 erreichten die letzten Wellen des süddeutschen Bauernkrieges auch den Thüringer Raum, und Müntzer rief mit flammenden Reden seine Anhänger zum Umsturz auf. Dabei zeigte sich eine große Schwäche des Predigers. Er berauschte sich an den eigenen Worten und verlor die Kontrolle über sich selbst. Dann versprach er den Zuhörern nicht nur das Reich Gottes auf Erden, sondern manchmal auch das Blaue m Himmel herunter. Das konnte aber in kritischen Situationen sehr gefährlich werden.
Hier in Thüringen begann es r allem in den Städten zu gären. Der erste Akt des Dramas glich allerdings eher einer Komödie. Als die Bürger n Langensalza am 25. April gegen ihren Rat rebellierten, wollten Müntzer und Pfeiffer ihnen mit einer Schar n etwa 500 Mann zu Hilfe kommen. Aber die Langensalzar hatten inzwischen einen Teil ihrer Forderungen durchgesetzt und wollten lieber nichts mehr n ihren radikalen Brüdern wissen, verschlossen die Tore und speisten sie mit ein paar Faß Bier ab.

In den nächsten Tagen flackerte in den meisten Landgemeinden und Städten der Aufruhr empor. Aber während die Bauern in Oberdeutschland und Franken doch machtlle und ernst zu nehmende Einheiten geschaffen hatten, blieb es in Thüringen bei vielen kleineren Gruppen aus Bauern und Bürgern ohne geschlossene politische und soziale Ziele. Müntzer organisierte und agierte unermüdlich n Mühlhausen aus. Er hatte den alten Rat seiner Amter entsetzt und einen neuen wählen lassen, der immer regieren sollte und daher "Ewiger Rat genannt wurde. Später vermerkte ein Chronist n diesem Rat: "er hat doch kein Viertel Jahr und sehr übel regiert und gedauert. Denn kein Rechtsbruch kann dauernd sein. Schon Anfang Mai verlagerte sich das Schwergewicht des Aufstandes aber n Mühlhausen weg nach Frankenhausen am Kyffhäuser, wo sich etwa sechstausend Männer, Bürger und Bauern, eingefunden und zusammengeschlossen hatten und ll für die Sache der Bauern einsetzten.
Mühlhausen, in dessen zahlreichen alten Bauwerken sich auch heute noch die große Zeit spiegelt, pflegt das Andenken an Müntzer und den Bauernkrieg. Einige Akzente werden wahrscheinlich in der Gedenkstätte "Deutscher Bauernkrieg in der Kornmarktkirche in Zukunft anders gesetzt werden müssen, aber sicher bleibt das Andenken an diese erste deutsche Relution in ihrer llen historischen Bedeutung erhalten.

Ein längerer Spaziergang durch die Stadt lohnt sich schon, denn obwohl hier zwischen 1244 und 1707 neun große Brände gewütet haben und allein den letzten beiden 850 Häuser zum Opfer fielen, gibt es noch genug zu sehen, so die fast llständig erhaltene Stadtmauer, die verwinkelte Anlage des Rathauses mit seiner Großen Ratsstube, in der 1525 der "Ewige Rat tagte, dessen Einsetzung wir im Rathaussaal auf einem Gemälde aus dem Jahre 1960 nacherleben können, die Bürgerhäuser mit den oft alten Höfen und natürlich die Kirchen, die Blasiikirche, an der Johann Sebastian Bach und sein Sohn Johann Gottfried Bernhard wirkten und wo wieder die rekonstruierte Bach-Orgel erklingt, und, nicht zu vergessen, St. Marien, die ehemalige Kirche des Deutschen Ritterordens. Kein Fremdenführer versäumt den Hinweis, daß in dieser zweitgrößten Kirche Thüringens nach dem Erfurter Dom Müntzer predigte. Wichtiger aber erscheint der Blick auf die südliche Querhausfassade. Böhmische Steinmetzen, vielleicht aus dem Umkreis der Prager Bauhütte, mögen sie geschaffen haben, und auf dem Altan über dem Portal begegnen uns zwei seltene Gäste, denn da blicken, flankiert n einem Hofbeamten und einer Hofdame, Kaiser Karl IV. und seine Gemahlin Elisabeth n Pommern (die so kräftig war, daß sie Hufeisen zerbrechen konnte!) auf den Beschauer herab. Über ihnen thront Christus in der Mandorla, an seinen Seiten Maria und Johannes. So wurden in ausdrucksstarker mittelalterlicher Bildersprache die Mühlhausener immer an den Anspruch des Kaisers gemahnt, der Stellvertreter des Weltenrichters zu sein.
Wer Zeit hat, sollte nicht versäumen, im nahen Erholungsgebiet noch die Erdfallquelle des Popperoder Brunnens mit dem schönen Brunnenhaus zu besuchen, n dem wir eine hübsche Beschreibung eines Reisenden aus dem Jahre 1824 besitzen:

"Der Popperoder Brunnen entspringt gegen Abend eine halbe Stunde über der Stadt und den Teichen. Es waren ansonsten in alten Zeiten anno 1300 zwei Brunnen, der eine ist entweder versiegt oder zugeworfen worden, jetzt aber ist nur noch ein Brunnen, der mit Steinen rundum eingefaßt ist, und unten einen Rost darein gelegt. Er hat neunundsechzig Schuhe im Umfange und acht Schuh tief Wasser, welches nie austrocknet, auch beim kältesten Winter nie zufriert. Der Ausfluß ist fünf Schuh breit und eineinhalb tief. Dieser Brunnen wurde 1614 mit Steinen eingefaßt, und ein schönes Lusthaus dabei erbauet, welches fünf Türmchen hat und ganz mit Schiefer bedeckt ist. Der Anger oder grüne Platz dar ist mit einer Mauer m Ausfluß bis an's Haus eingefaßt, hat drei Eingänge und inwendig an der ganzen Mauer ringsum ist eine steinerne Bank angebracht; der Platz wird n alten schönen Linden umgrenzt.
Weil der Brunnen der Stadt viel Nutzen schafft, und so vieles und so rtreffliches Wasser gibt, so werden alle Jahre zwei Brunnenfeste gehalten. Diese werden einmal n den Schülern, das zweite Mal n den Mädchen gefeiert. Zwischen Pfingsten und Johannes feiern die Schüler das erste Fest. Sie versammeln sich zu diesem Zwecke an dem schon rher bestimmten festlichen Tage mit ihren Lehrern um elf Uhr rmittags in der Schule und ziehen n hier aus, n jenen geführt, mittags zwölf Uhr in feierlicher Prozession unter Gesang geistlicher Lieder durch die Stadt und Nikolairstadt bis an's äußerste Felchtetor, wo der Gesang aufhört, und der Zug in stiller und selbstliebiger Ordnung bis zum Brunnen weiter fortgesetzt wird. Unter schuldlosen Freuden und Vergnügungen ruht man hier bis gegen vier Uhr aus, dann wird n den Cantoren der Schule ein auf die Feierlichkeit dieses Tages passende« musikalisches Stück mit Blasinstrumenten aufgeführt. Nach Beendigung der Musik werden noch einige Lob- und Danklieder gesungen und somit das Fest beschlossen. Die Schüler bekommen darauf etwas Bier zum Besten und die Lehrer vergnügen sich oben im Saale des Brunnenhauses.

Es ist nicht ganz einfach, in dem Stück Land zwischen dem Harz und der Unstrut historischen Spuren zu folgen; denn zu verzahnt sind manchmal die Zusammenhänge. So erhebt sich die Frage, sollen wir sinngemäß n Mühlhausen aus unmittelbar nach Frankenhausen gehen, um die weiteren Schicksale Thomas Müntzers zu verfolgen, oder zuerst einmal nach dem Norden hinauf, um an der Goldenen Aue Nordhausen zu besuchen, die andere ehemals Freie Reichsstadt hier im Thüringischen? Wer dort allerdings, ähnlich wie in Mühlhausen, noch viele Zeugnisse einer großen Vergangenheit erwartet, wird bitter enttäuscht. Auch Nordhausen war einmal eine schöne Stadt, wie der Merian-Stich beweist. Hier lag schon 911 eine Königspfalz, Heinrich der Löwehatte 1180 die Stadtmauer errichten lassen, vierzig Jahre später wurde Nordhausen reichsfreie Stadt und führt noch heute den Reichsadler in seinem Wappen. Die Bürger waren fleißige Handwerker und gute Händler, sie wußten auch, daß ein kräftiger Schluck manche Wege glättete und manche Verträge besiegelte. Schon im 16. Jahrhundert brannten sie ihren "Korn, der als "Nordhäuser seinen guten Ruf bis heute bewahrt hat. Die Stadt lavierte sich geschickt durch die Zeiten und wurde Mitglied der Hanse. Erst im 18. Jahrhundert wurde sie zum Spielball der großen Nachbarn, preußische Truppen besetzten sie, und 1815 fiel sie endgültig an Preußen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie zu dreiviertel zerstört. An die alte Herrlichkeit erinnert noch der Dom zum hl. Kreuz und die Kirche St. Blasius sowie ein paar erhaltene Bürgerhäuser wie die gotische "Finkenburg aus der Zeit um 1400 und die um ein Jahrhundert jüngere "Flohburg sowie das heute wieder aufgebaute Rathaus n 1610. Einer aber hat die Zerstörung überdauert und tauchte heil aus dem Trümmerschutt wieder auf- der Roland am Rathauseck. Die Stadt besaß schon seit dem 15. Jahrhundert ihre Rolandfigur als Zeichen der reichsstädtischen Freiheit. Dieser rotröckige Geselle stammt aber erst aus dem Jahre 1717, ist also sozusagen schon ein preußischer Besatzer. Das hindert ihn jedoch nicht daran, allen Touristen und deren Fotoapparaten kühn und geradezu finster entgegenzublicken und sein Schwert zu schwingen, als müßte er den letzten Hauch alter Reichsfreiheit in der nun modernen Industriestadt verteidigen.

Vierundzwanzig Kilometer sind es n Nord-hausen aus südwärts nach Sondershausen, in das Zentrum des ostdeutschen Kalibergbaus. Immerhin ist das Kaliwerk "Glückauf hier nun schon einhundert Jahre alt und damit das älteste der Welt! Sondershausen war Residenzstadt der geforsteten Grafen n Schwarzburg-Sondershausen. Es gab noch andere Linien dieses Geschlechts, so Schwarzburg-Arnstadt, Schwarz-burg-Blankenburg, Schwarzburg-Ebelchen, Schwarzburg-Frankenhausen, Schwarzburg-Käfernburg und Schwarzburg-Rudolstadl. ein Musterbeispiel geradezu für die zu Recht vielverspoltete und gescholtene thüringische Kleinstaaterei. Der Marktplatz gäbe heute noch eine schöne Theaterkulisse ab, mit Rathaus, Hauptwache, Prinzenhaus und über allem das mächtige Schloß. Die Schwarzburger Linien haben stets gern und über ihre Verhältnisse gebaut und Schlösser in die Residenzorte gesetzt, die in keinem rechten Verhältnis zur Größe ihrer Staaten stehen wollten. Man sollte sich beim Anblick dieses prachtllen Bauwerks stets daran erinnern, daß die ganze Grafschaft um die Mitte des rigen Jahrhunderts nur siebzehn Quadratmeilen mit 52 000 Einwohnern umfaßte. Um in solcher Herrlichkeit richtig repräsentieren zu können, bedurfte es nicht nur eines solchen Schlosses, sondern auch einer solchen Prunkkarosse, wie sie Fürst Heinrich im 18. Jahrhundert besaß und die noch heute im Schloßmuseum bewundert werden kann! Natürlich besaß das Schloß auch einen eigenen Theatersaal, und im Schloßpark steht das "Karussell, ein Lust- und Spielhaus n 1709; heute noch konzertiert in dem restaurierten Bau das berühmte städtische Lohorchester, das schon 1801 gegründet wurde und das Franz Liszt einmal als "großes Wunder, eingeschlossen in eine kleine Stadt, bezeichnete. Theaterlechnisch interessierte Besucher können auch noch im Keller des "Karussells das Triebwerk für die Drehbühne im Erdgeschoß besichtigen.
Die rletzte Station am Nordrand des Thüringer Beckens wäre eigentlich Bad Frankenhausen, wo wir ein letztes Mal Thomas Müntzer und den aufständischen Bauern wiederbegegnen, die wir in Mühlhausen verlassen haben. Aber zumindest in Gedanken müssen wir zur noch über die Landesgrenze nach Allstedt in Sachsen-Anhalt; denn hier hatte Müntzer am 13. Juli 1524 auf dem Schloß jene berühmte "Fürstenpredigt gehalten, die als eine Zukunftsvision zugleich sein politisches Programm widerspiegelt. Nach Müntzers Auffassung ging das alte Reich zu Ende, Aufgabe der Fürsten müsse es sein, mutig für eine neue Ordnung einzutreten, doch wo sie verzagten, sollte Gott die Macht dem Volke geben:

"Darum, ihr allerteuersten, liebsten Regenten, lernt euer Urteil richtig aus dem Munde Gottes und laßt euch n euren heuchlerischen Pfaffen nicht verführen und mit erdichteter Geduld und Güte aufhalten! Denn der Stein, m Berge gerissen, ist groß geworden. Die armen Laien und Bauern sehen ihn viel genauer an als ihr. Ja, Gott sei gelobt, er ist so groß geworden: wenn euch andre Herren oder Nachbarn schon um des Evangeliums willen verfolgen wollten, so würden sie n ihrem eigenen Volk vertrieben werden. Das weiß ich fürwahr. Ja, der Stein ist groß, dar hatte sich die blöde Welt lange gefürchtet. Er hat sie überfallen, als er noch klein war. Was solln wir denn nun tun, weil er so groß und mächtig geworden ist Darum, ihr teuren Regenten n Sachsen, tretet keck auf den Eckstein, wie der heilige Petrus es tat und sucht die rechte Beständigkeit göttlichen Willens!

Er wird euch wohl erhalten auf dem Stein. Eure Gänge werden richtig sein, sucht nur stracks Gottes Gerechtigkeit und greift die Sache des Evangeliums tapfer an! Denn Gott steht so nah bei euch, daß ihrs nicht glaubt.'4
Mit solchen Worten im Ohr wenden wir uns nun nach Bad Frankenhausen, wo sich der letzte blutige Akt der Tragödie des Thüringer Bauernkrieges abspielte. Hier hatten sich Anfang Mai 1525, wie wir schon hörten, etwa sechstausend Aufständische zusammengefunden. Müntzer kam am 12. Mai mit dreihundert seiner engsten Anhänger in die Stadt und übernahm sogleich den Befehl, aber ihm blieben nur drei Tage. Sc-hon rückten die massierten Aufgebote Philipps n Hessen, des Herzogs Georg und des Kurfürsten Johann n Sachsen sowie des Herzogs n Braunschweig heran. Müntzer hatte das Pech, daß ihm ein schweizerischer Landsknecht, den er mit 900 Gulden nach Nürnberg geschickt hatte, um Pulver zu kaufen, samt dem Geld durchgegangen war. Sein Versprechen, die Anhänger unverwundbar zu machen, erwies sich aber als kein hinreichender Ersatz für das fehlende Pulver. Die Fürsten wählten ihren alten Trick und begannen, als sich der Haufen zum Kampf gestellt hatte, mit Verhandlungen, um dann überraschend loszuschlagen.
Wilhelm Zimmermann, der um die Mitte des rigen Jahrhunderts eine heute zwar vielfach überholte, nichtsdestoweniger aber sehr engagierte und farbige "Geschichte des Großen Bauernkrieges geschrieben hat, schildert auch den Untergang des Frankenhausencr Haufens:

"Müntzer hatte sich an der Anhöhe über Frankenhausen gelagert, die noch jetzt der Schlachtberg heißt, eine starke Wagenburg um sich geschlossen und einen Graben gezogen, daß man so leicht, besonders zu Roß, nicht an ihn kommen mochte. Aber sein Haufen zählte gar viele Zaghafte unter sich, keinen kriegskundigen Führer, und war im Ganzen nicht achttausend stark; wollten die einen schlagen, so wollten die andern nur unterhandeln und Frieden suchen. Durch die Friedensanträge der Gegner wurde Müntzers Lage llends höchst bedenklich. Der Landgraf sandte nach Ankunft des Herzogs Georg eine Botschaft an die Bauern, wenn sie ihre Hauplleutc auslieferten, wollte er ihnen bei ihren Herren Gnade verschaffen Die Herren und Ritter machten, so scheint's die Führer und Sprecher der Friedenspartei im Lager. Als diese sah, daß die Feinde ihr Geschütz auf allen Seiten um sie rückten und sie umringten, sandten sie den Grafen Wolfgang n Stolberg, Kaspar n Rückxleben und Hans n Werthern zu einer zweiten Unterhandlung an die Fürsten Diese behielten den Stolberg und den Rückxleben zurück, und ließen durch Werthern ins Lager entbieten, sie sollten weiter mit ihnen des Müntzers halben nicht disputieren, sondern wenn sie ihn nicht auslieferten und ihre Wehr ablegten, würden sie gegen sie rnehmen, kraft ihres obrigkeitlichen Amtes, was sich gegen sie gebühre. Die Uneinigkeit, das Schwanken stieg im Bauernlager
Wahrend der Unterhandlung hatten die Fürsten den Berg ganz umzogen; Landgraf Philipp ritt r seinem Volke herum und ermahnte es zur Tapferkeil, sobald er sah, daß .der Graf Stolberg und die anderen Edlen außer der Gewalt der Bauern warn'. .Sie rüsten sich zur Schlacht', sprach er, ,sie zwingen uns zur Notwehr; greift sie ritterlich an, der Teufel hat sie geblendet. Sie klagen wider die Obrigkeit, aber sie verschweigen unsere Sorge und Mühe, gegen welche ihre Abgaben und Lasten gering sind. Für ihre Abgaben erhalten sie Schutz, ihnen ist der meiste Nutzen. Darum, daß sie keine billige Ursache haben, Gott und ihre Obrigkeit lästern, sollt ihr sie getrost angreifen. Daran tut ihr Gottes Willen. Hinein in Gottes Namen!'
Und ohne sich um den Stillstand zu kümmern, rückte die ganze Schlachtordnung plötzlich an die Wagenburg, und das Geschütz ging mit solchem Donner unter die Bauern los, daß viele dan niederstürzten, die andern r Bestürzung nicht wußten, ob sie fechten oder laufen sollten. Viele sahen hinauf, ob Gott ihnen eine übernatürliche Hilfe m Himmel zuschicken werde. Aber ehe die Engellegionen niederstiegen, war die Wagenburg durchbrochen, und sie wurden erschossen, erstochen, ganz jämmerlich ermordet. Müntzer, der unter seinem Prophetenmantel ein Koller m dichtesten Büffelleder trug, aber kein Ziska war, vermochte jetzt die allgemein werdende Flucht der Seinen nicht zu hemmen.5
An die sechstausend Aufständische sollen in dem Gemetzel umgekommen sein. Müntzer selbst wurde gefangengenommen und in das nur wenige Kilometer südöstlich gelegene Heldrungen gebracht, wo ihn Graf Ernst II. n Mansfeid in den Turm der dortigen Wasserburg werfen und grausam foltern ließ, um ihn zu einem Widerruf zu zwingen, der dann alsbald überall öffentlich verbreitet wurde. Am 27. Mai, keine zwei Wochen nach dem Blutbad n Frankenhausen, wurde er bei Mühlhausen enthauptet.
Frankenhausen begann während der DDR-Zeit das Andenken Müntzers intensiv zu pflegen; sichtbarer Ausdruck und Gipfel einer behördlich verordneten Heldenverehrung wurde der 1974 oberhalb der Stadt auf dem Schlachlberg errichtete Rundbau mit dem monumentalen PanoramaWandbild des Malers Werner Tübke, das die Ereignisse des Bauernkrieges darstellt. Mit 123 x 14 Metern und ca. 3000 uren gilt es als das größte Gemälde der Welt und dürfte in das "Buch der Rekorde aufgenommen werden.
Es ist ja nicht das einzige Monumentaldenkmal hier am Rande des Kyffhäusers. Dieses kleinste Gebirge in Thüringen, nur neunzehn Kilometer lang und maximal sieben Kilometer breit und bis auf den Kulpenberg durchschnittlich etwa dreihundert Meter hoch, gewährt einen weiten Blick über die Goldene Aue und auf den Harz. Hier stand schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts die mächtige Reichsburg Kyffhausen. Dreizehn Jahre lang mußten fünfhundert Männer täglich zwölf Stunden fronen, um die Anlage in der staufischen Zeit in Ober-, Mittel- und Unterburg auszubauen, die gesamte Feste war 600 in lang und besaß zehn Meter hohe Mauern. An ihrem Fuße entstand auf dem Pfingstberg bei Tillecia eine Kaiserpfalz, deren Ruinen heute durch Ausgrabungen freigelegt sind.
Gegen Ende des Mittelalters verfiel die alte Burg allmählich, schon damals aber ging die Sage um, im Kyffhäuser schlafe tief im Innern des Gebirges der Stauferkaiser Friedrich II. und warte darauf, in Notzeiten wiederzukehren und dem Reich zu helfen. Später wandelte sich die Sage und wurde auf Kaiser Friedrich I. Barbarossa übertragen, der fern im Morgenland auf dem Kreuzzug gestorben war und dessen Grab niemand kannte. Das Volk wollte den mächtigen Herrscher aber in seiner Mitte wissen, und wo gab es einen besseren Platz für ihn als hier im Herzen Deutschlands? So hat er eine schönere Ruhestätte gefunden als viele seiner Vorgänger und Nachfolger: denn er ruht zugleich im Gedächtnis des Volkes, besser und sicherer als mancher Kaiser in einem prunkllen, aber einsamen Grab. Und früher einmal kannte jedes Kind aus dem Lesebuch die schöne Ballade n Friedrich Rückert:

"Der alte Barbarossa, Der Kaiser Friederich, Im unterird'schen Schlosse Hält er verzaubert sich.
Er ist niemals gestorben. Er lebt darin noch jetzt; Er hat im Schloß verborgen Zum Schlaf sich hingesetzt.

Er hat hinab genommen Des Reiches Herrlichkeit, Und wird einst wiederkommen Mit ihr zu seiner Zeit.
Der Stuhl ist elfenbeinern. Darauf der Kaiser sitzt; Der Tisch ist marmelsteinern, Worauf sein Haupt er stützt.
Sein Bart ist nicht n Flachse, Er ist n Feuersgi ut, Ist durch den Tisch gewachsen. Worauf sein Kinn ausruht.
Er nickt als wie im Traume, Sein Aug' halb offen zwinkt; Und je nach langem Räume Er einem Knaben winkt.
Er spricht im Schlaf zum Knaben: Geh' hin r's Schloß, o Zwerg, Und sieh, ob noch die Raben Herfliegen um den Berg.
Und wenn die alten Raben Noch fliegen immerdar, So muß ich auch noch schlafen - «. Verzaubert hundert Jahr.

Aber in Abwandlung eines Sprichworts könnte man sagen: Es kann der bravste Kaiser nicht in Frieden ruhen, wenn es dem Heldenlke nicht gefällt. Und den Helden des Krieges n 1870/71 und ihren Nachkommen, die in den Kriegervereinen des Kyffhäuser-Bundes vereinigt waren, gefiel es, in Erinnerung an den "Heldenkaiser Wilhelm I. und an die Reichsgründung auf dem Nordostsporn des Kyffhäusers ein gewaltiges Denkmal bauen zu lassen. Vierhundert Arbeiter zerstörten dabei weite Teile der Oberburg Kyffhausen. Der Architekt Bruno Schmitz, der auch das Völkerschlachtdenkmal n Leipzig entwarf, schuf einen monumentalen Bau n 81 m Höhe. Am Fuß des Denkmals sitzt grübelnd Kaiser Friedrich Barbarossa, so grimmig, daß man fast Angst bekommt, und über ihm reitet stolz Kaiser Wilhelm I., und in der Grundsteinurkunde heißt es: "Das Denkmal soll sich erheben auf freier Bergeshöhe, auf Schwarzburgs Erde, auf dem Kyffhäuser, an welchem die Volkssage die Hoffnung auf die Wiedergeburt des Vaterlandes geknüpft hatte. Auf dem Kyffhäuser, in welchem nach der Sage Kaiser Friedrich der Rotbart der Erneuerung des Reiches harrte, soll Kaiser Wilhelm der Weißbart erstehen, der die Sage erfüllt hat.

Da sich n hier aus bei gutem Wetter ein herrlicher Blick über das Land genießen läßt, locken Denkmal und Aussicht alljährlich schon eine halbe Million Besucher an, und wenn auch Kaiser Barbarossa noch so grimmig blickt, so ist doch zu befürchten, daß es noch mehr werden!







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