Landschaftsnamen können irritieren: Rheinhessen - linksrheinisch gelegen -gehört nicht zum Bundesland Hessen, sondern klipp und klar zu Rheinland-Pfalz. Jedenfalls seit Gründung und Zuschnitt der Bundesländer nach 1945. Dar war Rheinhessen wirklich hessisch. Daher.
"Weinparadies Rheinhessen, den Namen hören sie gern im Land südlich n Mainz westlich n Worms, rund um Alzey. Weinort, Weingut, Weinprobe, Weinwanderweg - es scheint, als ob hier alles mit Wein beginnt. Fast alles.
Die Weinorte liegen im welligen, leicht hügeligen Land zumeist in Talmulden. Die oft großflächigen Rebenfelder klettern auch die Hänge hinauf. Manchmal beachtlich hoch, wie am Petersberg bei Gau-Odernheim mit seinen 246 Metern. Oder am 270 Meter hohen Wißberg bei GauBickelheim. Mitten in den weitläuen Rebfeldern des Wißberges steht die Wiß-bergkapellc. Der weite Ausblick n hier über das rheinhessische Hügelland ist m Feinsten.
Frühling in Rheinhessen
Alt und neu in Mainz
Mainz erkunden, das braucht Zeit. Stadt seit 2000 Jahren - es gibt viel zu sehen. Trotz schwerster Zerstörungen in diversen Kriegen, trotz Bränden, auch in Friedenszeiten, blieben viele historische Bauten erhalten. Oder wurden wieder aufgebaut.
Der 1000jährige Dom St. Martin ist dafür Symbol: Mehrfach ausgebrannt, beschossen, bombardiert, in der "Franzosenzeit als Lager, Kaserne und Viehstall genutzt, blieb er doch bestehen. Immer wieder erneuert, repariert und restauriert steht der mächtige Kirchenbau wie r Jahrhunderten inmitten der Stadt, markiert das Zentrum.
Die Mainzer haben ihre Stadt auch modern gestaltet. Damit die Wirtschaft floriert. Und damit die Bürgerinnen und Bürger sich wohl fühlen.
Ein Teil dieses Programms sind die vielen ausgedehnten Fußgängerzonen in Inncn-und Altstadtbereichen.
Alles paßt zusammen: das Historische, das Wirtschaftsförderliche und die Zutaten zum "Sich-wohl-Fühlen. Beispiel: der farbenfrohe, putzmuntere Obst-, Gemüse-und Diverses-Markt auf den autofreien Plätzen r und neben dem ehrwürdigen Dom, zur anderen Seite flankiert n wiederaufgebauten prächtigen Bürgerhäusern.
Wenn dann noch die Sonne scheint!
Vom Kurfürstenschloß zum Kirschgarten
Es hat gedauert, bis das Kurfürstliche Schloß zu Mainz in gesamter Ausdehnung, mit allen Flügeln, llständig errichtet war. Baubeginn: 1625, Fertigstellung: 1752. Fünf Kurfürsten zeichneten nacheinander als Bauherren verantwortlich. Das Ergebnis: ansehnliche Architektur.
Für das Palais gleich gegenüber benötigte der Deutschritterorden nur acht Jahre Bauzeit, n 1730 bis 1738. "Deutschhaus nennen die Mainzer das Gebäude. Statt Deutschordensherren tagen hier jetzt die Mitglieder des Landtags. Nicht vergessen: Mainz ist Landeshauptstadt.
Standortwechsel zum hoch aufragenden Holzturm. Er ist noch älter, stammt wohl aus dem 15. Jahrhundert und ist - entgegen seinem Namen - zweifelsfrei aus Stein errichtet. Mit seinem schmalen, spitzgiebe-ligen Dach und den dort angesetzten Erker-türmchen ist dieser ehemalige Torturm der alten Stadtbefestigung so richtig fotogen.
Wie so vieles im schönen Mainz.
Auch Modernes. Ganz besonders die neun blau leuchtenden Glasfenster n Marc Chagall in der Kirche St. Stephan. Besucher, Bewunderer kommen aus aller Welt.
Ein Bummel noch ins Altstadtquartier, Richtung Kirschgarten, einer Straße. Hier hat ein Stückchen original Uralt-Mainz die Zeitenstürme überlebt. Nicht großartig, prächtig wie im Kurfürstenviertel, sondern eher bescheiden, bürgerlich. Aber so romantisch-malerisch.
Erfolgreich
Mainz ist Landeshauptstadt, Sitz des Landtages und der Landesregierung. Das steht dieser munteren Stadt "gut zu Gesicht.
Umgekehrt gilt das auch. Es scheint, als ob die aufgeschlossene Atmosphäre n Mainz positiv auf Volksvertreter und Regierende wirkt. Mainzer Landesregierungen galten und gelten als erfolgreich, immer deutlich besser als "nur solider Durchschnitt. Dafür stehen - unabhängig n parteipolitischer Farbe - nicht zuletzt auch die Namen der Ministerpräsidenten: Peter Altmeier, Helmut Kohl, Bernhard Vogel, Rudolf Scharping und Kurt Beck.
Inzwischen haben sich auch die Koblenzer mit der Landeshauptstadt Mainz abgefunden. Damals, 1950, hat es sie geärgert, daß der Sitz der Landesregierung und des Landtages n Koblenz nach Mainz verlegt wurde.
Muntermacher
Zwerge, Kobolde, Wichte und ihresgleichen altern nicht. Ein Glück aber auch! So bleiben die Mainzelmännchen ewig jung und quietschlebendig. 1963 m Zeichner Wolf Gerlach erdacht und geschaffen, tummeln sich die sechs pfif-vergnügten Gestalten seither durchs ZDF-Fernsehbild. Ihr Bckannthcitsgrad ist unübertroffen.
Zur Akzeptanz "ihres ZDF haben sie vermutlich mehr beigetragen als alle Seriensendungen zusammen. Das ZDF-Sendezentrum draußen in Mainz-Lcrchenberg wird die tüchtigen Mainzelmännchen folglich auch weiterhin zwischen den Werbespots Fröhliches verbreiten lassen.
Der Ohnackersche Keller
In der berühmten Kellergasse zu Guntersblum. Das einstöckige Gebäude ist einfach und schlicht, aber gut gepflegt. Die Mauern sind aus Bruchsteinen aufgeführt, so, wie es in der Gegend r Zeiten üblich war. Ein zweiflügeliges Holztor. Ein paar hölzerne Fensterläden, sämtlich geschlossen.
Das soll ein Weinkeller sein?
Es ist ein Weinkeller! Jener des Weingutes Ohnacker. Die Kellergeheimnisse beginnen hinter dem Tor, im Gebäude. Ebenerdig stehen großformatige Kunststofftanks: moderne Weinwirtschaft heute. Aber da ist die Treppe, die steil hinab führt in den eigentlichen, wirklichen Keller.
Dort unten stehen sie dann, die alten, formschönen Holzfässer in Reihe links und rechts m Kellergang. Die Jahreszahlen auf den Fässern verraten es: Viele sind mehr als 150 Jahre alt. Und werden noch immer genutzt, damit aus Trauben edler Wein wird.
Der Keller selbst ist viel älter. Hier und da ist in der Guntersblumer Kellergasse nachzulesen, wann dieser oder jener Keller in den Stein des Berghanges hinein-, exakt: hinuntergetrieben wurde. Anno 1701, zum Beispiel.
Viele der typischen Keller in der kilometerlangen Gasse dienen - wie der Ohn-ackersche - unverändert ihrem Ursprungszweck. Auf andere hat man Einfamilienhäuser aufgestockt. Schade drum: So verliert eine einst einzigartige Kellergasse langsam ihr Flair, ihren Charakter.
Alzey - die "Volkerstadt
Liebe auf den ersten Blick stellte sich bei Alzey nicht ein. Die kam erst ein wenig später, als man bekannter, vertrauter wurde.
Da werden sie dann offenbar, die schönen Straßen, Plätze und Winkel dieser sympathischen Kreisstadt mitten im Rheinhessischen.
In der Fußgängerzone unten im Tal läßt es sich gemütlich bummeln. Auf dem romantischen kleinen Platz, auf dem "Volker n Alzey am Brunnen sein Pferd hat stehenlassen, trifft sich jung und alt zum Plausch. Die Kinder klettern derweil auf das mächtige Roß. Das steht brav still - als Denkmal. Von "Volker n Alzey, dem Pferdebesitzer und Spielmann aus dem Nibelungenlied, ist nichts zu sehen. Seine Fiedel haben die Alzeycr ins Stadtwappen aufgenommen. Gern nennt man sich auch "Volkerstadt.
Ein Renaissancerathaus n 1586, Fachwerkhäuser, Reste der einstigen Stadtmauer, Torbauten, ein wiedererstandenes Schloß, ein Museum im ehemaligen Hospitalgebäude n 1580 - der kulturamtlich empfohlene Stadtrundweg durch Alt-Alzey bietet mancherlei. Interessante Zugaben sind "Kleinigkeiten wie etwa eine Hausinschrift in gotischer Schreibweise, ausdruckslle alte Wirtshausschilder oder das steinerne Stadtwappen am alten Brunnen.
Wonnegau
Die rheinhessischc Region um Worms heißt seit alters "Wonnegau. Das Klima ist mild, die Landschaft anmutig und fruchtbar, Wein gedeiht in Mengen. Der Wonne versprechende Name scheint folglich zuzutreffen.
Wonnegau-Bewohner lassen diese Deutung des Begriffs in aller Regel ohne Dementi passieren.
Aber sie stimmt nicht!
Wonnegau leitet sich her n "Vangionen. Das war ein germanischer Stamm, der in dieser Gegend siedelte und etwa im 1. Jahrhundert v.Chr. n den Römern unterworfen wurde.
Erstaunlich, wie lange sich (abgewandelte) Namen halten.
Worms, die Nibelungenstadt
Ihr Name soll sich ableiten n "Burgunda-holm, dem heutigen Bornholm. Von dieser Ostseeinsel ist das Volk der Burgunden einst aufgebrochen, Richtung Süden. Eine französische Landschaft hat den Namen übernommen und behalten: Burgund.
Für eine Weile waren die Burgunden in Worms ansässig. Das war in der Zeit knapp nach dem Jahr 400, als das einst mächtige römische Reich zerbröckelte, die Legionen sich m Rhein zurückzogen.
Der Hof des Burgundenkönigs Günther zu Worms muß zur Sagenbildung genügend Anlaß gegeben haben. Derart, daß 800 Jahre später der unbekannte Verfasser des Nibelungenliedes den Burgunden und den Gästen am Hofe tragende Hauptrollen zuwies: König Günther, Kriemhild, Hagen n Tronje, Siegfried, Brunhild, neben anderen. Liebe und Heldentum, Neid und Verrat, List, Tücke und Totschlag - bei den Burgunden gab es alles auf einmal.
Was Sage, was geschichtliche Wahrheit ist an der Nibelungcngeschichte, bleibt umstritten. Jedenfalls war das Gold der Nibelungen, des sagenhaften Zwergenlkes, schuld am vielfachen Unglück der Burgunden. Hagen n Tronje hatte es erkannt und deshalb die güldenen Stücke mit mächtigem Schwung in den Rhein geschleudert.
In Worms auf der Rheinuferpromenade steht der denkmalgewordene Hagen - Gold versenkend.
Frühlingstag
Frühlingstag
Wegzehrung
.Der Magistrat zu Worms pfleget an die fremden Standes-Personen, wenn sie durch die Stadt reisen, n ihrem Wein, nebst etwas Fischen und Haber ein Geschenk zu thun
(Aus: "Neu-vermehrter Curieuser Antiqua-rius n P.L. Berckenmeyern, 1746)
Am Rheinufer in Worms, 22. März. Der junge Frühling macht seinem Namen Ehre: ein wolkenloser Himmel im schönsten Blau, dazu milde, weiche Luft.
Die mächtigen alten, naturbelassenen Platanen am kleinen Betriebshafen sind noch kahl, die formgeschnittenen auf der Uferpromenade ebenfalls. Aber es bedarf auch keines kühlespendenden Blätterdaches wie im Hochsommer. Jeder genießt die Frühlingssonnenwärme.
Ein Angler träumt m großen Fang. Die Rentnerrunde am Pegelstandsturm debattiert Stadtpolitisches. Kleine Kinder entdecken die Welt und bewundern den brotkrumenklaubenden Spatz genauso wie das Motorschiff auf dem Rhein. Dann aber ist wieder die Rutsche auf dem Spielplatz dran.
Auf den Bänken nehmen Spaziergänger das erste Sonnenbad. Ein verliebtes Pärchen hat nur Augen füreinander.
Über allem wacht auf der Auffahrt zur Nibelungenbrücke der prächtige Torturm. In den Uferanlagen blühen in leuchtenden Gelbkaskaden die Forsythien. Sie signalisieren selbst den Schiffern auf dem Strom: Es ist wieder Frühling im Land.
Auf dem höchsten Hügel der Stadt
Der Dom zu Worms: großartig in seinen Dimensionen und in seiner Mächtigkeit, beeindruckend in der spürbaren Kraft seiner romanischen Architektur.
Und liebenswert, interessant, manchmal rätselhaft in vielerlei Details. Kein Besucher, der nicht das gotische Südportal bewundert. Ganze Bibelgeschichten aus dem Alten und dem Neuen Testament umkränzen als höchst anschauliche Steinmetzarbeiten in zwei Rundbogen dieses Eingangstor. Wer ein wenig bibelfest ist, deutet unschwer viele der dargestellten Szenen: Erschaffung der Welt, Erschaffung Evas, Vertreibung aus dem Paradies, Kain und Abel, Arche Noah, Jonas und der Walfisch, Geburt Christi, Kindermord zu Bethlehem, Kreuzigung Christi, Jüngstes Gericht - um einige zu nennen.
Um oder bald nach 1300 sollen diese steinernen Bibelbilder entstanden sein. Vermutlich als eine Art Unterricht in Bibelkunde. Denn lesen konnten die allermeisten Menschen des Mittelalters nicht.
Im Innern harmoniert goldener Jubelbarock mit der strengen Sachlichkeit des romanischen Quadermauerwerks. Den festlichen Hochaltar hat Balthasar Neumann 1738-l742 geschaffen. In gleicher Pracht zeigt sich das seitliche Chorgestiihl.
Aber der Dom St. Peter zu Worms ist nicht nur ein vielbesuchtes, vielbcsichtigtes kulturhistorisches Kunstwerk und Denkmal, sondern insbesondere die Pfarrkirche einer aktiven Gemeinde.
Wormser Notizen anno 1880
.Worms, Stadt mit 16597 Einwohnern (1875) in der großherzoglich hessischen Provinz Rheinhessen, liegt 15 Minuten m linken Rheinufer entfernt ().
Die Hauptplätze der unregelmäßig gebauten und zum Theil noch mit Mauern und Thürmen umgebenen Stadt sind der Markt und der Domplatz.
Von den kirchlichen Gebäuden ist das bedeutendste der zum katholischen Gottesdienst benutzte Dom, 1016 in Kaiser Heinrich 's Gegenwart eingeweiht, aber bis Ende des 12. Jahrhunderts noch mannigfach verändert; der nordwestliche Thurm ist erst 1472 durch Bischof Reinhardt aufgeführt worden, nachdem der alte eingestürzt war. Er ist mit seinen vier schlanken Thürmen und den beiden Kuppelbauten und Chören ein schöner romanischer Bau, dessen Inneres durch großartige Einfachheit imponirt. Bemerkenswerlh an ihm ist besonders das mit Steinbildern reich verzierte südliche spitzbogige Portal
Die Wormser Industrie liefert besonders Lacklederwaaren, womit gegen 2000 Arbeiter beschäftigt sind; Kunstwolle, ak, Seife, Bier, Bernsteinwaaren und allerhand Kleider werden viel in der Umgebung fabrizirt; der Handel beschäftigt sich rwaltend mit Lederwaaren und Wein. (Aus: "lllustrirtes Konversations-Lexikon, achter Band; Verlagsbuchhandlung n Otto Spamer, 1880)