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Natur und Wirtschaft - Nürnberg

Natur und Wirtschaft - Nürnberg

Der Slogan Franken - Bayerns Elite« aus den 1970er jähren wird in Abgrenzung gegen Altbaycm noch immer gerne zitiert, denn mit den Landen jenseits des echten Weiß-wurstäquatorsi, der Donau nämlich, hat man wenig gemein, weder die Sprache, Mentalität noch die Küche. Kein schlimmerer Fauxpas daher, als mit den Bewohnern südlich dan in einen Top! geworfen zu werden, was man Nichtbayern jedoch nachsichtig verzeiht. Hinter der prokanten Pose steckt ein gerüttelt Maß an verletztem Stolz, gewürzt mit einer kräftigen Prise Selbstbehauptungswillen und Selbstironie. Seit der Einverleibung ins Königreich ab 1806 fühlt sich Franken konstant untergebuttert. Vor allem bei der Verteilung der Finanzen im Freistaat komme immer erst München, dann nochmals München, dann lange nichts und irgendwann einmal die Provinz.

Doch selbst eingefleischte Kritiker müssen zugeben, dass man nach der iAnnexion< n der königlich-bayerischen Fürsorge auch profitierte. Die ehemalige Reichsstadt Nürnberg saß auf einem gewaltigen Schuldenberg, den sie nicht allein zu verantworten hatte, aber auch aus eigener Kraft nie mehr loswerden konnte. Das Ende der Kleinstaaterei brachte den Aufschwung zum bedeutenden Industriestandort. Nürnberg, Fürth und Frlangcn bilden ein Ballungszentrum, dessen In-novalionskraft und wirtschaftliches Potenzial über die Region hinaus curopa- und gar weltweit >Duftmar-kcn< setzt.




Damals aber, Anfang des 19. )h., wog gerade für Nürnberg mit seiner glanzllen Geschichte als »Schatz-kästlcin des Reiches« der Verlust politischer Eigenständigkeit schwer. Zur kaum verkraftbaren neuen Rolle als bloße Provinzmetropole kamen weitere Demütigungen hinzu: So erhielt die ehemals markgräfliche Residenzstadt Ansbach den Zuschlag als Sitz der Regierung n Miltel-franken. Mit der Zentralisierung zur evangelisch-lutherischen Landeskirche (natürlich in München! ging der Status als Impulsgeber des deutschen Protestantismus verloren. Die Kunstakademie, die erste Deutschlands, wurde zu Gunsten der Hauptstadt n König Ludwig I. zur Zeichenschule herabgestufl, die Universität Altdorf, an der immerhin 1666 ein Gottfried Wilhelm Leibniz promoviert hatte, aufgelöst. Mit der den Menschen hier eigenen Beharrlichkeit, die mit Fleiß, handwerklichem Geschick, Weitblick und Konzentration auf die alltäglichen Belange des Lebens eine glückliche Verbindung eingeht, konnte mittlerweile manches wieder auf- und eingefangen werden, so die neu formierte Kunstakademie und seit der Fusion der Wirtschaftshochschule mit der Erlangcr Friedrich-Alcxan-der-Universitiit (FAU) zumindest zwei Fakultäten für den studentischen Nachwuchs. In jüngster Zeit meldet sich »Die Region Nürnbergs eine unternehmerische Ideenschmiede, die eng mit der FAU kooperiert, zu Wort.

Franken, Bayerns Elite - mehr als eine bloße Trotzreaktioni Immerhin stiegen seine politischen Köpfe nicht selten zu hohen Staatsämlern auf, am spektakulärsten die Fürther Ludwig Erhard als >Vater des Wirtschaftswunders' zum Bundeskanzler und Henry Kissinger zum US-Außenminister. Eher zufällig ins Rampenlicht geriet das Nürnberger Ehepaar Simon mit dem Fund des >Ötzieigenbrötlerischc< Leistung. Tüfteln, Forschen, Verbessern, Gespür für Neues - das hat Nürnberg groß gemacht. Darauf stützt sich bis heute der Ruf solider fränkischer Präzisionsarbeit. Eine Variante der Eigenbrötelei lässt Freundschaften behutsam angehen, wandelt sich aber zu tiefer Herzlichkeit, sobald das Fis gebrochen ist. Im Einzelnen die ganze Menschheil, im Kleinen das Große sehen, das isl wohl die herrstechendste Eigenart, nicht zuletzt geprägl durch eine im Kleinen reich struklurierle Landschaft - und mit diesem Bewussl-sein könnte man sich dieser auch nähern.

Landschaft zwischen Fels und Tal

Fränkische Landschaft, das ist, als wenn einst jemand tausende von Schächtelchen geöffnet hätte, aus denen immer neue Hügel, Baumstücke, Obslgärten, Äcker, Wiesen und Wälder entsprangen und sich wie auf einem Schachbrett ordneten, durchzogen vom Netz der Flüsse und Bäche. Einmal abgesehen von den grandiosen Dolomillürmen und Canons im Zentrum der Fränkischen Alb, präsentiert sie sich sanft, lieblich und rundlich. Ihre kleinräumige Struktur erhielt sie weitestgehend im Tertiär vor 65 bis 2 Mio. jähren. In der Zeil also, in der auch der Oberrheintalgraben sich öffnete, wodurch letztlich das Süddeutsche Schichlslufenland herausmodelliert wurde, das bis zur Alb mit der Fränkischen Schweiz als Krönung trep-penarlig aufsteigt.

Beiderseits der Rednitz-/Regnitz-lurche bestimmt ca. 230 Mio. |ahre alfer Keuper das Landschaftsbild, wobei die mittlere Schicht des Burg-sandsleins sich mit den Felsklötzen Cadolzburg, Alte Veste bei Fürth und Nürnberger Burg markant in Szene setzt. Rund 200 Mio. Jahre zurück reichen erdgeschichtliche Prozesse, aus denen die Fränkische Alb entstand. Als Teil des europäischen Jura zieht sie sich bogenförmig um das Nürnberger Kcupcrgc-biet - östlich davon I lersbrucker Schweiz, nordöstlich Fränkische Schweiz genannt -, um etwa auf der Main-Linie zu enden. Die stark zer-lapptc Alb, im Osten durch den Kleinen Kulm (bei Pcgnitzl einzugrenzen, fällt im Westen bei Geis-l'eld, Scheßlilz, Forchheim, im Süden bei Effeltrich, Neunkirchen am Brand, Igensdorf, Rüsselbach, Schnaiftai'.h ab ins Vorland.

»Hier lässt sich die hehre Natur mehr zum Menschen herab, sie lächelt ihm bald freundlich in anmutigen Gebirgslinien, untermischt mit üppigen Laub- und Nadelholz-Partien, bald zeigt sie sich in ihrer ernsten Groß« in grauen, mächtigen Fel-sen-Auftürmungen«, begeisterte sich 1829 der Bamberger Geschichtsschreiber loseph Heller auf einer Reise durch die Fränkische Schweiz, von der Landschaft fasziniert wie so viele vor und nach ihm. Das für die Alb charakteristische Gestein bildete sich aus Sedimenten des Jurameers, das vor ca. 195 Mio. jähren in mehreren Schüben das Land überflutete und 60 Mio. Jahre danach endgültig verlandete. Die Schichten des Schwarzen Jura (Lias), Braunen Jura (Dogger) und vor allem des Weißen Jura (Malm) sind, ob nun Tone, Schiefer, Mergel, Sand- oder Kalksteine vorherrschen, gespickt mil Fossilien und daher von Hobby-Schatzsuchern vielerorts rücksichtslos geplündert worden. Ein fast 100 Mio. Jahre währender klimatisch bedingter Abtragungsund Verwitterungsprozcss gab der Fränkischen Schweiz letztendlich ihr klassisches Profil: Neben mächtigen Stapeln aus geschichtetem Kalk (Calciumcarbonat), der u. a. in den Steinbrüchen von Drügcndorf, Grä-fenberg und Hohenmirsbcrg abgebaut wird, blieben die harten weißgrauen Kerne, aus Meercs-schwämmen entstandene Riffdolo-mittürme (Calcium-Magncsiumcar-bonat), als Karst-Inseln stehen.

In steilwandige Täler nagten sich während der letzten Eiszeilen Flüsse und Bäche, höher liegende, ältere Täler trockneten aus und verwandeln sich nur nach der Schneeschmelze in mitunter reißende Gewässer. Karstquellen sind die Lebensspender der Alb, im Gegensatz zu den >Hungerbrunncni (Tümmler), die von jeher als Unheilbringer galten. Diese Quellen sprudeln nur nach außergewöhnlich heftigen Regenfällen, wenn das unterirdisch zirkulierende System überläuft, für die Bauern ein untrügliches Zeichen drohender Überschwemmunge und damit einer Gefährdung der Ernte. Die Wasserarmut der Albhochfläche forderte zu allen Zeiten menschlichen Erfindungsgeist heraus. Neben allerdings seltenen Tiefbrunnen und Zisternen legte man da, wo eiszeitliche Lehmabdeckung das Versickern im Weißjurakarst verhindert, Hüllen an. Ortsnamen wie Wohlmulhshüll oder Weidenhüll erinnern daran, bei Siegmannsbrunn, Leutzdorf, Haslach, Moggast wurden Hüllwci-her zu Biotopen saniert.


In Wald und Flur

Die Manie, sprachlich alles zu verkleinern, ist womöglich genetisch eingebrannt. Für die ausgedehnten Kiefernwälder im Dunstkreis der Großstädte Nürnberg, Erlangen und Fürth fand der Volksmund das Kosewort >Steckerläswald< (>Stöckchen-wald<). Noch Mitte des 14. |h. prägten vorwiegend Buchen und Eichen den Nürnberger Reichswald, der die Stadt halbkreisförmig umschloss, von der Pegnitz in Sebalder und Lorenzer Wald getrennt. Als Viehweide, Lieferant für Baustoff, Harz, Pottasche, Kohle (Meilerei), Eicheln (Schweinemast) ausgebeutet, war er dem Ruin nahe. Da >erfand< der Nürnberger Handelsherr Peter Stromeir 1308 die Forstwirtschaft. Er ließ Kiefern- und Fichtensamen aussäen, um die Lücken mit rasch wachsendem Nadelholz zu füllen. Die Effizienz des Verfahrens sprach sich allerorten herum, die >Tan-nensäer< wurden begehrte Fachleute. Der Wald wandelte sich zum ertragreichen Kunstforst, wie wir ihn heute kennen, der Reichswald ist somit der älteste von allen.

Nach 1806 durch die bayerische Regierung gezielt mit Kiefern aufgeforstet, um den wieder einmal arg gebeutelten Bestand zu retten, drückt der >Stcckerläswald< seither der Landschaft seinen Stempel auf. Erholung Suchende, Pilzsammler oder Schwarzbccrensucher (Heidelbeeren) lieben ihn bei all seiner Monotonie. Für die Forstleute ist die Regenerierung mit Mischwald ein mühseliges Geschäft, da selbst geeignete Böden infolge der Nadelholz-Reinkultur total verarmt sind. Langsam zeigen sich aber erste Erfolge. Indessen drohte die noch 24 000 ha grüne Lunge zur >Schrumpflunge< zu werden. Nach dem Kahlschlag im >Dritten Reich< für das Reichsparteitagsgelände dezimierten den Reichswald Siedlungen, Gewerbegebiete und Straßen, bis er 1979 als Bannwald unter Schutz gestellt wurde. Fitzgerald Kusz' poetische Liebeserklärung inn dufd vonnerm schdeggäläswald im sebdembä in-nerm fläschlä abfülln: ä gouds bar-füm fiäs ganze joä« (Den Duft eines Stcckerläswalds im September in einem Fläschchen abfüllen: ein gutes Parfüm fürs ganze Jahr) - könnte nun doch mehr als bloße sentimentale Reminiszenz bleiben (Tipp: Wald-erlcbniszentrum Tennenlohe, s. S. 222).

Von schleichender Schrumpfung ist auch das Knoblauchsland, der Gemüsegarten im Städtedreieck Nürnberg Fürth-Erlangen, gezeichnet. Trotz alledem, trotz bereinigter Flur und Gewächshaus-Übertunne-lung hat sich das uralte Ackerland ländliches Flair bewahrt. Nicht nur die aromatische Knolle, der es vermutlich den Namen verdankt, sondern ein bunter Kartoffel-, Salat- und Gemüsekorb wird unter dem Gesichtspunkt der kurzen Wege zum Verbraucher von über 200 Bauernhöfen meist direkt vermarktet. Frisch gestochener Spargel, die »Schmeichelei für den Gaumen« (Cato), ist mit Erntespitzen von ca. 330 Tonnen pro Saison ein wichtiger Erwerbsfaktor mit steigender Tendenz.

Davon können die Hopfenbauern nur träumen, die im Frankenland der insgesamt über 300 Hausbrauereien, von ausländischer Konkurrenz, neuen Sorten und dem Trend zu Weizenbier hart bedrängt, sich weitgehend auf ihre Hochburg Spalt südlich von Nürnberg zurückzogen. Aber auch dort fallen die Stangen um wie Dominosteine, gerade rund 200 Betriebe halten sich noch. Auf der Hersbrucker Alb, um 1900 eines der weltweit größten Anbaugebiete, sind Hopfenfelder Mangelware, im Umkreis von Gräfen-berg (Fränkische Schweiz) setzen Landwirte vereinzelt auf diese Karle. Für blauen Dunst sorgen hingegen etwa 70 Tabakpflanzer mit den Traditionssorten ßurley und Virgin auf rund 600 ha Fläche speziell im Anbaugebiet Schwabach, aber auch im Knoblauchsland (Großgründlach). Rund 17 % bundesdeutscher Produktion liefern sie für die Glimm-stängel-Mixturen großer Konzerne.
Im Albvorland, aber auch auf Frost geschützten Hochflächen setzen Obstplantagen Akzente - mit der Süßkirsche als absolutem Sym-pathicträger. Vielerorts fielen die I lochstammanlagcn als »nicht marktgerecht« und »gefährlich« den Motorsägen zum Opfer. Trotz niederstämmiger >Bonsais< aber ist der Frühling im Kirschenanbaugebiet um Pretzfeld und Igensdorf eine einzigartige Blütenpracht, die Frucht ein Fest für den Gaumen, ob man nun Herz- (Burlat) oder Knorpclkir-sche in allen Farben (Königskirsche, Sam, Regina) kostet.

Ohne Bestäubung keine Frucht -und kein Honig, gerade im Lebkuchen-Wunderland Nürnberg Tradition und Verpflichtung! Kasten für die Biene Maja sind in den Kirschhainen der Frankischen Schweiz aber inzwischen rar und wenn, dann sind die Völker trotz kontrolliert integrierten Anbaus fungizidgefährdet. Unberührt davon offenbart sich in Wiesentälern und auf Magerrasen der Alb >heile Natur< in Refugien geschützter Pflanzen. Anemonen, Gefranster und Deutscher Enzian, Akelei, Türkenbund-Lilie, Silberdistel sowie rund 40 Orchideenarten wie Frauenschuh, Waldvögelein, Fliegenragwurz und Kuckucksblume zeigen sich dem kundigen Auge.

Viele Arten, speziell auf den Magerrasen der Wacholderheiden, verdanken ihr Überleben der Bc-weidung mit Schafen. Im Kemland ist in erster Linie das Merinolancl-schaf heimisch, im nördlichen Teil des Naturparks Fränkische Schweiz auch das Coburger Fuchsschaf. Von der Pflanzenvielfalt profitieren die Insekten mit direkter Auswirkung auf den Fischreichtum. In den Karstgewässern Wiesent, Lcinleiter, Püttlach und Aufseß tummeln sich Äschen, Bach- und Regenbogenforellen. Außer den traditionell in Teichen des Keupervorlandcs gezüchteten Karpfen (möglichst mit dem gastronomischen Idealgewicht von 1500 g gefangen) gelten die mit steigender Gewässerreinheit wieder angesiedelten Edelkrebse als Delikatesse. Albfelsen halten Nislplätze für Wanderfalken bereit, in den Höhlen finden Fledermäuse Unterschlupf.







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