In den zwanziger Jahren galt die Kösliner Straße als Inbegriff des »Roten Wedding«. Schon 1861 war der Wedding zu Berlin gekommen; mit der Reichsgründung 1871 setzte der Aufschwung des Wedding zu einem der bedeutendsten Berliner Industriereviere ein. Fs entwik-kelte sich ein »klassischer« Arbeiterbezirk, mit schlechten Wohnrhältnissen, hoher Säuglingsslerblichkeit und Übervölkerung. Während um die Jahrhundertwende im Wedding rund 140000 Menschen lebten, waren es 1918 schon mehr als 350000.
Die Kösliner Straße, in der Nähe des Nct-telbeckplatzes, war mit ihren Mietskasernen und engen Hinterhöfen eine Hochburg der SPD und wurde deshalb auch »rote Gasse« genannt. Hier erreichte der »Blutmai« des Jahres 1929 seinen Höhepunkt. Der Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel (SPD) hatte Ende 1928 Versammlungen unter freiem Himmel untersagt und hielt das Verbot wegen befürchteter Gewaltlätigkeiten auch für den 1. Mai 1929 aufrecht. Die KPD setzte sich darüber hinweg und rief für den 1. Mai zu Massenkundgebungen auf. Um das Verbot durchzusetzen, ließ Zörgiebel die Polizei gegen die kommunistischen Demonstranten vorgehen. Dadurch kam es in den Bezirken Mitte, Neukölln und Wedding am 1. Mai und in den folgenden Tagen zu erbitterten Straßenkämpfen. In der Kösliner Straße errichteten die Demonstranten Barrikaden; die Polizei fuhr Panzerwagen und Maschinengewehre auf. Es gab Tote und Verletzte, unter denen sich auch viele Unbeteiligte befanden. Allein im Wedding kamen 19 Menschen ums Leben. Insgesamt gab es bei diesen mehrtägigen Auseinandersetzungen in Berlin 33 Tote, Hunderle von Verletzten und weit über tausend Verhaftete. Zum Gedenken an den »Blutmai« schrieb Erich Weinert 1929 das Arbeiterlied »Der Rote Wedding«. Der Refrain des vielgesungenen, von Hanns Eisler rtonten Liedes hieß: »Roter Wedding grüßt euch, Genossen / Haltet die Fäuste bereit / Haltet die roten Reihen geschlossen / denn unser Tag ist nicht weit / Drohend stehen die Faschisten / drüben am Horizont / Proletarier, ihr müßt rüsten / Rot Front! Rot Front!«
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