Frühzwetschgen aus Bühl, die Windecker Ganerbenburg, das Klauskirchl in Achern und die Mühlen von Ottenhöfen. Die Kirchenruine Allerheiligen und die Wallfahrtskirche Maria Krönung. Kirschenschnaps aus Oberkirch. Und das Zentrum der Ortenau: Offenburg.
Bühl
Wir befinden uns wieder am Westrand des Schwarzwalds, wo er zum Rheintal hin abfällt, und nähern uns der Stadt Bühl (ca. 25 000 Einw.). Bühl gehört in den Einzugsbereich der »Badischen Weinstraße«, die von Baden-Baden aus - inklusi einiger Abschweifungen - nach Süden bis Lörrach rläuft. Weinberge und Obstbäume durchziehen die Landschaft. Die seit 1870 als Ncuzüchlung angebauten Bühler »Frühzwetschgen« sind längst ein Markenzeichen geworden, das die Stadt alljährlich mit einem Festumzug als Erntedank am zweiten Septemberwochenende feiert.
Die Grafen von Eberstein waren im 12. Jh. die Herren in dieser Gegend. Spätestens 1302 rgaben die Ebersteiner Bühl als Lehen an die Windecker, deren Burg Allwindeck südwestlich der Stadt liegt. Bühl erhielt 1403 das Marktrecht (Stadtrecht 1835). 1622 wurde die Stadt durch eine Soldateska des Dreißigjährigen Kriegs völlig zerstört. Eine weitere Zerstörung folgte 1689 durch französische Truppen.
Das Zentrum Bühls wird von Kirche, Ralhaus, Stadtgarten und der breiten Hauptstraße mit ihren Geschäften geprägt. Das Rathaus und die Pfarrkirche St. Peter und Paul stehen sich direkt gegenüber und rfügen kurioserweise beide über einen eigenen Kirchturm.
Denn die frühere Kirche war für die Gemeinde zu klein geworden, so daß die Kirchgänger während des Gottesdienstes auf der Straße stehen mußten. Die Gemeinde entschloß sich deshalb, die neugotische Basilika St. Peter und Paul (1872-l877) zu bauen, deren fein-gliedriger Kirchturm (63 m) dem Turm des Freiburger Münsters (s. S. 135) nachgebildet ist. Aus der alten Kirche daneben machte man nach einem Umbau kurzerhand das Rathaus, wobei deren massir Turm einfach in das neue Gebäude eingepaßt wurde.
Für an jüdischer Kultur Interessierte empfiehlt sich der Israelitische Friedhof an der Karl-Netter-Straße (im Nordosten der Stadt/ Schlüssel beim Verkehrsamt).
Anschließend geht es in südwestlicher Richtung über die Kappelwin-deckerstraße zur Ruine Altwindeck (der Weg ist ausgeschildert). Die Burg wurde um 1200 errichtet und war der Stammsitz des Rittergeschlechts derer von Windeck. Altwindeck war eine Ganerbenburg, d. h. sie wurde von mehreren Familien gleichzeitig bewohnt, jede besaß einen eigenen Wohnbezirk. Das läßt sich bei der heutigen Ruine noch an den zwei Bergfrieden erkennen. Schließlich wurde es aber doch zu eng: Die Windek-ker bauten sich eine zweite Burg unweit von der ersten und nannten sie Neuwindeck (Ruine beim Ort Lauf). Die alte Burg rfiel im 16. Jh. Im Burgareal gibt es ein Hotel mit Restaurant. Auf den hinteren Bergfried kann man hinaufgehen.
n Achern zur Klosterruine Allerheiligen
Bevor es wieder tiefer in den Schwarzwald zur berühmten Klosterruine Allerheiligen hineingeht, kehrt die Route ins Rheintal und damit auf die B 3 zurück, die trotz der nahen Autobahn (A 5) stark befahren ist. Die Strecke zwischen Bühl und Offenburg kommt der el-sässischen Stadt Strasbourg (Straßburg) am nächsten.
Wir durchqueren das um 1050 erstmals genannte und 1808 mit Stadtrechten versehene Achern (ca. 22 000 Einw.). Interessant ist vor allem die kleine wuchtige Nikolauskapelle direkt an der Hauptstraße. Ein in seiner Form seltener schmaler Rundturm schließt das aus ungeraden Steinen errichtete gotische Bauwerk (13. Jh.) zur Straße hin ab.
Die Stadt, die im Zweiten Weltkrieg erheblich zerstört wurde, macht einen geschäftigen Eindruck. Auf dem Rathausplatz geht man bummeln oder zieht sich in ein Cafe zurück.
Am Ende der Hornisgrindstraße trifft man auch auf einen historischen und denkmalgeschützten Friedhof mit wertvollem Baumbestand: den lllenauer Friedhof. Er gehörte zu einer ehemaligen Großherzoglichen Heil- und Pflegeanstalt, die 1842 begründet wurde.
Hier, am Rand des Schwarzwalds, werden Wein- und Obstanbau betrieben - man denke nur an die Bühler Zwetschgen. In Achern gibt es zudem eine seit 1886 bestehende Glashütte, wobei der nahe Wald als Energielieferant ausschlaggebend für die Ansiedlung war. Das interessante Sensen- und Heimatmuseum zeigt mehr als 300 Sensen sowie die Herstellung dieser Geräte (Berliner Str. 31).
Die Stadt Achern liegt am Beginn des Achertals, das zum Hausberg der Stadt, der Hornisgrinde, führt. Die Hornisgrinde gilt mit ihren 1164 m Höhe als der höchste Berg des Nordschwarzwalds. Ihr zu Füßen befindet sich der sagenumwobene Mummelsee.
In südöstlicher Richtung folgt der Ort Ottenhöfen, der übrigens auch mit der Achertalbahn, die als Museumsbahn zwischen Achern und Ottenhöfen verkehrt, erreichbar ist. Ottenhöfen ist bekannt als »Mühlendorf im Schwarzwald«. Ein Mühlenrundweg geht an alten Schwarzwälder Mühlen entlang, deren Holzräder noch immer vom Wasser romantischer Bäche angetrieben werden.
Das Achertal wurde kirchengeschichtlich von der Abtei Allerheiligen geprägt, der man sich über eine schmale, gewundene Bergstraße annähert (am besten nach Osten bis zur B 500 fahren, dann kurz nach Süden und schließlich rechts abbiegen). Das einstmals blühende Prämonstratenserkloster liegt ganz versteckt und beschaulich in einem engen Tal, dem oberen Lierbachtal, durch das ein Bergbach hindurchfließt. Uta von Schauenburg gründete das Kloster 1191. In der zweiten Hälfte des 13. Jh. entstand hier eines der ersten gotischen Münster. Als das Kloster Mitte des 17. Jh. zur Abtei erhoben wurde, begann seine Blütezeit. 1803, mit der Säkularisation, kam das Aus für die Ordensniederlassung Allerheiligen. Heute ist von der großzügigen Anlage im wesentlichen nur noch die hoch aufragende Kirchenruine erhalten.
Lautenbach
Von Allerheiligen aus geht's nach Süden bis Oppenau und danach auf der B 28 Richtung Nordwesten bis zum Ort Lautenbach (ca. 1900 Einw.), wo gleich am Ortsanfang die Wallfahrtskirche Maria Krönung (1471-1488) steht. Das Besondere an dieser Kirche ist, daß hier ein spätgotisches Gotteshaus mit seiner Originalausstattung fast unversehrt bewahrt werden konnte. Ein einzigartiges Kunstwerk seiner Zeit, das im Inneren architektonisch geschlossen wirkt, obwohl das Langhaus Ende des 19. Jh. noch um zwei Joche, also Gewölbefelder, verlängert wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der Turm der Kirche.
Bemerkenswert sind der Hochaltar und die beiden Seitenaltäre mit ihren Marien- und Heiligenfiguren, für die so hervorragende Bildhauer wie Meister Iselin und so berühmte Maler wie Matthias Grünewald oder Albrecht Dürer vermutet werden. Zur ruhig daliegenden Wallfahrtsstätte gehören auch das ehemalige Hospiz (16. Jh.) und ein Wallfahrtsbrunnen (17. Jh.). Nur die nahe Bundesstraße stört ein wenig.
Oberkirch
Auf der B 28 geht's weiter nach Westen und damit an der Rench entlang. Das Renchtal, das sich Fluß, Schiene und Straße teilen, verläuft hier parallel zum benachbarten Achertal. Nach kurzer Fahrt wird die Stadt Oberkirch (ca. 20 000 Einw.) erreicht.
Die Geschichte Oberkirchs reicht bis ins Mittelalter zurück. 1326 erhält der Ort Stadtrechte, 1689 wird die Stadt durch französische Truppen zerstört, und 1802 fällt Oberkirch an die Großherzöge von Baden. Viele der Fachwerkbauten stammen aus dem 18. Jh. Und wenn in dieser Gegend schon von Obstanbau und Weinbau die Rede ist, dann setzt Oberkirch noch eins drauf: als Stadt der Obstbrennereien. Rund 900 Hausbrennereien soll es hier geben, und deren Kirsch-, Mirabellen- oder Zwetschgenschnäpse werden bescheiden »Wasser« oder »Wässer-le« genannt. Ein mehrtägiger Kursus sieht neben der Besichtigung einer Brennerei auch die Erlangung des »Wässerli-Diploms« vor (Auskunft über die Tourist-Information).
Oberhalb der Stadt thront die Ruine der Schauenburg (12./13. Jh.), die von den Zähringern zum Schutz der Renchtalstraße angelegt wurde. Oben, am Ende einer steilen Straße (Weg ist ausgeschildert), erwarten die Besucher eine Schloßwirtschaft und an klaren Tagen ein weiter Ausblick.
Auf der Schauenburg war der Barockdichter Johann Jakob Christoffel von Grimmeishausen (1621-1676), der Verfasser des »Simplicissimus«, der ironischen Schilderung des Dreißigjährigen Kriegs, seit 1649 als Schaffner, d. h. Verwalter, tätig. Einige Jahre später wird er als Besitzer und Wirt des noch immer bestehenden Gasthauses »Zum Silbernen Sternen« in Gaisbach (heute ein Ortsteil von Oberkirch) genannt.
Das Heimatmuseum in Oberkirch (Hauptstr. 32) erinnert, neben Ausstellungen zur Stadtgeschichte, zur Geschichte des Klosters Allerheiligen oder zur Historie des Schnapsbrennens, auch an den Dichter Grimmeishausen und stellt seine Werke vor.
Nun verläßt man Oberkirch in westlicher Richtung, biegt aber bald nach links auf eine Nebenstraße ab, die über Bottenau in den Weinort Durbach führt. Wer Wein kaufen möchte, dem sei das markgräflich badische Weingut Schloß Staufenberg über dem Ort empfohlen, zu dem man durch Weinhänge hinauffährt. Seine Geschichte reicht bis ins 11. Jh. zurück. Schon für das 14. )h. werden die Markgrafen von Baden als Besitzer genannt, in deren Hand sich das Schloß auch heute befindet.
Offenburg
Von Durbach aus ist es nicht mehr weit bis zur Messe- und Kongreßstadt Offenburg (ca. 54 000 Einw.), dem Zentrum der Ortenau, die sich im Rheintal zwischen Rastatt und dem Breisgau erstreckt und bis zu den Flüssen Murg und Kinzig im Schwarzwald reicht.
Stadtgeschichte
Am Anfang standen wieder einmal die Zähringer, die Offenburg zu Beginn des 12. Jh. gründeten. Allerdings war diese Stelle schon zur Römerzeit ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt gewesen. 1235 wurde die Stadt zur freien Reichsstadt erhoben. Gegen das habsburgische Vormachtstreben in dieser Gegend schlössen sich die Reichsstädte Offenburg, Gengenbach (s. S. 106) und Zell am Harmersbach (s. S. 112) im 16. Jh. zu einem Städtebund zusammen. Am 9. September 16Ö9 zerstörten französische Truppen Offenburg bis auf das Kapuzinerkloster ganz, weshalb heute in der Stadt vor allem barocke Gebäude zu sehen sind. 1803 wurde die Stadt badisch. Bekannt ist Offenburg heute besonders durch den Burda-Verlag (s. S. 101), die Klebestreifen von tesa und die Pfefferminzbonbons von Vivil.
Stadtrundgang
Der Stadtrundgang beginnt im Zentrum, in der Hauptstraße, und zwar mit dem barocken Rathaus von 1741 (Nr. 90) und dem Amtshof (Nr. 36), einem Verwaltungsbau der Jahre 1714-1717. Nordöstlich davon zweigt der Fischmarkt ab. Hier steht die alte Hirschapotheke (1698) mit ihrem auffälligen Staffelgiebel und dem Löwenbrunnen von 1599 davor sowie die barocke Spitalkirche mit dem gotischen Chor. Das Andreasspital wurde um das Jahr 1300 als karitative Einrichtung begründet und nach seiner Zerstörung 1696-1701 wiederaufgebaut.
Eine Mikwe (jüdisches Ritual-bad/14. Jh.) liegt östlich davon in der Glaserstraße (Nr. 8/Ecke Bäk-kergasse). Weiler südlich werden im städtischen Museum (Ritter-str. 10) im historischen Ritterhaus (1784) sowohl die Stadtgeschichte als auch Kunst und Natur der Region zum Leben erweckt. In der Gymnasiumstraße widerstand das Kapuzinerkloster (1641-1647) als einziges Gebäude den Verwüstungen durch den pfälzischen Erbfolgekrieg. Der Kreuzgang, in dem gelegentlich Konzerte gegeben werden, besteht aus einfachen Holzsäulen.
Die Fußgängerzone Offenburgs wird von einem schmalen, künstlich angelegten Bach durchzogen, den man allerdings trockenen Fußes überqueren kann. Es ist angenehm, durch die Straßen und Gassen rund um den Fischmarkt zu streifen. Denn hier gibt es die meisten Geschäfte und historischen Bauwerke. Hier trifft man sich in den Straßencafes, auf dem Wochenmarkt, zur Fasnacht oder beim Weinfest.
Von der Hauptstraße aus geht es in nördlicher Richtung an der Einhornapotheke (18. Jh.) vorbei nach links zur Stadtpfarrkirche Heilig-Kreuz, einem der Wahrzeichen Offenburgs. Sie wurde auf älteren Grundmauern Anfang des 18. |h. neu erbaut. Dem Eingang der Kirche gegenüber steht ein weiteres Wahrzeichen der Stadt: der Ölberg (1524), ein gotischer Nischenbau. Weiter nördlich ragt ebenfalls an der Hauptstraße der neogotische Bau der evangelischen Stadtkirche auf (1857-1864); und südöstlich davon gilt es das Kloster Unserer Lieben Frau bzw. das frühere Franziskanerkloster aufzusuchen, dessen Gebäude nach 1689 wiedererstanden sind.
Die südöstlich von der Stadt Offenburg gelegene Gemeinde Orten-berg wird von der imposanten, gleichnamigen Schloßanlage überragt, die, vom märchenhaften Stil der englischen Neugotik beeinflußt, wie eine etwas protzige Kulisse wirkt. Der von einem Kaufmann aus der Nähe von Riga namens Berckholtz 1838-1843 auf einer mittelalterlichen Ruine errichtete Bau ist heule eine Jugendherberge. Die zwischen den Ortsteilen Ortenberg und Käfersberg zu entdeckende Bühlwegkapelle aus dem Jahr 1497 birgt spätgotische Fresken, die z. B. der Passionsgeschichte gewidmet sind (von der Ortenbergerstraße aus in den Bühlweg abbiegen).