Im Jahre 1709 wurden durch ein Dekret König Friedrichs I. die fünf selbständigen Sladtgemeinden Berlin, Colin, Friedrichswcrder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt zur Kgl. Residenzstadt Berlin vereinigt. Zum Sitz des Magistrats der Gesamtstadt, die 1710 rund 56000 F.inwohner zählte, wurde vorübergehend das neuerbaute Rathaus von Colin am Cöllnischen Fischmarkt bestimmt. Das alte, aus dem 13. Jahrhundert stammende Berliner Rathaus stand an der Ecke Königstraße, Spandauer Straße. Nach drei Bränden im 14., 15. und 16. Jahrhundert war es jedesmal in erweiterter Form wiederaufgebaut worden. Im Jahre 1710 nahm das Berliner Rathaus zunächst das neugebildete Stadtgericht auf. Vor der zur Spandauer Straße hin gelegenen Schmalseite des Rathauses befand sich die aus dem Mittelalter stammende Gerichtslaube, an die nach dem Stadtbrand von 1380 ein Turm angebaut wurde. Ende des 17. Jahrhunderts erhielt das Rathaus einen barocken Erwciterungsflügel an der Spandauer Straße. Es diente der immer mehr anwachsenden Stadtverwaltung bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1859 erteilte die Stadt Berlin dem Architekten Hermann Friedrich Waesemann den Auftrag für den Bau eines neuen Rathauses. Der Neubau entstand an Stelle des alten Rathauses, bedeckte aber den gesamten Block zwischen König-slraße (heule Ralhausstraßc), Spandauer Straße, Jüdcnstraße und der Straße Hinter dem Rathaus. Als das neue Rathaus 1866 zur Hälfte fertiggestellt war, wurden die alten Rathausgebäude abgerissen. Die Gerichtslaube wurde auf Wunsch WilhelmsI. im Park von Babclsbcrg wieder aufgebaut. Line Rekonstruktion des historischen Gebäudes ist im neugestalteten Nikolaiviertel errichtet worden; heute befindet sich darin eine Gaststätte.
Bei dem neuen Rathaus handelte es sich um einen Monumentalbau mit drei Innenhöfen und einem bis zur Brüstung 74m hohen Turm. Unterhalb der Fenster des ersten Obergeschosses umzog ein Fries von 36 Terrakottareliefs das Bauwerk, auf denen Szenen aus der Berliner Stadtgeschichte dargestellt waren. Wegen der Farbe der Backsteinfassaden erhielt das Gebäude schon bald den Namen »Rotes Rathaus«. Am 30. Juni 1869 hielt der Magistrat seine erste Sitzung im neuen Haus ab, und am 6. Januar 1870 tagte dort erstmals die Stadtverordnetenversammlung. 1883 zogen die ersten Sozialdemokraten in das Stadiparlament ein. Fünfzig Jahre später war es mit der Selbstverwaltung Berlins vorbei. Der Führer der nationalsozialistischen Stadtverordnetenfraktion. Julius Lippert, wurde am 15. März 1933 zum Staatskommissar ernannt, der Magistrat mit gleichem Datum abgesetzt. Im Jahre 1937 ernannte Hitler den Architekten Albert Speer zum »Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Berlin«. Speer erhielt damit die alleinige Bau- und Planungskompetenz für Berlin. Als Lippert dem widersprach, wurde er von Hitler abgesetzt.
Das während der letzten Kncgswochen schwer beschädigte Rathaus wurde am 27. April 1945 als eines der letzten Gebäude der Innenstadt von sowjetischen Soldaten erobert. Die Wiederherstellung des Roten Rathauses erfolgte 1951-56. Während es früher in einem dichtbebauten Stadtviertel stand, ist es heute von weiten Freiflächen umgeben. Von 1955 bis zur Wahl des ersten Gesamtberliner Parlaments am 2. Dezember 1990 beherbergte es den (Ost-)Berliner Magistrat. Die (West-)Berliner Landesregierung war nach der politischen Spaltung der Stadt im Jahr 1948 ins Rathaus Schöneberg gezogen. Seil dem 1. Oktober 1991 ist das »Berliner Rathaus«, so nun die offizielle Bezeichnung, Sitz des Regierenden Bürgermeisters. Das Abgeordnetenhaus von Berlin hielt seine Sitzungen noch bis April 1993 im Rathaus Schöneberg ab. Am 28. April nahmen die Abgeordneten ihr neues Domizil in Besitz: das Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtags im Bezirk Mitte. Einen Tag später, am 29. April, fand dort die erste Plenarsitzung statt.