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Unter der Herrschaft der Erzbischöfe

Unter der Herrschaft der Erzbischöfe

Erzbischof Brun als weltlicher Herr der Stadt

Der bedeutendste ostfränkische König aus dem sächsischen Haus der Liudolfinger war Otto I., später der Große genannt. 936 folgte er seinem Vater Heinrich I. auf den Thron - schon drei Jahre später sah er sich genötigt, in Lothringen einzugreifen; die führenden Familien des Herzogtums verweigerten dem König die Anerkennung seiner Oberhoheit. Doch selbst als Otto seinen Schwiegersohn Konrad »den Roten« zum Herzog einsetzte, kam Lothringen nicht zur Ruhe. Konrad gehörte im Frühjahr 953 einem Kreis n Aufständischen an, die sich gegen die Herrschaft Ottos empörten. Mit der Niederschlagung des Aufstandes beauftragte der König seinen jüngsten Bruder Brun, den »Klerus und Volk« (so heißt es in der zeitgenössischen Überlieferung) im Juli 953, nach dem Tode des Erzbischofs Wichfried, zum neuen Oberhirten Kölns gewählt hatten. Damit war zunächst der Versuch der Aufständischen gescheitert, sich der Stadt Köln zu bemächtigen. Und nach der Absetzung Konrads des Roten übertrug Otto seinem Bruder die Verwaltung des Herzogtums Lothringen - in Köln amtierte Brun fortan als geistlicher und weltlicher Herr. »Er ist trotz seiner Jugend ein reifer Mann und trotz seines höchsten Adels demütig und mild.« So urteilte sein Biograph Ruotger über den neuen Erzbischof, der im Jahre 925 geboren worden war. Mit seiner Erziehung war Bischof Balderich n Utrecht beauftragt worden, der den Königssohn auf die geistliche Laufbahn rbereitet hatte. Mit knapp 16 Jahren war Brun in die königliche Kanzlei eingetreten, 951 wurde er als »archicapellanus« (Erzka) deren Vorsteher.




Als Herzog (lat. »dux«) und Erzbischof (»archiepiscopus«) - in einigen Quellen wird er bisweilen als »archidux« bezeichnet - verkörperte Brun den Prototyp des ottonischen Reichsbischofs, in dessen Person geistliches und weltliches Amt vereint sind. Alle Königsrechte, in erster Linie die Gerichtsbarkeit, das Markt- und Befestigungsrecht und die Münzhoheit, lagen n nun an für den Bereich der Stadt in den Händen Bruns (bzw. seiner Nachfolger). In die erzbischöfliche Kasse flössen die bisher dem König zustehenden Einkünfte, etwa die Rheinzölle, die Markteinnahmen oder der Judenschutz (mit Geldzahlungen erkauften sich damals die Angehörigen der jüdischen Gemeinden, die nur eine Stellung minderen Rechts in der mittelalterlichen Gesellschaft innehatten, den Schutz des Königs). Mit diesen Rechten und Einkünften wurden die Bischöfe m König belehnt, d. h. sie erhielten sie nur als persönliches Leihgut und so lange, wie sie dem Lehnsherrn, dem König, die Treue hielten. Als Gegenleistung beanspruchte der Lehnsherr im Kriegsfall die Stellung n Truppen, zudem mußten die Bischöfe den König, der keine feste Residenz besaß, mitsamt seinem Hofstaat beherbergen und verpflegen, wenn er in ihrem Hoheitsgebiet weilte. Brun hat wahrscheinlich auch eine neue Pfalz (lat. »palatium«) in der Nähe des Domes errichten lassen, die seinem Bruder bei dessen häuen Besuchen in Köln als repräsentativer Wohnsitz diente.
Bruns rege Bautätigkeit prägte das Stadtbild für Jahrhunderte. Er ließ den Alten Dom erweitern, der mit seinen fünf Seitenschiffen der Peterskirche in Rom vergleichbar wurde. Die Domschule baute der Erzbischof zu einer der fuhrenden Schulen des Reiches aus; dabei ging es ihm nicht zuletzt um die Ausbildung eines reichstreuen kirchlichen Nachwuchses. Zeugnisse seines geistlichen Wirkens sind r allem die Gründungen der Stifte St. Andreas und St. Martin sowie des Benediktinerklosters St. Pantaleon, das r der südwestlichen Stadtmauer erbaut wurde. Der Entwicklung der Stadt zu einem der wichtigsten Handelszentren trug Brun Rechnung, indem er die Kaufmannssiedlung, die sich im Bereich der Rheinrstadt gebildet hatte, in das Stadtgebiet einbezog und die zum Rhein hin verlängerte Stadtmauer durch Türme und Tore verstärkte.

Brun hat die Erwartungen, die sein kaiserlicher Bruder - Otto ließ sich im Jahre 962 zum Kaiser der Römer krönen und begründete damit die jahrhundertelange Verbindung n ostfränkisch-deutschem Königtum und römischem Kaisertum -in ihn setzte, in jeder Hinsicht erfüllt. In seiner Rolle als Reichsverweser des Westens hat er auch mehrfach in die Angelegenheiten des Westfranken reiches eingegriffen. Auf einer erneuten diplomatischen Mission im Westen ereilte ihn am 11. Oktober 965 in Reims ein plötzlicher Tod. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurden seine sterblichen Überreste nach Köln überfuhrt - in seiner Gründung St. Pantaleon fand er seine letzte Ruhestätte.
In St. Pantaleon bestattet wurde Jahre später auch die Gemahlin n Bruns Neffen, die Kaiserin Theophanu. Aus rnehmem byzantinischen Geschlecht stammend, hatte sie 972 den Kaisersohn Otto geheiratet. Die Brautwerbung hatte übrigens der Kölner Erzbischof Gero durchgeführt, der Nachfolger Bruns. Nach dem frühen Tod ihres Mannes übernahm sie die rmundschaftliche Regierung für den minderjährigen Sohn Otto III., dessen Herrschaft sie mit Hilfe des Mainzer Erzbischofs Willigis gegen Aufstände des Herzogs Heinrich n Bayern und der Slawen sicherte. Am 15. Juni 991 starb Theo-phanu in Nimwegen - auf eigenen Wunsch erhielt sie ihre Grabstätte im Benediktinerkloster r den Toren der Stadt, dessen Bau sie wesentlich gefördert hatte.

Die Nachfolger Bruns bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts

Bruns Nachfolger Gero, so wird berichtet, hat den Auftrag zur Herstellung des berühmten Gero-Kreuzes gegeben - in der Mitte des Alten Doms wurde es aufgestellt, das älteste bekannte Großkreuz des Abendlandes. Nach neueren Forschungen wurde das Kreuz allerdings erst in der Amtszeit von Erzbischof Everger (985-999) angefertigt. Über Everger weiß die Überlieferung ansonsten wenig Gutes zu berichten: Als Domschatzmeister habe er veranlaßt, daß der Sarg des nur scheintoten Gero nicht geöffnet wurde, ohwohl dessen Ruf zu hören war. Geros Nachfolger Warin verfugte daraufhin, daß künftig kein Erzbischof begraben werden durfte, dessen Leichnam nicht mindestens drei Tage vor dem Dom ausgestellt worden sei. Doch auch Warin traf das gleiche Schicksal: Everger habe auch ihn scheintot beerdigen lassen - um selbst Erzbischof zu werden. Nach EvergersTod im Juni 999 wurde Heribert, der Kanzler Ottos III., zum neuen Kölner Erzbischof gewählt. Der junge Kaiser starb bereits im März des Jahres 1002 im italienischen Paterno - sein Leichnam wurde von Heribert, der erst wenige Tage zuvor in Mittelitalien angekommen war, unter großen Fährnissen über die Alpen nach Aachen gebracht. Gemäß einem Versprechen, das er seinem kaiserlichen Freund gegeben hatte, gründete Heribert schon ein Jahr später ein Benediktinerkloster; als Standort bestimmte der Erzbischof, der im lothringischen Gorze erzogen wurde und stets ein Büßergewand unter seiner Amtstracht trug, das Gelände des alten römischen Kastells Deutz. Ausgestattet wurde die Gründung mit zahlreichen Schenkungen, u. a. der Pfarrkirche Deutz und dem Zehnten, der ihr aus den Höfen Deutz, Kalk, Vingst, Poll, Rolshoven und Westhoven zustand. Durch Heriberts Großzügigkeit erhielt das neue Kloster zudem ein Viertel des »Kuningesvorst«, des Königsforstes, der damals schon nicht mehr Königsgut war, sondern den Erzbischöfen gehörte. Im Mai 1020 konnte Heribert, der zuvor mehrfach gezwungen war, Maßnahmen zur Bekämpfung von Hungersnöten im Kölner Raum anzuordnen, das Deutzer Kloster weihen. Nur ein Jahr später, am 16. Mai 1021, starb er; in der Deutzer Abteikirche wurde er begraben. Schon wenige Jahre später verehrten ihn die Gläubigen in Köln und Umgebung als Heiligen.

In Gegenwart von Kaiser Heinrich II. wurde der Bamberger Propst Pilgrim am 29. Juni 1021 im Dom zum neuen Erzbischof gewählt. Auch wenn die zeitgenössischen Quellen nur wenig über ihn zu überliefern wissen - ein unbedeutender Kirchenfürst war Pilgrim keineswegs. Er krönte die Gemahlin Konrads II. zur Königin und den jungen Heinrich III. im Jahre 1028 zum deutschen König. Damit war das Recht der Kölner Erzbischöfe, die Krönung in Aachen vorzunehmen, auf längere Zeit gesichert; zudem wurde Pilgrim 1031 das Ehrenamt des Erzkanzlers für Italien verliehen, das die Kölner Erzbischöfe bis zum Ende des Alten Reiches ausübten. Pilgrim weihte im übrigen 1028 die Abtei Brauweiler, die er auch unter seinen Schutz nahm. Von seinem Wirken in Köln ist nur die Errichtung von St. Aposteln bekannt: Anstelle einer vorkarolingischen Kirche von »wenig bedeutender Gestalt«, die außerhalb der römischen Mauer lag und den Aposteln geweiht war, entstand eine doppelchörige Basilika mit westlichem Querhaus (die erst durch den Mauerbau von 1106 in das Stadtgebiet einbezogen wurde). Der Erzbischof hat seiner Kirche wertvolle Reliquien verschafft: Aus Rom brachte er die Häupter der Märtyrer Felix und Adauctus mit (derer seit dem II. Vatikanischen Konzil am 30. August gedacht wird). In der Tradition des Stiftes St. Aposteln wurde später der hl. Heribert als Gründer gefeiert, alljährlich pilgerten die Stiftsherren zum Grab Heriberts nach Deutz. Eine Tafel, die im Sarkophag Pilgrims in St. Aposteln gefunden wurde, teilt indessen eindeutig mit: »Im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1036 am 25. August starb Erzbischof Pilgrim, der Gründer dieser Kirche«.


Die Kölner Bürgerschaft und Erzbischof Anno II

In der Amtszeit von Pilgrims Nachfolger Hermann II. wurde die Stadtherrschaft der Erzbischöfe weiterhin ausgebaut. Schon Pilgrim hatte die Münzhoheit erlangt - in der Kölner Münzstätte wurde fortan der »Kölner Pfennig« geprägt, eine der führenden Währungen des deutschen Reiches - und einen Burggrafen als höchsten weltlichen Amtsträger in der Stadt eingesetzt. Der Burggraf saß als Vertreter des Erzbischofs dem Hochgericht vor und stand an der Spitze der Ministerialen, die die Stadtregierung wahrnahmen, d. h. Bannabgaben undZölle für den Erzbischof einzogen und die Aufsicht über Markt und Handel ausübten. Das Hochgericht, in Köln »wizziggeding« (wissendes Gericht) genannt, entschied über Rechtsfälle, in denen es um Leben, Eigentum, Ehre und Freiheit ging. Dem edelfreien Burggrafen standen die Schöffen zur Seite, das älteste Amtleutekolleg der Stadt, und der Stadtvogt, ein erzbischöflicher Ministeriale. So entstand in den Grenzen des Stadtgebietes ein vom agrarischen Umland abgehobener Rechtsbereich - mit eigenen Rechtseinrichtungen. Im Gegensatz zur Landbevölkerung hatten die Bürger Herrenrechte an ihrer Person, ihrem Eigentum und Erbe allmählich abgeschüttelt, über ihre Güter, ihre Arbeit und ihren Aufenthalt konnten sie frei verfügen. Als Vertretung der Bürgerschaft bildete sich in dieser Zeit eine neue Oberschicht, wohlhabende Kaufleute und Händler, die die »Ersten« (lat. »primores«) genannt wurden.

Beim Amtsantritt Annos IL (1056) war die seit 100 Jahren andauernde weltliche Stadtherrschaft der Erzbischöfe fest verankert. Anno verdankte seine Erhebung Kaiser Heinrich III., der ihn nach Hermanns Tod zum neuen Kölner Erzbischof bestimmte. Schon die Zeitgenossen rühmten Anno als großen Kirchengründer - 1059 begründete er das Stift St. Georg und 1070 die spätere Pfarrkirche St. Jakob.
Von 1062, als er und seine Mitverschwörer den jugendlichen König Heinrich IV. aus Kaiserswerth nach Köln entführten, ois 1072 nahm Anno wesentlichen Anteil an der Leitung der Reichsgeschäfte. In seiner Stadt Köln war Anno indessen wegen seines hochfahrenden Wesens nicht sonderlich beliebt.

Die Bürger betrachtete er offensichtlich als Unfreie - und nahm infolgedessen keine Rücksicht auf das Selbstwertgefühl der führenden Schichten. Unter diesen Umständen bedurfte es nur eines geringfügigen Anlasses, um die Bürgerschaft zu einer regelrechten Rebellion zu veranlassen: Zu Ostern des Jahres 1074 hatte Anno den Bischof von Münster zu Gast. Um ihm eine bequeme Heimreise zu ermöglichen, ließ Anno kurzerhand ein schon beladenes Schiff eines Kaufmanns beschlagnahmen. Der Sohn des Kaufmanns widersetzte sich dieser Maßnahme und vertrieb mit Hilfe spontan herbeigeeilter Bürger den Vogt und die Knechte des Erzbischofs. Die aufgebrachten Bürger zogen anschließend vor Annos Palast, schleuderten Steine durch die Fenster und belagerten die Residenz. In höchster Not gelang es Anno, in den Dom zu flüchten, dessen Türen verrammelt wurden. Durch den Schlafsaal eines Domherren gelangte Anno schließlich in ein Haus an der Römermauer, wo ihm ein frisch gebrochener unterirdischer Stollen die Flucht aus der Stadt ermöglichte. Die ihm angetane Schmach ließ Anno keine Ruhe: In Neuss sammelte der Erzbischof ein Heer - vier Tage später stand er vor der unbotmäßigen Stadt, die angesichts der großen Überzahl der Bewaffneten keinen weiteren Widerstand leistete und sich dem Erzbischof auf Gnade und Ungnade ergab; 600 der reichsten Bürger, die die Rache des Erzbischofs fürchteten, flohen aus Köln. Über die Rädelsführer aber, die barfuß vor Anno erschienen, erging ein strenges Strafgericht: Der Sohn des Kaufmanns und seine Helfer wurden geblendet, ihre Vermögen eingezogen, Mittäter wurden ausgepeitscht. Die Herrschaft des Erzbischofs war nun formal wiederhergestellt -aber: Die Stadt, so schrieb der Chronist Lampert von Hersfeld, »ist völlig verödet - und schauriges Schweigen herrscht auf leeren Straßen«. Anno II. starb bereits ein Jahr nach der Niederwerfung dieses ersten Aufstandes gegen die bischöfliche Stadtherrschaft. Auf seinen Wunsch wurde er in seiner bedeutendsten Gründung, im Benediktinerkloster Siegburg, beerdigt.

Köln im 12. Jahrhundert: Kreuzzugsbegeisterung und Judenhetze, Stadterweiterungen und Reliquienkult

Vor dem ersten Kreuzzug (1096-1099), zu dem Papst Urban II. auf dem Konzil zu Clermont aufgerufen hatte, kam es überall im Rheinland zu antijudaischen Agitationen und Ausschreitungen - von Wanderpredigern als Feinde Christi verdammt, wurden die Juden vielerorts zur Taufe gezwungen oder brutal niedergemetzelt. In Köln ist ein jüdisches Viertel erstmals zur Zeit Annos II. belegt; es befand sich im östlichen Teil der Stadt in der Nähe der Marspforte. Die im Mai 1096 im Anschluß an eine Predigt des Eremiten Peter von Amiens ausbrechende Judenverfolgung dauerte drei Tage, Voraustrupps von Kreuzfahrten fielen unter tätiger Mithilfe Kölner Bürger in das jüdische Viertel ein, das im Verlauf des Pogroms in Flammen aufging, auch die Synagoge wurde zerstört. Nur mit Mühe gelang es dem Erzbischof Hermann, den Ausschreitungen Einhalt zu gebieten und die dem Gemetzel entronnenen jüdischen Familien in sieben Orten der Umgebung unterzubringen - wo sie allerdings weiteren Gruppen von Kreuzfahrern in die Hände fielen. Etwa 200 Kölner Juden wurden so umgebracht. Zehn Jahre später wurde die Kölner Bürgerschaft in einen anderen großen Konflikt hereingezogen, die Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Heinrich IV. und seinem gleichnamigen Sohn, dem späteren Kaiser Heinrich V. Der junge König befürchtete, die Politik seines Vaters, der im Investiturstreit unnachgiebig die kaiserliche Rechtsposition gegenüber dem Papsttum vertrat, werde dem salischen Herrscherhaus Adel und Fürsten auf Dauer entfremden: Daher erhob er sich gegen den Kaiser, der in Haft genommen und zum Thronverzicht gezwungen wurde. Der Kölner Erzbischof Friedrich I. hatte die Partei des jungen Heinrich ergriffen, die Bürger neigten indessen dem Vater zu, der sich nach dem Aufstand gegen Anno für die gebannten Kaufleute eingesetzt hatte. Und so öffneten die Kölner dem aus der Haft geflüchteten Kaiser die Tore der Stadt, aus der sie zuvor den Erzbischof vertrieben hatten. Heinrich IV. ermächtigte daraufhin die Bürgerschaft, die Befestigungsanlagen zu verstärken und zugleich jene Siedlungen, die vor der Römermauer entstanden waren, in den Mauerring einzubeziehen - im Norden Niederich, im Westen das Viertel um St. Aposteln und im Süden Oversburg, das sich um St. Georg gruppierte. Die neuen Wehranlagen von 1106, eilig errichtete Wälle und Gräben, lehnten sich halbkreisförmig an die Römermauer an; noch heute erinnern Straßennamen wie Unter Krahnenbäumen, Alte Wallgasse, Katharinengraben und Perlengraben an ihren Verlauf. Als Heinrich V. mit einem Heer vor Köln erschien, bewährten sich die neuen Befestigungen erstmals - ein Sturmangriff wurde abgewehrt, die einmonatige Belagerung wurde ergebnislos abgebrochen. Nach dem Tod Heinrichs IV. im August 1106 mußten sich die Kölner dem nun allgemein anerkannten neuen Herrscher unterwerfen - das Verhältnis von Stadt und König blieb aber mehr als schlecht. In Köln wurde dann auch imjahre 1114 jene große niederrheinische Fürstenrevolte gegen Heinrich V. beschworen, der Erzbischof und Bürgerschaft in seltener Eintracht angehörten. Seit dieser Zeit führten die Schöffen - wahrscheinlich mit Einverständnis des Erzbischofs - ein eigenes städtisches Siegel mit der Umschrift: »Heiliges Köln, durch Gottes Gnade der römischen Kirche treue Tochter«. Das Siegel berechtigte die Bürger erstmals, ohne Bestätigung durch den Stadtherrn Verbindlichkeiten einzugehen; wie beim Mauerbau von 1106 kamen Auseinandersetzungen auf Reichsebene dem Ausbau der bürgerlichen Selbständigkeit entgegen. Um 1135 wird auch erstmals ein Rathaus, das »Haus der Bürger« (lat. »domus civium«), erwähnt, das im Judenviertel lag - damit an der Stelle, wo zur Unterbringung der Stadtverwaltung allmählich ein ganzer Komplex von Häusern in Anspruch genommen wurde. Auf unterer Ebene waren die Bürger in den Kirchspielen oder »Sondergemeinden« organisiert, von denen es nach 1106 neun gab: St. Laurenz, St. Alban, St. Kolumba, St. Peter, Klein St. Martin, St. Aposteln, St. Brigida sowie die Vorstädte Niederich und Oversburg. In den Kollegien der gewesenen Amtleute der Sondergemeinden entstanden bruderschaftlich organiserte Verbände, die sich auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit und im Grundbuchwesen (mit den sogenannten »Schreinskarten«) Kompetenzen aneigneten.

Die Erfolge des ersten Kreuzzuges (1096-1099), der zur Eroberungjerusalems geführt hatte, schienen in Frage gestellt, als die nördliche Bastion der Kreuzfahrerstaaten, Edessa, im Jahre 1144 verlorenging. Wiederum wurden die christlichen Länder Europas von einer Welle der Kreuzzugsbegeisterung erfaßt -und erneut kam es zu Ausschreitungen gegen jüdische Gemeinden, auch in Köln. Erzbischof Arnold I. stellte im September 1146 den Kölner Juden seine Feste Wolkenburg als Zufluchtsstätte zur Verfügung; dort überlebten die meisten die Verfolgungsaktionen.

Einer der »erfolgreichsten« Kreuzzugsprediger war der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux, der im Januar 1147 nach Köln kam. »Obwohl er französisch sprach«, so berichtet der Chronist Cäsarius von Heisterbach, »entzündete er das Volk, das in Tränen ausbrach.« Bernhard soll vor allem durch seine Wundertätigkeit großes Aufsehen erregt haben - 50 Kranke habe er geheilt, darunter Blinde, Gelähmte und Taubstumme. Als er Köln verließ, folgte ihm eine begeisterte Menschenmenge bis zum zehn Kilometer entfernten Kloster Brauweiler. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts war in Köln ein regelrechtes Reliquienfieber ausgebrochen - beim Mauerbau von 1106 hatte man in der Nähe der St. Ursula-Kirche römische Gräberfelder entdeckt, die man als vermeintliche Ruhestätte der heili-genjungfrauen identifizierte; sofort setzte ein emsiges Suchen nach Märtyrergebeinen ein, die Legende der hl. Ursula und ihrer Gefährtinnen wurde ungeheuer populär (und die Zahl der Ursula-Begleiterinnen stieg von ursprünglich elf auf 111 und schließlich auf eltftausend). Seit etwa 1150 beteiligten sich auch die Benediktinermönche von Deutz an der Deutung und »Ausbeutung« der gefundenen Überreste: Ganze Transporte von Gebeinen - die man, mit nachträglich erfundenen Namen kenntlich gemacht, den Gefährtinnen Ursulas zuordnete -gingen über den Rhein. Daß man Gebeine von Kindern und Männern auf dem »ager Ursulanus« (dem Feld der hl. Ursula) fand, erklärten die Mönche nun damit, daß auch eine Reihe von Bischöfen und Klerikern die Jungfrauen begleitet hätten, um mit ihnen den Märtyrertod zu erleiden. Die bedeutendsten Reliquien, die die Stadt im Mittelalter zu einem Wallfahrtsort von europäischem Rang machen sollten, brachte Erzbischof Reinald von Dassel nach Köln: die Gebeine der Hl. Drei Könige. Reinald, ein Grafensohn aus Dassel bei Einbeck, war seit 1156 Reichskanzler, drei Jahre später wurde er auf ausdrücklichen Wunsch Kaiser Friedrichs I. (genannt Barbarossa) zum Erzbischof von Köln gewählt - in Köln sprach man von einer »erzwungenen« Wahl. Nicht einmal zwölf Monate seines Pontifikates hielt sich Reinald in seinem Bistum auf; statt dessen kämpfte er zumeist an der Seite seines kaiserlichen Herrn in Italien gegen Papsttum und Lombarden. 1162 gelang es Friedrich Barbarossa, Mailand, das Haupt der rebellischen Städte in der Lombardei, zu erobern. Dabei fiel den Siegern auch ein Sarg mit drei Leibern in die Hände, der erst wenige Jahre zuvor in der Kirche St. Eustorgius gefunden worden war; man hatte den Fund als die Gebeine der drei Weisen (lat. »magi«) aus dem Morgenland gedeutet, mittlerweile wurden sie als die »Heiligen Drei Könige« verehrt. Barbarossa übergab die Reliquien seinem Freund Reinald: »Niemand diente dem Kaiser in Italien mit größerer Treue und Ergebenheit als der Kölner Erzbischof« - so begründete ein Chronist das Geschenk.

Am 23. Juli 1164 zog Reinald mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige in Köln ein, wo er mit Glockengeläut und unter dem Jubel des Volkes »ehrenvoll und glänzend« empfangen wurde, wie die Kölner Königschronik berichtet, »da er die Reliquien zum ewigen Ruhme Deutschlands mitbrachte«. Der Überlieferung zufolge soll der feierliche Einzug in die Stadt bei St. Maria im Kapital erfolgt sein, an jener Stelle, wo später die Dreikönigspforte erbaut wurde. Für die im karo-lingischen Dom niedergelegten Gebeine schuf dann später der lothringische Meister Nikolaus von Verdun den prachtvollen Dreikönigenschrein, eines der schönsten Werke mittelalterlicher Goldschmiedekunst. Das Brustbild auf der Rückseite des Schreins zeigt Reinald von Dassel. Zur Verehrung der Heiligen Drei Könige, die als Patrone der Wallfahrer und Reisenden galten, strömten fortan ungezählte Pilger nach Köln - was auch dem städtischen Wirtschaftsleben zugute kam. Nicht zuletzt verdankt Köln der Gabe Reinaids auch die häufigsten Besuche von Kaisern und Königen, wurde es doch bald Sitte, daß die deutschen Herrscher nach ihrer Krönung in Aachen zum Grab der Heiligen Drei Könige pilgerten. So ist es auch verständlich, daß die Kölner Bürgerschaft später die drei goldenen Kronen in ihr Stadtwappen aufnahm.

Reinald, der sich seit 1163 einen prächtigen Palast an der Südseite des Domes errichten ließ, starb indessen schon 1167 vor Rom an der Malaria. Zu seinem Nachfolger wählten Klerus und Volk wieder einen engen Vertrauten des Kaisers, den Reichskanzler Philipp von Heinsberg, der sich - ähnlich wie sein Vorgänger - hauptsächlich der Reichspolitik und der Sicherung seiner herzoglichen Stellung im Westen des Reiches widmete. Im Rahmen seiner ausgreifenden Territorialpolitik in Westfalen traf Philipp auf einen mächtigen Gegner - den Herzog von Sachsen und Bayern, Heinrich den Löwen aus dem Haus der Weifen. Auf Kosten des Herzogs gelang es Philipp, die Herrschaftsverhältnisse in Westfalen umzugestalten. Ihre Dauerfehde, die auch dem Rheinland Krieg und Verheerung brachte, nutzten die Kölner Bürger schließlich, um die Stadt mit einem neuen Befestigungssystem zu umgeben. Gegen den erklärten Willen des Erzbischofs begannen die Bürger in den Jahren 1179/80 mit dem Bau von Wehranlagen, die die Stadt im Halbkreis umgeben sollten - zugleich wurde das städtische Areal damit verdoppelt. Im August 1180 stimmte dann auch Philipp von Heinsberg dem Mauerbau zu: Den Vergleich, den Bürger und Erzbischof schlössen, bestätigte der Kaiser - gegen Zahlung von 2.000 Mark Silber wurden alle »guten und vernünftigen Rechte« der Bürgschaft von Kaiser und Erzbischof anerkannt.
Über 60 Jahre sollte es dauern, bis die imposanten Festungswerke fertiggestellt waren, die auch die Bezirke von St. Panta-leon, St. Severin, St. Mauritius und St. Gereon sowie verschiedene Höfe und Handwerkersiedlungen ins Stadtgebiet einbezogen. Die neue Mauer (deren Verlauf noch heute sichtbar ist) hatte eine Gesamtlänge von 7,5 Kilometern; mit zwölf gewaltigen Torburgen und 52 Wehrtürmen umschloß sie eine Fläche von 405 Hektar.
Philipp von Heinsberg, der im Jahre 1180, nach der Ächtung Heinrichs des Löwen, mit dem westlichen Teil Westfalens belehnt wurde, starb 1191 vor Neapel. Er fand seine letzte Ruhestätte zunächst an unbekannter Stelle im Alten Dom. Nach Vollendung des gotischen Chores bekam er bei der Überführung in die Maternuskapelle gegen 1300 eine neue Grabstelle; später hat man sein Grabmal mit Zinnen und Türmen umgeben - als habe er den Bau der großen Stadtbefestigung in Angriff genommen.

Das 13. Jahrhundert: Erzbischof und Bürgerschaft ringen um das Stadtregiment

Die Stadterweiterung von 1180 hatte auch einen praktischen Grund: Im Laufe des 12. Jahrhunderts war die Einwohnerzahl Kölns ständig gestiegen und lag zuletzt bei weit über 20.000 Menschen. Mitverantwortlich für diese Zunahme waren vor allem zahlreiche Zuwanderer, die sich in der Stadt niederließen; sie stammten zumeist aus der näheren ländlichen Umgebung Kölns, darunter waren viele Hörige, die sich so ihrer Grundherrschaft entzogen. Ein starker Zuzug wurde zudem aus rheinischen Städten wie Aachen, Neuss und Duisburg verzeichnet. Aber auch entfernte Regionen wie Hessen und Franken, Holland, England und Dänemark waren Herkunftsgebiete Kölner Neubürger: Damit sind auch die weitgespannten Handelsbeziehungen benannt, die Kölner Kaufleute aufgebaut haben. Vor allem der Handel mit England hatte eine lange Tradition - der Austausch Rheinwein gegen englische Wolle war das Herzstück dieser Beziehungen. Von den englischen Königen wurden die Kölner Kaufleute mehrfach privilegiert - zur Abwicklung ihrer Handelsgeschäfte gründeten die Kaufleute eine eigene »Hanse«, einen genossenschaftlichen Zusammenschluß, der sich um 1130 in London eine Niederlassung (die sogenannte »Gildhalle«) einrichtete. An die Spitze der Kölner Bürgerschaft gelangten am Ende des 12. Jahrhunderts die Vorsteher der aus den reichsten und vornehmsten Männern gebildeten »Richerzeche«. Diese Körperschaft - der Begriff wird als Spottname gedeutet, den die »Reichen« aus Hochmut übernahmen - hatte sich um 1120/30 gebildet, eine »Vertretung« der »ersten« Familien, die sich von der übrigen Bürgerschaft abschlössen. Wie jede Bruderschaft hatte auch die Richerzeche Vorsteher, die »magistri civium« (Bürgermeister), ein Amt, das im jährlichen Wechsel von zwei Bruderschaftsmitgliedern ausgeübt wurde. Nach dem Ende ihrer Amtszeit wurden sie in den Vorstand der Bruderschaft aufgenommen; schon frühzeitig übernahmen die Bürgermeister (von denen einer in der Regel auch dem Schöffenkolleg angehörte) gesamtstädtische Funktionen, wie das Recht der Siegelführung - obwohl die Richerzeche keine städtische Behörde im eigentlichen Sinne war.

Von einem Kölner »Rat« ist erstmals im Jahre 1216 die Rede -als der neugewählte Erzbischof Engelbert I. dieses Gremium, das sich wohl eigenmächtig in den Zeiten des deutschen Thronstreites gebildet hatte, auflöste. Engelbert, dem bergischen Grafenhaus entstammend, war gerade 21 Jahre alt, als er sein Amt antrat. Mit Hilfe der Reichsgewalt versuchte er, das von seinen Vorgängern zerrüttete Kölner Erzstift zu reorganisieren, das kölnische Territorium zu erweitern und seine Herzogsgewalt im Rheinland und in Westfalen auszubauen, auch unter Anwendung militärischer Gewalt - eine Politik, die ihm viele Feinde verschaffte.
In »seiner« Stadt Köln, die im Thronstreit erfolgreich gegen den Erzbischof und die staufische Partei Front gemacht hatte, nutzte Engelbert geschickt Streitigkeiten zwischen Schöffen und Zünften zu energischem Eingreifen - er gab der Bürgerschaft neue Satzungen und regelte auch die Rechtsprechung der Schöffen neu. Bisweilen saß er persönlich dem Hochgericht vor - »in seiner Hauptstadt Köln übte er durch seinen Gerechtigkeitseifer mehr Gewalt aus als irgendeiner seiner Vorgänger«, schrieb sein Biograph Cäsarius von Heisterbach. Engelbert sorgte indessen auch dafür, daß Kaiser Friedrich II. und sein Sohn Heinrich alte Zollprivilegien Kölns in Boppard und Kaiserswerth erneuerten.
Im Verlauf einer Fehde um die Vogteirechte des Essener Stiftes wurde Engelbert am 7. November 1225 ermordet. In Köln löste die Bluttat Trauer und Empörung aus - andererseits versuchten die Bürger die Situation auszunutzen, indem sie Engelberts Satzungen verbrannten und ein Bündnis mit dem Herzog von Limburg schlössen, einem der erbittertsten Widersacher des Ermordeten.
»Herr, Ihr seid ein guter Herzog, aber kein guter Bischof.« Ein einfacher Mönch aus dem Rheinland soll das geistliche Wirken Engelberts so beurteilt haben - ein wenig zu negativ: Im Verlauf seines Pontifikates fanden schließlich - von Engelbert entscheidend gefördert - Bettelmönche und Beginen Aufnahme in Köln. Die Niederlassungen der Dominkaner und Franziskaner sowie die Beginenhäuser (in denen sich ordensähnliche Gemeinschaften von Frauen niederließen) haben das religiöse Leben in Spätmittelalter und früher Neuzeit außerordentlich mitgeprägt.

Engelberts Nachfolger, Heinrich von Müllenark, mußte Rücksicht auf die Interessen Kölns nehmen, um die Bestrafung der Mörder zu erreichen; so bestätigte er der Bürgerschaft die Rechtsstellung, die sie vor dem Jahre 1216 gehabt hatte. Im Dezember 1225 wurden die Gebeine Engelberts im Alten Dom beigesetzt; nach Fertigstellung des gotischen Chores wurde er nach 1260 in der Engelbertuskapelle bestattet - heiliggesprochen wurde der Erzbischof indessen nie: Erst im 17. Jahrhundert wurde das Fest Engelberts im Erzbistum Köln gefeiert, am 7. November 1633 bettete man seine sterblichen Überreste in den prächtigen Engelbertschrein um. Der Konflikt zwischen Burgern und Erzbischof eskalierte dann erneut unter dem Erzbischof Konrad von Hochstaden (1238-1261). Konrad, der wie seine Vorgänger bemüht war, dem Erzstift ein geschlossenes Territorium im Rheinland zu schaffen, wurde in seinen zahlreichen Fehden zunächst von den Kölner Bürgern unterstützt - er vergalt den Kölnern diese Unterstützung seinerseits durch eine ausgesprochen städtefreundliche Politik; so bestätigte er den Bürgern im Jahre 1239 gleich zweimal das Recht der »Nichtevokation«, das Recht, daß kein Bürger bei Verbrechen, die er innerhalb des Burgbanns begangen hatte, vor ein auswärtiges Gericht geladen werden dürfe. Dafür sollten allein die Kölner Schöffen mit ihrem Urteilsspruch zuständig sein. 1240 überließ er der Stadt zudem den wichtigen »Bierpfennig«, eine einträgliche Steuer; doch als der Erzbischof 1252 »zum Schaden von Arm und Reich« (so der Chronist Gottfried Hagen) eine neue - verschlechterte - Münze schlagen wollte, kam es zu ersten tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten, die dazu führten, daß Konrad die unbotmäßige Stadt schließlich von der Rheinseite aus belagern und beschießen ließ - allerdings vergeblich. Unter Vermittlung des päpstlichen Legaten und Lesemeisters der Dominkaner, Albertus Magnus, wurde dann ein Vergleich geschlossen, »der kleine Schied«, in dem das »Münzverrufungsrecht« (Rückruf der alten und Ausgabe neuer Münzen) auf bestimmte Anlässe begrenzt wurde, der Erzbischof zugleich widerrechtlich erhobene Zölle abzuschaffen versprach. Nach einigen Jahren trügerischer Ruhe brach der Kampf erneut aus - bei Frechen unterlagen die Truppen des Erzbischofs den Kölnern. Im Frühjahr 1258 wurde zunächst ein Waffenstillstand geschlossen. Noch einmal mußte Albert die Rolle des Schlichters übernehmen; es galt, eine Lösung zu finden, die den Anspruch der Bürger auf innere Eigenständigkeit berücksichtigte, ohne den Erzbischof in seinen Rechten einzuschränken. Der »Große Schied« sprach deshalb dem Erzbischof weiterhin die höchste geistliche und weltliche Macht zu. Er sollte als oberster Wächter und Wahrer der Ordnung vor allem Amtsmißbräuche in den städtischen Gremien verhindern, zugleich als Schutz- und Schirmherr der Stadt nach außen hin fungieren. Die städtische Selbstverwaltung erhielt dagegen noch mehr Spielraum.

Daß er »Herr der Stadt Köln in geistlichen und weltlichen Dingen« sei, wollte Konrad ein Jahr später bestätigt wissen - er entschloß sich, den Spruch mit Waffengewalt durchzusetzen und die Stadt wieder unter seine volle Botmäßigkeit zu zwingen. Dabei nutzte er Spannungen in der Bürgerschaft aus und vertrieb mit Hilfe der Zünfte die führenden Vertreter des Patriziats aus der Stadt: Konrad konnte sich fortan als unumschränkter Herr Kölns fühlen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht erteilte der Erzbischof im Jahre 1259 das »Stapelrecht«; jeder an- und durchreisende Kaufmann war dadurch verpflichtet, seine Waren für eine bestimmte Zeit in Köln auszuladen und den Einwohnern und Händlern ein Vorkaufsrecht einzuräumen - einer der Grundpfeiler der Kölner Wirtschaftskraft in Mittelalter und früher Neuzeit. Im Bewußtsein der Kölner hat Konrad von Hochstaden vor allem deshalb einen festen Platz gefunden, weil er am 15. August 1248 den Grundstein des »neuen«, des gotischen Doms gelegt hat. Dabei gehörte er nicht zu den Förderern des Projektes - die Grundsteinlegung war seine erste und letzte Handlung zugunsten der Kathedrale. Träger des Baugedankens waren die Domherren - sie hatten im Frühjahr 1247 den Entschluß gefaßt, den alten karolingischen Dom durch einen Neubau zu ersetzen, dessen Baustil sich an den neuen, »eleganten« Kirchenbauten Nordfrankreichs orientieren sollte. Bei den Abbrucharbeiten gerieten im übrigen große Teile des alten Doms, der ursprünglich nach und nach niedergelegt werden sollte, durch Fahrlässigkeit in Brand. Es sollte dann über 70 Jahre dauern, ehe mit der Weihe des Chores ein erster wichtiger Bauabschnitt beendet wurde. Nur ein Jahr vor der Grundsteinlegung des neuen Doms hatte Konrad den Neubau von St. Kunibert geweiht - mit diesem Kirchenbau ging in Köln die Epoche der Romanik zu Ende. Neben den Stiftskirchen (St. Gereon, St. Severin, St. Kunibert, St. Andreas, St. Georg, St. Aposteln, St. Mariengraden, St. Ursula, St. Maria im Kapitol und St. Cäcilien) prägten vor allem die Klöster und ihre Kirchen das Bild der Stadt. Zu den schon erwähnten St. Pantaleon, St. Martin und St. Heribert, um nur die wichtigsten zu nennen, gesellten sich im 13. Jahrhundert die Niederlassungen der Dominikaner, Franziskaner und Begi-nen sowie die »Kommenden« der Ritterorden, der Johanniter und des Deutschen Ordens. Stätten mittelalterlicher Gelehrsamkeit waren vor allem das Dominikanerkloster an der Stolk-gasse und das Minoritenkloster. 1248 errichteten die Dominikaner in Köln eine theologische Hochschule für den Ordensnachwuchs, das »Generalstudium«. Der berühmte Theologe Albertus Magnus, der an der Pariser Universität lehrte, wurde zum »Lesemeister« berufen - seine Tätigkeit begründete den Ruf Kölns als Zentrum der Wissenschaft. In seinem Gefolge kam sein Schüler Thomas von Aquin nach Köln. Im Franziskanerkloster im Kirchspiel St. Kolumba - die Schüler des hl. Franziskus nannten sich »mindere Brüder« (= Minoriten) -wurde 1260 ebenfalls ein Generalstudium begründet; Pflege der Wissenschaft, Unterrichtung der Mitbrüder und Belehrung des Klerus waren die Ziele, die sich die Lehrer setzten. Die Minoritenkirche gilt im übrigen noch heute als schönstes Beispiel des schlichten franziskanischen Baustils - ohne Turm und Querschiff entsprach sie in ihrer einfachen strengen Anlage dem Armutsideal des Ordens.

Erzbischof Konrad von Hochstaden starb am 18. September 1261 - mit seinem Nachfolger Engelbert II. von Falkenburg kam es schon nach wenigen Monaten zu ersten Auseinandersetzungen. Im Frühjahr 1262 erschien Engelbert mit Heeresmacht vor der Stadt und ließ sich die Stadtschlüssel aushändigen. Seine Truppen verteilte er, sehr zum Unmut der Kölner, vor allem auf die beiden gerade vollendeten Türme am südlichen und nördlichen Rheinufer, Bayen- und Kunibertsturm. Die erzbischöflichen Geldforderungen lösten eine Welle der Empörung aus, die führenden patrizischen Familien und die Bruderschaften der Handwerker beendeten ihren jahrelangen Streit und riefen die Bürger zu den Waffen. Am 8. Juni 1262 gelang es den Kölnern nach hartem Kampf, die zu Zwingburgen ausgebauten Türme einzunehmen und die Besatzer zu vertreiben. Die neue Stadtmauer bewährte sich, als Engelbert die Bürger zur Rechenschaft ziehen wollte und die Stadt belagerte. Der Erzbischof stimmte schließlich einer Einigung zu - Köln zahlte 6.000 Mark Bußgeld, Engelbert erkannte die Rechtsgültigkeit des »Großen Schieds« an. Schon ein Jahr später kündigte er diesen Vertrag auf: Die Bürger konnten ihn daraufhin gefangennehmen und so zu einer neuen Vereinbarung zwingen. Drei Jahre später mußte Engelbert eine weitere Schlappe einstecken: Während er selbst nach einer unglücklich verlaufenen Fehde als Gefangener des Grafen von Jülich auf der Burg Nideggen einsaß, brachen in Köln Zwistigkeiten unter zweien der vermögendsten Familien aus - die bisherführenden »Weisen« wurden von den Overstolzen, einem Clan, der im Filzengraben und in der Rheingasse zu Hause war, abgelöst. Mit Hilfe der entmachteten »Weisen« wollte Engelbert die Stadt erobern lassen. In der Nacht zum 15. Oktober 1268 mißlang der Überfall an der Ulrepforte (die Sage berichtet, ein Verräter habe die Feinde in die Stadt eingelassen) - die Mehrheit der Kölner Familienverbände stellte sich auf die Seite der Overstolzen, die Eindringlinge wurden zurückgeschlagen, gefangengenommen oder getötet. Um das Jahr 1360 ließ der Rat zur Erinnerung an diesen Überfall ein Steinbild in die Mauer an der Ulrepforte einfügen, das noch heute erhalten ist. Die Familie Overstolzen gehörte später zu jenen Kräften, die die Stadt in den Waffengang mit Engelberts Nachfolger, Siegfried von Westerburg, führten. Der neue Erzbischof betrieb eine ausnehmend expansive Territorialpolitik und hatte 1277, zwei Jahre nach seinem Amtsantritt, mit Hilfe der Kölner Bürger eine Burg des Grafen von Jülich in Worringen erobert; den Bürgern war für diesen Fall versprochen worden, daß auch die erzbischöfliche Burg in Worringen, deren Besatzung dem Kölner Handel großen Schaden zufügte, niedergelegt werde. Dieses Versprechen hielt Siegfried nicht ein - und machte sich die Kölner so zu Gegnern. Bei nächster Gelegenheit, im Verlauf des sogenannten Limburger Erbfolgekrieges, schlug sich die Bürgerschaft dann auf die Seite der zahlreichen Feinde Siegfrieds. In dieser Auseinandersetzung stritten zunächst zwei aufstrebende Landesherren der Region, die Grafen Adolf von Berg und Rainald von Geldern, als Erbberechtigte um die Nachfolge im Herzogtum Limburg. Der Berger hatte aber seine Rechte an den Herzog von Brabant verkauft, den größten Konkurrenten der Kölner Erzbischöfe im Kampf um die Vorherrschaft im Nordwesten des Reiches. Daher unterstützte Siegfried die Ansprüche des geldrischen Grafen, der seine Rechte wiederum an den ebenfalls erbberechtigten Grafen Heinrich von Luxemburg abtrat. Nach und nach entwickelte sich dieser Erbstreit zu einem regelrechten Krieg, in den nahezu alle Potentaten und Städte der Rheinlande hereingezogen wurden.

Im Juli 1287 hatten die Kölner zwar dem Erzbischof versprochen, ihm die Treue zu halten und sich seinen Feinden nicht anzuschließen - als Johann von Brabant im Mai 1288 jedoch mit großer Heeresmacht im Rheinland erschien, verbündete sich Köln kurzerhand mit dem Herzog und ließ seine Truppen in die Stadt ein. Bald darauf begannen die Kölner mit brabantischer Hilfe die Belagerung der verhaßten Burg in Worringen. Nun eilten auch Siegfried und seine Verbündeten mit einem an Zahl überlegenen Heer heran, um Worringen zu entsetzen.
Am 5. Juni 1288 kam es dann auf der Füh-linger Heide zur größten Ritterschlacht, die je auf rheinischem Boden stattgefunden hat. Den Sieg trugen Johann von Brabant und seine Bundesgenossen davon, letztlich dank einer taktisch klugen Umfassungsbewegung der Kölner Bürger und der bergischen Bauern; Siegfried von Westerburg geriet in die Gefangenschaft des Grafen von Berg. Auf dem Schlachtfeld blieben mehrere tausend Tote, darunter der Anführer des kölnischen Aufgebots, Gerhard Overstolz.
Ihre Selbständigkeit hatte die Stadt an diesem 5. Juni 1288 indessen noch nicht erkämpft. Auch wenn die Erzbischöfe fortan in Köln nicht mehr residieren konnten - an ihrem Anspruch auf die Stadtherrschaft hielten Siegfried und seine Nachfolger fest.







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