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Zeche Zollern 2/4 in Bövinghausen

Zeche Zollern 2/4 in Bövinghausen

Im Gegensatz zu den meisten Bergwerken des Ruhrreers, die aus einem Konglomerat von Gebäuden unterschiedlicher Stilrichtungen bestehen, zeichnet sich die Zeche Zollern 2/4 durch ein weitgehend einheitliches Erscheinungsbild von großer Harmonie aus. Die wesentlichen Tagesanlagen entstanden zu Beginn des 20. Jh. innerhalb weniger Jahre. Eine überaus qualitätvolle bauliche Gestaltung und eine hochmoderne technische Ausstattung machten das Bergwerk damals zum repräsentativen Vorzeigeobjekt ihrer Betreibergesellschaft, der Gelsenkirchcner Bergwerks AG. Während der relativ kurzen Betriebszeit wurde die Anlage nicht einschneidend modernisiert, sodass die suggestive Wirkung der historistischen >Beein-druckungsarchitektur« bis heute fortbesteht.
Der Eingang wird von zwei symmetrischen Torhäusern flankiert, die als Markenkontrolle bzw. als Sanitätsstation und Leichenhalle dienten. Durch das Zechentor gelangt der Besucher auf einen begrünten Platz, der von mehreren stattlichen Gebäuden umsäumt wird. Alle Häuser bestehen aus massivem Ziegclmauerwerk und sind mit Friesen, Blendbögen und Lisenen sowie z. T auch mit Zinnen, Konsoltürmchen und Staffelgiebeln verziert: Links sieht man das Werkstattgebäude und den Pferdestall. Rechts liegt der lang gestreckte Trakt für Lohnhalle, Waschkaue, Lampenstube und Magazin. Die Rückfront nimmt das Verwaltungsgebäude ein. Im Hintergrund ragen links und rechts - in symmetrischer Anordnung - die Fördergerüste der Zollern-Schächte 2 und 4 empor. Das repräsentative Ensemble ließ bereits Zeitgenossen an einen >feudalcn Schlosshof< denken.



In zwei Gebäuden ist auch innen der originale Raumeindruck noch crlebbar: Im Foyer der Zechenverwaltung bildet ein überdimensionierter Treppenaufgang den Hauptblickfang. Sein Geländer ist mit geschmiedeten Ranken, Blumen und Früchten kunstvoll dekoriert. In der Lohnhalle, die an eine neugotische Kirche erinnert, gibt es ein schönes Beispiel dafür, wie die Zcchengescllschaft die Bergleute mit Hilfe von künstlerischer Baugestaltung zu hoher Leistung anfeuern wollte. Prächtig gemalte Sinnsprüche an der hölzernen Deckenkonstruktion spornen an und verheißen Erfolg: SCHAUE VORWARTS, NICHT ZURÜCK / FRISCHER MUT BRINGT NEUES GLÜCK / ARBEIT IST DES BÜRGERS ZIER / SEGEN IST DER MÜHE PREIS.

Alle bislang aufgeführten Gebäude wurden von dem Architekten Paul Knobbe konzipiert, der bis zum Frühjahr 1902 mit der architektonischen Ausgestaltung von Zollern 2/4 betraut war. Von der Hand Knobbcs lag auch bereits der Entwurf für eine Maschinenhalle in Backsteingotik vor, als die Gelsenkirchencr Bergwerks AG kurzfristig eine Entscheidung von großer Tragweite traf. Unter dem Eindruck eines >Pallions< auf einer großen Düsseldorfer Industrie- und Kunstausstellung verwarf sie diesen Entwurf, durchbrach das bisher einheitliche Konzept der Zeche und ließ für Zollern 2/4 die erste moderne Industriehalle des Ruhrgebiets errichten. Im Widerspruch zum herkömmlichen Stilempfindcn wurde hier das tragende Stahlfachwerk nicht mehr mit Blendmauerwerk verkleidet, sondern blieb innen wie außen sichtbar: Die Halle scheint aus den genormten Bauelementen eines riesigen Silbaukastens zusammengesetzt zu sein, Konstrukteur war Rcinhold Krohn, der Direktor der Brückenbauanstalt der Gutehoffnungshütte. Zur künstlerischen Überarbeitung zog man den prominenten Architekten Bruno MÖhring hinzu. Ihm verdankte die Maschinenhalle dann ihr repräsentatives Querhaus mit dem farbig verglasten Jugendstil-Portal (s. Abb. S. 2) sowie die marmorne Schaltwand im Innern, die von einer anmutig gestalteten Uhr dominiert wird. Von der originalen technischen Ausstattung blieben neben Kompressoren und Umformern vor allem zwei elektrisch betriebene Fördermaschinen erhalten, darunter eines der frühesten Beispiele dieses Maschinentyps überhaupt (Friedrich-Wilhclms-Hütle/Siemens & Halskc, 1902).
1966 wurde Zollern 2/4 nach gut sechs Jahrzehnten Betriebszeit stillgelegt. Danach wurde ein Teil der Tagesanlagen abgerissen. Darunter befand sich u. a. das Fördergerüst von Schacht 2, nachdem das Gerüst von Schacht 4 bereits 1940 niedergelegt worden war. Als 1969 auch der Abriss der Maschinenhalle drohte, trat eine künstlerisch engagierte >Bürgerinitiative< auf den Plan. Die Rettung der Halle (und damit auch der übrigen verbliebenen Zechenbauten) gelang im Zeichen einer ambitionierten Jugendstil-Begeisterung. Nachdem das Deutsche Bergbaumuseum die Zeche zeitweilig betreut hatte, wurde sie 1981 schließlich in das neue Westfälische Industriemuseum übernommen. In den folgenden Jahren konnten die Restauricrungsmaß-nahmen intensiert werden. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden auch zwei Fördergerüste und eine Schachthalle auf Zollem neu errichtet, die von zwei stillgelegten Zechen in Gelsenkirchcn und Herne stammten.
Wenngleich die bauliche Restaurierung und die museale Ausstattung auch heute noch nicht abgeschlossen sind, wurde Zollern 2/4 als Museum für Sozial- und Kulturgeschichte des Bergbaus am 17.10.1999 in wesentlichen Teilen der Öffentlichkeit übergeben. Das museale Konzept greift das Bild der >Musterzechc< auf, als die Zollern 2/4 in die Geschichte eingegangen ist. Gefragt wird dabei nach den F.ntwicklungen, die sich in der Anlage widerspiegeln, und zwar in technischer, wirtschaftlicher, politischer, sozialer und kultureller Hinsicht. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die >Zollerancr< und ihre Familien: Wie sind sie mit den Bedingungen, die ihre Arbeitsund Lebensverhältnisse prägten, umgegangen? Welchen Handlungsspielraum hatten sie? Wie haben sie ihn genutzt? Ein zentrales Thema ist dabei die mäßige Ausbildung des bergmännischen Nachwuchses, wie sie seit den 1920er Jahren ein besonderes Kennzeichen des Ruhrbergbaus war. Für die zumeist fachfremden Muse-umsbesuchcr ermöglicht dieser Ansatz einen guten Einstieg in die Bergbau-M aterie.
Die Ausstcllungseinheiten in den einzelnen Gebäuden bzw. Funktionsbereichen behandeln maßgeblich sozialgeschichtlichc Themen: Markenstube (Kontrolle und Sicherheit), Waschkaue (Hygiene und Gesundheit) und Lampenstube (Grubenlampe als Warnzeichen vor »matten Wettern< und gefährlichen Grubengasen). Im Kauenkcller befindet sich die Abteilung »Grubenunglücke und UnfallverhütungStrecke< in der Nähe des Zechenplatzcs dargestellt werden, die allerdings oberirdisch angelegt werden muss. Einfahren kann man auf Zollern 2/4 schon lange nicht mehr! Für die Kinder gibt es in dem Museum eine eigene Rezeptionsebene. Leitur ist der »Berglehrling Franz*, der die gesamte Zeche im Rahmen seiner Ausbildung kennen lernen muss, /.. T. schon gut Bescheid weiß, aber selber noch ele Fragen hat.
Unmittelbar vor dem Zechentor beginnt die Kolonie Landwehr, eine ansprechend gestaltete Gartenstadt (Paul Knobbe, 1898-l904). Sie umfasst das llenarlige Wohnhaus des Betriebsführers (Rhader-weg 7), sieben Mehrfamilienhäuser für die Bergwerksbeamten (Grubenweg 1, 3; Rhaderweg 1,3,4,6,8), sowie 23 Werkswohnhäuser für insgesamt 116 Bergmannsfamilien. Die Fassaden der Beamtenhäuser sind relativ aufwändig gestaltet (geschweifte Giebel, Erker, Zierfachwerk). Aber auch die übrigen Gebäude besitzen eine deutlich höhere Wohnqualität als die mehrgeschossigen Miethäuscr, die von der Zeche in den folgenden Jahren im Ortszentrum von Bönghausen (östlich der Pronzialstraße) errichtet wurden.







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