In der Stadt
der deutschen Klassik
Die Kulturstadt Europas 1999 wäre ein Residenzstädtchen unter vielen in Thüringen, wenn da nicht so viele Dichter und Denker gewesen wären, die ihm zu Weltruhm rhalfen. Ohne Goethe und Schiller hätte die Stadt mit rund 62 000 Einwohnern nicht den Ruf einer »Stadt der deutschen Klassik«. Auch Lucas Cranach d. A. und Martin Luther wirkten hier; später Herder, Wagner, Nietzsche, Liszt, Richard Strauss, Thomas Mann, Lyonel Feininger und viele andere. Zwischen den vielen Gedenkstätten der Stadt kann man sich kaum drehen und wenden, und auch die zahlreichen Bildungstouristen rleihen der sehr gut erhaltenen und gepflegten Stadt ein besonderes Flair.
Geschichte
Die Aue an der lim, »wihmare«, althochdeutsch für »heiliger Sumpf« oder »heiliges Wasser«, war bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt. Von einer Stadt Weimar ist erstmals 1254 die Rede. 1524 wurde sie zur Residenz des Herzogtums Sachsen-Weimar. Die klassische Periode Weimars begann 1772 mit der Berufung Christoph Martin Wielands an den Hof der Herzogin Anna Amalia. 1775 lud der junge Herzog Carl August Goethe in die Stadt ein. 1787 kam Schiller. Nach Goethes Tod verhalf Franz Liszt der Stadt zu neuer Anziehungskraft. 1919 wurde von Walter Gropius das Staatliche Bauhaus gegründet, das 1925 nach Dessau übersiedelte. 1919 tagte hier die Nationalversammlung, die die Weimarer Republik gründete. Die Stadt der Klassik ist heute Hochschul- und auch Industriestandort, vor allem aber ßesuchermagnet.
m Marktplatz zum Theaterplatz
Der Rundgang beginnt am Marktplatz. Die Sehenswürdigkeiten sind von hier fast alle bequem zu Fuß zu erreichen.
Cranachhaus
Das älteste erhaltene Gebäude am Markt ist das Cranachhaus. Es wurde 1547-1549 vom Renaissancebaumeister Nikolaus Gromann für den Kanzler Christian Brück errichtet, den Schwiegersohn Lucas Cranachs d.Ä. Der Maler richtete hier 1552 ein Atelier ein. Das angrenzende Stadthaus mit seiner spätgotischen Fassade wurde 1970 rekonstruiert.
Das Rathaus & wurde 1841 fertig gestellt. Hier befindet sich heute das Stadtarchiv.
Goethes Wohnhaus
In dem schlichten Barockbau am Frauenplan lebte Goethe von 1782 bis zu seinem Tode 1832. Im Innern zeigt es sich noch so, wie es sich der Dichterfürst eingerichtet hatte. Seiner testamentarischen Vorsorge ist es zu danken, dass Bibliothek sowie kunst- und naturwissenschaftliche Sammlungen fast ganz erhalten geblieben sind. Angegliedert ist das Goethe-Nationalmuseum, eine umfangreiche Ausstellung zur Weimarer Klassik (Sommer Di-So 9-18, Winter 9-16 Uhr).
Schillers Wohnhaus
Schiller erwarb 1802 nach seiner Erhebung in den Adelsstand unter großen finanziellen Opfern das Gebäude. Das Haus, in dessen Mansarde er seine letzten Werke, u. a. »Wilhelm Teil«, schrieb, ist seit 1847 Gedenkstätte (Sommerzeit Mi-Mo 9-18, Winterzeit 9-16 Uhr).
Weimar-Haus
Einige Türen weiter (Schillerstr. 16-18) eröffnete im Sommer 1999 das multimediale Erlebnismuseum Weimar-Haus. Traditionelle Theater- und moderne Unterhaltungstechniken bieten in dem klassizistischen Gebäude dem Besucher eine bildhafte Zeitreise in die Weimarer Geschichte (tgl. 10-20, im Winter 10-19 Uhr).
Wittumspalais
Am Theaterplatz liegt das Wittumspalais, Witwensitz und Soireeschloss der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar. Den 1767 für einen ihrer Minister errichteten Bau erwarb sie 1774. Hier traf sich alles, was in Weimar Rang und Namen hatte.
Im Festsaal des Gebäudes fand 1813 die Trauerfeier für den Schriftsteller Christoph Martin Wieland statt. Neben einer Kunstsammlung wurde hier das Wieland-Museum eingerichtet (Sommerzeit Di-So 9-18, Winterzeit 9-16 Uhr).
Deutsches Nationaltheater
Eines der berühmtesten Gebäude Weimars ist das Deutsche Nationaltheater, obwohl es nicht mehr das Haus ist, in dem Goethe als Intendant Schillers Dramen oder Franz Liszt Wagners »Lohengrin« zur Uraufführung brachten. Der heutige Bau wurde 1908 eingeweiht. Hier tagte 1919 die deutsche Nationalversammlung, die der Weimarer Republik ihren Namen gab. Nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde das Theater 1948 mit der Aufführung von Goethes »Faust« wieder eröffnet.
Ein Muss für Besucher, die sich mehrere Tage in Weimar aufhalten, ist der Besuch einer Aufführung im Nationaltheater. Karten sollte man unbedingt vorbestellen (Tel. 03643/ 75 53 34 und 24 00 35).
Bauhaus-Museum
Das Museum war ursprünglich das ehemalige Kulissenhaus des Nationaltheaters. Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums der Gründung des Staatlichen Bauhauses wurde 1994/95 für die Schule auch in Weimar ein Museum eingerichtet. Die Gestaltung der Ausstellung orientiert sich an einem Bauhaus-Plakat von 1923. Die meisten Werke dokumentieren die handwerkliche Ausbildung, die dem Architekturstudium vorausgegangen war (April-Okt. Di-So 10-18, Nov. bis März 10-17 Uhr).
Nördliche Altstadt
Bertuchhaus
Den Naturwissenschaften und der Regionalgeschichte widmen sich die Sammlungen des Bertuchhauses (Stadtmuseum), das 1780 errichtet und 1803 erweitert wurde. Benannt ist es nach dem Verleger und Fabrikanten Friedrich Justin Bertuch, dem Herausgeber einer der ersten modernen europäischen Zeitschriften. In 18 Kapiteln wird in diesem Museum die Geschichte der Stadt Weimar von den ersten erdgeschichtlichen Zeugnissen bis zur Gegenwart vor Augen geführt. (April-Okt. Di-So 10-18, Nov.-März 10-17 Uhr).
Jakobskirche
Der einschiffige Barockbau wurde 1712-1717 errichtet. In der kleinen Sakristei wurde Goethe am 19. Oktober 1806 mit Christiane Vulpius getraut. Auf dem lakobsfriedhof sind auch Lucas Cranach d.Ä. und Christiane von Goethe beigesetzt; im Kassengewölbe hatte man ursprünglich auch Friedrich Schiller beerdigt.
Kirms-Krackow-Haus
Den schönsten Innenhof besitzt das Kirms-Krackow-Haus. Es beherbergt das Herder-Museum mit Gegenständen aus der Hinterlassenschaft des 1803 in Weimar verstorbenen Schriftstellers und Predigers lohann-Gott-fried Herder (Sommerzeit Di-So 9-18, Winterzeit 9-16 Uhr).
Stadtkirche St. Peter und Paul
Die Kirche war ursprünglich eine drei-schiffige spätgotische Hallenkirche und wurde 1735-1745 barock umgebaut. Sie ist nach Herder benannt, der 1776 auf Vermittlung Goethes nach Weimar kam und unter der Orgelempore beigesetzt ist. Die Kirche besitzt einen Flügelaltar von Lucas Cranach d. J. (1555). In dem Gebäude hinter der Kirche hatte Herder seine Amtswohnung (April-Okt. Mo-Sa 10-12 und 14-16, So 11-12 und 14-15, Nov.-März tgl. 11-12 und 14-15 Uhr).
Goethe-und Schiller-Archiv
Über die Kegelbrücke, eine der ersten llmbrücken, gelangt man zum Goethe-und Schiller-Archiv, dem ältesten Literaturarchiv Deutschlands. Die Archivgebäude für das 1885 gegründete Goethe-Archiv wurden 1893 bis 1896 errichtet. Hier werden über hundert Nachlässe sowie Einzelmanuskripte und Briefe von etwa 1900 Persönlichkeiten aufbewahrt, darunter Kostbarkeiten wie Hebbels Tagebücher und die Reinschrift des zweiten Teils von Goethes »Faust«.
Residenzschloss
Das Residenzschloss liegt an der lim. Brände zerstörten es 1618 und 1774. Der von Herzog Carl August veranlasste zweite Neubau war 1803 vollendet. Die Dreiflügelanlage wurde 1914 durch einen neobarocken Südtrakt geschlossen. Die klassizistischen Prunk- räume mit Festsaal und großem Treppenhaus zählen zu den bedeutendsten Europas.
Dem Schloss vorgelagert sind die Gebäude der Burg Hornstein mit einem Renaissanceportal, geschaffen 1545 von Nikolaus Gromann, und der mit einer Barockhaube versehene Schlossturm (Bastille).
Das Schlossmuseum besitzt eine Sammlung hochkarätiger europäischer Kunst von der Reformationszeit bis zum Beginn des 20.Jhs. Höhepunkte sind die Mittelalterabteilung, eine Sammlung russischer Ikonen des 15.-17. Jhs. und die Lucas-Cranach-Galerie. Schwerpunkte bilden auch die Malerei des Klassizismus und der Romantik u. a. mit Werken von Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge (April-Okt. Di-So 10-18, Nov.-März Di-So 10-16.30 Uhr.)
Park an der Hm
Der 60 Hektar große Park an der Um ist eine der Hauptattraktionen Weimars. Die Auen an der Um wurden schon ab 1778 in einen idyllischen Landschaftspark umgestaltet, der zum Verweilen einlädt.
Grünes Schloss
Die Einrichtung des Schlosses samt Bibliothek wurde durch Herzog Johann Wilhelm begründet und durch Anna Amalia der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ab 1797 hatte Goethe die Oberaufsicht über das Schloss. Die Anna-Amalia-Bibliothek umfasst etwa 850000 Bände, ihr Schwerpunkt liegt auf der deutschen Klassik. Aber auch Schriften aus dem Mittelalter wie den Weimarer Codex der »Biblia pauperum« (um 900) enthält die Sammlung. Das Gebäude wurde im 16. Jh. im Renaissancestil errichtet und 1761-1766 im Stil des Rokoko umgestaltet.
Der Blbliothekssaal (Rokokosaal) zieht sich über drei Stockwerke (April bis Okt. Mo-Sa 11-12.30 Uhr). Aus konservatorischen Gründen wird die Zahl der Besucher eng beschränkt. Es empfiehlt sich daher, die Eintrittskarte schon ab 10.30 Uhr zu kaufen (Tel. 036 43/5 45 40).
Haus der Frau von Stein
Man geht zwischen Musikhochschule und Bibliothek hindurch und kommt zum Haus der Frau von Stein. Das Bauwerk war einmal ein altes Vorwerk, später diente es den Weimarer Husaren als Stallungen. 1777 wurde es auf Goethes Vorschlag in ein Wohnhaus für den Oberstallmeister losias Freiherr von Stein umgebaut, mit dessen Frau Charlotte der Dichter befreundet war. Charlotte von Stein lebte hier bis zu ihrem Tod 1827.
Gartenhaus Goethes
Am rechten llmufer steht das Gartenhaus, das Goethe kurz nach seiner Ankunft bezog; hier schrieb er »Iphige-nie«. Das Mobiliar ist größtenteils original erhalten (Sommerzeit Mi-Mo 9-18, Winterzeit 10-16 Uhr).
Parkhöhle
Nahe dem Liszthaus © erstreckt sich im Park an der Um die aus der Goethezeit stammende Parkhöhle. Sie ist das einzige noch zugängliche Untertage-Bergbau-Objekt aus dem Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Mit etwa 200000 lahre alten Gesteinen sowie den Fossilien bietet sie Einblicke in die Geologie und Archäologie Weimars (Sommerzeit 9-12,15-18 Uhr, Winterzeit 10-12,13-16 Uhr, Mo geschl.).
Südlich der Altstadt
Bauhaus-Universität
Von hier aus über die Belvederer Allee ist man gleich bei der Bauhaus-Universität in der Geschwister-Scholl-Straße. Hier nahm das Bauhaus 1919 seinen Anfang. Ihr Gründer Walter Gropius holte bedeutende Architekten und Maler wie Lyonel Feininger, Gerhard Marcks, Paul Klee, Oskar Schlemmer und Wassily Kandinsky an die Schule. Das Hauptgebäude der Kunstgewerbeschule entstand 1904 und 1911 nach Entwürfen des Belgiers Henry van de Velde. Sehenswert sind vor allem die Treppenspirale in der Eingangshalle sowie die Wandbilder von Herbert Bayer (1923).
Historischer Friedhof
Folgt man der Geschwister-Scholl-Straße, kommt man zum Historischen Friedhof (auch Alter Friedhof). Hier sind in der Familiengruft der Fürsten von Weimar Goethe und Schiller beigesetzt (Sommerzeit Mi-Mo 9-13, 14-18, Winterzeit 10-13, 14-16 Uhr). Ob es tatsächlich Schillers Gebeine waren, die 1827 vom lakobsfriedhof (s. S. 47) hierher überführt wurden, ist umstritten. Auf dem Friedhof sind die Gräber der Familie von Goethe, von Charlotte von Stein und von Goethes Sekretär Eckermann.
Nietzsche-Archiv
Etwas stadtauswärts in der Humboldt-str. 36 ist das Nietzsche-Archiv (Sommerzeit Di-So 13-18, Winterzeit 13-16 Uhr). Hier verbrachte der Philosoph die letzten drei lahre seines Lebens bis zu seinem Tod 1900. Das Gebäude, das Henry van de Velde 1902/03 in der Fassade und im Erdgeschoss umgestaltete, ist von kunstgeschichtlicher Bedeutung. Es zählt mit der fast komplett erhaltenen Innenausstattung zu den beeindruckendsten Beispielen des Jugendstils in Deutschland. Von 1897 bis 1945 beherbergte es das Nietzsche-Archiv. Zu besichtigen sind die Bibliothek des ehemaligen Archivs mit der Nietzsche-Büste von Max Klinger sowie das Arbeits- und Speisezimmer des Philosophen.
In der Umgebung Weimars
Schloss Belvedere
Über die Belvederer Allee kommt man zum Jagd-und Lustschloss der Weimarer Herzöge, dem Schloss Belvedere (April-Sept. Di-So 10-18, im Okt. 10-16.30 Uhr). Der Barockbau mit Räumen im Rokokostil wurde 1739 fertig gestellt.
Im Schlosspark, der in den nahe gelegenen Wald übergeht, sind ein Naturtheater, der Rote Turm und die Orangerie mit Kutschensammlung zu sehen, die auch die Fahrzeuge Herzog Carl Augusts und Goethes umfasst.
Schloss und Park Tiefurt
Drei Kilometer östlich von Weimar (Busverbindung) liegt an der lim der Sommersitz der Herzogin Anna Ama-lia. Die Räume sind im Originalzustand erhalten und zu besichtigen. Im englischen Landschaftspark, der von der lim umflossen ist, kann man zahlreiche Denkmäler und Gedenksteine sowie den Teesalon besichtigen. In dieser ländlichen Idylle fand die Weimarer »Tafelrunde« ihre sommerliche Fortsetzung. Unter den Gästen waren u. a. Schiller, Herder, Wieland und Jean Paul (Sommerzeit Di-So 9-18, Winterzeit 10-16 Uhr).
Konzentrationslager Buchenwald
Der 478 m hohe Ettersberg erhebt sich 8 km nordwestlich von Weimar. Hier erstreckte sich das Gelände des Konzentrationslagers Buchenwald. Von 1937 bis 1945 wurden hier 250 000 Menschen aus 35 Ländern inhaftiert. Über 50 000 Häftlinge kamen in Buchenwald ums Leben.
Nach dem Krieg übernahm die Sowjetunion die Kontrolle über das Lager. Von 1945-1950 waren hier in dem »Speziallager 2« 28000 Menschen ohne ordentliche Gerichtsverfahren inhaftiert. Man geht davon aus, dass 7000 von ihnen den unmenschlichen Haftbedingungen erlagen.
Das Gelände des Konzentrationslagers ist nahezu unverändert erhalten, nur die Häftlingsbaracken stehen nicht mehr. Die Gedenkstätte Buchenwald in der ehemaligen Effektenkammer zeigt eine Dokumentation zur Geschichte des Lagers und eine 1999 neu gestaltete Kunstausstellung, die Arbeiten von Häftlingen aus der Lagerzeit zeigt, aber ebenso Bilder, mit denen diese das erlebte Grauen später zu verarbeiten suchten, eine in Deutschland einzigartige Dokumentation der bildnerischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Auf dem Feierplatz mit Glockenturm steht die Skulpturengruppe von Fritz Cremer (geöffn. Mai-Sept. Di-So 9.45-18 Uhr, Okt.-April Di-So 8.45-17 Uhr).