Der Zugang zum Friedhof liegt in der Herbert-Baum-Straße. Das Gelände für den Friedhof hatte die Jüdische Gemeinde 1875 in Weißensee, einem kleinen Ort in der Nähe Berlins, erworben. Die Einweihung des neuen Friedhofs war am 9. Oktober 1880. Mit rund 115000 Grabstätten ist der Friedhof in Weißensce der größte jüdische Friedhof in Deutschland. Die geometrisch angelegten Grabfelder werden durch ein großzügiges Wegesystem mit platzartigcn Kreuzungen erschlossen. Besonders repräsentativ ist der Eingangsbereich gestaltet mit Sakralbauten im Stil der italienischen Renaissance. So spiegelt die vom Architekten und späteren Leipziger Stadtbaurat Hugo Licht entworfene Fricdhofsanlagc das Bild der Großstadt wider: In der um 1900 wachsenden Zahl prunkvoller Kolossalgräber findet die Aufsteigermentalität der wilhelminischen Ara ebenso wie auf christlichen Friedhöfen der Zeit -ihren architektonischen Niederschlag. Die Namen der in Weißensee Begrabenen zeigen aber auch, daß dieser Friedhof ein bedeutendes Denkmal jüdischer Kultur-und Geistesgeschichte ist. In Weißensee befinden sich das Grab der Familie Tucholsky und die Grabstätten der rleger Samuel Fischer und Rudolf Mosse. Hier sind beigesetzt der Journalist Theodor Wolffund der Maler Lesser Ury, der Philosoph Hermann Cohen und der Physiker Eugen Goldstein, der Industrielle Emil Rathenau und der Mediziner Albert Fraenkel, die Warenhausbegründer Adolph Jandorf und Hermann Tietz. Die Reihe bekannter Namen ließe sich beliebig verlängern.
Bis 1938 fanden in Weißensce alljährlich vom »Rcichsbund jüdischer Frontsoldaten« organisierte Gedenkfeiern statt. Vor dem Hintergrund eines seit 1918 immer stärker werdenden Antisemitismus sollten sie der Öffentlichkeit die patriotische Haltung der deutschen Juden demonstrieren. Doch die Ehrung der im Ersten Weltkrieg für »Kaiser und Reich« gefallenen Juden bot keinen Schutz vor Diskriminierung, rfolgung und gewaltsamem Tod. Ein Mahnmal am Eingangs-rondcll und ein Urncnfcld mit 809 in verschiedenen Lagern ermordeten Juden erinnern an das Schicksal der Juden unter dem Hakenkreuz. Es befinden sich hier aber auch die Gräber von rund 3000 Menschen, die in dieser Zeit freiwillig aus dem Leben schieden, um der Deportation zuvorzukommen. 'Der Friedhof Weißensee legt auch Zeugnis ab vom jüdischen Widerstand gegen den nationalsozialistischen Terror. Einen besonderen Gedenkstein trägt die Grabstätte Herbert Baums. Er war Leiter einer jüdischen Widerstandsgruppe, die im Mai 1942 einen Anschlag auf die antisowjetische Proanda-Ausstellung »Das Sowjetparadies« im Berliner Lustgarten verüble. Baum wurde schon am 11. Juni in der Untersuchungshaft ermordet; die anderen Mitglieder der Gruppe wurden vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.
Nach 1945 war der Friedhof in Wcißcn-see Ausgangspunkt für die Wiederbelebung der Gemeinde. Am Eingang wurde eine kleine Synagoge errichtet, in der dann wieder jüdische Gottesdienste stattfanden. Anfang der achtziger Jahre ist der Friedhof zum nationalen Kulturdenkmal erklärt worden. Entsprechend hat man die Grabstätten der in der Nähe des Haupteingangs gelegenen Ehrenreihe restauriert. Bäume gefällt und Wege wieder freigelegt. Doch wo vor 1933 mehr als 200 Personen mit der Friedhofspflege beschäftigt waren, versuchten zu Zeiten der DDR nur 16 Angestellte, die drohende rwilderung und den rfall der Grabstellen aufzuhalten. Noch im Jahre 1986 sollte eine Straße durch das Friedhofsgelände gebaut werden. Wiederholt war der Friedhof Ziel antisemitischer Schändungen.