Die Unterschiede der ökologischen Potentiale, der nationalen Agrarpolitik und der gesellschaftlichen Einbindung der Agrarbevölkerung in die Gesellschaft haben bereits r den Innovationen des 20. Jahrhunderts eine große regionale Vielfalt der Agrarwirtschaft erzeugt.
Zur Tradition im Mediterranraum gehören die Baumkulturen n Zitrusfrüchten und Oliven, der Weinbau, der extensive Weizenanbau und die Schafzucht; Agrarreformen und Bewässerungsprogramme haben r allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die landwirtschaftliche Nutzfläche zum Teil großflächig erweitert und den Anteil extensiver Nutzungen stark reduziert. Als Innovationen haben sich Glashäuser und Plastiken n den Niederlanden ausgehend r allem in Frankreich, Italien und Spanien ausgebreitet. Damit sind sie n Norden nach Süden diffundiert, umgekehrt hat die Bewässerungswirtschaft auch nördliche Staaten wie Dänemark erreicht.
Zur Tradition des mittleren und nördlichen Europa gehört die Kombination n Ackerbau und Viehzucht mit rherrschender Rinderhaltung und teilweiser Schafzucht. Auch hier sind Innovationen erfolgt: In denjenigen Zweigen der Viehwirtschaft, welche sich durch Futterzukauf m Bodenbesitz abkoppeln können und überdies n EU-Regulierungen kaum betroffen sind, wie die Schweinemast und die Geflügelhaltung, sind Größtbetriebe entstanden. In den Anbau wurden Ölpflanzen, Raps und Sonnenblumen flächig integriert. Frankreich, dessen Staatsfläche in Hinblick auf die Einwohnerzahl großzügiger bemessen ist als die der Bundesrepublik Deutschland, lässt die Spezialisierung der Betriebe klar erkennen (Weizen, Zuckerrüben, Ölpflanzen, Milchwirtschaft, Rindermast, Jungviehaufzucht, Käseerzeugung, Weinbau, Sonderkulturen für Parfumerzeugung usw).
Die Ausführungen beschränken sich auf folgende Staaten bzw. Staatengruppen:
1. Frankreich ist im Hinblick auf die landwirtschaftliche Produktion der Spitzenreiter Europas und gleichzeitig eine Drehscheibe agrarsozialer Strukturen. Die hohe Qualität der französischen Agrarstatistik belegt, dass die Förderung der Landwirtschaft eine rrangige Angelegenheit des Staates darstellt.
2. Großbritannien hat die zweite Agrarrelution begonnen. Es weist einerseits den höchsten technologischen Entwicklungsstand und gleichzeitig den niedrigsten Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft auf und hat andererseits nach katastrophalen Einbrüchen durch verschiedenste Seuchen bereits 1992 den neuen Entwicklungspfad einer stärker naturkonformen Landwirtschaft beschritten.
3. Deutschland, der Staat mit dem höchsten Entwicklungsstand der Industrie, hat mit dem Problem der kleinbäuerlichen Struktur der Agrarwirtschaft zu kämpfen, deren Zukunft ungewiss ist.
4. Die mediterranen Länder haben sehr beachtliche Intensivierungen mit einem gebietsweise durchgreifenden Kulturlandschaftswandel durchgeführt. Die historischen Strukturen der Pachtsysteme und der Latifundien sind einerseits im Auslaufen, andererseits entstehen sie in neuem Gewand wieder, wie die akzentuierte Polarisierung zwischen großen Kapitalunternehmen und kleinen Eigenbetrieben belegt. 5. Die EU-Erweiterungsstaaten werden als die schlafenden Agrarriesen bezeichnet. Die Frage lautet: Welche neuen und nicht rhersehbaren Probleme sind durch die Transformation entstanden? Abschließend wird die Frage gestellt: Welche Rolle hat die EU in dieser zweiten Agrarrelution gespielt? Sie hat hierbei, so lautet die Antwort, keineswegs nur eine instrumentale Rolle gespielt, sondern entsprechend den globalen Veränderungen dekadenspezifisch die Akzente verändert, letztlich mit der zweifachen Zielrgabe, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Agrarwirtschaft zu stärken und gleichzeitig den ländlichen Raum mit seinem multiplen Aufgabenspektrum intakt zu erhalten.
Frankreich, die agrarsoziale Drehscheibe Europas
Begünstigt durch Boden und Klima und mit einer lange zurückreichenden Esskultur setzt Frankreich die Maßstäbe für viele Agrarprodukte. Es ist der Hauptexporteur von landwirtschaftlichen Produkten in der EU und der Vorreiter der europäischen Landwirtschaft in Richtung auf professionelle Betriebe. Eine kleine Auflistung von deren Durchschnittsgrößen (2003) verrät seine Erfolgsformel für die verschiedenen Betriebstypen:
Diese professionell geführten 370.000 Betriebe benötigen im Durchschnitt 2,2 Arbeitskräfte, d.h. eine Lohnarbeitskraft zusätzlich zu den aktiven Familienmitgliedern. Unter dem ökonomischen Druck der professionellen Betriebe hat die Zahl der nicht professionell geführten kleineren Betriebe von <*00.000 im Jahr 1988 auf 220.000 im Jahr 2003 abgenommen. Bei einer durchschnittlichen Größe von 10 ha ist ihr Auslaufen in der Generationsfolge absehbar. Von den professionellen Betrieben, welche in den meisten Wirtschaftszielen zum obigen Zeitpunkt 95% der landwirtschaftlichen Produktion des Landes auf sich vereinen konnten, entfiel rund die Hälfte der Fläche auf Gesellschaften, vor allem auf Agrargesellschaften mit beschränkter Haftung (exploitations agricoles ä responsabilite limitee; EARL), die zusammen mit den Genossenschaftsbetrieben gegenüber den individuellen Betrieben kontinuierlich an Bedeutung gewinnen.
Trotz aller Bestrebungen von Seiten des Staates, den bäuerlichen Familienbetrieb zu fördern, hat sich die Tendenz zum Großbetrieb durchgesetzt.
Zu dieser Entwicklung haben mehrere Phänomene beigetragen:
1. Der ländliche Raum (mit Gemeinden bis zu 2.000 Einwohnern) ist in Frankreich mit 14,5 Mio. Menschen und einer Dichte von 3k Einw. pro qkm verhältnismäßig dünn besiedelt; der Boden ist außerhalb der Metropolen billig zu erwerben. Frankreich weist nicht nur die niedrigsten Quoten des Arbeitskräftebesatzes pro Hektar im ganzen EU-Raum auf, sondern verfügt auch über große agrare Landreserven, wenn man bedenkt, dass mindestens 10% der französischen Fläche brachliegen, darunter auch beste Böden.
2. Frankreich ist ein Staat mit früher Einschaltung des städtischen Bürgertums in den Landbesitz. Auf die inzwischen bedeutungslos gewordene "metayage im Süden wurde hingewiesen. Sie ist von einem Geldpachtsystem ersetzt worden, das in der Umgebung von Paris schon im 18. Jahrhundert zur Geltung gekommen war.
Gegenwärtig sind die großen Getreidegebiete des Pariser Beckens im Norden, ferner die So-logne, die Touraine, die Languedoc und das Bordelais Hauptgebiete städtischen Besitzes.
Auch Industrieunternehmen, wie die Zuckerfabriken im Norden Frankreichs und große Konservenfabriken, haben sich in den Grundbesitz eingeschaltet und bewirtschaften das Land über ein Großpachtsystem. Im Süden besitzen Großkellereien und Obstverwertungsbetriebe große Plantagen.
3. Schließlich gehört die französische Landwirtschaft zu den wichtigen Subventionsempfängern der EU und hat von jedem Programm profitiert. In den Departements der "grandes cul-tures ist im Jahr 2001 jeder in der Landwirtschaft Beschäftigte mit 20.000 Euro subventioniert worden! Im französischen Durchschnitt lagen die Beihilfen bei 11.600 Euro.
Aufgrund dieser "Professionalisierung hat sich die französische Farmlandschaft vereinfacht: mit den "grandes cultures im Zentrum und Norden, der Viehzucht im Westen und den Dauerkulturen im Süden.
Die Professionalisierung hat auch vor dem Weinbau nicht Halt gemacht. Der Rückgang der Zahl der Betriebe und der Weinanbaufläche hat eine höhere Spezialisierung zur Folge gehabt. Bei einer durchschnittlichen Größe von 12 ha war auch eine bescheidene Zunahme der Zahl der Beschäftigten erforderlich. Betriebe mit gemischter Wirtschaft haben mittelfristig gegenüber reinen Weinbaubetrieben außer durch Eigenvermarktung keine Marktchance.
Die Ausdehnung der Fläche der Agrarbetriebe und die EDV-gestützte Betriebsführung lassen kaum Spielraum für andere Aktivitäten. Ein ländlicher Tourismus bleibt außerhalb der landwirtschaftlichen Betriebe. Nur im Süden werden Unterkünfte angeboten.
Was ist die Kehrseite der Medaille der Professionalisierung der Agrarwirtschaft? Sie besteht in einem Rückzug aus den Bergräumen, aber auch innerhalb der Departements und Gemeinden von den jeweiligen Grenzertragsböden. Im Durchschnitt der letzten Jahre fielen rund 100.000 ha Ackerland brach, davon wird ein Drittel aufgeforstet, das Übrige bleibt ungenutzt. Es fällt an die Wildnis zurück. Pessimistische Prognosen berechnen, dass in mittelfristiger Zukunft ein Viertel des ländlichen Raumes von Frankreich vom Ödfallen bedroht ist (Primeur Agreste 76, 2000).
Die industrialisierte Agrarwirtschaft in Großbritannien
Großbritannien war der Innovator der ersten Agrarrevolution und hat auch die zweite entscheidend mitgetragen. Mit einem Anteil von 1,4% der Beschäftigten in der Landwirtschaft hat der primäre Sektor bereits die Talsohle der Entwicklung erreicht. Dazu kommt ferner, dass in Großbritannien sehr häufig mehrere Farmen zu einer nach übergeordneten Gesichtspunkten organisierten Betriebseinheit, der Company-Farm, zusammen-gefasst sind.
Großbritannien war im späten 19. Jahrhundert ein Land der Pächter, und noch 1970 war die Beschäftigtenstruktur der Landwirtschaft zu 70% von Landarbeitern und 20% von Pächtern bestimmt. Mit der weiteren Reduzierung der Zahl der landwirtschaftlich Beschäftigten sind Verschiebungen eingetreten: 2002 wurde nur mehr ein Drittel der Fläche als Pachtland ausgewiesen, das infolge steigender Rentenbeträge in langsamem Abnehmen begriffen ist.
England ging in der Freihandelspolitik voran: Chartismus und Anti-Corn-Law-League setzten 18<+6 die Abschaffung der Getreidezölle durch. Als Folge davon begann eine Umstrukturierung der Landwirtschaft vom Ackerbau zur Viehwirtschaft.
Diese generelle Tendenz wurde durch die beiden Weltkriege unterbrochen. Großbritannien ist nichtsdestoweniger bis heute aus der Importabhängigkeit trotz aller gegensteuernden Kommissionen nicht herausgekommen und muss ein Drittel der Grundnahrungsmittel einführen.
Mit bedingt durch den institutionellen Landbesitz von Kirche, Krone, Grafschaften und National Trust ist die Landwirtschaft in Großbritannien am stärksten von ganz Europa marktwirtschaftlich geprägt. Das bestimmt auch das Handeln der Farmer. Defra (Department for Environment, Food and Rural Affairs) versucht, den Farmern beim Überleben zu helfen. Dementsprechend haben laufende betriebswirtschaftliche Berechnungen in der Agrarstatistik oberste Priorität.
Infolge des Fehlens des Bauerntums kontinentaleuropäischer Prägung fehlen auch, abgesehen von den Randgebieten der Gebirgsräume, Bauernhausformen, vielmehr haben vor allem die Großpächter schon sehr früh rein städtische Wohnhausformen übernommen.
Neue Entwicklungen sind einerseits durch die spezifische britische Sichtweise bezüglich des landlichen Raumes und andererseits durch die Ausrichtung auf EU-Zuschüsse bedingt.
1. Durch die Vorbildwirkung der Gartenanlagen von Schlössern und Landsitzen, von denen viele vom National Trust instandgehalten und für die Freizeitgesellschaft vermarktet werden, für den britischen Eigenheimbesitzer weist Großbritannien im Gartenbau eine international führende Position in Forschung und Entwicklung auf, die in weiterem Ausbau begriffen ist.
2. Die Freizeit- und Tourismusindustrie gibt den Farmern neue Möglichkeiten. Rund 7% von ihnen bieten, unterstützt vom Internet, Unterkünfte und verschiedenste Produkte an.
3. 1998 wurde mit der Entwicklung von Farmermärkten begonnen. 2003 gab es bereits 400, welche von 25.000 Farmern beschickt und hauptsächlich von Familien und Rentnern besuchtwurden.
Getragen von der Finanzierung durch die EU haben sich nach der Phase der Beseitigung von Hecken und Rainen in den 1960er Jahren eine Generation später mit dem Programm 1992 rund 25.000 Farmer an einem Wiederherstellungsprogramm beteiligt. Es wird geschätzt, dass die Farmer seither über 1,5 Mio. Stunden im Jahresdurchschnitt aufgewendet, mehr als 87 Mio. Bäume gepflanzt und 23.000 km Feldraine und Hecken wieder hergestellt haben.
Ebenfalls unter EU-Förderung hat die britische Landwirtschaft zunehmend mit dem Anbau von Ölpflanzen für Biosprit begonnen, wobei als Zielvorgabe eine Ausweitung auf ein Fünftel der Ackerfläche angestrebt wird.
Die europäische Kleinbauernfrage -
Es ist erstaunlich, dass der Sektor der Landwirtschaft in Hinblick auf Siedlung, Flurformen und Wirtschaftsweise von der besonders dynamischen Industrialisierung Deutschlands bis an die Schwelle der Gegenwart nahezu unbeeinflusst geblieben ist.
Hinzuweisen ist auf die Schutzzollpolitik im späten 19.Jahrhundert, durch welche die Konfrontierung mit der internationalen Konkurrenz unterblieb. Die Krisenjahre der Zwischenkriegszeit haben zur Konservierung einer traditionellen Agrarstruktur beigetragen, welche dann im Zeichen der Blut-und-Boden-Politik des Dritten Reiches noch den Glorienschein kultureller Tradition erhielt. Erst die Nachkriegsjahre mit den steigenden Einkommensdisparitäten zwischen landwirtschaftlichen und außerlandwirtschaftlichen Einkommen haben die Kleinbauernfrage erneut zum Gegenstand agrarpolitischer Diskussionen gemacht.
Sind es doch zum Unterschied von der ökologisch viel günstiger gestellten französischen Landwirtschaft nicht nur die ökonomischen Konkurrenzprobleme mit den leistungsfähigeren größeren Betrieben, sondern vor allem auch die ökologischen Begrenzungen, welche im Zeichen internationaler Konkurrenz verschärft zur Geltung kommen. Ebenso wie im spätmittelalterlichen Wüs-tungsprozess erweisen sich die kargen Böden der Mittelgebirge als echte Barrieren gegen eine Ertragssteigerung. Auch hochgelegene Schichtstufenflächen, wie die Schwäbische Alb, zählen zu den Räumen, deren Eignung für die Landwirtschaft heute in Frage gestellt wird. Noch herrscht Unsicherheit über das künftige Ausmaß der Exten-sivierung, ebenso über die Maßnahmen, um ihr zu begegnen. Sollen vom Staat aus der Nutzung ausgeschiedene Agrarflächen in große Pools eingebracht, aufgeforstet oder einer Erholungsfunktion der städtischen Bevölkerung zugeführt werden? Es geht hier nicht nur um die Frage der ökologischen Grenzräume, sondern auch der ökonomischen Grenzexistenzen. Wo soll man die Obergrenze für einzelne Betriebsgrößen ansetzen, wenn sich doch zeigt, dass mit steigendem Einkommen der nichtagrarischen Bevölkerung die Grenzen sich immer weiter nach oben verschieben und demnach eine immer breitere Zahl von Betrieben in die Sparte der Grenzexistenzen zu liegen kommt? Kommassierungen und Förderung von Betriebsaufstockungen sind nur spärliche Tropfen auf einen heißen Stein - finanziell zu spärlich bemessene Maßnahmen, als dass der Prozess dadurch entscheidend beschleunigt werden könnte. Die Befürchtung des Aussterbens ganzer Dörfer wegen Überalterung der Betriebsinhaber besteht sicherlich in allen Gebieten zu Recht, in denen nicht die Möglichkeit des Ausweichens in die Doppelexistenz des Arbeiterbauern gegeben ist. Dieser zählt zur Tradition der Realteilungsgebiete Südwestdeutschlands. Auch seine Zukunft wird skeptisch beurteilt: Ist er nur ein Durchgangsstadium im Auflösungsprozess der Landwirtschaft? Führt er in einem Seitenast zur Hobbylandwirtschaft hin oder kann er bei entsprechend bescheiden bemessener Betriebsgröße auch als ein Stabilisierungsfaktor dienen?
Drei Fakten charakterisieren die gegenwärtige Situation der Agrarwirtschaft:
Im früheren Bundesgebiet hat der Strukturwandel zu einer wachsenden Konzentration der landwirtschaftlichen Produktion in immer weniger Betrieben geführt. Die insbesondere durch Betriebsaufgaben verfügbar gewordenen Flächen wurden von den verbleibenden Betrieben vor allem über Pachtverträge zu Flächenaufstockungen genutzt. Der Pachtflächenanteil an den bewirtschafteten Flächen hat daher kontinuierlich zugenommen. Er lag 1999 bei rund 50% (5,8 Mio. ha LF)! Nur 49% (5,7Mio.ha LF) waren Eigenflächen der Bewirt-schafter. Dabei werden vorwiegend Einzelparzellen und nicht ganze Betriebe verpachtet. In den neuen Ländern lag der Pachtlandanteil 1999 bei rund 90% (über 5 Mill.ha LF).
Zweitens sind bereits mehr als die Hälfte der Betriebe Nebenerwerbsbetriebe, und drittens ist bei den Vollerwerbsbetrieben nur bei rund 30% die Hofnachfolge gesichert. Die agrarpolitische Situation in der BRD wird ferner durch die Dreiteilung der Problematik in Anerbengebiete, Realteilungsgebiete und Gebiete mit in Privatisierung begriffenen ehemals kommunistischen Staatsbetrieben überschattet.
Frankreich hat sich für die professionelle Landwirtschaft als zukunftsträchtiges Modell entschieden, Großbritannien geht unter ungünstigeren ökologischen Bedingungen einen ähnlichen Weg. Die deutsche Agrarpolitik steht vor der schwierigen Aufgabe, mit der Regionalisierung durch die föderalistische Struktur des Staates fertig zu werden.
Die mediterranen Agrarsysteme
Auf das historische Erbe des Bodenrechts und der Eigentumsverhältnisse wurde eingegangen. Der Gegensatz zwischen sehr kleinem und sehr großem Bodeneigentum hat sich im Zuge der dynamischen Modernisierung der Agrarwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht geändert.
Ebenso ist es nicht gelungen, den Bedarf an Grundnahrungsmitteln vollständig zu decken, auch wenn sich anstelle der traditionellen Getreide-Brachwirtschaft ertragreichere Fruchtfolgen durchgesetzt haben.
Die Bewässerungswirtschaft konnte in allen mediterranen Staaten durch technische Innovationen bedeutende Flächengewinne und Leistungssteigerungen erzielen. Ohne kräftige staatliche und EU-Subventionen wäre allerdings der erforderliche Aufwand an technischer Infrastruktur, an Pumpstationen, Fernwasserleitungen usw. nicht möglich gewesen. Inzwischen sind die Schattenseiten der Bewässerungswirtschaft nicht zu übersehen, durch welche gerade aufgrund des hohen Modernisierungsgrades die physischen Grundlagen durch Chemisierung, Bodendegradierung, Vegetationszerstörung und Übernutzung des Grundwassers gefährdet werden (Wagner 2001, S. 280).
Der Umwandlungsprozess hat vor allem die traditionellen Mischkulturen betroffen und durch Monokulturen ersetzt. Terrassenäcker wurden beseitigt, Geländekanten eingeebnet. Als neue Betriebstypen haben sich in Italien der Weinbau-Oliven-Betrieb und der Getreide-Viehzucht-Betrieb herausgebildet. Die reizvollen Landschaftsbilder Mittelitaliens, wo der Kleinbetrieb in der klassischen Form der "coltura mista häufig mit der VN- leggiatura verbunden war, sind nur mehr in abgelegenen Gebieten zu finden.
Während die Latifundie traditioneller Art als Getreidemonobetrieb ebenfalls nur noch in entlegenen Gegenden Unteritaliens vorkommt, hat sich der zweite traditionelle Typ der großen Baumplantagen, die Olivenkulturen und die Korkeichenkulturen, erhalten. Auf die Ausweitung der Olivenkulturen mit EU-Mitteln und die Verbindung mit der Bewässerungswirtschaft wurde hingewiesen.
Die bewässerte Großackerkultur (la grande cul-ture) hat im Einzelnen unterschiedliche Formen. Sie tritt in Andalusien in Form von großen Höfen, den Cortijos, auf, hat aber ihr Hauptverbreitungsgebiet in der Poebene, wo eine vielfältige Spezialisierung auf Schweinemast, Milcherzeugung, Reisbau und Obstbau eingetreten ist. Diese großen Pachthöfe verdanken ihre Entstehung den Etappen der Drainage der Poebene, mit der die lombardischen Städte schon im späten Mittelalter begannen. Die alten großen Höfe im Umland von Mailand gehen darauf zurück. Die nächste große Periode der Meliorierung der Poebene verbindet sich mit dem späten 19. Jahrhundert, als unter Cavour nach der Einigung Italiens die Landgewinnung zu einem wichtigen innenpolitischen Anliegen gemachtwurde.
Die agrarpolitische Situation des Mediterranraumes, vor allem Italiens und Spaniens, ist aus den Besitzverhältnissen erwachsen, aus den Diskrepanzen zwischen der Akkumulation des Landbesitzes in der Hand von wenigen Familien - so besaßen in Spanien im Jahr 1980 12.000 Familien 40% des Bodens - und den Heerscharen der landlosen Arbeiter, von denen überdies, wie in Spanien, nur 50% als Saisonarbeiter unterkommen können.
In Spanien ist über diesem Problem 1936 der Bürgerkrieg ausgebrochen und mit seinem Ende sind die bereits früher entwickelten Programme abgebrochen worden. Es gibt in Spanien bis heute keine Agrarreform, sondern nur eine Agrarkoloni-sation, d.h., bisher ungenutzte Räume werden vom Staat, meist auf dem Wege über Bewässerungsbau, nutzbar gemacht.
Als Resultat konnte man bereits in den 1980er Jahren auf die Neugründung von 112 Dörfern verweisen. Durch die vor allem am Südfuß der Pyrenäen angelegten Staudämme hat man einerseits die Elektrizitätsversorgung der nordspanischen Industrie und andererseits die Bewässerung großer Flächen erzielen können. Insgesamt wurden damals bereits 1.174.000 Hektar Land ständig bewässert. Das Problem der Latifundien ist mit diesen Programmen nicht angetastet worden.
Anders ist die italienische Situation, und zwar aufgrund der Bodenreformen, die nach dem Stand von 1965 8,5Mio. ha, d.h. 29% der landwirtschaftlichen Fläche betroffen haben. Die Wurzel dieser Landreformen geht bereits auf die Zeit von Mussolini zurück. Inzwischen sind verschiedene Landreformagenturen als regionale Gebietskörperschaften gegründet worden, wobei die Schwerpunkte im Süden liegen (in Apulien, Kalabrien, aber auch auf Sizilien und Sardinien).
Vor allem in den Niederungen wurde ein groß angelegtes Werk der Bonifikationen begonnen. Insgesamt wurden 2.800.000 Hektar Sumpfland kultiviert, 23.000 km Kanäle gebaut und 500 Pumpstationen eingerichtet. Auf dem so gewonnenen Land wird heute ein Viertel der landwirtschaftlichen Produktion Italiens erzeugt. Im Vergleich zu den Niederungsgebieten sind im Verhältnis dazu die Berggebiete vernachlässigt worden. Erst 1954 begannen in Kalabrien erste Schritte in diese Richtung. Ziele des ganzen Unternehmens waren:
1. Ertragssteigerung und
2. Ansiedlung von Kolonistenbauern.
Zum Unterschied von Spanien wurde der lockeren Streusiedlung der Vorzug gegeben. Ein Problem überschattet bis heute die gesamte Kolonisationsbewegung, nämlich der kleinteilige Zuschnitt der Siedlerstellen mit nur fünf Hektar Land. Die neuen Kolonisten hatten daher große Schwierigkeiten, mit den bereits etablierten, alten Betrieben zu konkurrieren. Alles in allem stellten auch diese Agrarprogramme keine echte Lösung für den Süden dar. Im Ganzen hat somit die Agrarreform am traditionellen Nord-Süd-Gefälle agrarwirt-schaftlicher Nutzung in Italien kaum etwas geändert.
Kollektivierung und Transformation in den EU-Erweiterungsstaaten
Die agrarökonomische Struktur der meisten Staaten, so vor allem der ehemaligen DDR, CSSR, Ungarns und Teilen Polens, Jugoslawiens und Rumäniens war vor der Kollektivierung durch zwei Typen gekennzeichnet: einerseits Gutsbetriebe und andererseits Dörfer mit kleineren oder größeren bäuerlichen Betrieben. Im Laufe der schrittweisen Kollektivierung entstanden zum Teil Wohnblöcke neben den alten Bauerndörfern, deren leer stehende Scheunen und Ställe in den Staaten mit massiver und zügiger Kollektivierung und späterer Umwandlung der Kolchosen in Staatsgüter verfallen sind. Raine, Hecken und Terrassenstufen wurden bei der Zusammenlegung der Fluren eliminiert und dadurch gebietsweise flächige Bodenerosion ausgelöst.
Bei dieser Kollektivierung ist Bulgarien mit seinen Großdörfern vorangegangen. Im Jahr 1989 wurde dieses Land, das l9Mt noch über eine Million Bauernbetriebe zählte, von rund 900 Staatsgütern bewirtschaftet. Im Gegensatz dazu konnte sich Polen ungeachtet seiner Grenznachbarschaft zu Russland der Kollektivierung entziehen. Vor allem in Kongresspolen haben die Kleinbauernbetriebe nicht nur weiter bestanden, sondern die Zahl der Agrarbevölkerung und der Kleinbetriebe hat sogar zugenommen!
Eine differenzierte Politik hat Jugoslawien betrieben. Große Teile der Berggebiete und des Karstes Sloweniens, Kroatiens, Bosniens, Serbiens (Abb. 7.33) und Montenegros haben bäuerliche Siedlungs- und Besitzstrukturen unverändert bewahrt, während die Ebenen längs der Save und Donau, die Beckenräume Serbiens und Mazedoniens in den Besitz von Staatsgütern übergeführt wurden. In den anderen Staaten wurde jedoch die Kollektivierung auch in den Gebirgsräumen durchgeführt, damit auch Kulturland aufgegeben und zum Teil aufgeforstet. In Ungarn und Rumänien (Abb.7.3^) blieb Kleinbesitz von einem halben Hektar gestattet. Dieses private Hofland wurde mit außerordentlicher Intensität bewirtschaftet und hatte in der kommunistischen Zeit durch Kleintierhaltung, Obst- und Gemüsebau große Bedeutung für den Markt und eine Pufferfunktion zur Überwindung von Engpässen in der Versorgung. Nach Schätzungen wurden in Ungarn 30-Wj% des Bedarfes an Geflügel, Eiern und Obst auf diese Weise gedeckt.
Auf gewisse gemeinsame Konsequenzen in Hinblick auf die betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen der Kollektivierung, wie die starke Betonung der Milchwirtschaft, des Hackfruchtanbaus und der Schweinehaltung, wurde bereits hingewiesen. Nach dieser ersten Etappe in den 1960er Jahren wurde in Abhängigkeit von den ökologischen Möglichkeiten den Sonderkulturen besondere Bedeutung geschenkt. In diesem Zusammenhang ist die Anlage von großen Wein- und Obstplantagen in Ungarn in bisher nur extensiv genutzten Gebieten zu nennen. Zweifellos an erster Stelle in Bezug auf die Intensivierung stand Bulgarien. Anknüpfend an die schon in osmanischer Zeit in einzelnen Gebieten bestehenden Bewässerungsoasen hat Bulgarien den Bau von Bewässerungsanlagen in großem Maßstab vorangetrieben. Hand in Hand damit ging die Errichtung von Glashäusern für Frühgemüse, vor allem Tomaten, ebenso aber auch die Neuanlage von Obstplantagen (Pfirsich), die Errichtung von Konservenfabriken, Fabriken für Verpackungsmaterial, eigenen Lastwagenstationen und einer entsprechenden Organisation der Vermarktung. Großflächiger Anbau von Baumwolle, Sonnenblumen und Tabak nützte gleichfalls die Möglichkeiten eines randmediterranen Klimas. Gerade Bulgarien kann als ein Beleg dafür verwendet werden, dass es nur aufgrund des staatlichen Kapitaleinsatzes möglich war, eine derartige Intensivierung der Agrarwirtschatt durchzuführen und eine exportorientierte Agrarwirtschatt aufzubauen.
Die Transformation ist in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich abgelaufen. Die Gesamtzahl der Betriebe, nämlich ca. 9,2 Mio. mit einer Durchschnittsgröße von 5 ha verdeckt auf der einen Seite die beachtlichen nationalen Unterschiede, gibt jedoch andererseits zu erkennen, dass es sich beim Großteil der nach der politischen Wende entstandenen Betriebe um Subsistenzbetriebe handelt, auf die rund ein Viertel der landwirtschaftlichen Fläche entfällt.
Ebenso wurden viele über Hausäcker verfügende Hofstellen als landwirtschaftliche Betriebe verzeichnet (wenn auch nicht in allen Staaten). Tabelle 7.1 im Anhang gibt die von der Expertenkommission ermittelten Ziffern über Zahl und Prozentanteile der Betriebstypen sowie Betriebsgrößen der EU-Erweiterungsstaaten vor dem Beitritt an.
Die Spannweite in Betriebsgrößen und Betriebstypen übertrifft die EU-15-Staaten bei weitem. Mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 2ha und über^Mio. Kleinstlandwirten ist Rumäniens Landwirtschaft heute weitgehend bloße Subsistenzwirtschaft. Andererseits haben Tschechien und die Slowakei die großbetriebliche Struktur beibehalten und übertreffen mit einem Flächenanteil von 93 bzw. 96% der Betriebe mit mehr als 50 ha die industrialisierte Landwirtschaft von Großbritannien ganz wesentlich. Die großblo-ckige Flur aus der Zeit der Kollektivierung wurde nicht verändert. Abgesehen von wenigen Staaten wie Slowenien und Litauen, in denen Großbetriebe über 50 ha flächenmäßig nicht ins Gewicht fallen, besteht eine Dualität der Betriebsgrößenstruktur von Kleinstbetrieben und Großbetrieben von Genossenschaften und kommerziellen Unternehmen.
In den EU-Erweiterungsstaaten sind im Zuge der Transformation die Nutzviehbestände drastisch verkleinert worden. Die Ursachen liegen in der verringerten Nachfrage nach Fleisch und Fleischprodukten aufgrund rückläufiger Realeinkommen sowie in der Umgestaltung großer Staatsbetriebe. Die Landwirtschaften der Beitrittsländer haben eine ganze Reihe von Anpassungsproblemen. In einer Zwischenetappe, in der sich alle Staaten befinden, ist bei steigender Arbeitslosigkeit mit einer weiteren Re-Agrarisierung zu rechnen.
Das eingangs gebrachte Bild von Osteuropa als schlafendem Riesen bedarf einer Revision. Der Transformationsprozess ist nationalen Wegen gefolgt, einheitliche Entwicklungen sind daher auch in mittelfristiger Zukunft nicht zu erwarten: Zu unterschiedlich sind die derzeitigen nationalen Strukturen und der gesamte Entwicklungsstand in Hinblick auf das Veterinärwesen, den Pflanzen-und Tierschutz, die Hygiene der landwirtschaftlichen Produktion sowie in der Weiterverarbeitung und Vermarktung der Produkte.