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Köln im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik

Köln im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik

Erster Weltkrieg und Nomberrevolution

Die internationale Lage in Europa glich seit der Jahrhundertwende einem Pulrfaß. Bereits mehrfach hatten internationale Krisen die Völker an den Rand eines großen Krieges geführt. Jahrelange Hochrüstungen, insbesondere Flottenrüstungen, Kolonialstreitigkeiten und das Weltmachtstreben des Wilhelminischen Reiches hatten die Kriegsgefahr wiederholt heraufbeschworen. Nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo am 28. Juni 1914 stand Europa kurz vor dem Ausbruch des Krieges. Gegen den drohenden Krieg wurden im gesamten Reich vor allem von der Sozialdemokratie große Protestkundgebungen durchgeführt. Die von der Kölner SPD ranstaltete Kundgebung für den Völkerfrieden im bzw. vor dem Volkshaus in der Se-rinstraße war mit 10.000 Teilnehmern eine der größten Massenrsammlungen in der Geschichte der Kölner Arbeiterbewegung. Innerhalb weniger Tage vollzog sich allerdings ein radikaler Umbruch in der öffentlichen Meinung. Geschickt hatte es die Reichsleitung rstanden, die tatsächlichen Verhältnisse herumzudrehen und Deutschland als die angegriffene Nation darzustellen. Als am 4. August 1914 der Krieg ausbrach, entlud sich eine kaum geahnte, gewaltige Begeisterung. Jubel und nationalistischer Taumel erfaßten so gut wie alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte. Auch die SPD trat jetzt für den Krieg ein, hatte sie doch stets erklärt, bei einem Angriffskrieg auf Deutschland zur Vaterlandsrteidigung bereit zu sein. Der Auszug der Truppen der Kölner Garnison wurde von einer Menschenmenge begeistert begleitet. Enthusiastisch meldeten sich viele als Kriegsfreiwillige. Auf den Zügen in Richtung Frankreich war mit Kreide geschrieben zu lesen: »Jeder Stoß ein Franzos, jeder Schuß ein Ruß!«. Von der traditionellen Verbundenheit zu Frankreich war in Köln jetzt nichts mehr zu spüren.




Aber bei vielen rflog die Begeisterung bald angesichts der bitteren Realität des Krieges. Kurze Zeit nach Ausbruch des Krieges begannen die Verwundetentransporte. Bereits im Herbst 1914 befanden sich bis zu 9.000 Verwundete in Kölner
Lazaretten. Ein Kölner Reserleutnant schrieb bereits am 5. August 1914 an seinen Bruder: »Ich habe in den zwei Tagen so Entsetzliches erlebt und gesehen, daß ich mit meinen Nern am Ende bin.« Der Krieg ränderte das Leben in der Stadt grundlegend. Köln wurde - nahe an der Front gelegen - zu einer Drehscheibe für die militärische Versorgung der Westfront. Schon Tage nach dem Kriegsausbruch glich Köln einem Heerlager. Industriebetriebe wurden auf Rüstungsproduktion umgestellt. Die Produktion in den Betrieben ging radikal zurück: die ausländischen Märkte brachen fast vollständig ab, durch unsystematische Einberufungen waren große Teile der Belegschaft in den Krieg gezogen. So kennzeichneten wirtschaftlicher Niedergang und sprunghaft gestiegene Erwerbslosigkeit gerade die ersten Kriegsmonate. Frauen ersetzten bald und in zunehmendem Maße die eingezogenen Männer. Vor Kriegsbeginn waren noch doppelt so viele Männer wie Frauen als abhängige Beschäftigte kranken rsichert, 1916 waren es bereits ungefähr gleichviele und 1918 deutlich mehr Frauen als Männer. Die ersten Straßenbahnschaffnerinnen, die im März 1915 ihren Dienst aufnahmen, sorgten noch für Aufsehen. Aber bald gehörten Frauen, denen vor dem Krieg noch viele Berufe rwehrt wurden, auch in bisherigen sogenannten »Männerberufen« zum Alltag. Die Frauen hatten vor allem in den für die Kriegswirtschaft wichtigen Betrieben körperlich schwere und gefährliche Arbeit zu leisten, bei einer täglichen Arbeitszeit von zehn bis vierzehn Stunden. Trotz ihres großen Einsatzes wurden Frauen immer noch nicht gleichberechtigt behandelt. Sie rdienten in allen Branchen weniger als ihre männlichen Kollegen. Die von den Gewerkschaften erhobene Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit wurde von den Unternehmern als »grundfalsch« und »undurchführbar« abgelehnt. Aber auch die bei der Stadt beschäftigten Frauen erhielten keinen gerechten Lohn.

Die Versorgungslage der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs rschlechterte sich zusehends.

Bald zwangen die Probleme zu Rationierungen: Zunächst wurde ab März 1915 mit Brot begonnen, bis 1916 schließlich alle wichtigen Lebensmittel einbezogen waren. Die zugeteilten Mengen mußten immer wieder reduziert werden. Die Preise für Grundnahrungsmittel und Heizstoffe hatten sich während des Krieges zumindest rdreifacht. Seit Anfang 1915 waren für praktisch alle Waren des täglichen Bedarfs Höchstpreise festgesetzt. Der Kampf ums tägliche Überleben bestimmte zunehmend den Alltag der Bevölkerung. Hamsterfahrten ins Vorgebirge zählten dazu, um wenigstens Kartoffeln oder ein paar Eier zu ergattern, die allerdings häufig bei der Rückkunft auf den Bahnhöfen beschlagnahmt wurden. Immer mehr Waren konnten für teures Geld nur auf dem schwarzen Markt besorgt werden. Die Bevölkerung, die Betriebe, ja selbst die Stadt waren gezwungen, sich auf dem schwarzen Markt zu rsorgen. Der Schleichhandel blühte. Am Krieg ließ sich allerdings auch vortrefflich rdienen. Der Kölner Gourneur beklagte mehrfach das »unpatriotische Verhalten« von Händlern und Produzenten, die die Preise in die Höhe trieben. So mancher Bauer der Umgebung rdiente nicht schlecht. Rapide stiegen die Gewinne in der Industrie. Als empörend empfanden es viele, daß trotz der Armut und des Hungers der Vielen der Reichtum der Betuchten und der Kriegsgewinnler zum Teil offen zur Schau gestellt wurde. Denn zu Wucherpreisen war auf dem Schwarzmarkt noch so gut wie alles zu haben. Delikatessen wie Wildbret, Geflügel, Kaviar oder Wein unterlagen keinen Beschränkungen und konnten in Delikatessengeschäften erworben bzw. in Restaurants opulent rzehrt werden. Zumeist rgeblich hatte die Stadtrwaltung rsucht, wenigstens das öffentliche Ausstellen von Delikatessen in den Schaufenstern zu unterbinden. Katastrophale Ausmaße nahm die Versorgung im sogenannten »Steckrübenwinter« zwischen Anfang und Frühsommer 1917 an. Kinder über sechs Jahre erhielten keine Milch mehr, die Kartoffelration sank innerhalb weniger Wochen von zehn Pfund auf ein bis eineinhalb Pfund Mitte Februar, die Fleischration von 400 auf 250 Gramm pro Woche, die Brotration von dreieinhalb auf drei Pfund pro Woche. In dieser Zeit mußte sich die ärmere Bevölkerung, die sich auf dem Schwarzmarkt keine Lebensmittel besorgen konnte, von täglich 1.500, zum Teil 1.000 kcal ernähren. Der Höhepunkt der Krise wurde im Juni 1917 erreicht, als die Kartoffelzuteilung endgültig eingestellt werden mußte und als Ersatz u.a. getrocknete oder eingesalzene Steckrüben sowie Runkelrüben ausgegeben wurden. Die öffentliche »Nahrungsmittelbewirtschaftung« brach zusammen; große Verbitterung entstand, die sich u. a. in der Plünderung der Kölner Markthalle entlud. Die fortdauernde Unterernährung eines großen Teils der Bevölkerung führte zu ernsthaften gesundheitlichen Schäden. Die Zahl der Tuberkulosetoten rdoppelte sich. Seit dem Sommer 1918 grassierte eine rheerende Grippeepidemie, die allein im Oktober und Nomber 1918 1.291 Menschen das Leben kostete. Die Stadt rsuchte soweit wie möglich, die ärgsten Folgen des Krieges zu mildern. Sie legte Vorräte an, die sie zu »normalen« Preisen an Bedürftige abgab, oder kaufte Ende 1914 Schweine, die sie in der Festhalle der wegen des Krieges vorzeitig geschlossenen Werkbundausstellung mästete. Seitjuli 1916 wurden fahrbare Küchen in Betrieb genommen, die älteren und armen Menschen eine warme Mahlzeit zu 20 Pfennigen anboten. Die Mahlzeiten waren aber bald wegen ihrer schlechten Qualität gefürchtet. Die Zahl der ausgegebenen Essen stieg von etwa 9.000 zu Beginn auf über 40.000 auf dem Höhepunkt der Krise im April 1917. In den Wintermonaten seit 1916 wurden öffentliche Wärmehallen in Schulen und Turnhallen eingerichtet. Not macht auch erfinderisch. Gemeinsam mit den Inhabern einer Brotfabrik entwickelte der für die Lebensmittelrsorgung zuständige Erste Beigeordnete der Stadt Köln ein sogenanntes »Kölner Sparbrot«, ein aus Mais, Reis und Gerste gebackenes Schrotbrot. Der Name des erfindungsreichen Mannes lautete: Konrad Adenauer. Er war 1906 Beigeordneter geworden.

Hatten die Kölner bis 1917 alle Mißliebigkeiten des Krieges mit erstaunlicher Geduld ertragen, so kam es im Mai 1917 zum ersten, eintägigen Streik während des Krieges und zwar bei der Deutzer Gasmotorenfabrik. Vor allem Frauen waren streikbereit. Rund zwei Drittel der über 1.400 Kölner Straßenbahnerinnen legten Mitte Juni 1917 für drei Tage die Arbeit nieder und lösten damit eine Welle weiterer Streiks aus, die sich bis in den Herbst hineinzogen. Den Straßenbahnerinnen war von ihrer eigenen Direktion bestätigt worden, daß sie infolge Hungers nicht in der Lage waren, ihren Dienst weiter zu rrichten. Im übrigen mußten sie mit ansehen, daß eine Reihe ihrer männlichen Kollegen sich als Streikbrecher rdingten. Seit Kriegsbeginn hatte sich auch das politische Klima im Reich und in der Stadt grundlegend rändert. »Burgfrieden« hieß das Schlagwort: Die Parteien beendeten ihre Auseinandersetzung ebenso wie die Gewerkschaften und die Unternehmer. Die sozialdemokratischen und die katholischen Arbeiterreine stellten ihre Arbeit ein. Alle drei Gewerkschaften, die freien, christlichen und liberalen Gewerkschaften, bildeten eine Arbeitsgemeinschaft. Obwohl die Gewerkschaften auf alle Lohn- und Tarifbewegungen und auf Streiks rzichtet hatten, rsuchten die Arbeitgeber, die Situation auszunutzen und Lohn- und Gehaltskürzungen durchzusetzen. Dies konnte aber zum größten Teil rhindert werden. Zwischen der sozialdemokratischen und der christlichen Gewerkschaft entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit auf so gut wie allen Gebieten. Dies geschah so rasch, daß offenkundig mancher alte ideolgi-scheZopf, der vor dem Krieg eine Gemeinsamkeit rhindert hatte, gerne abgeschnitten wurde. Beide Gewerkschaften interessierte offenkundig ein gemeinsamer Kampf für Lohnerhöhung, Arbeitszeitrkürzung, Einrichtung von Arbeitsausschüssen. Dies entsprach auch eindeutig dem Wunsch der Mitglieder. So entstanden plötzlich Verbindungen und Zusammenarbeit zwischen einstigen Erzfeinden, die kurze Zeit zuvor undenkbar waren. Dies gilt auch für den politischen Bereich: Ende 1917 begann eine Zusammenarbeit zwischen SPD und Zentrum. Der SPD war seit Kriegsbeginn eine bis dahin ungeahnte politische Bedeutung zugewachsen. Erstmals spielte die SPD auf der politischen Bühne Kölns eine Rolle. Sie rstand sich als Sachwalterin der Interessen der bedrängten Bevölkerung und kritisierte lebhaft die materielle Versorgung, Preistreibereien, Wucher und Schleichhandel. Ihre Parole lautete denn auch »Frieden, Freiheit, Brot«. Je länger der Krieg dauerte, desto stärker rückte die Friedensfrage in den Mittelpunkt des Interesses. Die SPD forderte bereits bald einen raschen Frieden ohne Annexionen und eine Demokratisierung von Staat und Gesellschaft. Seit 191II18 wurde auch wieder die Forderung nach der Abschaffung des preußischen Klassenwahlrechts erhoben. Innerhalb der SPD - so auch in Köln - entstanden lebhafte Debatten um den weiteren Kurs der Partei, nachdem Karl Liebknecht im März 1915 eine weitere Bewilligung von Kriegskrediten abgelehnt hatte. In Köln hatten lediglich sieben Sozialdemokraten ein von Liebknecht entworfenes Protestschreiben unterzeichnet. Insbesondere wurde eine couragierte Frau zur Anführerin der Opposition, Henriette Ackermann. Aber zur Spaltung der SPD und zur Gründung einer Ortsgruppe der »Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands« (USPD) kam es erst im Juni 1917. Nur 26 Gründungsmitglieder waren anwesend. Die USPD blieb in Köln eine kleine Gruppe und bis zum Kriegsende unbedeutend und einflußlos. Zu allen organisatorischen Schwierigkeiten kam bald noch massi Repression durch die staatlichen und militärischen Behörden. Am 16. Dezember 1917 wurde der gesamte Vorstand der USPD auf einer Mitgliederrsammlung rhaftet und anschließend zu zum Teil hohen Freiheitsstrafen rurteilt.

Die Zusammenarbeit zwischen den Parteien und Gewerkschaften in der Versorgungsfrage setzte sich auch in den politischen Gremien um. Anfang 1916 wählte der Stadtrat zum ersten Mal Sozialdemokraten in Kommissionen. Ende 1917 wurden die ersten drei SPD-Ratsherren gewählt, das heißt, das Zentrum überließ der SPD bei den anstehenden Stadtratsergänzungswahlen zwei Sitze aus der dritten Wählerklasse und die Liberalen einen Sitz aus der zweiten Wählerklasse. Zu dieser Einigung hatten wesentlich Adenauer und Wilhelm Sollmann, der spätere Chefredakteur der »Rheinischen Zeitung« und Vorsitzender der Kölner SPD, beigetragen. Als Adenauer am 18. September 1917 zum Oberbürgermeister gewählt wurde, nachdem sein Vorgänger Wallraf als Innenstaatssekretär nach Berlin gegangen war, bescheinigte Sollmann ihm »soziales Gefühl und soziales Verständnis«. Das waren doch völlig neue Töne. Die Sozialdemokraten hatten die Arbeit Adenauers als für die Kriegsrsorgung zuständigen Beigeordneten schätzen gelernt, dieser wiederum die Bereitschaft der Sozialdemokraten zur konkreten Mitarbeit. Hier bahnte sich zwischen den beiden Politikern eine Zusammenarbeit an, die den Grund legte für ein enges Zusammenspiel zwischen SPD und Zentrum bzw. Adenauer, das den Verlauf der Nomberrevolution und die Kölner Kommunalpolitik in den nächsten Jahren entscheidend bestimmte. Adenauer und Sollmann wurden in kürzester Zeit die beiden bestimmenden uren der Kölner Kommunalpolitik.
Als im Oktober 1918 in die neue Reichsregierung des Prinzen Max von Baden zum ersten Mal mit Philipp Scheidemann ein Sozialdemokrat berufen wurde und endlich das reaktionäre Dreiklassenwahlrecht fiel, waren für viele Sozialdemokraten bereits wichtige ihrer Ziele erreicht: das Ende der Diskriminierung, die Anerkennung als gleichberechtigter Partner im gesellschaftlichen und politischen Leben, der Abbau der weitgehenden Isolation und die wachsende Integration der Sozialdemokratie auch in die stadtkölnische Gesellschaft. Wofür eigentlich noch eine Revolution, war doch alles bestens auf den Weg gebracht? Aber plötzlich wurden aus den bran Kölner Sozialdemokraten doch noch »Revolutionäre« wider Willen -jedoch nur für eine kurze Zeit.

Die anfangliche Begeisterung für den Krieg war nach vier Jahren gründlich rflogen. Die Menschen wollten nun Frieden. Am 31. Januar 1918 folgten 10.000 Kölner Arbeiter einem Aufruf von USPD und Spartakus-Bund zum Streik. Am Pfingst-sonntag, dem 18. Mai 1918, forderte der erste schwere Fliegerangriff auf Köln 41 Tote. Die schlechter werdende Versorgungslage seit Juli 1918 drückte erheblich die Stimmung. Massenhafte Hamsterkäufe begannen wieder. Die militärische Niederlage zwang schließlich die Reichsleitung zur Kapitulation. Die Bevölkerung traf dies unvorbereitet, da bis zuletzt Siegeszursicht rbreitet wurde. Am Ende des Krieges waren 15.000 Kölner auf den Schlachtfeldern gefallen. Auch die Kölner Arbeiterschaft war wie die SPD mit der durch die Oktoberreformen eingeleiteten Entwicklung zufrieden. Dennoch erreichte die Revolution Köln als erste große Stadt. Sie ging von meuternden Matrosen in Kiel aus, die sich geweigert hatten, ihr Leben noch in den letzten Tagen des Krieges in einem Todeskommando zu opfern. Die ersten Nachrichten über die Matrosenunruhen erreichten Köln am 5. Nomber. Zwei Tage später, am 7. Nomber, rbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, daß ein großer Trupp von Matrosen aus Kiel auf dem Hauptbahnhof eingetroffen sei und eine große Menschenmenge sich rsammelt habe. Herbeigeeilte Vertreter der SPD und der USPD kamen aber bei der schreienden Menge nicht zu Wort. Die Matrosen befreiten derweil, ohne auf Widerstand zu stoßen, Häftlinge aus Gefängnissen, wobei es ihnen vor allem darum ging, - das ist auch der Grund dafür, daß Köln ihr erstes wichtiges Ziel im Inneren Deutschlands war - die im zentralen Stammgefängnis für Marinegefangene in Köln einsitzenden Matrosen der Wilhemshaner Flottenmeuterei von 1917 zu befreien. Ihre Anführer Max Reichpietsch und Albin Köbis waren in Köln standrechtlich erschossen worden. Am 8. Nomber wurde der Kölner »Arbeiter- und Soldatenrat« gegründet, der aus je sechs Räten der SPD und USPD bestand. Er rtrat sehr gemäßigte Forderungen: u.a. sofortiger Frieden, Freilassung sämtlicher politischen Gefangenen, Abschaffung aller Dynastien im Reich. Von sozialistischer Republik und dergleichen war keine Rede. Diese Forderungen wurden von der Versammlung von mehreren Tausend Menschen auf dem Neumarkt am selben Tag bestätigt. Adenauer, der noch einen Tag zuvor rsucht hatte, den Umsturz militärisch zu unterdrücken und die revolutionären Matrosen festnehmen zu lassen, mußte feststellen, daß loyale Truppen nicht zu finden waren und der Festungskommandant geflohen war. Nunmehr stellte auch er sich auf den Boden der Tatsachen und überließ dem »Arbeiter- und Soldatenrat« im Rathaus einige Räume, nebst Schreibmaschinen und Telefon. Adenauers Politik war nun in erster Linie daraufgerichtet, so schnell wie möglich Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Eine rasch gebildete Sicherheitswehr erreichte, daß es fast zu keinen Plünderungen mehr kam. Am 9. Nomber tagte vormittags im Hansasaal des Rathauses eine große Soldatenrsammlung, die sich mit dem »Arbeiter- und Soldatenrat« solidarisch erklärte. Als am selben Tag die Nachricht von der Abdankung des Kaisers, der Ausrufung der Republik und der Ernennung Eberts zum Reichskanzler in Köln eintraf, kündigte Sollmann bereits die baldige Selbstauflösung des Rates an - einen Tagnach seiner Gründung. Seine Begründung war bezeichnend genug: »Von Köln aus könne der Sozialismus nicht rkündet werden«. Der »Arbeiter- und Soldatenrat« werde nur so lange bestehen, wie es in Deutschland keine funktionierende Zentralgewalt gebe. Um diese zu schaffen, hatten die Sozialdemokraten sich schon früh für die Einberufung der Nationalrsammlung ausgesprochen. Am 10. Nomber beschloß der »Arbeiter- und Soldatenrat« die Bildung eines Wohlfahrtsausschusses, dem nun unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister Adenauer Vertreter bürgerlicher Parteien gleichgewichtig mit Sozialdemokraten angehörten. Die Aufgaben des Ausschusses waren umfassend: Ihm unterstand die ebenfalls überparteiliche Bürgerwehr, er hatte für öffentliche Sicherheit und Ordnung, Verkehr und Transport, Verpflegung und Unterkunft sowie das Gesundheitswesen zu sorgen. Damit gab der »Arbeiter- und Soldatenrat« bereits drei Tage nach seiner Gründung alle wesentlichen Befugnisse wieder freiwillig aus der Hand, um sie den alten Gewalten zurückzugeben. Adenauer schmückte sich mit der Binde des »Arbeiter- und Soldatenrates« und war wieder Herr von Köln. Den Mehrheitssozialdemokraten war die frisch gewonnene Macht offenkundig nicht geheuer, sie wollten sie so schnell wie möglich an die bisherigen Gewalten zurückgeben und strebten von Beginn an eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden und den bürgerlichen Parteien an. Am 14. Nomber 1918 erklärte der »Arbeiter- und Soldatenrat« nochmals, daß die Organisation des Rates »nur vorübergehend sein kann« und befürwortete die Einberufung einer Nationalrsammlung. Damit war - zumindest für die Mehrheitssozialdemokratie - die Revolution in Köln wieder zu Ende - nach nur einer Woche, der »Revolutionswoche«. Die in den nächsten Tagen folgenden Veranstaltungen der SPD standen bereits ganz unter dem Zeichen des Wahlkampfs zur Nationalrsammlung. Seit Anfang Dezember 1918 war der »Arbeiter- und Soldatenrat« bedeutungslos geworden. Zu seinen größten Leistungen zählte die gelungene Organisation des Durchmarschs der zurückkehrenden Truppen durch Köln. Die letzte Sitzung des »Arbeiter- und Soldatenrates« fand am 18. Dezember statt; aufgelöst wurde er von den britischen Besatzern.

Die Revolutionäre des »Arbeiter- und Soldatenrats« zeichneten sich nicht zuletzt durch ihren Bürokratismus aus: Stempel und Abzeichen wurden in großen Mengen besorgt, Ausweise und Passierscheine ausgestellt. Die Hauptaufgabe des »Arbeiter- und Soldatenrates« in den ersten Tagen bestand darin, Soldaten, die heimkehren wollten, eine Bescheinigung auszustellen. Denn ohne Bescheinigung ging auch bei Revolutionären nichts. Sollmann mokierte sich später über die Stempel wut der Kölner Revolutionäre. Der »Arbeiter- und Soldatenrat« erließ nächtliche Ausgangssperren und rbot den Ausschank alkoholischer Getränke. Heftig kritisierte er, daß Soldaten, ohne zu bezahlen, die Kölner Straßenbahnen benutzten. Am 12. Nomber 1918 stellte die »Rheinische Zeitung« zutreffend fest: »Nie wohl ist eine Revolution von so gewaltigem Ausmaß in solcher Ruhe vorübergegangen.«

Trotz Revolution ging das Geschäfts- und Berufsleben seinen Gang. Die Sozialdemokraten hatten sich an die Spitze der Revolution gestellt, um sie so rasch wie möglich zu beenden und in geordnete Bahnen zu lenken. Aber ihre sehr gemäßigte Politik nützte der Kölner SPD recht wenig: Bald wurde sie vom Zentrum und anderen sowie von heimkehrenden Soldaten lebhaft für das angebliche Chaos, für Unruhen und Plünderungen während der Revolution rantwortlich gemacht und geriet dadurch schon Ende 1918 in die politische Defensi.

Rheinlandbesetzung, Rheinlandbewegung, Krise von 1923

Am 9. November 1918 war das Kaiserreich schmachvoll untergegangen und die Republik ausgerufen worden. Für Köln wirkte sich das Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918 einschneidend aus: Das linksrheinische Gebiet wurde von alliierten Truppen besetzt. Am 6. Dezember marschierten über die Aachener Straße - wie die Franzosen 1794 -die ersten britischen Truppen in Köln ein. Fünf Jahre Besatzungszeit sollten folgen. Bis Ende 1919 waren bereits 55.000 britische Soldaten in Köln stationiert, ein Jahr später waren es noch die Hälfte und 1925, ein Jahr vor dem Abzug, noch über 9.000 Soldaten.
Die Bevölkerung hatte stark unter der Besatzung zu leiden. Zunächst galt es, 55.000 Soldaten unterzubringen - und dies angesichts der allgemeinen Wohnungsnot. 88 Schulen, 52 Hotels und über 2.000 Privatwohnungen wurden requiriert und Möbel und Gebrauchsgegenstände beschlagnahmt. Die Stadt baute weit über tausend Wohnungen für britische Soldaten und Offiziere und ihre Familienangehörigen. Die Briten schränkten die Presse- und Versammlungsfreiheit ein und ordneten an, daß die Kölner erstmals stets einen Personalausweis mit sich führen mußten und für Reisen in unbesetztes Gebiet einen Passierschein benötigten. Die nächtliche Ausgangssperre wurde bald fallen gelassen, ebenso die als besonders schikanös empfundene Pflicht, britische Offiziere und britische Fahnen zu grüßen.
Verheerend wirkte sich die Besatzung auf die Kölner Wirtschaft aus: die Verbindungen Kölns zum Rheinland waren anfanglich abgeriegelt, später noch stark beeinträchtigt. Die Wirtschaft brach kräftig ein, die Erwerbslosigkeit stieg beängstigend an, zumal heimkehrende Soldaten und in der Rüstungsindustrie nicht mehr benötigte Arbeiter untergebracht werden mußten. Ende 1918 waren schon 25.000 Kölner erwerbslos, Woche für Woche wurden es mehr. Die Stadtverwaltung entwickelte ein Programm von Notstandsarbeiten. So wurden 4.000 Männer im Stadtwald bei Erdarbeiten beschäftigt. Die Ernährungslage blieb erschreckend schlecht. Erst 1920 wurde es möglich, die Zwangsbewirtschaftung größtenteils aufzugeben. Bittere Armut führte sogar zu Hungerunruhen. Die Briten arbeiteten nicht mit dem »Arbeiter- und Soldatenrat« zusammen, den sie bald auflösten, sondern mit den »legalen« Behörden. Zwischen der Militärführung unter Militärgouverneur Charles Ferguson und Oberbürgermeister Adenauer entwickelte sich rasch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Das anfänglich äußerst gespannte Verhältnis der Kölner Bevölkerung zu den Besatzern entspannte sich im Lauf der Jahre zusehends, führten die Briten doch ein verhältnismäßig mildes und liberales Regiment.

Aus den ersten Wahlen nach Kriegsende, den Wahlen zur Nationalversammlung im Januar 1919 und zur Stadtverordnetenversammlung im Oktober 1919, ging das Zentrum als stärkste politische Kraft hervor, relativ dicht gefolgt von der SPD, weit abgeschlagen schnitten die Deutsche Demokratische Partei und die Deutsche Volkspartei sowie die rechtsgerichtete Deutschnationale Volkspartei ab, ebenso die USPD. Das Zentrum war wieder zur stärksten politischen Kraft geworden: Der große Erfolg der SPD von 1912 blieb Episode, auch weil der SPD bald ein ernster Gegner auf der linken Seite erwuchs. Die Spaltung der Arbeiterbewegung hat ganz wesentlich zur Dominanz des Zentrums in der Weimarer Republik in Köln beigetragen, denn zusammengenommen waren die beiden Arbeiterparteien bis 1933 mindestens so stark wie das Zentrum. Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte konnten bei diesen endlich freien und gleichen Wahlen Frauen wählen und gewählt werden. Die Stimmen der Frauen kamen aber mehrheitlich nicht der Partei zugute, die sich für das Frauenwahlrecht eingesetzt hatte, sondern dem Zentrum. Das neue Wahlrecht verschob nun auch die politischen Gewichte in der Kommunalpolitik. Bei den Stadtverordnetenwahlen hatte das Zentrum 49, die SPD 43 Sitze erhalten. Hatte sich bereits während des Krieges das Zusammenspiel zwischen Adenauer und der SPD angebahnt, so wurde nun die gewachsene Bedeutung der SPD insoweit anerkannt, als drei sozialdemokratische Beigeordnete in die Spitze der Stadtverwaltung berufen wurden und die SPD von 1919 bis Mitte 1932 die Polizeipräsidenten stellte. Aber unter der Bürde der Macht hatte die SPD bald zu leiden: Sie mußte unpopuläre Entscheidungen mittragen und geriet dadurch unter kräftigen Beschuß der USPD, die die Mehrheitssozialdemokratie des Verrates der sozialistischen Prinzipien und der Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien bezichtigte. Die USPD konnte jedenfalls dadurch an Stimmen gewinnen. Bei der Reichstagswahl von 1920 erlitt die SPD denn auch eine herbe Niederlage, während die USPD stark zulegte. Der größte Teil der USPD ging zur am 1. Dezember 1920 gegründeten Ortsgruppe der KPD über, ein kleinerer Teil, die Rest-USPD, versuchte zunächst, die Partei weiterzuführen, vereinigte sich aber im Oktober 1922 wieder mit der SPD. Scharfe Gegensätze, gegenseitige Attacken und Beleidigungen kennzeichnen das Verhältnis zwischen KPD und SPD während der gesamten Weimarer Republik. Die Spaltung war tiefgehend. Es entstanden neben den sozialdemokratischen auch kommunistische Arbeitersport- und Arbeiterkulturvereine sowie konkurrierende Gewerkschaften (RGO) und Zeitungen usw. Im Lauf der Jahre verschoben sich zwischen den beiden Arbeiterparteien die Gewichte ganz erheblich zugunsten der KPD, die 1932 sogar die SPD überflügelte. Von Anfang an hatte die junge Republik unter schwierigsten Bedingungen zu kämpfen. Die Weimarer Republik war nicht durch eine demokratische Revolution entstanden, sondern als Ergebnis des Zusammenbruchs des kaiserlichen Deutschlands infolge des verlorenen Ersten Weltkrieges. Sie war eine »Republik wider Willen«, eine »improvisierte Demokratie«, die in dieser Form selbst von den republik- und demokratiefreundlichen Parteien und Kräften nicht zielstrebig erkämpft worden war. Verhaßt war sie bei den alten Eliten des monarchischen Deutschland wie Militär, Junkertum, Großbürgertum, großen Teilen der Beamten und des Bürgertums, aber auch bei aus dem Krieg heimgekehrten Soldaten, die sozial nicht mehr Fuß zu fassen vermochten. Militante Freikorpsleute waren für eine Reihe politischer Morde verantwortlich, u.a. an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sowie den Reichsministern Matthias Erzberger und Walter Rathenau. Das Freikorps stand als treibende Kraft hinter dem Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920. Ein entschlossener Generalstreik im ganzen Lande ließ den Putschversuch nach wenigen Tagen zusammenbrechen. Die Demonstration in Köln, zu der SPD und USPD aufgerufen hatten, war eine der größten in der Geschichte der Stadt: Rund 200.000 Menschen strömten zusammen. Anläßlich der Ermordung von Reichsaußenminister Walter Rathenau demonstrierten sogar rund 250.000 Menschen, gut ein Drittel der Bevölkerung, auf dem Neumarkt für die Republik.

1923 wurde zum Krisenjahr der Republik. In den ersten Nachkriegsjahren war es angesichts der hohen Erwerbslosigkeit und der bitteren Armut vieler Menschen bereits mehrfach zu Hungerunruhen gekommen. Die Not der Menschen steigerte sich seit 1922 durch eine galoppierende Geldentwertung ins Unermeßliche. Am 13. November 1922 kam es zu gewalttätigen Demonstrationen und Geschäftsplünderungen vor allem in der Kölner Altstadt. Die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen am 11. Januar 1923 verschärfte die Krise dramatisch. Frankreich und Belgien wollten sich damit »produktive Pfander« für die von Deutschland zu wenig gezahlten Reparationen sichern, aber wohl auch die Kontrolle über das Wirtschaftszentrums Deutschlands erreichen. Ein wahrhaftiger Sturm der nationalen Entrüstung ging durch Deutschland, der alle Parteien und Schichten erfaßte.

Die Reichsregierung rief den »passiven Widerstand« aus. Köln war als »Insel der Seligen« ringsum von französisch besetztem Gebiet umgeben. Durch diese wirtschaftliche Absperrung wuchs die Erwerbslosigkeit. Die Unterstützung des Ruhrkampfs überstieg die finanzielle Leistungsfähigkeit des Reiches und ließ den Wert der Mark ins Bodenlose fallen. Bereits durch die Kriegsfinanzierung und die hohen Folgekosten des Krieges hatte die Entwertung der Mark begonnen, aber sie nahm jetzt bis dahin unvorstellbare Ausmaße an. So hatte ein US-Dollar im Juli 1914 noch 4,20 Mark gekostet, im Januar
1922 schon 191,80 Mark, ein Jahr später bereits 17.972 Mark, im August 1923 über 4,6 Millionen und zuletzt im November
1923 4,2 Billionen Mark. Kostete ein Liter Milch zunächst 1.000 Reichsmark, so waren es Ende Juli 3.600 Mark und am 28. August 1923 280.000 Mark. Im Dezember 1923 erreichte die Inflation ihren Höhepunkt. Der Kölner Index für eine vierköpfige Familie stieg von 192.080 RM Ende Januar, über 641.035 RM im Mai, 26,6 Millionen im August auf 348 Billionen RM im Dezember. Geldscheine mit dem Aufdruck Million wurden herausgegeben, die wenig später mit der Bezeichnung Billion überdruckt wurden. Die Stadt, selbst einzelne Firmen druckten Notgeld mit immer höheren Nennwerten. In Waschkörben voller Geld erhielten die Angestellten ihren Lohn und mußten sich beeilen, das Geld so rasch wie möglich auszugeben, denn am nächsten Tag war es nur noch einen Bruchteil wert. Selbst tägliche Lohn- und Gehalts erhöhungen kamen der Preisentwicklung nicht mehr hinterher.

Die Geldentwertung ruinierte die »kleinen Leute«, den Mittelstand, die Lohn- und Gehaltsempfänger und die Rentner. Ihre Ersparnisse waren in kürzester Zeit nichts mehr wert. Bei vielen erschütterte dies dauerhaft das Vertrauen in die junge Demokratie. Die Not und das Elend vieler stand in merkwürdigem Gegensatz zu den Inflationsgewinnlern: Besitzer von Immobilien und Sachwerten waren kaum von der Inflation betroffen. Spekulanten und Großindustrielle konnten große Unternehmen aufbauen und riesige Gewinne machen. Die Not entlud sich in Demonstrationen gegen Preiswucher und Hunger, aber auch in Plünderungen. Die politische Krise führte im November 1923 zum Hitler-Putsch in München, der kläglich scheiterte. Die 1921 gegründete, noch völlig unbedeutende NSDAP-Ortsgruppe in Köln wurde daraufhin verboten. Die Lage beruhigte sich erst wieder, als die neue Reichsregierung unter Kanzler Gustav Stresemann (und Innenminister Wilhelm Sollmann) den »passiven Widerstand« beendete und die Rentenmark als neue Währung einführte.

Während der Krise des Jahres 1923 kam es auch zu einem Wiederaufleben der Rheinlandbewegung. Hans Adam Dorten und der Kölner Joseph Smeets, der 1923 ermordet wurde, versuchten, die Rheinprovinz aus dem Verband des Deutschen Reiches zu lösen. Die Separatisten fanden aber wen ig Anklang. Größeren Zuspruch ernteten dagegen jene, die nicht einen selbständigen Staat außerhalb des Reiches, sondern in lockerer Verbindung zum Reich anstrebten. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges entstand eine starke Bewegung, die sich für eine dem Deutschen Reich angehörende, aber weitgehend selbständige »Westdeutsche Republik« einsetzten. Auf einer Versammlung des Zentrums am 4. Dezember 1918 forderten 5.000 Teilnehmer die Gründung einer »Westdeutschen Republik«. Anfang 1919 sprach sich auf einer Kundgebung auch Adenauer für eine Westdeutsche Republik als neugebildeten Bundesstaat im Rahmen des Deutschen Reiches aus, mit der er vor allem eine Möglichkeit sah, französischen Annektionsplä-nen entgegenzuwirken. Insbesondere hatte die »Kölnische Volkszeitung« mit ihren Chefredakteuren und KarlTrimborn, Reichstagsabgeordneter des Zentrums von 1896 bis 1921, die Idee der »Rheinischen Republik« längere Zeit propagiert. Nach 1923 spielte die Rheinlandbewegung keine wichtige Rolle mehr. Trotz der großen Not und der akuten Bedrohung der Demokratie in den ersten Nachkriegsjahren wurden doch gerade in diesem Zeitraum eine Reihe weit in die Zukunft der Stadt reichende Entscheidungen getroffen. So wurde 1919 die Universität wiedergegründet - vom späteren ersten Rektor, Christian Eckert, und Konrad Adenauer energisch betrieben. Schon bald besaß die Universität, die neben Frankfurt die einzige deutsche Stadtuniversität war, einen guten Ruf. Mehrere bedeutende Wissenschaftler wirkten an der Universität: so die Rechtswissenschaftler Fritz Stier-Somlo und Hans Kelsen, der Wirtschaftswissenschaftler Eugen Schmalenbach, der Soziologe Leopold von Wiese, der Philosoph Max Scheler, die Mediziner Friedrich Moritz und Gustav Aschaffenburg, der Wirtschaftshistoriker Bruno Kuske, der Germanist Friedrich von der Leyen.

Bahnbrechend für die gesamte Stadtentwicklung wirkte sich die durch den Versailler Vertrag erzwungene Schleifung der Kölner Festung aus. Im August 1920 wurde mit der Sprengung der Festungsanlagen begonnen. Damit fiel die letzte Verteidigungsanlage, die die Ausbreitung der Stadt behindert hatte. Die neuen Möglichkeiten wurden konsequent und zukunftsweisend genutzt. Auf dem früheren Festungsrayon entstand der Grüngürtel, Kölns »grüne Lunge«. Adenauer setzte sich ganz persönlich dafür ein. Den Kritikern des Projekts hielt er entgegen: »Jetzt muß es sich entscheiden, ob Köln dereinst eine riesige Steinwüste sein wird oder aber eine Stadt, deren Bewohner ein menschenwürdiges Dasein führen können«. Der Wegfall der Festungsanlagen bot die Chance für den Ausbau Kölns zur modernen Metropole. Dieser Aufgabe widmete sich Fritz Schumacher, einer der bedeutendsten Stadtplaner, den Adenauer für drei Jahre nach Köln gewinnen konnte. Bereits 1923 legte Schumacher sein städtebauliches Gesamtkonzept in einer Schrift vor mit dem Titel: »Köln. Entwicklungsfragen einer Großstadt«, die ganz wesentlich auch die Handschrift Adenauers trug. Darin enthalten sind zahlreiche Vorschläge für die Planung und Bebauung verschiedener Stadtbereiche und für den ehemaligen Festungsrayon, den Inneren Grüngürtel. Allerdings wurden von diesem umfassenden Gesamtkonzept lediglich der Aachener Weiher und der Stichkanal verwirklicht. Im ehemaligen Rayongebiet wurden Grün- und Erholungsflächen und mit dem 1923 eröffneten Müngersdorfer Stadion eine große Sportstätte geschaffen. Wichtig für die Stadtplanung der kommenden Jahre war die Eingemeindung von Worringen 1922 und die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts Kölns durch die Schaffung eines neuen Industriegeländes in Niehl einschließlich eines neuen Handelshafens und der Bau des 1924 eingeweihten Messegeländes in Deutz, das Köln zu einem der führenden Messeplätze Deutschlands machte. Zu einem Symbol des aufstrebenden Köln wurde das Hochhaus am Hansaring, damals das höchste profane Gebäude Deutschlands. Zu einer selbstbewußten Selbstdarstellung gestaltete sich 1925 die große Ausstellung aus Anlaß der tausendjährigen Zugehörigkeit der Stadt zum Reich. Selbst in den schwierigsten Jahren nach dem Krieg gelang es Köln, die Grundlagen für den Aufstieg zur unbestrittenen Metropole des Rheinlandes zu legen, zu der die Stadt sich nach dem Ende der Besatzung endgültig entwickeln konnte.

Köln als Metropole des Rheinlandes

Mit großem Pomp und Pathos wurde in Köln das Ende der Besatzung am 31. Januar 1926 gefeiert. Jetzt konnten wichtige staatliche Einrichtungen ins Rheinland verlegt werden. Köln wurde Sitz des neu geschaffenen Landesarbeitsamts und des Landesarbeitsgerichts. Das Ende der Besatzung bot zudem neue Entwicklungschancen für die Stadt. Dazu zählte etwa, daß der bisherige britische Militärflugplatz Butzweiler Hof mit erheblichen städtischen Mitteln zum zivilen Flugplatz ausgebaut wurde. Bereits 1926 starteten täglich 25 Maschinen. In den dreißiger Jahren entwickelte er sich zu einem der größten Flughäfen Deutschlands. Der Luftverkehr stärkte Kölns ohnehin bedeutsame Rolle als Verkehrsknotenpunkt. Wichtig war auch, daß es 1926 gelang, den Sitz der Westdeutschen Rundfunk AG (Werag) von Münster nach Köln zu verlegen. Neuer Intendant wurde Ernst Hardt, der zuvor Leiter des Kölner Schauspielhauses war und als »künstlerischer Leiter« des Westdeutschen Rundfunks auch die kulturelle und gesellschaftliche Aufgabe des neuen Mediums betonte.

Die wichtigste Entscheidung für die Kölner Wirtschaft in jenen Jahren stellt die Ansiedlung der Fordwerke in Köln dar. Köln hatte im harten Wettbewerb mit anderen Städten das Rennen gemacht. Im Oktober 1929 war der Vertrag zwischen Ford und der Stadt unterzeichnet worden und ein Jahr später nahmen Henry Ford und Konrad Adenauer die Grundsteinlegung vor. Die Fordwerke schlössen ihre Produktion in Berlin, so daß Köln zum einzigen Produktionsort Fords in Europa wurde. Bereits am 4. Mai 1931 verließ das erste in Köln gebaute Ford-Auto das neue Werk am Niehler Industriehafen, ein Zwei-Tonnen-LKW. Ab 1931 wurde auch das A-Modell von Ford gebaut, später ein Kleinwagen namens »Köln« mit 21 PS. Bald fertigte man in einer einzigen Achtstunden-Schicht 180 Automobile und zudem 75 Motorensätze. 1935 wurden bereits 13.000 Kraftfahrzeuge gebaut. Die wirtschaftliche Bedeutung der Ansiedlung von Ford in Köln für die Stadt war erheblich. Ford wurde bereits in den 30er Jahren zu einem der größten Arbeitgeber Kölns. 1927 hatte auch die französische Automobilfirma Citroen einen Betrieb in Köln-Poll gegründet, der aber in der Wirtschaftskrise wieder aufgegeben wurde. Das Automobil war in den zwanziger Jahren eindeutig auf dem Vormarsch: Es eroberte zunehmend die Straßen. Nur noch in Berlin gab es mehr Kraftfahrzeuge pro Einwohner: In Köln kam ein Kraftfahrzeug auf 60 Einwohner (im Reichsdurchschnitt: 1 zu 172). 1929 begannen die Arbeiten für die erste kreuzungsfreie Autostraße zwischen Köln und Bonn, die erste Autobahn
Europas.
Wichtig für die Entwicklung der Kölner Wirtschaft war auch die Ansiedlung eines Betriebs der Chemiefaserindustrie, Glanzstoff-Courtaulds, der in seinem Werk in Weidenpesch 3.000 Arbeitsplätze schuf. Aus dem Bereich des Einzelhandels ist vor allem die Entwicklung des Kaufhauses Tietz hervorzuheben, oder die aus den USA stammende Idee der Einheitspreisgeschäfte. Insgesamt war die Lage der Kölner Wirtschaft in diesen Jahren durch einen großen Konzentrationsprozeß gekennzeichnet: Kleinere und mittlere Fabriken verloren ihre Selbständigkeit - vor allem im Maschinenbau. So wurde beispielsweise die Waggonfabrik P. Herbrand 1929 stillgelegt oder die Deutzmotoren AG und Humboldt 1930 zur Hum-boldt-Deutz-Motoren AG fusioniert.

Köln entwickelte sich in den zwanziger Jahren nicht allein auf wirtschaftlichem Gebiet; es war in der Weimarer Republik ein Zentrum der Kunst. So hatte der Dadaismus in Köln einen Schwerpunkt. Max Ernst und der Bankierssohn Alfred F. Gruenwald, die sich die Künstlernamen Dadamax und Johannes Theodor Baargeld gaben, sowie Hans Arp gründeten die »Dada-Zentrale W/3«, auch »Gruppe D« genannt. Aus Empörung über den Weltkrieg versuchten sie mit neuen Darstellungsformen, die das Absurde und Paradoxe benutzten, die bürgerliche Ordnung zu provozieren. Die Ausstellung »Dada Vorfrühling« 1920 im Brauhaus Winter wurde zum Höhepunkt ihres Wirkens. Doch wurden die Kölner Dadaisten von der Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft Kölner Künstler ausgegrenzt. Der Umzug von Ernst nach Paris bedeutete auch das Ende von Dada Köln. Um Anton Räderscheidt, Heinrich Hoerle und Wilhelm Seiwert entstand 1920 eine Gruppe, die sich zunächst »Stupid« und später »Die Progressiven« nannte und zu der Gerd Arntz, Otto Freundlich und Hans Schmitz gehörten. Sie waren politisch engagiert und versuchten, Kunst und Politik miteinander zu verbinden. Die Progressiven gaben sich selbstironisch den Titel »Kölner Malerschule mit proletarischem Goldgrund«. In ihren Bildern entlarvten sie Mißstände bei Unternehmen, Militär, Staat und Kirche oder klagten den Krieg an. Mit den »Lumpenbällen« schufen sie eine alternative Art des Karnevals, die begeisterten Zuspruch fand. Als weitere Künstlergruppe entstand ebenfalls als Reaktion auf den Weltkrieg die »Neue Sachlichkeit«, die mit einer konkreten, dinglichen Malerei hervortrat. August Sander verband in seiner Fotografie Gesellschaftskritik und Kunst. Seine Bilder beeindruckten nicht zuletzt aufgrund des sozialen Engagements des Künstlers.
Die progressive, avantgardistische Kunst fand allerdings in Köln ein eher geringes Echo. Für progressive Künstler waren in Köln jedenfalls die »Goldenen Zwanziger« nicht angebrochen. Der Publikumsgeschmack blieb nach wie vor eher provinziell. Nur eine kleine Minderheit unterstützte die progressive Kunst und Kultur, die Mehrheit lehnte sie zum Teil sogar entschieden ab. Von Ausstellungen waren die Progressiven häufig ausgeschlossen. Ein krasses Beispiel mangelnder Toleranz und von Illiberalität des Kölner Publikums war der Theaterskandal um das Musikstück »Der wunderbare Mandarin« von Bela Bar-tök. Die »Kölnische Volkszeitung« bezeichnete Bartöks Werk als »widermusikalische Angelegenheit« und warf dem Opernchef Eugen Szenkar vor, er bevorzuge »radikal-moderne« Musik und als Ungar seine Landsleute, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des Kölner Publikums. Das Stück wurde daraufhin abgesetzt. Der Schauspielintendant Gustav Härtung, der modernes Theater inszenierte, u.a. Georg Kaiser und Carl Sternheim, verließ Köln 1925 bereits wieder nach einem Jahr wegen kleinkarierter Kritik aus kirchlichen Kreisen. Dem Geschmack des breiten Publikums entsprachen da schon eher Stücke von der Operettenbühne des Reichshallentheaters, von Volkstheatern wie Millowitsch oder der Freien Volksbühne, oder die Vorführung von Filmen in prunkvoll hergerichteten Lichtspielhäusern.
Wie stets ragte die Musik auch während der Weimarer Republik im Kölner Kulturleben hervor. Neben dem Gürzenichorchester bestand seit 1926 das Rundfunkorchester. Bedeutende Dirigenten konnten für die Oper gewonnen werden: Otto Klemperer arbeitete von 1917 bis 1924 dort, sein Nachfolger wurde Eugen Szenkar. An der Staatlichen Hochschule für Musik und der Rheinischen Hochschule unterrichteten mit Walter Braunfels und Hermann Abendroth ebenfalls bedeutende Dirigenten. Die Oper bot mehrere anspruchsvolle Auffuhrungen. Für die Freizeitgestaltung der Kölner spielte der Sport eine wichtige Rolle. Neue Sportstätten wurden geschaffen, in denen sportliche Großveranstaltungen wie das 14. Deutsche Turnfest 1928 stattfanden. In den Rheinlandhallen in Ehrcn-feld wurden neben politischen Kundgebungen vor allem Sechstagerennen durchgeführt. Die Arbeitersportvereinc konnten zahlreiche Mitglieder gewinnen. 1926 fand unter großer Beteiligung das erste Westdeutsche Arbeiter-Turn- und Sportfest statt. Auch die katholische Sportbewegung entwik-kclte sich in der Weimarer Republik, erreichte aber nur weniger als die Hälfte der Mitglieder des Arbeitersports.

Den glanzvollen Höhepunkt der imponierenden Entwicklung Kölns zu einer Metropole des Rheinlandes stellt die internationale Presseausstellung PRESSA in den Messehallen 1928 dar. Die einzelnen Länder und Gruppen präsentierten sich in architektonisch eindrucksvoll gestalteten Pavillons, rund 300 Kongresse und Tagungen fanden im Rahmen der Ausstellung statt, die fünf bis sechs Millionen Besucher aus der ganzen Welt nach Köln führte. Die Welt sah: Köln befand sich im Aufwind - und dies war nicht zuletzt ein Verdienst von Oberbürgermeister Konrad Adenauer. Er prägte ganz wesentlich die Geschicke der Stadt. Die herausragenden Projekte wie der Grüngürtel, die Universität, der Westdeutsche Rundfunk oder die - von Adenauer zunächst nur halbherzig betriebene - An-siedlungvon Ford wären ohne ihn nicht denkbar gewesen. Ein Beispiel für Adenauers Durchsetzungskraft, seine Zähigkeit, ja Sturheit auch gegen großen Widerstand für den von ihm als richtig erkannten Weg zu streiten, stellt die Jahre lang geführte Auseinandersetzung um die Mülheimer Brücke dar. Obwohl ein Preisgericht (mit neun gegen zwei Stimmen) und die große Mehrheit der Stadtverordneten eine Bogenbrücke befürworteten, setzte sich Adenauer mit seiner Idee für eine Hängebrücke durch. Er verstand es, selbst die Kommunisten für das Projekt zu gewinnen, da diese Wert darauf legten, daß die Aufträge für den Bau der Brücke an Kölner Firmen vergeben wurden. Am 13. Oktober 1929 wurde die von Adolf Abel entworfene neue Brücke feierlich eingeweiht.

Adenauer verfügte als Präsident des Preußischen Staatsrats und als führendes Mitglied des Zentrums auch über Köln hinaus rasch über große Bedeutung. Mehrfach war er als Reichskanzler im Gespräch. Adenauer gewann mit seiner dominierenden, für seine Gegner oft selbstherrlichen Art nicht nur Freunde. Selbst in seiner eigenen Partei artikulierte sich offen Kritik an den hohen Ausgaben für seine ehrgeizigen Großstadtprojekte. Die Sozialdemokraten unter ihrem neuen Fraktionsvorsitzenden Robert Görlinger kritisierten die aus ihrer Sicht finanzpolitisch nicht zu verantwortenden Ausgaben für diese Projekte, da sie zu Lasten von sozialpolitisch dringend notwendigen Reformen gingen. Das gute Einvernehmen mit den Sozialdemokraten war denn auch in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre beendet. Zu allem Überdruß geriet Adenauer mit seinem persönlichen Einkommen, einer sehr verlustreichen Börsenspekulation und seinen guten Verbindungen zur Bankenlobby ins Kreuzfeuer der Kritik. So erklärt sich denn, daß Adenauer im Dezember 1929 nur mit der hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme zum Oberbürgermeister wiedergewählt wurde.

Das politische System in Köln blieb bis Ende der zwanziger Jahre stabil. Die dominierende politische Kraft war nach wie vor das Zentrum, obwohl es bei den Reichstagswahlen von 1928, verglichen mit den Wahlen von 1924, an Stimmen verlor. Gewinne konnte die SPD verbuchen, die Kommunisten waren relativ stark, während die Nationalsozialisten noch unbedeutend blieben. Auch bei der Stadtverordnetenwahl von 1929 zeichnete sich ein ähnliches Bild ab: Das Zentrum erhielt 35 Mandate, die SPD 21, die KPD nur noch 13 Sitze, die DVP zehn, die Wirtschaftspartei sieben, die NSDAP vier, die DDP drei und die DNVP zwei Sitze.

Die Kölner Nationalsozialisten galten in den zwanziger Jahren als eine nicht ernstzunehmende Kraft. In Köln verlief der Aufstieg der NSDAP noch um einiges langsamer als im gesamten
Reich. Trotz steigender Mitgliederzahlen blieb sie lange eine unbedeutende Splitterpartei. 1921 war die erste NSDAP-Ortsgruppe gegründet worden. Vom Juli 1922 bis Dezember 1924 verboten, konnte die Partei sich erst nach ihrer Neugründung 1925 langsam organisatorisch aufbauen. Dennoch verstand es die Partei, ihre Mitgliederzahl zu steigern, langsam ihre Organisation aufzubauen und erste Nebenorganisationen wie SA, SS, HJ zu entwickeln. Köln kam von Anfang an besondere Bedeutung für die NSDAP im Rheinland zu: Es war als Sitz des Gaus das Zentrum des Nationalsozialismus im Rheinland, zunächst des Gaus Rheinland, nach seiner Teilung 1931 des Gaus Köln-Aachen. Seit 1925 erschien hier der »Westdeutsche Beobachter«, zunächst als Wochenzeitung. Das Blatt fiel von Beginn an durch eine extreme antisemitische Hetze auf. Die Kölner NSDAP war durch einen militanten Antisemitismus geprägt. An ihrer Geschäftsstelle am Hohenzollernring 81 war bereits 1928 ein großes Transparent angebracht: »Die Juden sind unser Unglück«. Der Stadtverwaltung gelang es nach einiger Zeit, das Transparent entfernen zu lassen. 1928 steuerte der »Westdeutsche Beobachter« eine miese Kampagne gegen die in Besitz von Juden befindliche Fleischgroßhandlung Katz-Rosenthal, wodurch die Partei das erste Mal in der Kölner Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregen konnte: die Auflagenzahl stieg drastisch. In der Stadtverordnetenversammlung fielen die Nationalsozialisten durch eine Fülle antisemitischer Hetzanträge und schlimmste Obstruktion auf. Adenauer gelang es als Oberbürgermeister - mit allen formal korrekten Mitteln -, den Einfluß der Nationalsozialisten in der Stadtverordnetenversammlung zu beschränken. Von Anfang an wurde die Politik der Kölner Nationalsozialisten neben ihrem ausgeprägten Antisemitismus von einer starken Gewaltbereitschaft gegenüber Juden und politischen Gegnern geprägt. Doch erst die Weltwirtschaftskrise und die damit einhergehende politische Radikalisierung spülten die NSDAP nach oben.

Weltwirtschaftskrise und politische Radikalisierung

Auch wenn sich Köln nach dem Krisenjahr 1923 als eine aufstrebende Metropole präsentierte, verdeckt das Bild von den »Goldenen Zwanzigern« die ernste wirtschaftliche und soziale Lage der Stadt. Hinter dem Glanz verbarg sich schon vor dem Ausbruch der großen Krise Ende der zwanziger Jahre Armut, Erwerbslosigkeit und Wohnungsnot. Zwar hatte sich die Wirtschaftslage nach 1923 wieder normalisiert und war die Zahl der Erwerbslosen von 50.000 im Jahr 1923 auf 21.000 im Jahr 1925 zurückgegangen, aber sie war dennoch sehr hoch und stieg bereits 1928 wieder auf über 50.000.

Bedrückend war nach wie vor auch die Wohnungsnot. Sie
hatte sich dramatisch verschärft, nachdem im Weltkrieg der Wohnungsbau eingestellt werden mußte und nach Kriegsende heimkehrende Soldaten, Flüchtlinge, Besatzungssoldaten unterzubringen waren und durch erhöhte Einwohnerzahl und vermehrte Eheschließungen zusätzliche Wohnungen notwendig wurden. Viele Kölner mußten in zum Teil menschenunwürdigen Unterkünften hausen, u.a. in Blechhütten und Bretterbuden der Schrebergärten. Besonders problematisch waren die Verhältnisse in der Altstadt. Die Behebung der Wohnungsnot bildete daher eines der drängendsten kommunalpolitischen Probleme der Zeit. Sehr früh setzte die Stadt auf den sozialen Wohnungsbau. Sie beteiligte sich maßgeblich an der 1913 gegründeten Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau (GAG). Mit 138 Wohnungsbaugenossenschaften war der genossenschaftliche Gedanke so stark vertreten wie in kaum einer anderen Stadt. Bald hatte so gut wie jede soziale und politische Gruppierung ihre Genossenschaft: katholische Gesellen wie sozialistische Arbeiter, Straßenbahner wie Professoren usw. Die Idee der Selbsthilfe setzte auf Unternehmensbeteiligung und Miteigentum. So konnten auch Arbeiter anstelle von dunklen und schlechten Bruchbuden Wohnungen mit hohem Standard oder kleine Häuser erhalten. Genossenschaftssiedlungen entstanden in Bickendorf, Mauenheim, Bilderstöckchen, Poll, Höhenberg, Ehrenfeld und in vielen weiteren Gebieten. Häufig waren dies Siedlungen mit kleinen Einfamilienhäusern. Es wurden aber auch Siedlungen mit mehrgeschossigen Mietshäusern gebaut, so die von Wilhelm Riphahn und Caspar Maria Grod geplante »Weiße Stadt« im Kalkerfeld in Buchforst. Stets wurde dabei preiswertes Bauen mit einer humanen Bauweise und Umgebung verbunden. 1932 begann die GAG in verschiedenen Stadtteilen, vor allem in Vogelsang, mit dem Bau von Erwerbslosensiedlungen. Erwerbslose bauten die Häuser gemeinschaftlich selbst; große Grundstücke sollten ihnen eine halbagrarische Selbstversorgung ermöglichen. Alle Anstrengungen und der Bau von etwa 5.000 Wohnungen vermochten die Wohnungsnot nicht zu beheben, sondern nur zu lindern; zumal in der Krise seit Ende der zwanziger Jahre der Wohnungsbau stark zurückging.

Einen tiefen Einschnitt in die Geschichte der Weimarer Republik und auch Kölns bedeutete die Weltwirtschaftskrise, die mit dem New Yorker Börsenkrach am 24. Oktober 1929, dem »Schwarzen Freitag«, begann. Die bald folgenden spektakulären Zusammenbrüche großer Banken und Unternehmungen machten das Ausmaß der Krise für jeden sichtbar. Auch in Köln bildeten sich jetzt lange Schlangen von Sparern, die noch etwas retten wollten, vor Sparkassen und Banken. Seit 1930 machte sich die Krise auch in der Stadt deutlich bemerkbar: Auftragsrückgang, vermehrte Firmenzusammenbrüche, rund 5.000 Konkurse, rasch wachsende Erwerbslosigkeit. Reichsweit stieg die Erwerbslosigkeit von 1,3 Millionen im September 1929 auf über drei Millionen im September 1930 und im Winter 1931/32 auf den Höchststand von 6,128 Millionen. Vergleichbar die Entwicklung in Köln: Von 50.000 im Juli 1928 erhöhte sich die Arbeitslosenzahl auf 70.000 im Oktober 1930 und erreichte schließlich im Juli 1932 rund 110.000. Das hieß: Rund ein Drittel der Erwerbsfähigen war erwerbslos. So ging beispielsweise die Zahl der Beschäftigten in Kölner Betrieben mit 50 und mehr Beschäftigten von über 62.000 im Jahr 1930 auf rund 40.000 zwei Jahre später zurück; dies bedeutete einen Rückgang um 35 °/o. In diesen zwei Jahren verringerte sich die Zahl der beschäftigten Arbeiter in den erfaßten Betrieben von rund 96.000 auf rund 68.000 (ca. minus 30 %), die Zahl der Arbeiter und Angestellten insgesamt von
über 141.000 auf rund 107.000 (ca. minus 25%). Feiten & Guilleaume baute z. B. die Belegschaft von 17.000 im Jahr 1929 auf nur noch 9.000 im Jahr 1931 ab. Die Arbeiterschaft war von der Krise am stärksten betroffen. Hinzu trat noch die verdeckte Erwerbslosigkeit in Form von Kurzarbeit oder Arbeitszeitverkürzung.
Der Druck auf diejenigen, die noch Arbeit hatten, war erheblich und führte zu einer deutlichen Verschlechterung des Lebensstandards auch der Noch-Beschäftigten. Die Unternehmen nutzten in der Krise das Druckmittel der Erwerbslosigkeit, um einen erheblichen Lohnabbau durchzusetzen. Durch Kürzung des Lohns, Streichung von übertariflichen Zulagen und Kurzarbeit konnte sich das Einkommen von Arbeitern gegenüber der Zeit vor der Krise halbieren. Am härtesten betroffen waren die beschäftigten Frauen in der Kölner Industrie. Frauen unter 18 Jahre verdienten bei der Stollwerck AG im März 1932 lediglich 28 Pfennige in der Stunde; dies entsprach bei einer Arbeitszeit von 48 Stunden 13,44 Mark in der Woche. Auch die Gemeindearbeiter wurden durch erhebliche Kürzungen infolge der Notverordnungen von Reichskanzler Brüning von der Krise hart getroffen.

Die sozialen Leistungen für die Erwerbslosen waren in der Weimarer Republik bedeutend schwächer als in der Bundesrepublik. Vor allem stellte sich die Gruppe der Erwerbslosen keineswegs einheitlich dar. Es gab drei Stufen des sozialen Abstiegs: Arbeitslosenunterstützung, Krisenunterstützung, Wohlfahrtsunterstützung. Die Zahl der Erwerbslosen, die Arbeitslosenunterstützung erhielten, verringerte sich im Laufe der Krise zunehmend: Im Herbst 1931 kamen auf einen Krisenunterstützten drei Arbeitslosenunterstützte, während ein knappes Jahr zuvor das Verhältnis noch umgekehrt war. Die aus den beiden ersten Kategorien »Ausgesteuerten« wurden als »Wohlfahrtserwerbslose« bezeichnet, die von der Wohlfahrt leben mußten. Auch ihre Zahl stieg ständig: Waren im April 1930 ein Drittel der Erwerbslosen Wohlfahrtsempfanger, so wuchs ihr Anteil drei Jahre später auf über 62%. Im März 1933 wurden in Köln über 230.000 Menschen vom Wohlfahrtsamt bzw. Arbeitsamt unterstützt: knapp ein Drittel der Bevölkerung! Zudem wurden auch noch die kargen Unterstützungen gekürzt: Die Wohl-fahrtssätze wurden von 1929 bis 1932 um durchschnittlich ein Drittel gesenkt. Damit lebte eine große Zahl von Kölnern nunmehr unter dem Existenzminimum. Die Armut der zahlreichen betroffenen Familien ist kaum vorstellbar. So gut wie jede zweite Familie war betroffen. Die Scharen von Erwerbslosen prägten nun das Bild der Stadt. Die langen Schlangen vor dem Arbeitsamt in der Badstraße haben sich bei vielen Kölnern tief eingeprägt.
Die Auswirkungen auf die Stadt waren verheerend: Die städtische Haushaltslage wurde verzweifelt, da bei einem stark rückgängigen Steueraufkommen die Ausgaben für das Wohlfahrtswesen, die allein von der Stadt zu tragen waren, emporschnellten. Sie reduzierten bald jeden finanziellen Spielraum auf Null. Städtische Bauarbeiten - unter ihnen der Universitätsneubau - wurden stillgelegt und kommunale Aufgaben reduziert, was wiederum die Erwerbslosigkeit erhöhte. Im Herbst 1932 wurde die Stadt zahlungsunfähig. Der Fehlbetrag wurde auf 34 Millionen Reichsmark geschätzt. Die städtische Finanzmisere führte dazu, daß Köln seinen Schuldendienst teilweise einstellen mußte.

Die sozialpsychologischen Auswirkungen der Krise waren gravierend. Sie untergrub das Vertrauen eines Großteils der Bevölkerung in die Demokratie, denn viele hatten schon bei der Krise von 1923 ihr Vermögen verloren und waren nun innerhalb weniger Jahre zum zweiten Mal betroffen. Das Gefühl der Unsicherheit und Angst vor dem sozialen Abstieg erfaßte nicht nur die Erwerbslosen, sondern auch jene, die sich vor der Erwerbslosigkeit fürchteten. Die direkt oder indirekt Betroffenen machten für die Krise die Demokratie verantwortlich und stimmten in Wahlen in einer Art Mißtrauensvotum gegen die Republik. Eine politische Radikalisierung ungeahnten Ausmaßes war eine Folge der Krise. Zu der großen Wirtschaftskrise gesellte sich so bald die große Staatskrise. Das politische Spektrum verschob sich gewaltig: Nationalsozialisten und Kommunisten waren die politischen Gewinner der Krise. Bei den Reichstagswahlen im September 1930 verzeichnete die NSDAP einen Erdrutschsieg und konnte die KPD erheblich gewinnen: Die NSDAP steigerte gegenüber der letzten Wahl von 1928 ihre Stimmen von 800.000 auf 6,4 Millionen, ihren prozentualen Anteil von 2,6 auf 18,3 und die Zahl der Mandate von 12 auf 107. Auch in Köln gewann sie stark hinzu, von 1,6 auf 17,6%.
Jetzt vermochte es auch die Kölner NSDAP, ihre Parteiorganisation kräftig auszubauen: Der »Westdeutsche Beobachter« wurde ab dem 1. September 1930 Tageszeitung, die Nebenorganisationen der Partei entwickelten sich, große, pompöse Aufmärsche und Demonstrationszüge wurden durchgeführt und Großveranstaltungen mit prominenten Parteigrößen wie Hitler, Göring, Goebbels, Streicher abgehalten. Zu seiner ersten großen Kundgebung kam Hitler am 18. August 1930 nach Köln. Bis Anfang 1933 fanden in Köln insgesamt fünf Großkundgebungen Hitlers statt. Tausende strömten dabei zusammen. Schon vor 1933 wurde Hitler in Köln mit großer Aufmerksamkeit der Bevölkerung und Begeisterung seiner Anhänger empfangen.
Die KPD war spätestens seit 1930 zu einem mehr als ernsthaften Gegner für die SPD geworden. Die KPD lag bereits bei den Reichstagswahlen 1930 mit der SPD in Köln gleichauf und überfl ügelte sie bei den folgenden Reichstagswahlen 1932 und 1933. Die KPD wurde die Partei der jungen Erwerbslosen, die SPD geriet in den Ruf der verknöcherten Systempartei, war zur dritten politischen Kraft herabgestuft. Bei den Reichstagswahlen vom 31. Juli 1932 konnte die NSDAP ihre Stimmenzahl gegenüber der Wahl von 1930 nochmals verdoppeln: Von 18,3 auf 37,3%, von 107 auf 230 Mandate und wurde damit stärkste Fraktion (und Göring Reichstagspräsident). Das Zentrum nahm nur leicht ab. Der rasante Aufstieg der NSDAP ging vor allem zu Lasten der rechten bürgerlichen Parteien wie DDP, DVP, die bis zur Bedeutungslosigkeit dahin-schrumpften.

Das Klima der politischen Auseinandersetzung verschärfte sich. Straßenkampf und politische Gewalt waren an der Tagesordnung. Gewalt kennzeichnete die Politik der Nationalsozialisten. Selbst führende Nationalsozialisten wie der ehemalige Gauleiter der NSDAP und Reichstagsabgeordnete Robert Ley boten ein unrühmliches Vorbild für die SA-Trupps; so hatte Ley im April 1932 dem Polizeipräsidenten Bauknecht im Weinhaus Deist eine Flasche Wein auf dem Kopf zerschlagen. Politische Gewalt gehörte von Anfang an zur Weimarer Republik. Die Demonstration von Stärke im öffentlichen Raum war zur Zeit der Weimarer Republik von ganz anderer Bedeutung als heute. Bei den Zusammenstößen zwischen politischen Gegnern handelte es sich nicht allein um kleinere Rempeleien oder Raufereien, vielmehr wurden regelmäßig Schußwaffen und Messer verwendet. Einen traurigen Höhepunkt bildete dabei der Wahlkampf zu den Reichstagswahlen im Juli 1932. Allein von Mitte Juni bis 20. Juli 1932 forderte der politische Terror nur in Preußen 99 Tote und 1.123 Verletzte. Der Wahlkampf von Mai bis Juli 1932 stellte auch in Köln alles in den Schatten, was die Stadt bis dahin erlebt hatte. Bei über 60, oft schweren Zusammenstößen waren wie durch ein Wunder nur drei Todesopfer zu beklagen.
Eine entscheidende Voraussetzung für die Machtübernahme der Nationalsozialisten stellte der »Preußenschlag« vom 20. Juli 1932 dar. Mittels eines Staatsstreichs setzte Papen die sozialdemokratisch geführte Regierung von Ministerpräsident Braun ab. Damit war das letzte Bollwerk der Republik, das demokratische Preußen, ausgeschaltet. Die Schwäche der Arbeiterbewegung zeigte sich darin, daß sie es nicht vermochte, dagegen etwas zu unternehmen. Der Staatsstreich hatte unmittelbare Folgen für Köln: Der sozialdemokratische Polizeipräsident Bauknecht wurde entlassen und an seiner Stelle wurde der konservative Beamte Walther Lingens ernannt.

Auch in Köln wurde die Gefährlichkeit und die Bedrohung durch den Nationalsozialismus grundlegend verkannt. Nach der Wahl zum Reichstag im September 1930 mußte auf der politischen Bühne mit der NSDAP gerechnet werden, sie war potentiell Regierungspartei geworden. Auch.das Zentrum forderte ab Mitte 1932 eine Regierungsbildung unter Einschluß der Nationalsozialisten. Selbst Konrad Adenauer, der als Oberbürgermeister aus seiner konsequenten Ablehnung des Nationalsozialismus kein Hehl gemacht hatte, trat dafür ein. Auch er ist wie viele andere bürgerliche Politiker der Vorstellung vom »Zähmungskonzept« erlegen. Jedenfalls hat er sich nach dem »Preußenschlag« für eine Koalition zwischen Zentrum und NSDAP ausgesprochen. Adenauer verstieg sich sogar zu dem Vorschlag, Göring solle preußischer Ministerpräsident werden - ausgerechnet Göring! Auch in der bürgerlichen Öffentlichkeit verschoben sich die Gewichte zugunsten des Nationalsozialismus. Die »Kölnische Zeitung« etwa, das Flaggschiff des Verlagshauses Du-Mont Schauberg, trat bereits im Mai 1932 für eine Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten ein. In der im Verlag erscheinenden »Kölnischen Illustrierten Zeitung« begann am 8. Oktober 1932 eine zwölfteilige Serie über »Geburt und Aufstieg des neuen faschistischen Italiens: das zweite Rom«. Die Artikel waren wohlwollend-unkritisch, ganz im Stile einer Hofberichterstattung. Im »Stadt-Anzeiger« war zur gleichen Zeit über Mussolinis Italien zu lesen: »Der Deutsche wird nicht ohne gewisse neidvolle Trauer über den Alpenwall blik-ken, wo sich ein Staat aus den Urkräften seiner Geschichte erneuerte«.
Auch die Arbeiterbewegung konnte nicht realistisch und entschieden gegen den Nationalsozialismus ankämpfen, weil die Spaltung der Arbeiterbewegung, die Stellung der beiden politischen Hauptgegner des Nationalsozialismus, den Aufstieg und die Machtübernahme der Nationalsozialisten begünstigte. Auch hier bestimmten Fehleinschätzungen und Selbsttäuschung die Politik. Die sozialdemokratisch geprägten Wehrverbände »Reichsbanner« und später »Eiserne Front« blieben trotz teilweise machtvoller Demonstrationen gegen den Nationalsozialismus letztlich zahnlos, da sie aufgrund der Spaltung der Arbeiterbewegung keine durchschlagende Wirkung erzielen konnten. Die KPD hatte sich in eine sektiererische Taktik verrannt, nach der sie die Sozialdemokraten als »Sozialfaschisten« diffamierte, gegen die als »Hauptfeind« der »Hauptschlag« geführt werden sollte. Die Sozialdemokraten zahlten mit gleicher Münze heim: Dort lautete die Gleichung dann »Nazis gleich Kozis«.

Dennoch kam um diejahreswende 1932/33 die Hoffnung auf, daß der Aufstieg des Nationalsozialismus gebrochen sei. Schon hieß es in Kommentaren zum Jahreswechsel: »Nazis besiegt!« Aber weit gefehlt. Zwar hatte die NSDAP bei den Reichstagswahlen im November 1932 Stimmen eingebüßt (im Reich von 37,3 auf 33,1%, in Köln von 24,5 auf 20,4 %), und damit war deutlich geworden, daß die NSDAP die Machtübernahme nicht aus eigener Kraft schaffen konnte. Aber es sollte anders kommen. Und dabei spielte Köln eine Rolle. Am 4. Januar 1933 trafen sich Hitler und Papen in der Villa des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder am Stadtwaldgürtel 35 . Dieses Treffen hat ganz wesentlich die Weichen für die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am Ende des Monats gestellt. Es wurde als »Geburtsstunde des Dritten Reiches« bezeichnet.








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