Konzepte des 20. Jahrhunderts
Das Ende des Ersten Weltkriegs brachte in weiten Teilen des westlichen Europa gleichzeitig das Ende der kompakten Stadt und die Beendigung des traditionellen Städtebaus. Dies hatte folgende Konsequenzen:
1. Das Ende der Reihenhausverbauung bedeutete das Abgehen n einem der ältesten Prinzipien des Städtebaus und die Aufgabe der traditionsreichen Elemente der Straße und des Hofes.
2. Mit dem Verzicht auf die Rasteraufschließung verschwand der Baublock als funktionsneutrales Prinzip, welches die Auswechslung der Funktionen gestattet.
3. Gleichzeitig erfolgte eine Anderung in der dritten Dimension. Das Prinzip der Traufhöhe und damit der Grundsatz einheitlicher Bauhöhenklassen in der Bauordnung wurde durch das in der Höhe elastische Prinzip der Geschossflächendichte ersetzt.
(t. Es kam zur Polarisierung zwischen Urbanisten und Vertretern einer antiurbanen Haltung; damit erfolgte die Polarisierung der Wohnformen n Hoch- und Einfamilienhaus.
5. Beide Gruppen proierten die Entflechtung und Separierung n städtischen Funktionen in der räumlichen Gliederung n Städten. Die Charta n Athen (1927) llzog die Trennung n Flächennutzungskategorien und n verschiedenen Verkehrsebenen.
Zwei neue Konzepte bestimmten den Städtebau
des 20. Jahrhunderts:
1. die Hochhausstadt und
2. die Gartenstadt als "Neue Stadt.
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte nicht den urbanistischen Großprojekten. Sehr viel mächtiger als die Bewegung der Urbanisten war die Gartenstadtbewegung, welche, n Großbritannien ausgehend, große Teile Nordwesteuropas erfasste. Sie ebbte im deutschen Sprachraum ab und wandelte sich in Frankreich zur chaotischen Urbanisierung der "pavillons, ganz ähnlich der Entwicklung an den Stadträndern in Ostmittel-und Südosteuropa.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts standen Städtebau und Stadtplanung im Westen Europas r dem Problem, die Vorgaben des sozialen Wohlfahrtsstaates mit den Interessen der zunehmend mächtiger werdenden Wirtschaft verbinden zu müssen. Damit war n rnherein ein zum Teil nicht reflektierter Zickzackkurs rprogrammiert, der sich in der Schwerpunktverschiebung n der Innenstadt zur Außenstadt und wieder zurück manifestiert.
Unter dem Leitbild einer "gegliederten und aufgelockerten Stadt kamen die Zielrgaben der Gartenstadtbewegung, der Charta n Athen und des Nachbarschaftskonzepts schon in den 1950er und 1960er Jahren als Hintergrundverständnis beim Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Städte, insbesondere der historischen Stadtkerne, zum Zug, wobei aufgrund des bestehenden Straßennetzes, der erhaltenen Anlagen des unterirdischen Städtebaus (Versorgungs- und Entsorgungsleitungen), des Parzellenbesitzes und des Wiederaufbauwillens der Bevölkerung nur mäßige Veränderungen der Stadtstrukturen erfolgt sind. Die eigentliche Zweigleisigkeit begann in den 1960er Jahren mit dem Modell der autogerechten Stadt, welche aber sehr rasch wieder mittels des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs, in Großstädten bis hin zum U-Bahn-Bau im Verein mit Satelliten- und Trabantenstädten, abgefangen wird. Schweden hat hierfür das Vorbild gegeben (Abb. 6.23).
Über Europa hinweg entstanden Großwohnanlagen unter dem Motto der Stadterweiterung, n denen einzelne inzwischen wieder abgebrochen wurden.
Kahlschlagsanierungen des Altbaubestandes waren die Kehrseite der Medaille. Die Erdölkrise n 1973 brachte eine Neubewertung historischer Stadtstrukturen, die zu ihrer Erhaltung und Aufwertung führte. Die Rückkehr zur Stadterneuerung wurde durch das Denkmalschutzjahr 1975 akzentuiert. Gleichzeitig mit dem Slogan "Urbanität durch Dichte erfolgt eine funktionelle Aufwertung der Stadtkerne durch Fußgängerzonen. Andererseits begann die Exurbanisierung und die Gründung n Shoppingcentern auf der "grünen Wiese.
Gerade die Stagnation und Abnahme der Bevölkerung in den meisten Städten bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum bot die Möglichkeit einer Verbesserung der städtischen Bau- und Infrastruktur und gestattete den Aufwand n kleinräumi-gen Lösungen. Durch die Vielzahl n Investitionen und Maßnahmen haben nicht nur historische Altstadtkerne, sondern auch andere ältere Stadtteile neue Wohn- und Lebensqualität gewonnen, selbst Müllverbrennungsanlagen erhielten ein ästhetisches Design (Abb. 6.24).
Die Konzentration auf die ung in der Innenstadt, welche n einer sozialen Aufwertung begleitet wurde, schob die räumlichen Trends, welche sich an der Peripherie llzogen, beiseite. Hierzu gehören die als "Zersiedlung gerügte und als Problem betrachtete extensive Beschlagnahme weiter Räume im Stadtumland durch Ein- und Zweifamilienhäuser in der mittleren Zone Europas ebenso wie die weiterhin anhaltende und sogar zunehmende separierte Ansiedlung n Wohnsiedlungen, Arbeitsstätten, Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen, welche durch den motorisierten Individual- und Wirtschaftsverkehr verursacht wird. Hierfür wurde n Sieverts (1997) der Begriff der "Zwischenstadt geprägt, welche Eigenschaften n Stadt und Land aufweist.
Effekte der politischen Systeme
Städte und städtische Systeme unterlagen im Westen und Osten Europas von 1945 bis 1989 den Effekten von zwei verschiedenen politischen Systemen.
Entsprechend den Grundprinzipien sozialistischer Planung und Ideologie haben die Stadt und die städtische Lebensform das Vorbild im Osten abgegeben. Stadtplanung und Städtebau waren wichtige Instrumente der zentralistischen und sektoralen Planung. Die staatliche Bautätigkeit konzentrierte sich im Wesentlichen auf die großen Städte und darüber hinaus im Zuge der massiven Industrialisierungspolitik auf die planmäßige Anlage von neuen Industriestädten.
Leitlinien des sozialistischen Weges der Stadtgestaltung waren: weiträumige Eingemeindungen, zügiger U-Bahn-Bau kombiniert mit der Anlage von "Neuen Städten. Der forcierten Industrialisierung entsprechend entstanden weiträumige Industriesektoren mit Betriebsansiedlungen im räumlichen Zusammenhang mit Eisenbahnlinien