Der Aufstand des Nikolaus Gülich
Das Reich und der Kaiser waren durch den Dreißigjährigen Krieg entscheidend geschwächt worden - die Reichsstände hatten sich nach dem Westfälischen Frieden zu selbständigen Staaten mit eigener Militärmacht und Außenpolitik entwik-kelt. Mit der schwindenden Macht des Reiches verschlechterte sich aber auch die politische und wirtschaftliche Situation der Reichsstadt Köln gegenüber ihren Nachbarn, r allem gegenüber dem kurkölnischen Staat, der die Stadt umgab, sozusagen im »Würgegriff« hatte. Da Köln bis auf den schmalen Landstreifen innerhalb des »Bischofsweges« kein eigenes Territorium besaß, war die Stadt letztlich der Politik des Kurfürsten stärker ausgeliefert als früher: Sie konnte die Stellung, die sie im Laufe des Mittelalters als Handels- und Exportgewerbestadt erlangt hatte, im Zeitalter des Absolutismus und seiner merkantilen Mechanismen, r allem der ökonomischen Reglementierung, nicht behaupten.
Die schwierige wirtschaftliche Situation wurde indessen begleitet m Niedergang der städtischen Institutionen - Amtsmißbrauch, Korruption, Vetternwirtschaft, Unterschlagung öffentlicher Gelder und Parteilichkeit in der Verwaltung waren an der Tagesordnung. Die Mehrheit der Bürger war r allem unzufrieden über den »Klüngel« der herrschenden Kreise, die sich gegenseitig Posten und Amter zuschoben. An die Spitze der Unzufriedenen setzte sich im Jahre 1680 ein Mann aus guter kölnischer Familie - Nikolaus Gülich, Mitglied der Gaffel Himmelreich, der im Ver-Hannen-Haus (in der Straße Oben-marspforten) ein Band- und Manufakturwarengeschäft betrieb.
Gülich, geboren 1644 am Heumarkt, fühlte sich stärker als andere n der Vetternwirtschaft der führenden Familien betroffen. Anlaß für seinen Schritt in die Öffentlichkeit war die Erhebung einer Sondersteuer, die die unaufhaltsame Verschuldung der kommunalen Finanzen stoppen sollte. Im September 1680 übergab Gülich dem Rat eine Klageschrift, in der die Mißstände in der öffentlichen Verwaltung angeprangert wurden. Wegen des lebhaften Anklangs, den seine Bestrebungen in der Bevölkerung fanden, sah sich der Rat gezwungen, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der überaus schmachlle Vorgänge ans Licht brachte - n Wahlbetrug und Amterkauf bis zur Veruntreuung städtischen Eigentums reichten die Delikte, derer sich Bürgermeister und Beamte schuldig gemacht hatten. Und so wurden die Bürgermeister der letzten vier Jahre n allen Amtern ausgeschlossen und zu hohen Geldstrafen verurteilt.
Mit seinem Vorgehen hatte sich Gülich natürlich Feinde gemacht, r allem unter den Mitgliedern des Rates. Im August 1682 ließ ihn die bedrängte Obrigkeit festnehmen und gefangensetzen - unter dem Druck der Gaffeln m ußte er jedoch wenig später freigelassen werden; ein Ratsedikt warnte immerhin alle Bürger r dem Umgang mit dem »obrigkeitskeitsfeindli-chen Rebellen«. Der sah nun erst recht keinen Anlaß, seine selbstgewählte Rolle als Hüter der alten Verfassung aufzugeben. Im Sommer 1683 - damals standen die Türken r Wien und der Kaiser hatte alles andere zu tun, als sich um die Kölner Verhältnisse zu kümmern - wagte Gülich den entscheidenden Schritt: Mit Unterstützung der Gaffeln erreichte er die Auflösung des Rates und die Festnahme mehrerer hoher städtischer Beamter. Auf sein Geheiß wurden neue Bürgermeister und Ratsherren eingesetzt, die alsbald eine Reihe n Haftbefehlen gegen Gülichs Gegner austeilten. Erstes Opfer des neuen Regiments wurde der städtische Notar Gereon Hesselmann, einer der ärgsten Widersacher Gülichs. Wegen angeblichen Hochverrats verurteilte ihn das Schöffengericht zum Tode am 12. August 1683 starb Hesselmann unter dem Beil des Henkers.
Schon dieser Justizmord war ein Fehler, der den neuen Rat unter Gülichs Führung viele Sympathien kostete; zudem beförderte sich Gülich zum Syndikus, zum juristischen Berater der Stadt, obwohl ihm jegliche Voraussetzung für dieses wichtige Amt fehlte. Den Anhängern des gestürzten Rates gelang es, weitere Inhaftierte r dem Schicksal Hesselmanns zu bewahren. Bei Kaiser Leopold, dem nominellen Stadtherrn, hatte man Gülich inzwischen angeschwärzt - der Hof in Wien setzte eine Untersuchungskommission ein, die sich mit den Kölner Wirren beschäftigen sollte. Im Dezember 1683 erging ein kaiserliches Mandat an Gülich und die gesamte Bürgerschaft, sich dem Spruch der »Reichssubdelegierten« zu unterwerfen. Gülich fühlte sich indessen stark genug, diesem Spruch nicht nachzukommen, er glaubte wohl zu Recht, der Kaiser sei falsch informiert worden. Diese Weigerung sollte sich als ein weiterer Fehler herausstellen; die Zahl seiner Anhänger schwand, zumal der versprochene wirtschaftliche Aufschwung der Stadt ausblieb. Unter diesen Umständen ist es schon erstaunlich, daß sich Gülich noch fast anderthalbjahre an der Spitze des Kölner Gemeinwesens halten konnte. Die Wühlarbeit seiner Gegner am Wiener Hof hatte erst dann Erfolg: Am 25. Juli 1685 erklärte der Kaiser Gülich und seine Mitstreiter Sax und Meshov, alle als »der gemeinen Ruhe und dem Wohlstand gehässige, eigennützige Friedensstörer, Rädelsführer und Aufwiegler« bezeichnet, in die Reichsacht. Aus Sorge um die eigene Sicherheit fielen die letzten Anhänger n Gülich ab. Im August 1685 wurde er verhaftet - da das alte Stadtregiment, das der Kaiser wieder eingerichtet hatte, einen Handstreich der Gülich-Anhänger befürchtete, brachte man ihn und seine beiden Vertrauten nach Düsseldorf. Nach langen Verhören durch die Subdelegierten wurden Gülich und Sax schließlich durch eine kaiserliche Sentenz zum Tode verurteilt.
Am 23. Februar 1686 fand Nikolaus Gülich unter dem Beil des Henkers sein Ende - bis zuletzt wahrte der gescheiterte Volkstribun Haltung, noch auf dem Karren, der ihn zur Richtstätte auf der Mülheimer Heide fuhr, beteuerte er seine Unschuld: »Es ist nicht wahr, es ist erlogen. Der Kaiser ist mit Lügen überzeugt worden. Ich bin allzeit gut kaiserlich gewesen, ich habe recht getan!« Mit dem »Te Deum« auf den Lippen stieg er aufs Schaffet und soll beinahe bereitwillig den Schwertstreich des Henkers empfangen haben. Im selben Jahr noch wurde Gülichs Wohnhaus auf kaiserlichen Befehl hin niedergerissen. Auf dem Grundstück errichtete man eine Schandsäule, die den in Erz gegossenen Kopf Gülichs, n einem Schwert durchbohrt, zeigte. Über hundert Jahre stand dieses makabre Denkmal auf jenem Platz, der heute Gülichs Namen trägt.
Von Kölnischem Tabak, Kölnisch Wasser und den Anfängen des Zeitungswesens
In den Zeiten des allgemeinen Niedergangs waren es lediglich zwei Industrien, die dem Namen der freien Reichstadt weiterhin einen Klang gaben - beide, sowohl die Herstellung des Tabaks als auch die des »Wunderwassers«, verdanken ihre Entstehung zugewanderten »Neubürgern«.
Im Dreißigjährigen Krieg hatte das Tabakrauchen weite Verbreitung gefunden. Die erste Nachricht über einen Pfeifenraucher stammt aus dem Jahre 1608, als spanische Soldaten in einer Kneipe »Feuer samt Rauch fressen« - erst 1628 wurde der Tabak mit einer Steuer belegt; damals eröffnete ein gewisser Hariga de Gratia einen Tabakladen in Köln. Die Versuche des Kölner Kurfürsten, unter Androhung von Strafe den Tabakgenuß zu verbieten, scheiterten - der päpstliche Gesandte und Kardinal Fabio Chigi kam nicht umhin, das »Tabaksaugen« um das Jahr 1650 zu erlauben. Seine Entscheidung gab den Anstoß zur Entwicklung einer blühenden Schnupftabakindustrie, die ihre Rohstoffe zumeist aus Holland bezog. Die erste Kölner Tabakfabrik wurde 1735 von Heinrichjoseph Dumont aus Soumaigne (bei Lüttich) gegründet - in der Straße »In der Höhle«. Mit Dumont, der 1740 das Kölner Bürgerrecht erwarb, begann der Aufstieg des »Kölner Tabaks«, dessen bekanntestes Erzeugnis der »Rappe« war, ein Schnupftabak, der nach holländischem Rezept hergestellt wurde. Neben der Familie Dumont war es vor allem Franz Foveaux, dessen Produkte aus dem Haus »Zum großen Kardinal« in der Bolzengasse weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurden. Der erste Produzent des Kölner »Wunderwassers« war Giovanni Paolo de Feminis, der zur großen Zahl der Italiener gehörte, die sich am Ende des 17. Jahrhunderts in Köln niederließen. Er kam 1693 nach Köln und nahm kurze Zeit später die Produktion seines »aqua mirabilis« auf - wahrscheinlich benutzte er ein Verfahren, das in seiner italienischen Heimat angewandt wurde: Ätherische Öle wurden in hochprozentigem Alkohol gelöst und möglicherweise mit Rosmaringeist angereichert. Der Verkauf seines »Heilwassers« brachte Feminis großen Wohlstand und das Kölner Bürgerrecht ein; sein Unternehmen wurde allerdings nach seinem Tod aufgelöst. Dazu hat der Aufstieg eines Konkurrenten beigetragen, dem Feminis a'e Rezeptur schon frühzeitig weitergegeben haben soll: Jonann Maria Farina, geboren im Jahre 1685 im oberitalienischen Santa Maria Maggiore, hatte mehrere Jahre im Geschäft von Feminis gearbeitet, ehe er in das Unternehmen seines Bruders Johann Baptist eingetreten war, das seit 1709 in der »Großen Bottengassen« bestand, ein Kommissions- und Speditionsgeschäft mit kleinem Ladenhandel. Das Rezept des Wunderwassers war wohl die Einlage des Bruders in das 1714 als »Fratelli Farina« benannte Unternehmen, das einige Jahre später in das Haus »zum Morion auf der Marsforten an dem Eck gegenüber Gülichs Kopf« verlegt wurde. Seit 1769 ist die Bezeichnung »gegenüber dem Gülich-Platz« fester Bestandteil des Firmennamens.
Farina nannte die von ihm fabrizierte Essenz ebenfalls »aqua admirabile«. In der den Flaschen beigefügten Gebrauchsanweisung wurden die Beschwerden aufgezählt, die das Wasser -50 bis 60 Tropfen sollte man in Wein oder Brunnenwasser einnehmen - angeblich in wundersamer Weise heilte: Es half gegen Kopf- und Zahnschmerzen, Seitenstechen, Gelbsucht, ja sogar gegen Pest und alle Arten von Koliken. Die Form der innerlichen Anwendung war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts üblich. Erst als im Verlauf des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) französische Offiziere, die in Köln einquartiert waren und sich mit im Wunderwasser getränkten Tüchern gegen den Gestank der Stadt zur Wehr setzten, begann der unaufhaltsame Aufstieg des »aqua admirabile«: Mit der neuen Anwendungsart als Duftwasser, das nun »Eau de Co-logne« genannt wurde, stellte sich der geschäftliche Erfolg ein - Farinas Produkt wurde in alle europäischen Länder exportiert, vor allem nach Frankreich.
Eine nicht unbedeutende Rolle spielte Köln auch in der Entwicklung des Nachrichten- und Zeitungswesens. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts erschienen in verschiedenen Druckhäusern -seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert war Köln ein Zentrum des Druckwesens - wöchentlich herausgegebene Einzelblätter, die über auswärtige Ereignisse berichteten. Und bereits seit 1583 gab es die »Relationes«, ein zu Messezeiten im halbjährlichen Abstand herausgebrachtes Blatt mit Anzeigen und Handelsnachrichten, das Michael von Aitzing begründete. Die ersten Wochenzeitungen standen alle in mehr oder minder enger Verbindung zur Post, was schon aus ihrem Titel ersichtlich war-etwa die 1651 gegründete »CöllnischenOrdinari Postzeitung« oder der »Staatsbote«, der 1731 vom kurkölnischen Postmeister Pauli ins Leben gerufen wurde. Als die »Ordinari Postzeitung« 1762 einging, trat an ihre Stelle die »Kayserliche Ober-Post-Amts Zeitung zu Coelln«, verlegt von dem Drucker Gereon Arnold Schauberg; sie hatte 1794 eine Auflage von fast 1.800 Exemplaren.
Die meistgelesene Zeitung war Mitte des 18. Jahrhunderts die »Gazette de Cologne«. Der Historiker und Mathematiker Johann Ignaz Roderique, 1696 in Malmedy geboren und seit 1731 im Besitz des Kölner Bürgerrechts, hatte die Genehmigung zur Herausgabe seiner französischsprachigen Zeitung im Juni 1734 vom Rat bekommen - die »Gazette« sollte bald in ganz Europa Abnehmer finden, sie galt, auch von Kaiser Karl VI. privilegiert, als Sprachrohr österreichischer Politik. Als Roderique während des ersten Schlesischen Krieges Nachrichten abdruckte, die den Aggressor, König Friedrich IL von Preußen, in ein schlechtes Licht rückten, beschwerte sich der preußische Resident Rohde beim Rat über den »Neuigkeitentrödler« -ohne Erfolg. So entschloß sich der König zur Selbsthilfe und wies seinen Residenten an, den uneinsichtigen Herausgeber durch eine Tracht Prügel zur »Raison zu bringen, auf daß er Parität in seiner Gazette handhabe«. Diese Art von aufgeklärter Pressepolitik, die im April 1741 durch einen willfährigen Handlanger vollzogen wurde, setzte Roderique immerhin für einige Tage außer Gefecht. Auf eine Vorladung des Rates antwortete er ausweichend: »Da ich wegen einer gestern bekanntlich vorgefallenen Begebenheit nicht ausgehen kann...«
Die freie Reichsstadt im Urteil der Zeitgenossen
Das 18. Jahrhundert gehört nicht zu den glanzvollen Kapiteln der Stadtgeschichte - es war für Köln eine Zeit des Verfalls, des Niedergangs, der Krise. Die Zustände in der Stadt waren mehr als reformbedürftig, vor allem das Festhalten an der alten Zunftordnung hatte den wirtschaftlichen Abstieg begünstigt: »Die Zunftprivilegien sind dem gemeinsamen Besten nachteilig«, schrieb der kaiserliche Resident nach Wien. Protektionismus und Vetternwirtschaft in den Gaffeln verhinderten einen chten Konkurrenzkampf der Betriebe, von einer Modernisie-ng der Produktionsweise konnte nie die Rede sein. Als im ahre 1755 der Meister Doveren einen mechanischen Web-tuhl einführen wollte.verbot ihm das Tuchmacheramt die Be-utzung der neuen Maschine. Der Posamentierer (Bortenwe-er) Pallenberg verlor zehn Jahre später seinen Amtsmeisterosten, weil er bei der Arbeit eine technische Neuentwicklung ingesetzt hatte. Noch 1789 wurde mit der Mehrheit der Lei-ewebermeister jede Vergrößerung der Betriebe abgelehnt, eben die wirtschaftliche Immobilität trat die religiöse Intole-nz - das Festhalten am katholischen Bekenntnis als Kölner Staatsreligion« führte dazu, daß man seit Beginn des 17.Jahrunderts in regelmäßigen Abständen gegen die Protestanten orging, die allerdings als der fortschrittlichste und innovati-nsfreudigste Teil des Kölner Wirtschaftslebens galten. So wall 1714 neun wohlhabende protestantische Kaufleute mit ihren Familien nach Mülheim »ausgewandert«, um den Schikanen des Rates zu entgehen. Die Unfähigkeit zum Umdenken zeigte sich besonders deutlich im sogenannten »Toleranzstreit« des Jahres 1787: Damals kam es zu konfessionell motivierten Tumulten, als protestantische Kreise unter Führung Johann David Herstatts den Bau eines eigenen Gebets- und Schulhauses sowie die Duldung eines stillen Gottesdienstes beantragten; bislang mußten Lutheraner und Reformierte zur Andacht nach Mülheim ausweichen. Bürgermeister Franz Jakob von Hilgers und eine Ratsmehrheit standen diesem Antrag durchaus wohlgesinnt gegenüber, auch der Kaiser genehmigte den Ratsbeschluß, der mit 21 zu 16 Stimmen zugunsten der Protestanten ausfiel. Doch nach unerwarteten Widerständen aus der Bürgerschaft, die sich in Aufläufen und wüsten Beschimpfungen entluden, mußte die Zusage zurückgenommen werden - ganz Deutschland lachte damals über die kleingeistige Unduldsamkeit der Kölner...
Und so war es auch nur folgerichtig, daß sich viele Besucher eher negativ über die Zustände in der Stadt äußerten: »Da wir nur ein paar Wegstunden von Köln entfernt waren, fuhren wir bequem dahin und kamen am nächsten Abend gegen 5 Uhr in die häßlichste und schmutzigste Stadt, die ich je gesehen habe. Wir gingen zum Dom, der nur ein Ruinenhaufen ist, ein riesiges mißgestaltetes Ding, dem weder Symmetrie noch Anmut zukommt.« So schrieb der Theologe John Wesley, Gründer der englischen Methodisten-Gemeinde, im Jahre 1738. Mehr als zehn Jahre zuvor hatte der berühmte Schweizer Mediziner Albrecht von Haller seine Eindrücke so zusammengefaßt: »Diese weitläufige, erzkatholische Stadt ist sehr unangenehm und sehr schlecht bebaut. Die zahlreichen Kirchen sind zumeist gotisch und haben nichts Schönes an sich. Um die heiligen drei Könige und die 11.000 Jungfrauen war ich nicht neugierig, sondern ich war froh, diesen verdrießlichen Ort zu verlassen.« Diese Einschätzung der Stadt sollte »Schule machen« - vor allem Reisende aus protestantischen Ländern zeichneten ein düsteres Bild der »erzkatholischen« Stadt und ihrer Bewohner. »Von außen bietet Cöln einen prächtigen Anblick, doch alle Pracht schwindet, sobald man einen Fuß unter das Tor gesetzt hat. Die Straßen und die Bewohner sind gleich finster -Cöln ist in jedem Betracht die abscheulichste deutsche Stadt, wenigstens noch um ein Jahrhundert hinter dem übrigen Deutschland zurück« - solches Urteil liest man in den 1784 veröffentlichten »Briefen eines reisenden Franzosen«. Zur sozialen Gliederung der Bevölkerung heißt es da: »Ein Drittel der Einwohner machen privilegierte Bettler aus, die ein förmliche Zunft bilden, in den zahllosen Klöstern und Stiftern hausen Tausende von Geistlichen, grobe, ungehobelte Klötze, über und über mit Tabak und Rotz beschmiert, die in Bierhäusern mit den Bauern um einiger Pfennige willen Karten spielen.« So dämmerten denn die Bürger der einst so mächtigen freien Reichsstadt im Schatten des unvollendeten Doms, den seit Jahrhunderten ein Kran als eigentliches Wahrzeichen der Stadt zierte, dahin - unfähig, sich der neuen Zeit anzupassen; eine Änderung der »kölnischen Zustände« konnte nur von außen kommen.