In seinem vielzitierten Bericht über eine Eisenbahnreise von Minden nach Köln beschrieb der Dichter Levin Schücking 1856 die Region um die Ortschaft Oberhausen »als eine Landschaft, welche eine Staffage von nordamerikanischem Gepräge hat: Wir befinden uns in ödester Sandgegend, die kaum dürftigen Fichtenaufschlag nährt, in einer wahren Urheide; und mitten in ihr erblicken wir die Schöpfungen des modernsten Kulturlebens, eben aus dem Boden gestiegene Stationsgebäude, Häuser, Hotels, Fabrikelablissements, und che viel Zeit rfließt, wird mit amerikanischer Schnelligkeit eine Stadt aus diesen Sandhügeln aufwachsen, das rbürgt der Knoten der Bahnlinien, der sich hier schnürt.«
Die Entstehungsgeschichte Oberhausens erinnert in der Tat in manchen Zügen an die Erschließung Nordamerikas im Pionierzcit-alter. Das heutige Stadtgebiet war bis ins 19. Jh. hinein nur schwach besiedelt. Einige Herrensitze und Gutshöfc, das Dorf Osterfeld und das Zisterzienserinnenkloster Sterkrade bildeten damals die wesentlichen Siedlungskcrnc. Im äußersten Nordosten hatte Holten im Mittelalter als Stützpunkt der Kölner Erzbischöfe und der Grafen von der Mark eine gewisse strategische Bedeutung besessen. Um 1310 wurde die Ortschaft befestigt und erhielt sogar Stadtrechte. Knapp hundert Jahre später fiel Holten jedoch an Kle. Mit dem Wegfall seiner militärischen Funktion schwand jegliche Chance für einen wirtschaftlichen Aufschwung, denn für die Entwicklung von Handel und Gewerbe fehlten die entscheidenden Standortvoraussetzungen: Der Ort, der an allen vier Seiten von Sumpf, Bruch oder Heidelandschaft umgeben war, rkümmerte zu einer Ackerbürgerstadt, der 1824 die Stadtrechte wieder genommen wurden.
Zur Keimzelle für die spätere Industriestadt Oberhausen wurde 1846 ein Haltepunkt an der Köln-Mindener-Eisenbahnlinie. Dieser Bahnhof erhielt den Namen des nahe gelegenen Schlosses Oberhausen, das allerdings erst 1929 dem Stadtgebiet zugeschlagen wurde.
Die Ortschaft Oberhausen entstand 1862 durch eine preußische Kabincttsordre, als man einen neuen Verwaltungsbezirk aus zwei Bauerschaften und Gelände aus fünf rschiedenen Gemeinden zusammenschloss. Die Bürgermeisterei erhielt 1874 die Stadtrechtc rliehen, wurde 1901 kreisfrei und überschritt 1915 die 100 000-F.in-wohner-Markc. 1929 wurden Osterfeld und Sterkrade angegliedert, das seinerseits 1917 Hollen eingemeindet hatte. Die Einwohnerzahl stieg von 194 000 (1929) auf 254 000 (1967), um danach auf Grund der Montankrisen wieder leicht abzusinken. Heute leben in Oberhausen ca. 223 000 Menschen. - Die Stadt konnte ihren überregionalen Bekanntheitsgrad durch zwei Prestigeobjekte enorm steigern: durch die >Neue Mitte Oberhausen< und durch die Umnutzung des Gasometers als Ausstellungs- und Kulturzentrum.
Das Stadtzentrum
Die Oberhauscner Citygründung erfolgte zunächst auf dem Reißbrett und misslang zweimal. F.in , beiderseits der Köln-Mindencr Eisenbahn in der Nähe des Bahnhofs ein Stadtzentrum anzulegen, scheiterte an Schwierigkeiten mit der Eisenbahnrwaltung, die einen notwendigen Bahnübergang einfach aufhob. Das sodann weiter östlich des Bahnhofs ins Auge gefasste Gelände (mit Kern um die heutige Ebertstraße) senkte sich während der ungsphasc auf Grund von Bergschäden, und ein plötzlich entstehender Grundwas-sersce konnte erst 1881/82 trockengelegt werden. Nun wich man auf ein Terrain weiter südlich aus. Das endlich realisierte Straßennetz mit dem Altmarkt als Zentrum erinnert mit seinen meist schnurgeraden Verkehrswegen und rechtwinkligen Kreuzungen durchaus an nord-amerikanischc Muster. Dieser Eindruck wird durch die uneinheitliche, nicht immer lückenlose Bebauung mit Häusern von unterschiedlicher Höhe, Breite und Stilprägung noch rstärkt. Nördlich der Danziger Straße befinden sich die meisten größeren öffentlichen Gebäude (u. a. Luise-Alberts-Halle, Rathaus, Theater), umgeben von einer gut gestalteten Abfolge von Stadtplätzen, boulcvardartigen Straßen und parkartigen Grünanlagen.
Die katholische Marienkirche an der Mülheimer Straße entstand 1891-94 als repräsentati neugotische Basilika mit Querhaus nach den Plänen des prominenten Architekten Friedrich von Schmidt, der 1843-56 an der Vollendung des Kölner Doms mitgewirkt hatte. Das 75 m hohe Turmpaar konnte erst 1902 vollendet werden. Nach der Behebung von schweren Kriegsschäden wurde der Innenraum 1953-57 durch Rudolf Schwarz in modernem Stil umgestaltet. - Bei der katholischen Herz-Jesu-Kirche am Altmarkt, einer neugotischen Hallenkirche von Hermann Wielers (1909-l1), erfolgte die moderne Neugestaltung im Rahmen des Wiederaufbaus 1956/57 durch Domi-nikus und Gottfried Böhm in radikalererweise: »Die Architekten ließen die Scheidebögen zwischen Mittelschiff und Seitenschiffen rmauern und ersetzten sie durch horizontale Stützen. Anstelle der Gewölbe wurden Flachdecken eingesetzt, die dem nun gegenüber den Seitenschiffen stark erhöhten Mittelschiff einen zentralisierenden Charakter rleihen - ein Eindruck, der dadurch gesteigert wird, dass die breiten Fenster des Chorraums, der sich in einer fünfstuen, halbkreisförmigen Empore zur Gemeinde hin öffnet, bis auf den Boden herabgezogen sind. Die Fenster, die wie eine Lichtwand den Raum abschließen, sind von Ludwig Ronig mit Motin der >Aufer-stehung< und der >Wcihnachtsgeschichte< sowie von Josef Diekmann (>Pfingstcnbessercn Kreise< wider, die hier wohnten (Architekt: Heinrich Heidsicck, 1898). Die expressionistische St. Michaels-Kirche an der balken-straße entstand 1928/29 nach en von Fritz Sonnen, dem Leiter der Hochbauabteilung der Gutehoffnungshütte. Das kubische Bauwerk erinnert folglich an die Industriebauten dieser Zeit. Die katholische Rektoratskirche Zu unserer Lieben Frau wirkt von der rkehrsreichen Mülheimer Straße aus wie eine kleine, rmeintlich fensterlose Gottesburg. Innen jedoch zitieren achteckige Stahlstützen, die ein schlichtes Betondach tragen, das 'Heilige Zelt< des Alten Testaments. Die Kirche birgt eine geschnitzte Bcweinungsgruppe aus dem 17. Jh.
Das Oberhausener Rathaus darf mit Recht zu den bedeutendsten expressionistischen Profanbauten in Deutschland gezählt werden. Der klar gegliederte Klinkerbau setzt sich aus wenigen großformatigen Quadern zusammen. Dabei deutet die Architektur politische Rangfolgen plastisch an. So wird vor allem der Ratssaal als Tagungsort des maßgeblichen politischen Gremiums optisch betont. Dieser Baublock kragt vor und wird durch Natursteinmaßwerk in der Vertikalen akzentuiert, während an dem übrigen Baukörper horizontaler Wanddekor vorherrscht: gotisierende Traufgesimsornamente, Muschclkalkbänder, sehr schöne Ornamentbänder aus Klinkern. Die Fensterfront des Ratssaals wird durch Personifikationen des Handels (Gott Merkur) und der Montanindustrie (Schmied mit Hammer) flankiert sowie durch einen markanten Uhrturm überhöht (Architekt: Ludwig Freitag, 1927-30).
Schloss Oberhausen liegt ca. 1 km vom nördlichen Rand der Innenstadt entfernt in der Nähe der Sterkrader Straße. Das Bauwerk entstand erst 1808-l4 als Wohnsitz für den Reichsgrafen Maximilian Friedrich von Wcstcrholt-Gyscnbcrg in der Nähe der Reste von >Haus Orhus