REFERAT-MenüArchaologieBiographienDeutschEnglischFranzosischGeographie
 GeschichteInformatikKunst und KulturLiteraturMarketingMedizin
 MusikPhysikPolitikTechnik

Sechs Tage Nürnberg

Sechs Tage Nürnberg

Nürnberg - das ist nicht nur Altstadt, Kaiserburg, Christkindlesmarkt, Lebkuchen und Albrecht Dürer. Spaziergänge und Radtouren außerhalb der dicken Mauern führen in reizvolle Winkel und lebendige Stadtteile wie St. Johannis und Gostenhof, um den Wöhrder See, von der Pegnitz zum Tiergarten und natürlich auch in die traumatische rgangenheit, zum Reichsparteitagsgelände.

Nürnberger Urteile -rsuch einer Annäherung

»Nürnberg ist die schönste Stadt, die ich je gesehen habe; sie ist in ihrer Ganzheit ein wahrhaftiges Kunstwerk«, urteilte der österreichische Dichter Adalbcrt Stifter 1865 enthusiastisch. Wolfgang Koeppens Urteil rund 100 Jahre später, nach einem Krieg allerdings, der das »Schatz-käsllein des Reiches« in Grund und Boden gebombt hatte, fiel wesentlich nüchterner aus: »Nürnberg nun eine Stadt wie jede andere in der Bundesrepublik, ein Aufbauwunder wie überall.« Anerkennung zollt er zwar der ungeheuren Energieleistung ihrer Bewohner, die sie aus den Trümmern wieder auferstehen ließ, aber ist sie damit für die Zukunft gerüstet? Nur bedingt, merkte 1998 der Journalist und Nürnberg-Fan l'eler Sartorius an, denn zu sehr baue man aufs Lebkuchen-Image. Einst eine Art höchst innovatives Silicon Valley, präsentiere man sich nun »mit Spitzgicbeln und Satteldächern und damit gewissermaßen mit Zipfelmütze«.



Es braucht nicht viel, um das Selbstbewusstsein dieser Stadt zu erschüttern, die wegen massiver Iden-titätsproblcme auf Kritik zuweilen überempfindlich reagiert. Warum? Blenden wir zurück. Im Jahr 1797, die Französische Revolution wirbelte die alten feudalen Strukturen durcheinander, trat ein ehemals Erlanger Student namens Wilhelm Heinrich Wackenroder eine folgenschwere Lawine los: »Nürnberg! du vormals weltberühmte Stadt! Wie gerne durchwanderte ich deine krummen Gassen; mit welch kindlicher Liebe betrachtete ich deine altväterlichen Häuser und Kirchen, denen die feste Spur von unsrer alten vaterländischen Kunst eingedrückt ist.« Damit den Nerv der Zeit treffend, löste er den ersten nennenswerten Nürnberg-Tourismus aus. Die intakte Reichsstadt-Kulisse bot sich samt einer glorreichen Vergangenheit als Symbol für all die unerfüllten nationalen Sehnsüchte inmitten einer trostlosen Gegenwart geradezu an.

Als Salier-Gründung, beschirmt von einer Slauferburg, »heimliche Hauptstadt« Ludwigs des Bayern, von Karl IV. als »fürnemste und basz geligeste sladt des reiches« zum Schauplatz jedes ersten Reichstags eines neuen Herrschers, von Sigis-mund als »ewiger Aufbewahrungsort« der Reichskleinodien bestimmt, erfüllte sie alle Voraussetzungen zur Glorifizierung. Vor ihren Toren kreuzten sich Europas Fernstraßen, Patrizierdynastien spönnen überallhin Handelsfäden, besaßen ein Kurier- und Nachrichtensystem, das auf Kursschwankungen blitzschnell reagierte - nur nicht auf die Signale des Untergangs. Als hier präzisierte nautische Instrumente den Seeweg nach Indien fanden, verödeten die Landwege, ging die Führungsposition im Transithandel verloren. Kriege dezimierten die Finanzkraft, Seuchen die Bürgerschaft. Agonie zuletzt, ein Tod auf Raten.

Und in dieser Situation, kurz bevor das Schwungrad der Industrialisierung eine neue Entwicklung antrieb, entdeckten die Romantiker das alte Gesicht dieser Stadi, blickten hinter Butzenscheiben, stöberten in vergilbten Folianten, verloren sich in Winkeln, steilen Gassen, bewunderten Giebel, Fachwerkhäuser, steinerne »gotische Paläste« (Joseph von Eichendorff), Kirchen, die Burg der allen Kaiser. Künstler, Literaten, honorige Bürger, Burschenschafter schlössen sich dem Pilgerzug an, zurück zu den »Bildungen jener Zeit, die eine so derbe, kräftige und wahre Sprache führen« (Wackenro-der). Albrecht Dürer, I lans Sachs und Veit Stoß wurden zu nationalen Heroen hochstilisiert. Söhne einer urdeuts:heni Stadt.
Einer der Wallfahrer, ein gewisser Richard Wagner, schrieb später die komische Oper Die Meistersinger von Nürnberg!, die - voll trendy -schon bei der Premiere ein Riesenerfolg war. Die Saat ging auf, als sich Wagners humorloser Verehrer Adolf I litlcr bei der Wahl zur i Stadt der Reichsparteilage nicht zuletzt auf den nationalen Nimbus berief. Während aber München das Etikett einer iStadt der Bewegung längst abstreifen durfte, klebt an der fränkischen Metropole, auch dank der Nürnberger Gesetze und der Nürnberger Prozesse«, das Negativimage lest. Schwer, unter solchen Bedingungen eine normale Identität zu finden. Zu viel haben die Braunhemden kaputtmarschiert (s. Sechs Tage Nürnberg 107).

Dies ist keine glatte, keine gestylte Stadt, sie hat Brüche und Verwerfungen, zahlreiche zum Teil schlecht verheilte Narben, aber gerade das laszinierl an ihr. Wenn man nur ihr liebevoll konserviertes, mittelalterliches Bild goutiert, ausschließlich die Bratwurst- und Lebkuchendüfte der Altstadt einatmet, dann erfährt man einen Bruchteil von ihr. Dafür genügt ein Tag. Verlässt man aber die Touristenpfade, hin zu verborgenen Schätzen, reicht das nicht aus. Denn sie ist eine alte Dame, keine Primadonna mehr, etwas spröde, sie braucht Geduld, Zuwendung und Zeit. Zeit zum Beispiel für die quicklebendigen Viertel außerhalt) der Mauern wie Goslenhof und St. Jo-hannis. Dort findet man den »jugendlichen Look«, den Peter Sartori-us zu Unrecht vermisste.

Dennoch soll ein ehrwürdiger Patriarch das Schlusswort dieses Kapitels sprechen: »Es war und bleibt ein interessanter Ort und, wer die alten, unherstcllbarcn Zustände nicht gerade zurückfordert, sondern sich an ihren Reliquien erbaut, der wird sich in dem neuen Leben auch wohl befinden.« (J). W. von Goethe, 1812)


Schnupperkurs für einen Tag: Altstadt und Burg

Den Hauptbahnhuf (1) konnte Goethe nicht meinen, dessen neubarockes Gesicht die DB unpünktlich mitten im 950-jährigen Stadtjubiläum auf postmodern liftete, wobei Bruno Pauls Jugendstil-Restaurant nach massiven Protesten wenigstens als Reisezentrum bewahrt wird, jenseits der breiten Ringstraße gerät aber dann die erste Reliquie ins Visier. Als eine für eine Großstadt wohl einzigartige Kulisse umhüllt die aus dem 14./15. jh. stammende letzte Stadtbefestigung bis heute großenteils den alten Kern. Nach dem Zusammcnschluss der beiden Stadthälften Scbald und Lorenz im frühen 14. jh. wurden unter Verwendung bereits existierender Tore, wovon im Zentrum noch der Weiße Turm und der Laufer Schlaglurm zeugen, die bisher getrennten Wehr-gürtel vereinigt. Das junge Gemeinwesen ließ sich aber nicht lange an eine kurze Kette legen, sondern leistete sich mit Erweiterung seines Terrains ein komplett neues, hochmodernes Verteidigungssystem.

Nie erstürmt, überstand es die Katastrophe des 2. Januar 1945 nicht ohne Blessuren, als die Allstadt in Trümmer fiel. Die sieben bis acht Meter hohe Stadtmauer ist noch immer stattliche 3,8 Kilometer lang (ehemals 5 km), der Trockengraben weitgehend erhallen und, von Fuß- und Radwegen durchzogen, zur Grünanlage entmilitarisiert. Von ursprünglich ca. 130 Türmen stehen noch 71, die alle auf vielfältige Weise genutzt werden. Vereine tagen darin, Studentenverbindungen wissen das romantische Flair zu schätzen, Künstlerorganisationen sind sie Quelle der Inspiration und aufgrund alter Mietrechte dienen sie gar Familien als Heimstatt.

Hätte sich der Rat, als König Ludwig II. im Jahr 1866 dem Ersuchen um Aufhebung des Festungscharakters stattgab, auf den Vorschlag des Nürnberger Ehrenbürgers Lothar von Faber eingelassen, nach dem Vorbild anderer Städte den nun nutzlosen Wehrgürtel zu Gunsten einer Prachtslraße entlang neuer repräsentativer Bauten abzutragen, wäre die Welt um ein Kulturdenkmal ärmer. Nicht zuletzt aber wegen der romantischen Aura, die Nürnberg inzwischen umgab, begnügte man sich mit Korrekturen, lenseits des Mauerrings waren im Zuge der Industrialisierung neue Viertel mit veränderter Bevölkerungsstruktur entstanden. Diese galt es besser anzubinden, als es die zum Ende der Festungsära eingefügten Tore erlaubten. Daher riss man sie kurzerhand wieder ab und schlug Schneisen in die Nord- und Südstadt.

Altbestand ist hingegen der Frau-entorturm gegenüber dem Hauplbahnhof, einer von vier mächtigen dicken Türmen, die dem Weichbild solch markante Akzente setzen. Mit Ausnahme des Tiergärtnertors am Fuße der Burg wurden die spätgotischen Viereck-Türme an den neuralgischen Haupteingängen - also auch Laufer Torturm, Neutorturm und Spittlerlorturm - im 16. )h. zum Schulz gegen neue Militärtechniken mit massiven Quadern rund ummantelt. Wählen wir also, nach kurzem Untertauchen in den Untergrund des Hauptbahnhofs, dem Schild Waffenhof folgend, über eine Holzbrücke links des Frauentorturms den historischen Einlass in die Stadt, unter den wachsamen Augen des Reichsadlers, der das Wappen über der Pforte des vorgesetzten Schraubenturms schmückt (Weihnachten bis Mitte März geschlossen!. Auf dem Gelände des Waffenhofs hat sich, zunächst nur für die Dauer des Dürerjahrs 1971 gedacht, der Handwerkerhof mit Kunsthandwerks-, Souvenir- und Lebkuchenbuden samt Gastronomie eingenistet. Auch bei Einheimischen umstritten, feiert hier das Zipfelmützen-lmage fröhliche Urständ und inzwischen gelegentlich auch Sommerfeste.

Die Königstraße, eine der quirligen Einkaufsmeilen der Lorenzer Stadt, lässt den Mittelalterspuk rasch vergessen. Ein ganz realer, bundesweit beachteter Spuk spielte sich im 1910 errichteten Künstlerhaus/K4 (3) ab, 1973-97 als KOMM eines der überaus lebendigen Kinder des Kulturreferenten Hermann Glaser (s. Sechs Tage Nürnberg 217). Als 1981 nach einer Demo ein paar Randalierer Schaufenster einwarfen, stürmte die Staatsgewalt das Kommunikationszentrum, sammelte die Besucher wahllos ein und hielt sie wochenlang in Gefängnissen fest Vom Konzept des nun wieder u. a. zu Kunsthaus, Gate und Fränkischer Galerie restaurierten Gebäudes bleibt dem zuletzt ungeliebten KOMM für Ausstellungen und Bildungsarbeit ein stark reduzierter Bereich und das Kürzel K4. In ein gläsernes Kntree, das ab 2001 den im Krieg zerstörten Kopfbau ersetzt, zieht die Tourist Information ein.

Ende 1999 wurde auf dem Hallplatz die Gedenkstätte 'Flucht und Vertreibung' enthüllt, die die Staatsregierung den widerstrebenden Bürgern unbedingt schenken wollte. Joachim Bandaus Kupfertor, deichen der I loffnungt, kombiniert mit einer Bodenplatte als »Projektionsfläche zurückliegenden Schicksals, sorgte wegen befürchteter nationalistischer Untertöne für Kontroversen. Wenn schon, so die Kritik, dann müssten weltweite Fluchtbewegungen thematisiert werden.

Noch ist es vielleicht zu früh, im riesigen Kellergewölbe der Mauthalle (4) bei zapffrischem Bier der Barfüßer-Hausbrauerei hängen zu bleiben. Das der Heilig-Geist-Spital-Stiftung gehörende Gebäude wurde 1498-1502 von Hans Beheim d. Ä., dem Leiter des kommunalen Bauwesens, »auf dem Graben vor St. Lorcnzen« als Kornhaus errichtet.

Signifikant für den Nürnberger Pragmatismus, schüttete er den Graben der vorletzten Stadttefestigung nicht etwa zu, sondern bezog ihn als Kel-lergewölbc in das Bauwerk mit ein. Die Kornhäuser, auch das Unschlitt-haus und die Kaiserstallung der Burg sind Schöpfungen Beheims, hatten in Krisenzeiten die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Von der Vorratsfülle ungeheuer beeindruckt, soll Kaiser Karl V. während des Reichstags 1541 angeordnet haben, aus 180 )ahre altem Korn Brot für seinen Sohn Philipp in Spanien zu backen. Bis 1572 lagerten unter dem durch Gauben aufgelockerten Satteldach Getreide, Salz und Wein (im Herrcnkeller die edlen Troplen des Rats), che die reichsstädtische Maut (Zollamt und Waage), 1898 zum Kaufhaus umfunktioniert, sich hinzugesellte. 1929 um eine Keller-Gaststätte ergänzt, brannte das Gebäude 1945 völlig aus.
Schwere Schäden erlitt damals auch die Lorenzkirche (5), neben St. Sebald die zweite große Stadikirche. Um 1260 ersetzte ein hochgotischer Bau eine dem Hl. Lorenz geweihte romanische Kapelle, 1477 erhielt sie mit Vollendung des in jeder Hinsicht (auch das Langschiffdach) überragenden spätgotischen Hallenchors ihren letzten Schliff. Eine »dreischif-fige, gewölbte Basilika mit neun lochen, wobei das Mittelschiff doppelt so breit ist wie die Seitenschiffe« (Hermann Mauc) war entstanden. Anders als früher nicht mehr vom Straßenverkehr umzingeil, lässt sich in Ruhe ihre faszinierende doppel-lürmige Westfjssadc betrachten mit dem reich strukturierten Spitzgiebel, der französischen Vorbildern folgenden Rosette und dem Hauptportal, welches das Heilsgeschehen erzählt. Fingclassen durch die Apo-lhekertür (in Anspielung auf die Mohrenapotheke nahebei), könnte man einfach den Raum auf sich wirken lassen, vielleicht bei einem Konzert der ION (s. Sechs Tage Nürnberg 52) oder Motetten des Windsbacher Knabenchors, dessen Hauskirche sie ist. Ihre Schätze waren zum Glück ausgelagert, so die Muttergottes (1280/90) im nordöstlichen Mittelschiff, die Glasgemälde im netzgewölbten Chor, der filigrane Engli-sche Gruß. (1517/18) des Veit Stoß und das hochstrebendc Sakramentshaus (1495) Adam Krafts mit dem Wappen des Stifters Hans Imhoff (Scclöwe) und dem Meister selbst als Stützfigur.

Der Lorenzer Platz wirkt wie eine Drehscheibe, die nach allen Richtungen Erkundung freigibt. Schon zieht die Burg magisch an, die sich erstmals in ihrer ganzen Majestät dem Betrachter stellt. Zunächst aber macht sich gegenüber der Kirche ein steinerner Wächter alter Herrschermacht bemerkbar. Das Nassauer Haus (6), um 1200 von einem königlichen Ministerialen erbaut und als einziger einer Reihe burgähnlicher kubischer Wohntürme erhalten, wurde im 15. |h. modernisiert und mit Chörlein, Zinnen und Eck-türmchen geschmückt. Patrizier besaßen es, wie die Haller, Imhoff und die 1709 ausgestorbenen Schlüsscl-felder. Deren Stiftung rekonstruierte bei der 1999er Restaurierung beide Sonnenuhren (.12 von 73 soll es noch im Stadtgebiet geben). Im Kellergewölbe wird längst nicht mehr gelagert, sondern gespeist.

Ehe wir nun der zur Pegnitz ablallenden Straße folgen, vergewissern wir uns an der Kirchcnnordseite menschlicher Werte, die auf Benedikt Wurzelbauers Tugendbrunnen aus den Brüsten der ßronzefiguren quellen und über das Entstchungs-jahr 1589 hinaus gültig sind: Glaube, liebe, Hoffnung, Tapferkeit, Mäßigung, Geduld und Gerechtigkeit. Kurz nach Restaurierung des Brunnens 1999 machten Diebe übrigens lustitia wehrlos-das Schwert wurde inzwischen ersetzt.

Ein Museum sucht man an der Museumsbrücke vergeblich. Eine honorablc Gesellschaft gab ihr den Namen, deren Domizil auf dem Gelände des ehemaligen Barfüßer-Klosters am südlichen Flussufer stand. Zwar ist beim Betreten der Se-balder Stadt kein Brückenzoll mehr zu entrichten, ein Stopp aber sinnvoll, denn das den Fluss überspannende Heilig-Ceist-Spitnl (s. 5. 87) fasziniert immer von neuem. Auf den Stifter Konrad Groß verweist eine Bronzefigur (1968) an der Spital-Apotheke. Danach wird man unvermittelt mit lürgen Webers Skulptur Narrenschiff (7) von 1987 konfrontiert. Sie interpretiert Sebastian Branls berühmtes Buch, an dessen Illustration der junge Albrecht Dürer mitgewirkt hat. In scharfem Kontrast zu den Lebensspendern des lügendbrunnens sitzt Webers Boot auf dem Trockenen, assoziiert Tod und ist voll.

Damit sind wir mitten in der Geschichte des Hauptmarkts (8), der 1349 nach einem der schlimmsten ludenpogrome entstand. Auf der einen Seite ein Kaiser, Karl IV., durch Kampagnen gegen seinen Vorgänger Ludwig den Bayern finanziell eingeknickt und auf einen Nürnberger Hilfsfonds hoffend. Auf der anderen ein Rat, der das Bankgeschäft an sich ziehen, die |udenschulden loswerden wollte (wozu man sich im Voraus Karls Billigung holte, der kraft Amtes eigentlich die Juden schützen musste), das alles mit dem Wunsch eines zentralen Marktplatzes getarnt. Dazwischen die Juden als Sündenböcke für die nahende Pest. In der Schweiz und Frankreich halle man schon den Pöbel auf sie losgelassen, nun brachen im Reich die Dämme, auch in Nürnberg. Ermorde! oder vertrieben, die Häuser eingeebnet, jetzt hatte man Platz.

Platz für den Schönen Brunnen (1385-96), seit 1902 eine Muschelkalkkopie des durch steten Tropfen gehöhlten sandsteinernen Originals. Im achteckigen Becken spiegeln sich Formen gotischer Architektur mit 40 Figuren: am Brunnenrand Philosophie, sieben Freie Künste, vier Evangelisten, vier Kirchenväter; auf der ersten Etage sieben Kurfürsten, Neun Gute Helden (je drei heidnisch, jüdisch, christlich); oben Moses, sieben Propheten. Die Figu-renpyramidc von einem kunstvollen Gitter umgeben, das wohl niemand ohne Drehen des fugenlosen, golden schimmernden Wunschrings verlässt.

Platz für ein fürstliches Geschenk. Anstelle der Synagoge setzte Karl IV. die katholische Frauenkirche (9), gotisch, erste Hallenkirche Frankens mit reich gegliederter Weslfassade. High Noon für einen Kaiser, Tag für Tag! Denn um zwölf defilieren beim iMännlcinlaufen die Kurfürsten an ihm vorbei, in Erinnerung an die Goldene Bulle' (s. Sechs Tage Nürnberg 37). Platz für Messen, Turniere, Feiern, den bunten Wochen- und den glitzernden Chrislkindlesmarkt, die Bücherverbrennung und Nazi-Aufmärsche zur Burg. Plalz für Patrizierhäuser, von denen 1945 kaum eines stehen blieb, auch Martin Behaims (s. Sechs Tage Nürnberg 92) Geburlshaus, das Schopperhaus nicht. In reizlosem Nachkriegsstil an historischer Stelle (Hauplmarkt 15) wieder aufgebaut, stopft man hier nun Fastfood in sich hinein. Eine Sache für sich, denn 1425-1523 wurde vor der Fassade des Schopper-hauses jeweils zum Fest der Heiligen Lanze das Gerüst aufgebaut, von dem aus das Heillum der Reliquien und Reichskleinodien den Schaulustigen und Pilgern »gewiesen, wurde. Eine Handelsmesse zu diesem Anlass blieb als Ostermarkt lebendig.

Nurmehr Kopien der Reichskleinodien sind im Foyer des von Jakob Wolfl d.J. 1616-22 im Stil italienischer Renaissanccpaläsle errichteten sog. Wölfischen Baus des Rathauses (10) ausgestellt. Die Geschichte der Originale wäre ein guter Krimistoff. Zu Anfang war ein Fuhrwerk, das 1424 aus Prag ankommend ein als Fischladung getarntes, kostbares Gut barg: König Sigismund verfrachtete den Kronschatz wegen der Hussitenkriege in die Sicherheit der Freien Reichsstadt. Er bestimmte sie zum »ewigen Aulbewahrungsort». Beim Anrücken französischer Truppen 1 796 von Kaiser Franz II. nach Wien beordert, nach Hitlers Annexion Österreichs zurückgeholt, lagerte der Kronschatz zuletzt im Kunst-bunker«. Am Ende stand eine Nacht- und Nebelaktion: Im März 1945 mauerten Denkmalspfleger Julius Lincke und Hochbaureferent Heinz Schmeißner Kassellen mit den wertvollsten Stücken heimlich in der unterirdischen OB-Befehls-slelle am Paniersplatz ein, da man befürchtete, die NS-Führung wolle sie vor Kriegsende einschmelzen. Von der US-Army verhört, gab ein Mitwisser das Versteck preis. Als Kenner europäischer Geschichte brachten die Amerikaner daraufhin die Reichskleinodicn nach Wien, wo sie seither im Tresor der Hofburg sind.

»Ich kam nach Nürnberg, als es Nürnberg nicht mehr gab. Ich war zu spät gekommen oder zu früh. Es führte kein Weg durch den Schult. Die Zerstörung war so, dass man sie hinnahm. Sie erstaunte nicht. Sie entsetzte nicht. Niemand saß auf den Trümmern und weinte. Keiner gedachte der Apokalypse«, so des Dichters Wolfgang Koeppen beklommenes Fazit nach 1945.
Auch das kommunale Herz der Stadt schlug nicht mehr, denn der mehrere Stilepochen repräsentierende Rathauskomplex war fast völlig zerstört. Das betraf sowohl I lans Py-lipps Renaissance-Imitation (1896 99) am Fünferplatz, den ebenfalls, wenn auch in vereinfachter Form bis 1960 wiederhergestellten Wölfischen Bau als auch den mit diesem verzahnten gotischen Saalbau. Von dessen berühmtem, tonnengewölb-tem gotischem Festsaal (14. Jh.) standen nur noch die Außenmauern. Albrecht Dürers Wandmalereien von 1520/21 waren damit verloren - trotz des Wiederaufbaus nach 1978 sind sie bislang nicht rekonstruiert. 1649 hatten in diesem Saal die Großen der Welt, durch ein Gemälde loachim von Sandrarls dokumentiert (s. Sechs Tage Nürnberg 38), den Dreißigjährigen Krieg mit einem Festbankett ad acta gelegt. 1999 nun wurde dieses Friedensmahl von viel Prominenz (mit Schwedens Königin Silvia als Ehrengast) an historischem Ort wiederholt, während das Volk derweil unter freiem Himmel an einer »längsten Friedcnslafel der Welt« saß. Fin Ricscnlesl lür die Kommune, die sich trolz gelegentlicher Irritationen (wie der Ehrenbürgerwürde für den Rüstungsproduzenten Diehl) mit Erfolg als »Stadt des Friedens« profiliert.

Ein paar Schrille zurück in Richtung Hauptmarkt erinnert die Fassa-denmalerci am Eckhaus der Industrie- und Handelskammer (11) an die wirtschaftliche Potenz der Reichsstadt. Auch wenn der Polemik eines Buchs zu widersprechen ist, das Nürnberg von heute unter Öde Orte' einzuordnen, öde war es ganz sicher zur Zeit seiner Gründung: ein Felsen, Sumpfgelände am Fluss, Wald und Sand. Für Siedler nur als Königsland attraktiv, dessen strategischer Posten gen Osten zur Burg befestigt war. Vor diesem Hintergrund erst lässt sich die Leistung der Bürger ermessen, die unter dem Schirm königlicher Privilegien ein Gemeinwesen schufen, das im Hoch- und Spätmittelalter im Konzert europäischer I landelsstädte die erste Geige spielte. Aulgrund umsichtiger Ratspolitik liefen hier alle Fernhandelsstraßen zusammen. Rigorose (Qualitätskontrolle des »Tands« zahlte sich auf den Messen in klingender Münze aus. Im Ab-schluss von Zollfreiheiten, was traditionell mit einem Sack Pfeffer besiegelt wurde, brachten es die Nürnberger zur Meisterschaft. Rund 70 Städte konnten die Pfeffersäcke in solch bilaterale Verträge einbinden, darunter Venedig, Antwerpen, Köln, Lyon, Straßburg, Prag, Krakau. Ein Europa umspannendes Wirtschaftssystem entstand, das erst die nationalstaatliche Abschottung im 17. Jh. zu Fall brachte.

Da oben alles öde war, nutzte man Schätze unter Tage, etwa Fisen-erze der oberpfälzischen Montanindustrie. Zur Verhüllung lieferten Meiler im Rcichswald Holzkohle, die Pegnitz Wasserkraft. Investitionen im Silber- und Kupferbergbau Osteuropas gaben dem Handwerk Schubkraft. Die »Verlegen finanzierten vor, beschafften Rohstoffe, I lalb-läbrikate und reservierten sich Anteile am Vertrieb hochwertiger Ware. Unterschiedslos rüstete man Okzident und Orient auf, wo man sich den Gewürz- und Transithandcl sicherte. Die Kehrseite der Medaille: Mit Nürnberger Waffen geführte Kriege machten Märkte kaputt, trieben Handelshäuser in den Konkurs.
Reichsstädtischer Glanz und Niedergang! Das 1591-96 von dem Holländer Philipp van Oyrl erbaute Fembohaus (12) führt als Stadtmusc-um durch Nürnbergs Geschichte. Der Patriziersitz mit Volutengiebel und wunderschönem Innenhof, als eines von wenigen Gebäuden im Burgviertel von Bomben weitgehend verschont geblieben, zeigt sich bis auf geringfügige spätere Modernisierungen - so Carlo Brentanos herrliche barocke Stuckdecke - als beeindruckendes Baudokument der Spätrenaissance. Nach mehrjähriger Sanierung wurde das Museum im März 2000 mit neuer Konzeption wieder eröffnet.

Steil ist der Aufstieg zur mächtigen, alles beherrschenden Burg (13). Von der Brüstung der Freiung, wo einst Verfolgte Asylrecht genossen, hat man einen fantastischen Blick auf die Stadt Im Osten des Reichswalds zeichnet sich der Hügel des Schmausenbucks ab (Tiergarten).

Mühelos setzen sich die Wolkenkratzer der Trabantenstadt Langwasser ins Bild, die Kongrcsshalle am Dutzendteich schimmert auf, während die idicken Türmc des letzten Wehrgürtels im I läusermeer der ihnen näher gerückten Südstadt fast uniergehen. Aus dem Gewirr steiler Dächer ragen die Stadtkirchen heraus, im Hintergrund St. Lorenz, vorne St. Sebald. Gen Westen versteckt sich hinter der klassizistischen Kuppel der Elisabethkirche der Spitzhelm der Jakobskirchc. Dort gedieh in der Obhut eines Königshofs, der 1209 an den Deutschen Orden überging, die eine Keimzelle Nürnbergs. Während sich die von Handwerkern und Händlern bewohnte Siedlung zur Lorenzer Stadt entwickelte, koppelte sich der Orden ab. Das Verhältnis zwischen Kommune und Kommende war daher nie frei von Spannungen. Als Nürnberg sich 1525 für die Reformation entschied, zogen die Deutschritter nicht mit. Bis ins 19. |h. bildeten sie eine katholische Enklave in einer protestantischen Stadt.

Die Sebalder Stadt galt von Anfang an als die vornehmere Adresse. Auch hier gab es einen Königshof, dessen Slandort sich im Osten an den Barocktürmen der Egidienkir-che lokalisieren lässt. Zu Füßen der Feste aber entwickelte sich die zweite Keimzelle. Königliche Beamte siedelten sich an, denen die altem Geschlechter wie die Holz-schuher, Stromcir, Haller entsprossen. Das Patriziat war durchweg reichslreu und die Kaiser und Könige aller Dynastien honorierten das mit häufiger Präsenz, Ludwig der Bayer allein etwa 60-mal. Die ursprüngliche Grenzfestung nahm schließlich den ganzen Felsen ein, gegliedert in die Burggrafenburg, die reichsstädtiseben Anlagen und die Kaiserburg.

1050 wird Nürnberg anlässlich eines Hoftags auf der Burg erstmals erwähnt, als ein Ritter um die Freilassung einer Hörigen namens Sigc-na bat, die Kaiser Heinrich III. gnädig gewährte. Eine Lovestory vielleicht? Ein sympathischer Start für eine Stadt jedenfalls! Als Spätentwicklern saß ihr kein Bischof vor der Nase, wohl aber der Burggraf. Kaiser Friedrichs II. Großer Freiheitsbrief (1219) stärkte die Kommune enorm. Konflikte blieben daher nicht aus, vor allem seit die Zollern auf der Burggrafenburg das Kommando führten, der ehemaligen Königsburg aus dem 11. Jh., die von der Freiung bis zum Fünfeckturm reichte. I lauptattraktion der städtischen Kriminalistisch-Kulturhistorischen Sammlung im Fünfeckturm war bis zu ihrer Zerbombung 1945 übrigens eine Kopie der Eisernen Jungfrau, die den Dracula-Schöpfer Bram Stoker 1894 zu seiner Grusel-story The Squaw anregte, in die er reichlich Nürnberg-Kolorit verwob.

Standortwechsel zur Nordmauer. Östlich der Burggrafenburg errichteten die Nürnberger 1377 auf eigenem Grund den Turm Luginsland, von wo aus man dem auf den Besitz der Stadt gierigen Nachbarn fast in die Suppe spucken, sie ihm zumindest versalzen konnte. Als 1420 ein Brand die Burg verwüstete, kaufte die Reichsstadt sie auf und schloss die Lücke zwischen Fünfeckturm und Luginsland mit der Kaiserstal-lung, einem Kornhaus Hans Bc-heims, das Pferdeställe einschloss. Der Rosskur einer Renovierung unterzogen, ist sie nun jugendgastc-Haus. Der Luginsland, dessen zeitweise Nutzung als Gefängnis auch der unglückliche Kaspar Hauser (s. Sechs Tage Nürnberg 78) erfahren mussie, wurde im Zweiten Weltkrieg bis auf einen Stumpf zerstört. In die Nordmauer ist der sagenhafte Hufabdruck des Rosses eingekerbt, mit dem der Raubritter Eppelcin von Gailingen über den Graben gesetzt haben soll. Sein rettender Wunsch, noch einmal im Sattel zu sitzen, brachte den Pfeffersäcken den Spott ein: »Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn.« Nicht das erste Mal, dass man reinfiel. Lincr, so wird erzählt, dem man die Todesart freistellte, wählte die durch Altersschwäche.

Die Kaiserburg, im 12. Jh. von den Staufern Konrad MI. und Friedrich Barbarossa auf dem Westfelsen errichtet und vom Habsburger Friedrich III. spätgolisch modernisiert, demonstrierte die Macht des Reichs. »Im Zeichen der Burg« durfte sich die Bürgerschaft stets sicher fühlen.

Von der Freiung aus oder wie die alten Herrscher unterhalb durchs Himmelstor kommt man an der Burghut Hasenburg und der Him-melsstallung vorbei in den Inneren Burghof, in den Palas mit Chorturm (Heidenturm) und original romanischer Doppclkapelle jedoch nur mit Führung. Die sakrale Zelle der Burg gliedert sich in eine düstere Unterkapelle (Margarethenkapelle) fürs Volk, eine Licht durchflutete Oberkapelle (Kaiserkapelle) für die adelige Prominenz und eine dem Herrscher vorbehaltenc Kaiserempore. Ritter-, Kaisersaal, alles war sparsam möbliert, da die obersten Reichshü-ter quasi vom Sattel aus regierten.

Kündigle sich hoher Besuch an, sorgien die Patrizierfamilien für Wohnlichkeit, von der Truhe bis zum Tafelsilber. Die rechtwinklig an den Palas gefügte Kemenate erhielt erst 1999 als Burgmuseum ein waffenstarrendes Inventar aus dem Fundus des Germanischen Nationalmu-seums.

Ein Fels, eine Burg - und ein Was-serproblcm. Spätestens seit dem 14. Jh. löste man das mit dem Tiefen Brunnen, der, 53 m in den Burgsandstein abgeteuft, noch immer Grundwasser (heute schadstoffbclastel) führt. Hoch oben auf dem Sinwelllurm (mhd. sinwel = rund) genießt man die wunderbare Rundsicht auf Stadt und Land. Und zum Abschluss vielleicht ein Blick aus der Froschperspektive auf die Burg. Entweder unterirdisch durchs Vestnertor und dann vom Hexenhäusla-Biergarten oder vom Schneppergrnben aus, wo man schier erschrickt vor der erdrückenden Wuchl der im 16. Jh. hinzugefügten reichsstädtischen Bastionen. Hierhin kommt man unterhalb der Burg Am Ölberg entlang, treppab und durchs Tiergärtnertor. Dann rechts in den Schneppergrnben, wo in den Schrebergärten höchstens der Salat schießt, nicht mehr aber die Schnepper-Bogenschützen (die als Verein allerdings noch existieren).
Nach diesem kurzen Abstecher verweilen wir ein wenig am Platz Beim Tiergärtnertor. Ein Platz voller Atmosphäre - Junge-Leute-Trcff, Bamberger Schlenkerla-Rauchbicr-Ausschank, Ziehbrunnen-Idylle.

Touristen-Drehscheibe, Bronzeplastik eines weidmännisch erlegten Dürer-Hasen (Jürgen Goetz, 1984) und natürlich das Albrecht-Dürer-Haus (14; um 1420). In dem neuerdings etwas kühl multimedial gestylten Fachwerk-Sleinhaus schwebt Dürers Geist (und der von Frau Agnes!) über allem - alten Möbeln, Küche, Werkstall, Ausstellungen. Immerhin erwarb er es 1509, auf dem Zenit seines Könnens, von den Erben des Astronomen Bernhard Walther übrigens (s. Sechs Tage Nürnberg 41). Im Historischen Kunstbunker (15) (Obere Schmiedgasse) überlebten auch Werke des Genies die Apokalypse.

Auffallend ein weiteres Fachwerkgebäude mit Spitzgicbelerker und einer von vielen Hausfiguren bestückt, die man in dieser Stadt aufspüren kann: Der hl. Georg in diesem Fall verweist auf den Beruf des früheren Besitzers, einen Har-nischmacher. Es hieß denn auch ursprünglich Haus zum geharnischten Manne, ehe es nach Abriss der Zollhütte vor dem Stadttor als Pilatushaus (16) die Funktion des Startpunkts einer Via Dolorosa zum Johannisfriedhof erhielt. Ein Nürnberger Patrizier soll extra nach |eru-salem gereist sein, um die Schritte zwischen den einzelnen Kreuzwegstationen abzumessen, die Adam Kraft um 1500 versinnbildlichte (s. Sechs Tage Nürnberg 95).

Schräg gegenüber dem Dürerhaus erstrahlt in der nach dem Meister benannten Straße Fachwerk in neuem Glanz, von den Altstadt-freunden saniert. Der Verein, dessen Verdiensie um Alt-Nürnberg nicht mit Gold aufgewogen werden können, legt häufig selbst Hand an, um historische Objekte unter Dach und Fach zu bringen, so auch dieses mit der gusseisernen Gründerzeit-Ladenfront, und rekonstruiert fachgerecht bis ins Detail der winzigen Belüftungsgauben (Wengerlein).

Auch um die Chörlein kümmert man sich. An Häusern in der Albrecht-Dürer-Straße und der Füll, die zum Teil im Kern aus dem 14./15. Jh. stammen, findet man solch kunstvolle Renaissance- und Barockerker in I lulle und Fülle, den prächtigsten sicher am Sebaldcr Pfarrhof (17) (Original um 1370, GNM, s. Sechs Tage Nürnberg 82). Die Gestaltungsfreude der Oberschicht lebte sich zudem in Innenhöfen mit prachtvollen Galerien aus, so im Pfarrhof oder im ehemaligen Praunschcn Stiftungshaus (18; Antiquariat Kistner, zu den Ladenzciten).
Proteste löste die Neugestaltung des Sebalder Platzes aus: einst Friedhof, zuletzt trister Parkplatz, nun für die Kritiker eine gepflasterte, baumlose Stcinwüste. Eine Ge-denkplattc verweist auf eine kuriose Allianz zwischen Kirche und Gastronomie. Bis 1944 schmiegten sich Moritzkapelle (1.31.3) und Brat-wurstglöckleitii aneinander. Beide stehen nicht mehr.

Katastrophenalarm gab es damals auch für die Sebalduskirche (19), die mit Baubeginn um 1230 ältere der beiden großen Stadtkirchen. 1944/45 wurde das »Gotteshaus zum Beinhaus seiner selbst, zertreten die Kultur von Jahrhunderten«, wie es erschütternd eine der Tafeln vermerkt, die einem Kreuzweg gleich im Ostchor ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung geben. Aber auch ein Zeugnis der Kraft des Wiederaufbaus zu einem Denkmal für den Friedenc, das 1999 mit der Aufnahme in die von Covcntry ausgehende Nagel kreuz-Gemeinschafl zusätzliche Anerkennung erhielt.

Eine um 1050 dem Apostel Petrus geweihte Kapelle wurde Wallfahrtsziel zum Grab eines wundertätigen Einsiedlers namens Sebald und erwies sich bald als zu klein. An ihrer Stelle entstand eine spätromanische Pfeilerbasilika mit zwei Chören, die das Doppelpatrozini-um Petrus und Sebald spiegeln, denn das Volk verehrte Sebald mit großer Hartnäckigkeit. 1425 wurde er schließlich kanonisiert - es heißt, der Rat habe finanziell kräftig nachgeholfen - und zu einem echt Nürnberger Stadtheiligen. Im 14. |h. expandierte die Kirche mit neuen gotischen Seitenschiffen und vor allem dem mächtigen Hallenchor, dessen Dach das romanische Mittelschiff weit überragt. Dort steht seit 1519 das weltberühmte Sebaldusgrab, dessen figürlich reiches Messinggehäuse für den Reliquienschrein Peter Vischer & Söhne gössen, mit einem Abbild des Meisters selbst im Sockel. Eine Kirche, an Kunstschätzen so reich wie ein Museum, u. a. Glasgemälde Veit Hirsvogels oder ein Passionsrelief von Veit Stoß im Chorumgang! Vom mittelrheinischen Katharinen-meister stammen die ßildprogram-me des Weltgerichts {Südseite) und des Marien- und Brautporlals (Nordseile). Ein prachtvoller Klangkörper ist sie für die Sebalder Nachtkonzerte, die Internationale Orgelwoche und die mit einem göttlichen Blick verbundenen Engelschor-Konzerte.

Zurück zum Hauptmarkt? Aber eigentlich ist die Weißgerbergasse zu hübsch herausgeputzt, um sie links liegen zu lassen. Nach dem mit Hausfiguren und Chörlein geschmückten Weinmarkt also mitten hinein ins restaurierte Mittelalter! Hinter manchen dieser ehemaligen Handwerkerhäuser versteckt sich ein Gräslein (Gärtchen). Entlang der Neutormauer, zum rund ummantelten dicken Neutorturm (20) hochlaufend, wo während des Zweiten Weltkriegs ebenfalls prophylaktisch wertvolle Kunstwerke gebunkert wurden, und dort zum Bürgermeistergarten (April-Oklo-ber 8-20 Uhr) hochsteigend, kann man auf einem kleinen Slück begehbaren Wehrgangs den wunderbaren Blick aufs Dürerhaus und die Burg genießen. Nach teilweiser Durchquerung des Burggartens geht es rechts hinunter erneut zum Tiergärtnertor.

Die Bergstraße hinab, an der Museumsbraucrei und den Leb-küchnercien Düll und Fraunholz vorbei, ist auf dem gleichnamigen Platz das 1840 in Bronze gegossene Albrecht-Dürer-Denkmal (21; Eingang Felsengänge, s. Sechs Tage Nürnberg 76) nicht zu übersehen, dessen Schöpfer Jakob Daniel Burgschmiet uns auf dem Spaziergang durch St. lohan-nis nochmals begegnen wird. Nun aber rückt der Hauptmarkt heran. Zeit zum Bummeln.








Haupt | Fügen Sie Referat | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen