Veränderte politische, soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Veränderungen in Deutschland
n 1949 bis 1990, also 41 Jahre lang, gab es zwei deutsche Staaten: Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Sie waren durch eine zumeist von Nord nach Süd verlaufende Grenze von etwa 1 400 km Länge fast unüberwindbar getrennt (Abb. 1.1).
Diese beiden Teile Deutschlands gehörten unterschiedlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem an. Während das Wirtschaftssystem in der BRD durch die soziale Marktwirtschaft geprägt ist, war das Wirtschaftssystem der DDR ein System der Zentralverwaltungswirtschaft. Die BRD ist ein Teil der Europäischen Union (EU), die DDR war Teil des Comecon, des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW).
Auch die Einbindung in die Verteidigungsbündnisse war unterschiedlich: die BRD ist Mitglied in der NATO, die DDR war Mitglied im Warschauer Pakt. Diese unterschiedlichen Orientierungen und gegenläuen Entwicklungsprozesse machten Deutschland zum Zentrum des Ost-West-Konfliktes.
Die deutsche Vereinigung und der Wandlungsprozeß in Deutschland
Nachdem am 9. November 1989 die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten -die innerdeutsche Grenze - gefallen war, setzte ein unvorhergesehener Entwicklungsprozeß ein. Es wurde der Weg frei für die staatlich-rechtliche Vereinigung Deutschlands. Am 3. Oktober 1990 trat die DDR der Bundesrepublik bei. Grundlage für diesen Beitritt war der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" (Einigungsvertrag) vom 31. August 1990 (vgl. Kap. 1.2.1).
Dieser politische Akt hat zu zahlreichen Umbrüchen geführt. Es setzten Veränderungen ein, wie sie wohl nicht in allen Einzelheiten vorhersehbar waren. An die Stelle des Systems der Zentralverwaltungswirtschaft in der ehemaligen DDR trat nun die soziale Marktwirtschaft. Mit beachtlicher personeller und finanzieller Unterstützung begann der Umbau der gesamten Wirtschaft (vgl. Kap. 4.2.1). Die Kombinate wurden der bereits Anfang 1990 gebildeten Treuhandanstalt unterstellt, die für Privatisierung, Sanierung und/oder Liquidierung zuständig wurde. Privatbetriebe entstanden nun wieder und Betriebe des Mittelstandes, die man bis Anfang der 1970er Jahre fast völlig beseitigt hatte. Auch das private Handwerk, in der DDR stark unterrepräsentiert, wurde wieder aufgebaut. Der Umbau führte z. T. zur Deindustriali-sierung ganzer Räume und zur Beseitigung ganzer Wirtschaftsbranchen. In engem Zusammenhang mit diesem totalen Umbau der Wirtschaft in den fünf neuen Bundesländern entstand ein bis dahin dort völlig unbekanntes Phänomen: die Arbeitslosigkeit. Die nun unter rein ökonomischen Gesichtspunkten wirtschaftenden Unternehmen konnten den Überbesatz an Arbeitskräften nicht tragen. Die Arbeitslosenzahlen nahmen rasch zu. Besonders betroffen von der Arbeitslosigkeit waren die Frauen. Ihr Anteil war in einigen Branchen der DDR-Wirtschaft besonders hoch.
Der Umbruch im Osten Deutschlands hatte eine enorme Migration der Bevölkerung von Ost nach West zur Folge. n Oktober 1989 bis Februar 1993 verlor das Gebiet der neuen Bundesländer nach Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung rd. 700 000 Bürger, die im Westen der Bundesrepublik Deutschland ihr Glück suchten. Bei diesen Abwanderern handelte es sich hauptsächlich um junge Menschen, dazu noch Spezialisten, wie z. B. Ingenieure, Facharbeiter, Forscher, die jedoch dringend für den Umbau der Wirtschaft in den neuen Ländern gebraucht wurden.
Zu den weiteren Folgen dieser Entwicklung zählt die Tatsache, daß man im Osten Deutschlands einen starken Rückgang bei Geburten und Eheschließungen feststellen kann. Für viele Menschen wirken sich offensichtlich die ungewissen wirtschaftlichen Perspektiven aus. So gibt es also auch in demographischer Hinsicht beachtliche Veränderungen (vgl. Kap. 2.3.2). So ist festzustellen, daß sich innerhalb von Deutschland ein Angleichungsprozeß vollzieht. Zum großen Teil handelt es sich dabei um die Übertragung von Mechanismen und Strukturen Westdeutschlands auf Ostdeutschland. Dieser Transformationsprozeß ist keineswegs beendet.
Die Veränderungen in Osteuropa und der Wandlungsprozeß in Deutschland
Teilweise eher, teilweise später oder auch fast gleichzeitig wie in der DDR vollzogen sich demokratische Revolutionen in den anderen osteuropäischen Ländern. Innerhalb weniger Jahre veränderte sich die politische Landkarte Europas (Abb. 1.2 und 1.3). Die Implosion des Sowjetsystems und der Zerfall der Ordnung von Jalta hat u. a. zur Wiedergeburt nationalistischen Denkens und zum Zerfall multinationaler Staatsgebilde geführt.
In Polen kam es zu Reformvereinbarungen am 5.4.1989 am "Runden Tisch". Am 4.6.1989 wurden teilweise freie Wahlen durchgeführt. Ab 12.8.1989 bestand eine Allparteien-Regierung unter der Führung der Gewerkschaftsbewegung "Solidarität". In der Tschechoslowakei gab es ab dem 17.11.1989 Demonstrationen. Am 24.11. trat die KP-Führung zurück. Die führende Rolle der KP wurde am 29.11. gestrichen. Es entstand am 10.12. die Regierung der "Nationalen Verständigung", und Vaclav Havel wurde der erste Präsident (29.12.89). In Ungarn gab es am 24.6.89 eine Reform-Mehrheit in der Führung der herrschenden USAR Am 7.10.89 wurde die Partei aufgelöst. Am 10.9.1989 war bereits die Westgrenze geöffnet worden. Nun wurden Verfassungsänderungen vorgenommen und die Marktwirtschaft eingeführt. In Jugoslawien entstand eine Krise der jugoslawischen Föderation. In Slowenien kam es zu Verfassungsänderungen (Selbstbestimmung der Teilrepubliken, Aufgabe des Führungsanspruchs der KP, freie Wahlen). Am 27.9.1989 trat der Konflikt mit Serbien offen zutage. In Rumänien kam es nach Massakern in Temesvar am 16.12.1989 zur lkserhebung. Nach blutigen Kämpfen von Armee und Bürgern wurden die Sicherheitstruppen überwunden, am 25.12.1989 Ceausescu hingerichtet. Am 26.12.1989 übernahm die "Front der nationalen Rettung" die Regierung. In Bulgarien zeigten sich zaghafte Reformansätze nach dem KP-Führungswechsel am 10.11.1989. Nach Massendemonstrationen wurden Zusagen für freie Wahlen am 11.12.1989 gemacht und der Führungsanspruch der KP aufgegeben.
Zu diesen revolutionären Veränderungen des Jahres 1989 kamen in den folgenden Jahren weitere Veränderungen, die auch andere Länder im Osten betrafen. Im Osten Europas gibt es seit 1991 mehrere neue Staaten. Dies ist das Ergebnis der Aufsplitterung von drei föderativen Gebilden: der Sowjetunion, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei.
- Rußland (Russische Förderation): Diese ehemalige Sowjetrepublik hat den Anspruch erhoben, Rechtsnachfolger der Sowjetunion zu sein. Sie hat deshalb auch keine Unabhängigkeitserklärung abgegeben. Rußlands Westgrenzen liegen etwa dort, wo sie z. Z. des Zarenreiches Peters des Großen im 17. Jahrhundert lagen.
- Ukraine:
Sie gab am 24. August 1991 eine Unabhängigkeitserklärung ab. Diese wurde im Dezember 1991 durch eine lksabstimmung bestätigt. In der Vergangenheit gehörten Teile der Ukraine zu Polen, Rußland und Österreich-Ungarn. Einen unabhängigen ukrainischen Staat in den heutigen Grenzen gab es bis dahin nie.
- Weißrußland (Belarus):
Auch solch einen Staat gab es bisher nicht. Diese Republik erklärte am 24. August 1991 ihre Unabhängigkeit. Weißrußland war lange Bestandteil des litauisch-polnischen Großreichs. Infolge der polnischen Teilungen kam es Ende des 18. Jahrhunderts an Rußland. In der Zeit zwischen den Kriegen war es wieder Teil Polens. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es abermals von der Sowjetunion in Besitz genommen.
- Moldau (Moldowa):
Am 27. August 1991 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung. Diese Region gehörte ehemals zum rumänischen Fürstentum Moldau, kam dann 1812 an Rußland und wechselte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Streit zwischen Moskau und Bukarest ständig den Besitzer.
- Estland. Lettland, Litauen:
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts kamen diese drei baltischen Republiken unter die Herrschaft Moskaus. Nach dem Moskauer Putschversuch anerkannte Rußland am 6. September 1991 die Unabhängigkeit dieser drei Republiken.
- Georgien, Armenien, Aserbeidschan:
Am 9. April 1991 wurde die georgische, am 23. August 1991 die armenische und am 30. August 1991 die aserbeidschanische Unabhängigkeitserklärung verabschiedet.
- Tschechoslowakei und Jugoslawien:
In diesen Staaten, wo es schon 1989 zu revolutionären Veränderungen gekommen war, vollzogen sich nun weitere Schritte. In Jugoslawien verkündete am 25. Juni 1991 die Teilrepublik Slowenien ihre Unabhängigkeit, Kroatien ebenfalls am 25. Juni 1991, und setzte sie im Oktober 1991 in Kraft. Bosnien-Herzegowina führte am 29. Februar und 1. März 1992 eine lksabstimmung durch. Die Unabhängigkeit dieser Teilrepublik wurde dann am 7. April 1992 von der EG anerkannt. Mazedonien konstituierte sich am 19. November 1991 als selbständiger Staat. Am 1. März 1992 stimmten die Einwohner Montenegros für den Verbleib bei Jugoslawien. Am 27. April 1992 verkündete das jugoslawische Rumpfparlament eine neue Verfassung. Es proklamierte das "Dritte Jugoslawien".
Die jüngsten Veränderungen in der Staatenneubildung vollzogen sich am 1. Januar 1993, als die zwei Staaten, die Tschechische Republik und die Slowakische Republik, die Nachfolge der 1918 gegründeten Tschechoslowakei antraten (Neue Staaten 1993, S. 184).
Die Demokratisierung in Ost-, Mittel- und Südosteuropa, die Auflösung der kommunistischen Gesellschaftsordnungen und die Ablösung der Zentralverwaltungs-wirtschaften durch freie Marktwirtschaften sowie das Entstehen neuer Staaten hat auch Deutschland nicht unbeeinflußt gelassen.
Zu den unmittelbaren Auswirkungen der Veränderungen in Ost- und Südosteuropa auf die Bundesrepublik zählt die Zunahme der Zahl der Aussiedler. Zwischen 1987 und 1990 hat sich die Zahl verfünffacht. Sie stieg von 79 000 (1987) auf 397000 (1990) an. Dem Rekordhoch von 1990 folgte ein starker Rückgang. 1992 kamen aber immerhin noch 231 000 Aussiedler (196000 aus der Sowjetunion bzw. ihren Nachfolgestaaten, 18 000 aus Polen und 16000 aus Rumänien). Das Hauptkontingent lieferten die Rußlanddeutschen. Ein großer Teil der Aussiedler war weder in Deutschland geboren noch aufgewachsen. Daß die Integration für einige nicht einfach war bzw. ist, versteht sich von selbst.
Nicht nur die DDR, sondern auch alle anderen osteuropäischen und südosteuropäischen Länder mußten sich für den größten Teil ihrer Produkte neue Auslandsmärkte suchen. Diese Märkte waren zu einem großen Teil in Westdeutschland und für sehr viele Erzeugnisse übervoll. Mit Dumpingpreisen versuchten trotzdem einige Länder Osteuropas nun ihre Erzeugnisse im Westen abzusetzen. Das wurde besonders im Stahlwerksbereich 1990 und 1991 bei Polen, der damaligen Tschechoslowakei und Rumänien deutlich, aus dem die EG nur mit Kontingentierungen einen Teil der östlichen Waren der Eisen- und Stahlindustrie in den Westen lassen konnte (nach Angaben der VdEH).
Die Integrationsbestrebungen der EG in Westeuropa
Bis zum Jahre 1989 war Deutschland Westdeutschland, wirtschaftlich stark, aber politisch eingebunden und austariert durch die übrigen EG-Länder. Dieses bis zur Wende gültige Koordinatensystem der EG-Integration geriet dann durch die gesamteuropäischen Veränderungen in Bewegung. Die neuen Herausforderungen fielen mit einem internen Reformprozeß zusammen, eine Anpassung an die globalen technologisch-ökonomischen und politischen Entwicklungen wurde notwendig (Platzer 1992, S. 20).
Seit Mitte der 1980er Jahre wurde die EG weitgehend bestimmt durch das Ziel der Verwirklichung des EG-Binnenmarktes zum 31.12. 1992. Nach Artikel 8 a, Abs. 2 des EWG-Vertrages wird unter dem EG-Binnenmarkt ein "Raum ohne Binnengrenzen" verstanden. In ihm ist der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet. Im Weißbuch der EG-Kommission vom Juni 1985 wurden die Zielsetzungen zur Verwirklichung des Binnenmarktes festgelegt. In diesem Fahr gibt es Texte zu den Zielen und Maßnahmen, außerdem einen umfangreichen Anhang mit insgesamt 276 konkreten Rechtsakten zur Verwirklichung des Binnenmarktes mit dem Zeitpunkt ihrer Umsetzung in Gemeinschaftsrecht.
Die Maßnahmen zur Realisierung des Binnenmarktes kann man drei verschiedenen Bereichen zuordnen. Erstens sollten die materiellen Schranken in der EG abgebaut werden. Es ging darum, die Waren-und Personenkontrollen an den inner-gemeinschaftlichen Grenzen abzuschaffen.
Zweitens sollten die technischen Schranken abgebaut, Normen, Standards und rschriften in der EG schrittweise harmonisiert werden. Abbau der technischen Schranken bedeutet aber auch Liberalisierung der öffentlichen Auftragsvergabe. Das heißt z. B. EG-weite Ausschreibung von größeren Bauvorhaben für öffentliche Gebäude oder Straßen. Das bedeutet auch Herstellung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer und Selbständige, gemeinsamer Dienstleistungsmarkt, Freiheit des Kapitalverkehrs und Förderung der industriellen Zusammenarbeit.
Drittens sollten die Steuerschranken abgebaut werden. Dabei geht es um die Einführung begrenzter Bandbreiten zur Annäherung der nationalen Mehrwertsteuersätze und um die Harmonisierung spezifischer Verbrauchssteuern (z. B. für Mineralölprodukte, Alkohol, akwaren) (Platzer 1992, S. 111 - 113). Gerade die Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze war lange Zeit ein großes Problem. Bis Ende 1992 galt z. B. in der BRD ein Mehrwertsteuersatz von 14%, z.T. auch 7%. Die Schwankungen zwischen den Ländern waren beträchtlich. So betrug der Mehrwertsteuersatz in Luxemburg nur 12%, in Irland dagegen 25%. Seit dem 1.1.1993 gilt EG-weit ein Mindestsatz von 15%. Erhebliche Unterschiede zwischen den EG-Staaten gab bzw. gibt es auch bei den Verbrauchssteuern.
Bei der Diskussion um den EG-Binnenmarkt wurden einige Defizite immer deutlicher. Sie betrafen in erster Linie das demokratische Defizit aber auch die außenpolitische Handlungsschwäche der EG. Diese massive Kritik führte Anfang der 1990er Jahre zu einem neuen Reformvorstoß, der am 7. Februar 1992 mit der Unterzeichnung des "Vertrages über die Europäische Union" in Maastrich abgeschlossen wurde.
Der Vertrag geht über alle bisherigen vertraglichen Vereinbarungen weit hinaus. Danach stützt sich die europäische Einigung künftig auf drei Säulen:
. Die ersfe Säule ist die bestehende EG. Ihre Kompetenzen wurden wesentlich erweitert, u. a. auf den Gebieten
- des Verbraucherschutzes,
- der Gesundheitspolitik,
- der transeuropäischen Verkehrs-, Fernmelde- und Energienetze,
- der Industriepolitik,
- der Entwicklungszusammenarbeit,
- der Bildungs- und Kulturpolitik,
- der Forschung,
- des Umweltschutzes,
- des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und
- der Sozialpolitik.
Die wichtigste Ergänzung besteht darin, daß ein Stufen aufgestellt wurde, nach dem bis Ende der 1990er Jahre der Übergang zu einer Wirtschafts- und Währungsunion erfolgen sollte.
. Die zweite Säule des Einigungswerkes ist die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Diese ist von den Regierungen außerhalb des EG-Vertrages beschlossen worden.
. Auch die dritte Säule enthält außerhalb des EG-Vertrages einen gemeinsam behandelten Bereich. Es ist die von den 12 EG-Staaten vereinbarte Zusammenarbeit im Bereich der Innen- und Rechtspolitik, z. B. in Fragen der Einwanderungsund Asylpolitik sowie Fragen bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Europa im Schaubild 1993, S. 51). Die verschiedenen Teile des Unionsvertrages sind durch gemeinsame Institutionen und einen übergreifenden Zielkatalog miteinander verbunden.
Die Ratifizierung des Vertrages verlief keineswegs so problemlos, wie man das im Februar 1992 erwartet hatte. In drei Ländern gab es dazu lksbefragungen. In Dänemark wurde mit knapper Mehrheit der Vertrag abgelehnt. In Irland gab es mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen eine weitreichende Unterstützung. In Frankreich war mit 51 % nur knapp eine Mehrheit zustande gekommen. Der Deutsche Bundestag stimmte am 2.12.1992 mit einer sehr großen Mehrheit (95 %) zu.
Mit der llendung des Binnenmarktes und dem Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages war die europäische Einigung nicht abgeschlossen. Am 1.1.1995 traten Österreich, Schweden und Finnland der EU bei. Es gibt weitere Beitrittskandidaten, auch unter den mittel- und osteuropäischen Reformstaaten. Die Perspektive einer Europäischen Union mit 20 bis 25 Mitgliedsstaaten für das Jahr 2010 wird als durchaus realistisch angesehen.
Alle diese Entwicklungen wirken sich auch auf Deutschland aus. Die nationale Souveränität Deutschlands - wie die aller anderen Staaten - wird zunehmend ausgehöhlt. Die modernen ökonomischen Verflechtungen lassen den Nationalstaat hinter sich. Neue überstaatliche Integrationsebenen - wie die EG - bilden sich heraus und gewinnen an Bedeutung. Auch die großen ökologischen Probleme mißachten den Nationalstaat. Smog, nukleare Strahlung u.a. kennen keine Landesgrenzen. Die moderne Risikogesellschaft in Deutschland erzwingt eine internationale Orientierung.
Die Umstellung der zentral gesteuerten Planwirtschaften in Osteuropa zu einer offenen sozialen Marktwirtschaft brachte vielfältige Probleme mit sich (Stillegung von zahlreichen Produktionsstätten, Zusammenbruch der landwirtschaftlichen Produktion, hohe Arbeitslosigkeit u.a.). Deshalb beschloß die EG-Kommission für die neuen Bundesländer ein gemeinsames Förderkonzept.
Für das europäische Revolutionsjahr 1989 kann man auch feststellen, daß in einigen westlichen Ländern großes Interesse am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbau in Osteuropa bestand. Dieses schlug sich nieder in einem ersten konkreten Projekt. Es wurde auf dem Pariser Weltwirtschaftsgipfel im Juli 1989 das Hilfsprogramm PHARE (Poland and Hungary Assistance for Restructuring the Econo-mies) beschlossen (Brandstetter 1996, S. 152). rgesehen war es zunächst nur für Polen und Ungarn, wurde jedoch sehr schnell auf alle anderen osteuropäischen Staaten (außer Nachfolgestaaten der Sowjetunion) ausgedehnt. Aus dem ehemaligen Verbund der Sowjetunion wurden nur die baltischen Staaten vom PHARE-Programm bedient. Für die Nachfolgestaaten der Sowjetunion gilt das TACIS-Programm der EU. Die Gruppe der 24 OECD-Staaten (G-24) beschloß einen Aktions mit Zielperspektiven für die 1990er Jahre. Für das Jahr 1992 wurden für die Umgestaltung der neuen östlichen Demokratien Hilfen von rd. 1 Mrd. ECU (ca. 2,4 Mrd. DM) bereitgestellt. Die EG ist Koordinator dieses Komplexprogramms.
Im Dezember 1991 schloß die EG mit den östlichen Reformstaaten Ungarn, Polen und der damaligen Tschechoslowakei sog. "Europa-Abkommen" ab (Brandstetter 1996, S. 189). Diese gehen in wirtschaftlicher Hinsicht über die bis dahin üblichen "Assoziierungsabkommen mit Drittstaaten" weit hinaus. Sie sind zugleich ein politisches Signal der künftigen Ein- und Anbindung.
Wichtigstes Element ist die Einrichtung einer Freihandelszone für Industrieprodukte in einem Zeitraum von 10 Jahren. Für den Warenaustausch gibt es eine sog. "Asymmetrische Liberalisierung". Das bedeutet, daß die drei Reformländer mehr Zeit haben als die EG, ihre Schutzmaßnahmen zur Absicherung der eigenen Wirtschaft abzubauen (Platzer 1992, S. 59).
n enormer regionaler Bedeutung sind die Euroregionen, die im Integrationsprozeß Europas eine große Rolle spielen. Sie werden mit erheblichen finanziellen Mitteln der EU über die INTERREG- und INTERREG II-Programme unterstützt.
In nicht allzu ferner Zukunft wird es eine beträchtliche Ausdehnung der EU mit der Aufnahme der Länder Polen, Tschechien, Ungarn u. a. geben.