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Pellworm

Pellworm

Auf der Deichkrone einmal um die ganze Insel. Vom Hafen zum rot-weiß gestreiften Leuchtturm. Besichtigung der Alten Kirche mit dem Friedhof der Heimatlosen. Auf der Suche nach den Spuren versunkener Dörfer am Buphever-Koog.

»Pellworm. Dahin will ich noch mal. Grenzenlose Einsamkeit! Herrlich! Kommt mit! Kommt mit! Ihr Lieben! Eine neue, liebe, schöne Welt dort! Kommt, kommt mit nach Pellworm! Mitten im Meer«, schwärmt Detlev n Li-liencron 1891 in einem Brief an einen Dichterkollegen. »Der ungeheure Zauber der einsamsten Insel« machte aus dem unruhigen und bis dahin in allen praktischen Lebensbereichen gescheiterten Baron einen Dichter ersten Ranges. Noch heule gilt: Wer auf Sandstrand und Dünen verzichten kann, wer Ruhe und Besinnung sucht, der findet sie auf dieser schützend m Kranz der Halligen umgebenen Insel im Wattenmeer. Auch in der Hauptsaison kann man hier noch die Seele baumeln lassen -auf schmalen Straßen inmitten saftiger Weiden und wogender Getreidefelder, auf dem grünen Deich zwischen grasenden Schafen, an schilfumkränzten, gclreichen Putten oder auf ausgedehnten Wanderungen im silbergrauen Watt.

Geschichte

Pellworms eigenständige Geschichte beginnt mit der verheerenden Sturmflut von 1634. Losgerissen von der Großinsel Strand gelang es den Bewohnern der überfluteten ehemaligen Pell-wormhardc mit unglaublichem Einsatz und holländischer Unterstützung innerhalb weniger lahre, die Reste ihres verbliebenen Landes zu retten. Bis 1637 konnten die zerstörten Deiche um den Großen, den Kleinen und den Mittelsten Koog instandgesetzt werden - im wesentlichen das Kerngebiet zwischen Alter und Neuer Kirche, I loogcr Fähre und Nordermühle. Es folgten einige Jahrzehnte ohne größere Außeneindeichungen, viel Land ging unrettbar verloren. In den 60er Jahren des 17. Jh. entstand der Deich um den Wester-koog, 1672 wurde die Eindeichung des Hunnen- und Süderkooges, 1687 die des Großen Norderkooges abgeschlossen. Eine lange Folge schwerer Sturmfluten machte dem eingedeichten Pellworm im 18. Jh. zu schaffen. Deiche brachen, Köge wurden überflutet, Ak-kerland versalzen, Trinkwasscrtei-che ungenießbar. Viele Insulaner mußten ihr Land verkaufen oder verpfänden, weil sie den anfallenden Deichpflichten nicht mehr nachkommen konnten. Die Nordsee gab keine Ruhe. Im Winter 1789 zerstörte eine »Eisflut« weite Teile des Deiches. Die Insel verfiel immer mehr. Auch die finanzielle Unterstützung der Königlichen Regierung konnte dem Elend kaum abhelfen. Die verheerende Februarflut im Jahre 1825 verlief für die Pellwormer relativ glimpflich -zahlreiche Deichabschnitte wurden beschädigt, aber es waren keine Menschenleben zu beklagen. Seither ging keine Flut mehr über die Deiche - die Arbeit am Deich und der Kampf um den Bestand der Insel aber gingen weiter. Mit der Gewinnung des Buphever-Kooges im äußersten Nordosten erhielt Pellworm 1938 seine gegenwärtige Gestalt. Heute umschließt ein rund 25 km langer, 8 m hoher Deich ein gutes Dutzend fruchtbarer Köge. Ohne den schützenden Deich würde die Insel im Wechsel der Gezeiten täglich zweimal überflutet. Was, wenn die Deiche brechen? Seit den 60er Jahren wurden Häuser im Vertrauen auf den Deichschutz zunehmend auch in tieferen Lagen gebaut, d. h. deutlich unter dem Meeresspiegel, während die allen Siedlungen noch auf künstlich aufgeworfenen Erhöhungen stehen. Stattliche Bauernhöfe thronen auf Warften, und entlang der ehemaligen Seedeiche im Inselin-nern - wie beispielsweise in Wester- und Ostertilli - ziehen sich die bescheideneren, häufig noch reet-gcdeckten Katen der Tagelöhner und Landarbeiter. Ebenso wie Nordstrand ist auch Pellworm nach wie vor eine Insel der Bauern. Etwa 45 Höfe sind Vollerwerbsbetriebe, die überwiegend von der Landwirtschaft leben.



Die Pellwormer Bauern nutzen 3000 von insgesamt 3600 ha fruchtbarer Marsch, davon drei Viertel als Grün- und Weideland. Auf den Fennen - so werden die Weiden genannt - grasen schwarzweiße Kühe, deren Milch in der inseleigenen Meierei verarbeitet wird. Zum charakteristischen Landschaftsbild gehören die Schafe auf den Deichen - sie sind nicht nur Woll-, Fleisch- und Milchlieferanten, sondern dienen auch dem lebensnotwendigen Deichschutz, in dem sie die Grasnarbe kurzhalten und feststampfen. Ein Viertel des Landes wird als Ackerland genutzt. Angebaut werden vor allem Weizen, Hafer, Gerste, Roggen und Raps. Die Produkte der Erzeugergemeinschaft Pellwormer Biolandbauern - Kartoffeln, Getreide, Gemüse und Obst, Rinder-, Lamm-und Schweinefleisch sowie zahlreiche Milchprodukte - stehen in den Sparmärkten und im Hofladen auf dem Ütermarkerhof im Regal, sie finden aber auch in Naturkostläden auf dem Festland immer größeren Absatz.

Neben der Landwirtschaft ist heute der Fremdenverkehr der wichtigste Wirtschaftszweig. 1997 erhielt Pellworm den Status eines Nordseeheilbades. Im Rahmen der Einrichtung bzw. Erweiterung der Mutter-Kind-Kurklinik und des Kurmittelhauses entstanden neue Arbeitsplätze. Die Zahl der Gästebetten liegt heule bei etwa 2000, was im Verhältnis zur Einwohnerzahl von 1270 durchaus noch verträglich ist.

Inselumrundung

Auf Pellworm klappt, wovon die Sylter nur träumen können: Die Urlauber - auch die, die mit dem Auto anreisen - fahren Rad oder gehen zu Fuß. Ein Verkehrsstau bildet sich auf Pellworm nur, wenn sich drei, vier Autos auf schmaler, kurviger Straße hinter einem Trek-ker stauen - und das passiert auch in der Hochsaison nicht allzu oft. Am besten ist es, die Insel abseits der Ringstraße zu Fuß oder per Rad zu erkunden. Die schönste Radwandertour auch für Tagesgäsle verläuft auf bzw. vor dem grünen Seedeich im Uhrzeigersinn einmal um die Insel herum. Vom Deich und den Badestränden aus sind es jeweils nur wenige Minuten zu den hcrausragenden Sehenswürdigkeiten der Insel: dem Leuchtturm im Süden, der Alten Kirche im Westen und der Nordermühle im Norden.

Mehr als 2 km ragt der Tiefwasseranleger ins Wattenmeer hinaus. Hier legt die Fähre von Nordstrand an. Bei ihrer Ankunft wartet ein mit Rapsdiesel betriebener Bus, der die Urlauber kostenlos nach Tammen-siel bringt. Die kleine Ortschaft ist das eigentliche Zentrum Pell-worms. Im alten Hafen landen die Fisch- und Krabbenkutter ihre Fänge an, löschen Küstenfrachtschiffe ihre Lasten, legen die Ausflugsdampfer zu den Inseln und Halligen ab, gehen die Jollen und Motorboote vor Anker, die bei Ebbe auf schlickigem Watt trockenliegen. Im Dorf findet man die Post, etliche Läden, Gates und Fahrradverleihe. Kurz vor dem Hafen liegt das Gebäude der Amtsverwaltung, die außer Pellworm auch die Gemeinden Hooge, Langeneß-Oland und Gröde verwaltet. Im reetge-decklen Nachbargebäude befindet sich die Kurverwaltung mit Touristeninformation, im Obergeschoß das ausgesprochen sehenswerte Pellwormer Inselmuseum. Die sorgsam angelegte Sammlung zeigt aul 150 m2 die landschaftliche und kulturelle Entwicklung der Insel. Anhand von Modellen und Originaldokumenten gewinnt man einen Einblick in Deichbau, Wasserversorgung, Salzgewinnung, Hausund Warftenbau sowie Schul- und Kirchenlebcn. Um Platz zu sparen, sind viele zusätzliche Ausstellungsstücke in Schubladen untergebracht, die auch Kinder dazu verlocken, auf Entdeckungsreise zu gehen (geöffnet in der Saison während der Geschäftszeiten der Kurverwaltung, Sa und So 10-17 Uhr). Als Ausgangspunkt für die Inselumrundung eignen sich der alte Hafen oder der neue Anleger am besten. Das erste Highlight im wahrsten Sinne des Wortes ist der rot-weißgestreifte, 37 m hohe Leuchtturm, der seit 1907 die Einfahrt in den Heverstrom sichert. Um dem massiven Bauwerk eine feste Grundlage zu geben, mußten 127 Pfähle von 13,5 m Länge in den moorigen Untergrund gerammt werden. Das Leuchtfeuer, dessen Reichweite bis zu 26 km beträgt, wurde von Anfang an elektrisch betrieben. Da es damals noch keine Stromversorgung auf der Insel gab (Pellworm ging erst Ende der 30er lahre »ans Netz«), lieferten Akkumulatoren, die von zwei Dieselmotoren aufgeladen wurden, den nötigen Strom. In der Saison ist der 1977 automatisierte Leuchtturm zu besichtigen, die Führungen erfolgen unter Leitung eines erfahrenen Hochsee-Kapitäns (Karten gibt es in der Kurverwaltung). Vom Leuchtturm geht es weiter in Richtung Westen. Hier finden sich innendeichs zahlreiche schilfumkränzte Feuchtgebiete und Wasserflächen, sogenannte Putten, die in früheren Zeiten durch Erdentnahme für den Deichbau entstanden sind. Sie bieten ideale Brut- und Rastplätze für zahlreiche Seevögel. Seewärts sieht man am Horizont die 7 km entfernte Hallig Süderoog (s. S. 178 ff.). Fast ein halbes Jahrhundert, von 1917-63, brachte der mit dem Bundesverdienstkreuz geehrte Halligpostbote Heinrich Liermann die Post von Pellworm über das Watt nach Süderoog. Auf seinen Wanderungen sammelte er im Laufe der Jahrzehnte Überbleibsel des in den Sturmfluten versunkenen Kulturlandes -Scherben alter Krüge, holländische Fliesen und weitere Fundstückc, die im Wattenmuseum Liermann zu besichtigen sind. Das kleine Museum, in dem auch verschiedene Alltagsgegenständc, alte Fotos von Südfall, Landkarten, ausgestopfte Vögel und vieles mehr ausgestellt sind, liegt unweit des Deiches im Weslerschütting (tgl. 8-18 Uhr).

200 m inseleinwärts lohnt ein Abstecher zum Rungholtmuseum Bahnsen, das einen beeindruckenden Einblick in das Leben der untergegangenen Uthlande vermittelt. Seit fast 30 Jahren durchstreift der Pellwormer Wattführer und Heimatforscher Helmut Bahnsen zusammen mit seiner Frau das Wattenmeer rings um Pellworm auf der Suche nach Spuren versunkener Siedlungen. Die Funde - Keramiktöpfe, bemalte Teller, Fliesen, glasierte Reste mächtiger Kachelöfen, Glasfenster und Bernsteine -werden ergänzt durch Karten und Fotos entdeckter Warften (Wester-schütting 2, die Termine für die Museumsführungen - in der Regel Mittwoch nachmittags - stehen im Veranstaltungskalender). Zurück auf dem Deich passiert man auf dem Weg zur Alten Kirche die Tammwarft. Auf Pellworms einziger mit mehreren Wohnhäusern bebauten Warft ist noch ein Fe-thing erhalten, der bis weit in unser Jahrhundert hinein für die Trinkwasserversorgung des Viehs von großer Bedeutung war. Das hübsche Strandcafe gleich hinterm Deich lädt zum Verweilen ein. Auf der Deichkrone gehl es weiter zur Alten Kirche St. Salvator mit der mächtigen Turmruine, dem markanten Wahrzeichen der Insel. Die Anfänge der Kirche reichen in die Zeit des Dänenkönigs Knut des Grüßen (1018-35) zurück, der neben einem großen Teil Englands (Danelag) auch über das damalige Schleswig herrschte. Die erste auf einem alten Thingplatz errichtete Holzkirche wurde im 12. )h. durch ein massives Bauwerk ersetzt. Chor und Apsis zeigen noch heule den etwas wuchtigen romanischen Baustil. Das Kirchenschiff birgt eine Fülle kirchengcschichtlicher Schätze. Der spätgotische Flügelal-lar, der fast die gesamte Apsis einnimmt, entstand um 1460. Das 1475 von Hinrich Klinghe gegossene bronzene Taufbecken stammt aus dem in der Flut von 1634 untergegangenen Dorf Buphever. Auf der Empore im Westteil der Kirche befindet sich die 1711 von dem berühmten Meister Arp Schnitger erbaute, 1987-89 restaurierte Orgel - die einzige seiner Arbeiten, die in Schleswig-Holstein erhalten blieb. Für die im Sommer stattfindenden Pellwormer Orgelkonzerte (meist mittwochs) reisen bekannte Organisten aus dem In- und Ausland an.

Die weithin im Wattenmeer sichtbare Turmruine neben der Kirche war einsl direkt mit dem Gotteshaus verbunden. Noch heute kann man im Mauerwerk Reste gotischer Fenster und Balkenabsätze erkennen. Aus heiterem Himmel stürzte der fast 60 m hohe Turm an einem windstillen Tag im April des (ahres 1611 auf seine heutigen, immer noch stattlichen 25 m zusammen. Unterhalb der Turmruine, zum Deich hin, liegt der 1895 eingerichtete Friedhof Heimat der Heimatlosen, auf dem unbekannte an den Strand gespülte Tote begraben sind. Fin größerer Gedenkstein erinnert an 15 junge Schweden, die 1950 mit ihrem Schiff »Ormen Friske« (Mutige Schlange) vor Helgoland untergingen. In jahrelanger Arbeit hatten die jungen Männer ein Wikingerschiff originalgetreu nachgebaut, um es auf der Weltausstellung in Paris zu präsentieren. Auf dem Weg dorthin zerbrach es, und alle Passagiere ertranken.

Über den Alten Kirchenweg oder weiter auf der Deichkrone gelangt man zur Hooger Fähre an der Nordküste Pellworms, wo das Motorschiff der Gebrüder Hellmann zu den Halligen ablegt. Vom grünen Strand blickt man direkt hinüber zu den Halligen Hooge, Lan-geneß und Gröde.

Ein Stück weiter östlich erhebt sich hoch über dem Deich die imposante Nordermühle, die nach einem Brand im jähre 1777 neu aufgebaut wurde. In Berichten über die Orkanflut von 1634 ist von acht zerstörten Windmühlen in der im südwestlichen Teil von Alt-Nordstrand gelegenen Pellwormharde die Rede, insgesamt soll es einmal 14 Mühlen auf Pellworm gegeben haben. Die Nordermühle wurde bis 1959 mit Windkraft betrieben. Auf Elektrokraft umgestellt, blieb sie noch bis 1967 in Betrieb. Eine zweite Mühle, die die Jahrhunderte überstand, ist die Tilli-Mühle. Allerdings hat sie im Laufe der Zeit ihre Flügel eingebüßt.

Über den kleinen Norderkoog geht es weiter Richtung Nordosten. Der erst 1938 eingedeichte Bup-hever-Koog ist der jüngste aller Pellwormer Köge. Der bisher ohne Unterbrechung um die ganze Insel herumführende asphaltierte Weg vor dem Deich endet hier, Radfahrer müssen in das platte, etwas karge Land hinter dem Deich ausweichen. Wanderer können auf dem Deich bzw. im weilen, von Schafen bevölkerten Vorland weiterlaufen. Das durch Lahnungsbau gewonnene Vorland dient dem Küstenschulz, häufig sieht man Schuten mil Reisig und Material für die Lahnungsarbeiten im Watt liegen. Auf der Ostseite des Bup-hever-Koogs beginnen die Wattwanderungen zu den Spuren der 1634 untergegangenen Siedlungen (Termine im Veranstallungskalen-der).

Weithin sichtbar im ebenen, baumlosen Land ist das winclge-schorene Wäldchen der Vogelkoje im Nordosten des Ütermarker-koogs. Im Jahre 1904 erteilte die Königliche Regierung Heinrich Boysen, der in Wyk auf Föhr eine Wiklenlenkonserven-Fabrik gegründet hatte, die für den Betrieb einer Vogelkoje benötigte Konzession. Finanziell beteiligt waren außer dem Fabrikanten auch einige wohlhabende Hollander und ein Pellwormer Bauer. Um die relativ klein gehaltene Anlage wurden rund 10 000 Bäume angepflanzt: Pappeln, Eschen und Ulmen. Die Pellwormer Wildenten - in guten jähren wie 1934 gingen bis zu 11 000 Enten in die Falle - wurden jeden Abend nach Föhr gebracht, noch in der gleichen Nacht gerupft und in Dosen eingemacht. Mitte der 30er Jahre vertrieben dann die lärmenden Bauarbeiten im Zuge der Eindeichung des Buphever-Koogs die scheuen Wildvögel. Die 1995 restaurierte Anlage ist heute eine Touristenattraklion. An heißen Sommertagen lockt hier ein Spaziergang im kühlen Scharten hoher Bäume. Auf dem Deich gelangt man direkt nach Tammensiel und zum Hafen zurück.

Quer durch die Insel

Im Inselinneren gibt es keine geschlossenen Siedlungen. An der Straße, die von der Nordermühle an der Schule und der Neuen Kirche vorbei in Richtung Süden zum Leuchtturm führt, liegen mehrere große, geschichtsträchtige Höfe. Einer der eindrucksvollsten ist der Waldhusenhof im Großen Koog südlich der Nordermühle. Er entstand 1 750-55 rund um einen geschlossenen Innenhof. Berühmt ist die »Blaue Stube«, ein 1 748 eingerichtetes, in Hellblau gehaltenes Zimmer in ländlichem Rokoko (nicht zu besichtigen). Auf dem von einem dichten Baumbestand umgebenen Liliencronhof lebte der Dichter Detlev von Liliencron (s. S. 181 f., 186) vom I.März 1882 bis zum 1. Oktober 1883. Nur eine bescheidene Gedenktafel über dem Hauseingang erinnert an den lebenslustigen »Danzbaron«, der hier als Hardesvogt tätig war. Heute nutzt ein Töpfer die Räumlichkeiten, von Montag bis Samstag kann man einen Blick auf schönes nordfriesisches Kunsthandwerk werfen.

Im Großen Koog, im Herzen der Insel, liegt die Neue Kirche inmitten eines parkähnlichen Friedhofes mit seltenem und üppigem Baumbestand. Ihre Ursprünge gehen in das 16. Jh. zurück. Der heutige Kirchbau mit der neugotischen Westfassade, den Spitzbogenfen-slern und dem Weslportal entstand bei der umfassenden Renovierung im Jahre 1867. Das Inventar ist sehr viel älteren Datums - viele wertvolle Stücke wurden nach der Sturmflut von 1634 aus den zerstörten All-Nordstrander Kirchen auf die verbliebenen Gotteshäuser verteilt. Aus der versunkenen Kirche zu llgroff (zwischen Pellworm und Nordstrand) stammen die um 1600 entstandene Kanzel an der Südwand und der figurenreiche, in den alten liturgischen Farben Gold, Rot und Blau gehaltene Altaraufsatz von 1520. Nach der Zusammenlegung der Gemeinden von Alter und Neuer Kirche im Jahre 1965 wurde das benachbarte Pastorat, das heutige Anton-Heimreich-Haus, zum Gemeindehaus ausgebaut. In dem dcnkmalge-schützten Gebäude finden häufig Veranstaltungen statt. Eine Ausstellung der Schutzstation Wattenmeer ist im Obergeschoß des weißgestrichenen, reetgedeckten Friesenhauses untergebracht (in der Saison nachmittags geöffnet, 7 60). Mitunter finden hier auch Vorträge statt, darüber hinaus bietet die Schutzstation Wattexkursionen an. Zwischen der Neuen Kirche und Tammensiel liegt auf einer großen Warft der ehemalige Adcls-hof Seegarden (gard: dänisch für Hof), früher auch »)unkershof« genannt. Junker hießen adlige I lofbc-sitzer. In früheren Jahrhunderten gab es allerdings nur wenige Adlige in Nordfriesland. Der Jahrhunderte währende gemeinsame Kampf um den Erhalt des Deiches ließ unter den Deichanrainern kaum Standesunterschiede zu. Einzelne Männer wurden vom obersten Landesherrn jedoch für besondere Verdienste geadelt oder mit Privilegien ausgestattet, so auch der Staller Wunke Knutsen auf dem Hof Seegarden, der zu Beginn des 16. Jh. in den Adelsstand erhoben wurde. Der wohl bekannteste Bewohner Seegardens war der letzte Staller, August von Bestenborstel, dessen Schicksal - der Kampf um den Deich - Waldemar Augusting in dem Buch »Die große Flut« schildert. Die gewaltigen Zerstörungen in der Sturmflut von 1825 führten zum Konkurs des Gutes, zu dem damals 116 Bewohner, Arbeiter und Kätner (Besitzer einer Kate) gehörten. Der alte, baufällige Hof wurde 1962 abgerissen und durch einen modernen Bau ersetzt.

Nördlich des Hofes Seegarden liegt das 1992 in Betrieb genommene, kombinierte Solar- und Windkraftwerk. Die Anlage ist die größte ihrer Art in Furopa. Die gleichzeitige Nutzung von Sonnen- und Windenergie ist optimal, da im sonnenreichen Sommer der Wind in der Regel schwächer weht als in den stürmischen I lerbst- und Wintcrmonalen, wenn sich wiederum die Sonne öfter bedeckt hält. Der aus Wind und Sonne gewonnene Strom - jährlich soll die Kombianlagc 1,5 Mio. Kilowattstunden produzieren - wird in das Netz der Schleswag eingespeist. Im Informationszentrum (mit Kiosk) laufen verschiedene Filme über alternative Energien (April-Sept. tgl. 10-17 Uhr).
Allen, die länger auf Pellworm weilen und sich für die Geschichte der Uthlande interessieren, sei ein Besuch im Momme-Nissen-Haus empfohlen. In dem ehemaligen Bauernhof im Großen Norderkoog ist seit 1978 für die große Zahl katholischer Sommergäste eine katholische Kapelle untergebracht, die zur St. Knud-Gemeinde auf Nordstrand gehört. Bemerkenswert sind die von dem holländischen Professor Franz Griesenbrock gestalteten Glasfenster, die in dramatischen Szenen die Geschichte von Alt-Nordstrand, insbesondere die Orkanflut des Jahres 1634, darstellen.

Auskunft: Zimmervermittlung und Tourisleninformalion Iefinden sich im I laus der Kurverwallung in Tam-mensiel, Uthlandestraße 2, 0 48 44/ 1 89-40, -41, -42, -43, Fax 1 89 44.








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