Der rbundbrief- die neue Kölner Stadtverfassung
Am 14. September 1396 wurde den Bürgern die neue Kölner rfassung, der sogenannte »rbundbrief«, verkündet. Die gesamte Bürgerschaft wurde in 22 gewerblich-politische Genossenschaften eingeteilt, die je nach Sprachgebrauch »Amter« oder »Gaffeln«, später nur noch Gaffeln genannt wurden. Kleinere Berufsgruppen wurden den Amtern verwandter Branchen zugeordnet, die größeren Zünfte, wie etwa die Brauer, blieben unter sich. Alle Vollbürger Kölns wurden verpflichtet, sich als Mitglied einer Gaffel einzuschreiben, die rfassung zu beschwören und den »Großen Bürgereid« abzulegen. Es gab fortan nur noch einen einheitlichen Rat, bestehend aus 49 Mitgliedern, von denen 36 von den Gaffeln gestellt wurden - die Wollenweber als das größte Amt stellten vier Ratsherren, die anderen Amter je nach Mitgliederstärke zwei oder einen Ratsherrn. Die restlichen 13 Mitglieder, das sogenannte »Gebrech«, wurden von den 36 Ratsherren aus der gesamten Bürgerschaft »kooptiert«, d.h. dazugewählt. Bei wichtigen Beschlüssen mußte der Rat als Kontrollinstanz die sogenannten »Vierundvierziger« hinzuziehen, für die jedes der 22 Amter zwei Abgeordnete benannte. Als Zeichen ihrer Würde trugen die Ratsherren später einen schwarzen Überwurf und einen hohen Hut in der gleichen Farbe. Ihre Wahl erfolgte für die Dauer eines Jahres, Wiederwahl war erst nach zwei Jahren möglich. Jeden Freitag- und Montagmorgen traten die Ratsnerren nach dem Besuch der Messe zu ihren Sitzungen zusammen. Als Entlohnung erhielten sie eine silberne Marke im Wert eines halben Reichstalers, die ihnen im Anschluß an die Sitzungen ausgehändigt wurde. Diese »Ratszeichen« konnten sie im Ratskeller gegen einen Krug des begehrten Ratsweines eintauschen.
Die rtretung der Stadt nach außen lag fortan in der Hand zweier Bürgermeister, die vom Rat für ein Jahr gewählt wurden, sie leiteten auch die Ratssitzungen. Bei der Ausübung ihrer Dienstgeschäfte waren sie in einen Umhang gekleidet, dessen rechte Hälfte aus rotem, die linke aus schwarzem Tuch bestand, als Zeichen ihrer Würde wurde ihnen der Bürgermeisters vorangetragen.
Den Haushalt der Stadt verwalteten zwei »Rentmeister«, zu denen man zumeist aus dem Amt geschiedene Bürgermeister bestimmte. Die größten Ausgaben erwuchsen der Stadt für Festlichkeiten und Empfänge, für Gesandtschaften und Soldtruppen sowie die Instandhaltung und Bewachung der Stadtmauern. Einnahmen wurden hauptsächlich über indirekte Steuern erzielt, die beispielsweise auf dem rbrauch von Mehl, Fleisch, Bier und anderen Lebensmitteln lagen. So sorgfältig überlegt und get der rbundbrief auch war, so zeigte sich dennoch schon nach wenigen Jahren, daß einige seiner Bestimmungen dazu beitrugen, Gruppen aus der alten Oberschicht - über den Umweg ihrer Mitgliedschaft in den Gaffeln - wieder ans Ruder kommen zu lassen. Die Gaffeln schickten nämlich schon bald zumeist ihre reichsten und einflußreichsten Mitglieder in den Rat; und das waren die ehemaligen Patrizier. Die einflußreiche Stellung der Bürgermeister, die alsbald alle zwei Jahre wiedergewählt wurden, nachdem sie in der Zwischenzeit als Rentmeister tätig gewesen waren, desgleichen die häue Wiederwahl von Ratsmitgliedern - all das führte zur Entstehung einer neuen Führungsschicht und zu neuer Günstlingswirtschaft, die des öfteren Unmut erregte.
So machte sich die allgemeine Unzufriedenheit 1481 in einem Aufstand der Gaffeln gegen den Rat Luft; im Dezember 1512 kam es erneut zum Aufruhr, weil ein sogenanntes »Kränzchen«, ein Kreis einflußreicher Leute, seit Jahren wichtige personelle und politische Entscheidungen an der Bürgerschaft und am Rat vorbei getroffen hatte: Zehn Ratsherren, darunter die gestürzten Bürgermeisterjohann Reidt undjohann Olden-dorp, wurden auf dem Heumarkt öffentlich hingerichtet. Um einem Rückfall in solche Zustände vorzubeugen, wurde der rbundbrief durch eine Reihe von Bestimmungen ergänzt, die die Rechte der Gemeinde stärken und die persönlichen Freiheitsrechte der Bürger sichern sollten. Diese Bestimmungen wurden im »Transfixbrief« niedergelegt, der zusammen mit dem rbundbrief bis zur Franzosenzeit in Kraft blieb.
Die Stadt und ihre Bürger an der Wende zur Neuzeit
Das Stadtbild Kölns am Ausgang des Mittelalters wurde von den zahlreichen Kirchen, Stiften und Klöstern geprägt. Auf dem 1531 angefertigten Holzschnitt des Malers Anton Woen-sam sind allein 42 Gotteshäuser zu sehen - bei weitem nicht alle. Aus einer Aufstellung des Rates geht hervor, daß es außer den zehn Stiftskirchen (mit dem Dom sind es sogar elf) und den 18 Pfarrkirchen insgesamt 14 Männer- und 24 Frauenklöster in der Stadt gab. Da sind noch nicht einmal die zahlreichen kleinen Konvente mitgezählt, etwa die Beginen-Genos-senschaften, in denen ledige oder verwitwete Frauen zusammenlebten, oder die mehr als 30 Kapellen.
Die jüngeren Gotteshäuser wurden im gotischen Stil errichtet, so die Minoriten-, Antoniter- und Kartäuserkirche; mitunter nahm man auch an älteren romanischen Kirchen Umbauar-beiten vor, bei denen gotische Stilelemente einflössen, so am Chor von St. Ursula oder an Turm und Langhaus von St. Seve-rin. Die Arbeiten am prachtvollen gotischen Dom gingen allerdings seit Mitte des H.Jahrhunderts nur noch schleppend voran, als die Spendenfreudigkeit der Gläubigen mehr und mehr zu wünschen übrig ließ. Nur der Südturm wurde bis ins Jahr 1410 noch auf eine Höhe von etwa 56 Metern hochgezo-gen, so daß man hier immerhin Glocken einhängen konnte. Von 1528 an ruhten die Arbeiten vollständig - der hölzerne Kran auf dem Südturm wurde zum eigentlichen Wahrzeichen der Stadt; er ließ aber auch erkennen, daß man noch an eine Weiterführung des Werkes dachte.
Die bedeutendsten Profanbauten waren - abgesehen von der eindrucksvollen Stadtbefestigung mit ihren mächtigen Torburgen - der Gürzenich und das Rathaus, das aus einer Häusergruppe bestand, die man miteinander verbunden und 1360 umgebaut hatte. Der fast 30 Meter lange und sieben Meter breite Hansasaal, den ein Spitzbogengewölbe überspannte, diente vor allem der Repräsentation - seine Südwand zierten biblische und historische Figuren, die sogenannten neun guten Helden. Die äußere Gestalt des Rathauses wurde vervollständigt durch den 1414 vollendeten Turm, der den »Beifrieden« niederländischer Städte nachempfunden ist. Siebenjahre dauerte der Bau des Gürzenich, der 1447 als repräsentatives Festhaus in Betrieb genommen wurde und fortan den passenden Rahmen für große städtische Veranstaltungen und Feste bot. Später diente der Gürzenich indessen auch als Kauf- und Warenhaus.
Neben den Kaufhallen und Gaffelhäusern sind als große repräsentative Gebäude vor allem die sogenannten Adelshöfe zu nennen, in denen die Besitzer, etwa die Herzöge und Grafen von Brabant, Limburg, Jülich und Kleve, bei ihren Besuchen in der Stadt Quartier nahmen. Doch auch Kölner Kaufleute, die zu beachtlichem Vermögen gekommen waren, bauten sich große burgartige Wohnhäuser, die das Stadtbild wesentlich belebten.
Die Masse der etwa 8.000 Gebäude war im Fachwerkstil errichtet, zumeist »Einfamilienhäuser«, in denen in der Regel zur Miete gewohnt wurde - mehr als die Hälfte aller Kölner waren auf Mietwohnungen angewiesen. Wegen der hohen Bodenpreise wurden besonders im Rhein- und im Marktviertel sehr schmale, mehrgeschossige Häuser gebaut. Da eine Numerierung der Häuser unbekannt war, bediente man sich zur Kennzeichnung bestimmter Hauszeichen, wie sie heute noch an alten Gastwirtschaften auf dem Lande zu sehen sind; so standen etwa am Alter Markt die Häuser »Zum Bretzel« und »Zum Dorn«, andere Häuser hießen »Zum Stern«, »Zum Hasen« oder Zur Schere«.
Die Straßen der Stadt waren durchwegs ungepflastert - und so schmutzig, daß die Benutzer bei Regenwetter nur noch watend vorankamen. Da die meisten Familien auch landwirtschaftlich tätig waren, besaßen sie Schweine, die auf den Straßen herumliefen und ihren Teil zu Dreck und Gestank beitrugen, zumal es keine geordnete Straßenreinigung gab. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts wurden die Bürger immer wieder unter Strafandrohung vom Rat aufgefordert, den Unrat vor den Türen zu sammeln und fortzuschaffen, das meiste wurde allerdings in den Rhein gekippt. Wer abends die winkligen, mit Pfützen übersäten Gassen und Wege passieren wollte, nahm eine Handlaterne oder mietete sich einen »Leuchtemann«, der an verkehrsreicheren Punkten seine Dienste anbot. In der ganzen Stadt gab es nur zwei Laternen, eine an der Marktpforte, die andere bei St. Kunibert. Aus Gründen der Sicherheit sperrte man bei Einbruch der Dunkelheit die wichtigsten Straßen mit Ketten ab.
Mangelhaft war die Wasserversorgung der Stadt - die römische Wasserleitung, die Köln in der Antike so mustergültig mit reinem Eifelquellwasser versorgt hatte, war längst verfallen, das Rheinwasser konnte wegen seiner schlechten Qualität nicht zu Haushaltszwecken verwendet werden. So legte man allenthalben Ziehbrunnen an, sogenannte »Pütze«, an die noch heute Straßennamen wie »Pützgasse- und »Klingelpütz« erinnern.
In einem bürgerlichen Haushalt wurde daher auch schon zum Frühstück Wein oder Bier getrunken; der Wein stammte aus zahlreichen Weingärten, die sich in der Stadt selbst befanden -deren Erzeugnisse wurden von den Kölnern ob ihrer minderen Qualität spöttisch als »soore Hungk« (saurer Hund) bezeichnet. Zu den insgesamt fünf Mahlzeiten kamen zumeist Hülsenfrüchte, dicke Grütze und grobes gesäuertes Brot auf den Tisch, beliebt waren aber auch Stockfische und Heringe. Besonders in Kriegszeiten waren die Erträge der Gärten und Felder innerhalb der Stadtmauern, wo vor allem Gemüse angebaut wurde, von großer Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung. Nicht unbedeutend ist auch die Viehhaltung, Schweine- und Schafzucht, die die Mitglieder der sogenannten »Bauernbänke« betrieben. Darin hatten sich die kleinen Grundbesitzer und -pächter zusammengeschlossen, die hauptsächlich von der Landwirtschaft lebten und Tagelöhner oder Saisonarbeiter beschäftigten.
Zahlenmäßig gesehen bildeten die Handwerker und Gewerbetreibenden die größte Gruppe innerhalb der Stadtbevölkerung - über ihre Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit war schon an anderer Stelle die Rede. Während die Betriebe der Handwerksmeister sich zumeist im Wohnhaus befanden, waren die zahlreichen Hütten und Stände der Klein- und Großhändler auf oder in der Nähe von Marktplätzen angesiedelt. Mit Hilfe ihrer Berufsgenossenschaften, den Zünften und Gaffeln, verstanden sie es, ihre selbständige Stellung zu wahren; so verbot etwa das Wollenamt seinen Mitgliedern unter Androhungvon Strafe jegliche Lohnarbeit für Händler. Nur die Seidenweber und Seidenweberinnen sowie die Kupferschläger machten in dieser Hinsicht eine Ausnahme; sie arbeiteten unmittelbar im Auftrag von Großhändlern, die den einzelnen Meistern und Meisterinnen den zu verarbeitenden Rohstoff, Seidengarne und Kupfer, vorstreckten. Großbetriebe im heutigen Sinne kannte man indessen nicht.
Ihre Freizeit verbrachten die Zunftgenossen und ihre Gesellen zumeist im Gasthaus - »viele hundert« waren über das Stadtgebiet verstreut, allein am Rhein wurden in 42 Wirtschaften Wein und Bier ausgeschenkt. Die nobelsten Herbergen hießen »Zur Goldenen Krone«, »Zum Falkenstein« und »Zum Schwert«, sie lagen sämtlich in der Straße Am Hof. Mit Bier beliefert wurden die Gaststätten am Ende des 15. Jahrhunderts von mehr als 60 Brauern, die zumeist das lager- und transportfähige Keutebier anboten. Produktion und Konsum hatten sich zuletzt mehr als verdoppelt: jeder erwachsene Kölner trank etwa zwei Hektoliter Keutebier pro Jahr - vor allem bei den vielen Festlichkeiten, den Familienfeiern und kirchlichen Festen kam die Lebensfreude nicht zu kurz.
Der Aufwand, der gerade bei Festessen getrieben wurde, veran-laßte den Rat des öfteren zu einschränkenden Maßnahmen und Verordnungen gegenüber übertriebenem Luxus. Selbst Kleidervorschriften zu erlassen, sahen sich die Ratsherren bisweilen genötigt. Und zahllos sind die Erlasse des Rates, die sich mit den Auswüchsen des Karnevalstreibens beschäftigten - doch Jahr für Jahr wiederholten sich am Sonntag und am Dienstag vor Aschermittwoch Szenen voller Derbheit und Ausgelassenheit, bei denen sich vor allem die Handwerksgesellen hervortaten.
Eine Stadt mit einer derart kapitalkräftigen Oberschicht wie Köln zog natürlich auch Künstler, Schausteller und Musiker an. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts sind in Köln zahlreiche bedeutende Maler tätig, die man unter dem Begriff »Kölner Malerschule« zusammenfaßt. Die Nachrichten über ihre einzelnen Vertreter sind äußerst lückenhaft, zudem sind nicht einmal ihre Namen überliefert. Als erster namentlich bekannter Künstler gilt der um 1380 wirkende Meister Wilhelm, diejenigen, die nach ihm wirkten, werden meist nach ihren Hauptwerken bezeichnet, so etwa der »Meister der hl. Veronika«, der »Meister des Marienlebens« oder der »Meister der Georgslegende«. Ihre Kunst war ganz dem sakralen Bereich verschrieben - so auch die Tätigkeit Stefan Lochners, des berühmtesten Malers jener Zeit, der 1447 das Kölner Bürgerrecht erwarb, stand im Dienste der Religion und der Kirche. Seine bekanntesten Werke sind der »Altar der Stadtpatrone« (heute im Kölner Dom), das »Weltgericht« und die »Madonna mit dem Veilchen«.
Neue Auseinandersetzungen mit den Erzbischöfen
Die Hauptmasse des rheinischen Territoriums, über das die Erzbischöfe von Köln als weltliche Herren noch verfugten, lag auf der linken Stromseite, ein langgestreckter, den Rhein begleitender Gebietsstreifen. Weil sie seit der Mitte des 13. Jahrhunderts dem Kurfurstenkolleg angehörten, d. h. dem Kreis derer, die den deutschen König wählen (= küren) durften, trug ihr Herrschaftsgebiet den Namen Kurfürstentum Köln - oder kurz Kurköln; man sprach auch vom kurkölnischen Staat, der das Territorium der Stadt Köln linksrheinisch umschloß. Bis zum 18. Jahrhundert bildete die Grenze zwischen Stadt und Umland der sogenannte Bischofsweg, ein im Durchschnitt etwa 500 Meter vom Mauerkranz entfernter Weg, auf dem all-Jährlich eine von den Domherren geleitete Prozession stattfand. Alle schon damals im Umkreis Kölns gelegenen OrtSchäften und Weiler (die heute zum Stadtgebiet gehören), etwa Niehl, Mauenheim, Ossendorf, Bickendorf, Müngers-dorf oder Kriel, lagen auf kurfürstlichem Gebiet. Auf der rechten Rheinseite besaßen die Erzbischöfe die Ortschaften Poll, Rolshoven, Vingst, Gremberg - und das wichtige Deutz, um das es lange Auseinandersetzungen mit den aufstrebenden Landesherren von Berg gegeben hatte.
Die Kölner Stadtherrschaft hatten die Erzbischöfe mit der Schlacht von Worringen faktisch verloren, doch verblieb ihnen innerhalb der Stadt eine Reihe von Rechten, vor allem die Münz- und Gerichtshoheit, um deren Bestand im 14. und 15. Jahrhundert immer wieder erbittert gestritten wurde. Die hohe Gerichtsbarkeit, d. h. das Recht, über Leben und Tod zu urteilen, auch Blutbann genannt, wurde im Namen des Erzbischofs vom schon erwähnten Schöffengericht wahrgenommen; dessen Vorsitzenden, den Greven (Burggrafen), und die Schöffen ernannte nach wie vor der Erzbischof. Die Verhaftung zweier Juden durch das hohe weltliche Gericht und ihre Befreiung durch den Rat lösten im Jahre 1375 den sogenannten »Schöffenkrieg« aus - als der Rat zudem den Burggrafen gefangen-setzte,verließen die Schöffen die Stadt. Erzbischof Friedrich von Saarwerden sperrte daraufhin den Rhein und alle nach Köln führenden Straßen. Städtische Soldtruppen plünderten und brandschatzten kurkölnische Dörfer im Kölner Süden, der Erzbischof unternahm sogar einen Handstreich gegen die Stadt - wie einst zu Zeiten Konrads von Hochstaden wurde Köln mit Brandpfeilen beschossen. Als Rache zerstörten die Kölner das gerade neubefestigte Deutz; erst im Mai 1377 kam es zu einer friedlichen Einigung, die erzbischöfliche Gerichtsbarkeit wurde von den Kölnern anerkannt, die Schöffen kehrten in die Stadt zurück. Weitere Streitpunkte waren die sogenannten Poller Köpfe, von der Stadt auf erzbischöflichem Territorium angelegte Strombauten aus gewaltigen Steinen, die den Rhein regulierten; mit den Poller Köpfen sollte verhindert werden, daß der Strom bei Westhoven durchbricht und sich ein neues Bett zwischen Deutz und Kalk in Richtung Mülheim suchte. Immer neue Regelungen wurden getroffen, ehe die Stadt 1557 die Bauten und zwei davor gelegene Inseln in Erbpacht nehmen konnte.
Unter Erzbischof Dietrich von Moers lebten die Auseinandersetzungen um die Gerichtsbarkeit erneut auf; Leidtragende einer 1416 beginnenden Fehde, in die auch der Herzog von Berg verwickelt wurde, waren vor allem Deutz und Mülheim, deren Mauern auf Anordnung des Kaisers Sigismund geschleift werden mußten. Erst im Jahre 1424 setzte ein Schiedspruch des Herzogs von Kleve den Feindseligkeiten ein Ende: die Zuständigkeiten des Rates und die erzbischöfliche Gerichtsbarkeit wurden scharf voneinander getrennt, die Rechtsprechung über Leben und Tod verblieb beim Erzbischof (der dieses Recht bis 1794 behaupten konnte).
Im Rahmen dieses Konfliktes kam es auch zum Streit über die Besteuerung der Juden - der Versuch des Erzbischofs, des eigentlichen Fiskalherm der Juden, das städtische Besteuerungsrecht zu beschneiden, endete damit, daß der Rat die Aufenthaltsgenehmigung für die Juden, die zuletzt alle zehn Jahre erneuert wurde, im August 1423 nicht verlängerte. Im Herbst des folgenden Jahres wurde das Ghetto aufgelöst, allejuden mußten Köln verlassen. An der Stelle der Synagoge wurde 1426 die Ratskapelle errichtet. Im selben Jahr erbaute die Judengemeinde von Deutz, der sich die meisten Kölner Juden angeschlossen hatten, ein neues, unter dem Schutz des Erzbischofs stehendes Gotteshaus.
Köln und Kaiser Friedrich III.: die offizielle »Erhebung« zur freien Reichsstadt
Bei den Königen aus dem Hause Habsburg stand die Stadt Köln traditionell in hoher Gunst - schon der erste habsburgi-sche Herrscher, Rudolf I. (1273 - 1291), hatte der Stadt ihre Privilegien bestätigt und im Streit der Stadt mit Erzbischof Siegfried von Westerburg eine neutrale Position eingenommen. Geradezu freundschaftlich sollten sich die Beziehungen Kölns zu Friedrich III. gestalten, in dessen außergewöhnlich langer Regierungszeit (1440-1493) wichtige Entscheidungen hinsichtlich der reichsrechtlichen Stellung der Stadt fallen sollten. Der König - er wurde erst 1452 in Rom zum Kaiser gekrönt - hatte schon 1442 bei seinem ersten Aufenthalt in Köln Vorrechte und Gewohnheiten von Stadt und Universität bestätigt, zehn Jahre später die Rechtskraft von zehn älteren Urkunden, die Köln betrafen, mit einer sogenannten Goldbulle erneuert.
Die Bindungen Kölns an den Kaiser verstärkten sich im Laufe des »Neusser Krieges« - ausgelöst wurde dieser Krieg durch einen Konflikt zwischen dem seit 1463 amtierenden Kurfürsten und Erzbischof Ruprecht von der Pfalz und der Stadt, die sich mit dem Domkapitel verbündet hatte. Beide erkannten Ruprecht nicht mehr als Erzbischof an, die Domherren bestimmten den Landgrafen Hermann von Hessen zum »Beschirmer und Schützer des Erzstifts«. Als auch das kurkölnische Neuss dem umstrittenen Erzbischof den Gehorsam verweigerte, Wandte sich Ruprecht an den burgundischen Herzog Karl den Kühnen, der über ein neues Großreich zwischen Deutschland und Frankreich herrschte. Der Herzog nahm das Bündnisangebot an; mit seinem Eingreifen hoffte er, seinen Einfluß im Westen des Reiches zu vergrößern und die Königswürde eines burgundisch-niederländischen Staates zu erlangen.
Im Juli 1474 begann Karl mit einem großen Heer die Belage-
rung von Neuss, das zunächst nur von Köln unterstützt wurde. Am 1. August erklärte der Kölner Rat dem Herzog den Krieg -zu viele Interessen Kölns standen auf dem Spiel. Zwei Wochen lang hatten alle Bürger an der Ausbesserung der Festungsanlagen gearbeitet - außerhalb der Stadt wurden Bauten abgerissen, damit sie dem Feind nicht als Stützpunkt dienen konnten, darunter die Klöster Weiher und St. Mechtern sowie Bauernhöfe, die dem Kloster St. Pantaleon und dem Altenberger Hof gehörten. Zur Deckung der Kriegskosten mußte jeder Bürger eine fünfprozentige Kriegssteuer zahlen - eine fieberhafte Rüstung setzte ein. Zugleich wandte sich die Stadt an befreundete Städte und Fürsten, auch an Kaiser Friedrich III., dessen zugesagte Hilfe zunächst auf sich warten ließ. Im Februar 1475 schickte Köln daher eine Truppe von über 2.000 Mann nach Neuss, die auf dem rechten Rheinufer ihr Lager aufschlug; 500 von ihnen durchbrachen den Belagerungsring und brachten den Neussern wichtigen Nachschub, vor allem an Munition. Kaiser Friedrich III., der im März 1475 in Köln eintraf, zog erst Anfang Juni rheinabwärts - er bewegte den burgundischen Herzog in langen Verhandlungen (in denen auch eine Eheschließung des Kaisersohnes Maximilian mit Karls Tochter Maria verabredet wurde) schließlich zum Abzug. Friedrich, der schon am Vorabend des »Neusser Krieges« der Kölner Bürgerschaft das Recht auf Prägung eigener Münzen zugestanden hatte, erteilte der Stadt am 19. September 1475 -als Dank für ihre Hilfe - das sogenannte »Reichsstadtprivileg«: 13 namentlich aufgeführte Privilegien wurden erneuert und bestätigt, in seiner Vorrede erklärte der Kaiser, daß die Stadt reichsunmittelbar (»allein Uns und dem Reich unmittelbar zugehörig«) sei; die Ansprüche des Erzbischofs auf die Stadtherrschaft wurden damit zurückgewiesen, die Huldigung der Bürger an den jeweils neuen Erzbischof sollte nun entfallen. Mit diesem Privileg wird gewöhnlich die »Erhebung« Kölns zur Reichsstadt verbunden, doch letztlich schrieb der Kaiser nur eine Rechtsposition fest, die sich die Stadt in einem langen Ringen erworben hatte - seit Ende des 14. Jahrhunderts besaß Köln ja schon Sitz und Stimme auf Reichstagen. Angesichts des großen Einsatzes und der immensen finanziellen Verluste, die Köln im »Neusser Krieg« erlitten hatte, war man in Köln doch unzufrieden, als der Kaiser den Ersatz der Kriegskosten ablehnte: Vom tatsächlichen Ergebnis her gehörte Köln zu den Verlierern des Krieges - die städtischen Finanzen waren auf Jahrzehnte hinaus zutiefst zerrüttet.