Von den einst 18 Berliner Stadttoren ist nur eines erhalten geblieben: das Brandenburger Tor. Erbaut wurde es 1788-91 von Carl Gotthard Langhans. Es ersetzte eine weit bescheidenere Anlage, die zu der 1732-34 durch Friedrich Wilhelm I. erbauten Stadtmauer gehörte. Diese diente der Erhebung der Akzise (der an den Stadttoren erhobenen Waren- und Verkehrsteuern), und sie sollte überdies das Desertieren der Soldaten verhindern. Durch den zwei Jahre nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms II. begonnenen Neubau wurde das Brandenburger Tor als Abschluß der Prachtstraße Unter den Linden vor allen anderen Toren ausgezeichnet und durch architektonische Gestalt und Skulpturenschmuck zu einem Symbol erhoben, dessen Bedeutung sich im Laufe der Zeit mehrfach wandelte.
Vorbild für den ursprünglich »Friedenstor« genannten Bau waren die Propyläen auf der Akropolis von Athen. Berlin wollte sich damit als ein neues Athen präsentieren, als eine Stadt der Wissenschaft und der Kunst. Die bekrönende Quadriga mit der Viktoria von Johann Gottfried Schadow kennzeichnete das Tor auch als Triumphtor, wenngleich Schadow die Friedensgöttin Eirene im Sinn hatte. Als Triumphtor verstand auch Napoleon das Tor, als er hier am 27. Oktober 1806 nach der Niederlage Preußens bei Jena und Auerstedl in die Stadt einzog. Als er die Quadriga abmontierte und nach Paris entführte, war das als tiefe Demütigung gemeint. Dieses wiederum hatte zur Folge, daß die Rückführung der Quadriga und ihre Wiederaufstellung nach dem Sieg über Napoleon 1815 zur Geste des Triumphes über das geschlagene Frankreich wurde. Schinkel schmückte damals den Stab der Siegesgöttin mit dem Preußenadler und dem Eisernen Kreuz, dessen neuartiger Gedanke es war, jeden Tapferen unabhängig von seiner sozialen Stellung aufgrund seines Verdienstes auszuzeichnen. Von nun an trat der militärische Symbolwert des Tores in den Vordergrund. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zogen die siegreichen Truppen unter dem Jubel der Bevölkerung durch das Brandenburger Tor in die junge Rcichshaupt-stadt ein. Zur effektvollen Inszenierung ihrer Macht benutzten auch die Nationalsozialisten das Tor. Am Abend des 30. Januar 1933, nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, zogen in einem großen Fackelzug die braunen Kolonnen durch das Brandenburger Tor zur Reichskanzlei in der Wilhelmstraße. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bau beim Kampf um Berlin schwer beschädigt. Ab 1945 markierte das Tor die Grenze zwischen dem sowjetischen und dem britischen Sektor. Beim Volksaufsland vom 17. Juni 1953 zogen demonstrierende Arbeiter durch das Tor nach West-Berlin; die Rote Fahne wurde heruntergerissen. 1956 58 wurde das Gebäude wiederhergestellt. Als Beitrag des westlichen Teils der Stadt ließ der Senat Schadows Quadriga rekonstruieren. Vor ihrer Aufstellung entfernte man in Ost-Berlin den preußischen Adler und das Eiserne Kreuz aus dem Stab der Siegesgöttin. Als am 13. August 1961 der östliche Teil der Stadt vom westlichen abgeriegelt wurde, wandelte sich das Tor in das Gegenteil dessen, was es bisher immer gewesen war.
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