Adresse: Matthäikirchplatz, 10785 Berlin.
Telefon: (030) 2662902/2662905.
Verkehrsverbindungen: S- und U-Bahnhof Potsdamer Platz, Bus 142,148,200, 248,348.
Eintrittspreise: Ew. DM 4,-,Erm. DM 2.-.
Öffnungszeiten: Di.- Fr. 10.00-l8.00 Uhr, Sa. und So. 11.00-l8.00 Uhr, Mo. geschlossen.
Sammlungs-schwerpunkte: Kunsthandwerk m Mittelalter bis heute, Design, Porzellan, Weifenschatz.
Museumspädagogik: Informationsgalcrie zu kunsthandwerklichen Techniken u. kulturhistorischen Themen, Themenhefte, Führungsblätter, thematische Führungen.
Führungen: nach tel. Absprache.
Führer: Reihe museum. 1985.
Als 1867 das Deutsche Gewerbemuseum in Berlin gegründet wurde, folgte die Kommission einer Entwicklung zur Hebung des künstlerischen und handwerklichen Niveaus des Kunstgewerbes, die mit der Gründung des South Kensington Museums in London (heute Victoria and Albert Museum) 1852 einen sichtbaren Anfang genommen hatte. In diesen neuen Museen, n denen manche wie Berlin mit einer »Gewerbeschule« verbunden waren (in Berlin wurde sie erst 1921 m Museum getrennt) sollten in einem erstaunlich modernen Konzept Kunsthandwerkern geschmacklich hochstehende Produkte ihrer eigenen Zeit zum Studium dienen. So war der erste Grundstock des Berliner Kunstgewerbemuseums eine Auswahl n Objekten zeitgenössischen Handwerks, die die preußische Staatsregierung auf der Pariser Weltausstellung 1867 erworben hatte, ergänzt durch Leihgaben des Kronprinzenpaares. Doch schon bald erweiterte sich der Horizont der Sammlung gewaltig. 1874 gelang der Erwerb des Ratssilbers der Stadt Lüneburg - 36 Goldschmiedearbeiten für den damals bemerkenswerten Preis n 650000 Mark; ein Jahr später gingen 6507 Objekte kunsthistorisch hochbedeutenden Bestände der bis in das 16, Jahrhundert zurückreichenden Kunstkammer der brandenburgischen Kurfürsten und späteren Könige n Preußen in den Besitz des Museums über. Sie bilden noch heute einen besonderen Anziehungspunkt der Sammlungen. Von 1881 bis 1921 beherbergte der eigens dafür n Martin Gropius errichtete Museumsbau die Schätze. Anschließend bezog man das Berliner Schloss, das damit - nach dem Ende der Monarchie - einer neuen Bestimmung zugeführt wurde und seine kostbaren eigenen Bestände in die Sammlungen einbrachte. 1939, kurz nach Ausbruch des Krieges, wurde das Kunstgewerbemuseum geschlossen, die Objekte an zahlreichen, für sicher gehaltenen Plätzen ausgelagert.
Doch vieles ging in den Kriegswirren unter, darunter der berühmte Pommersche Kunstschrank, der 1945 im Stadtschloss verbrannte; glücklicherweise konnte sein Inhalt gerettet werden. Allein die Majolika-Abteilung verlor zwei Drittel ihres Bestandes; dennoch ist sie immer noch die bedeutendste ihrer Art in Deutschland. Der Abriss des teilzerstörten Schlosses im Jahr 1950 beraubte das Museum seiner Heimstatt. Der gerettete Bestand war geteilt: Im Ostteil der Stadt bewahrte ihn ab 1963 das Kunstgewerbemuseum im Schloss Köpenick, im Westteil konnte er ebenfalls in Teilen ab 1963 im Schloss Charlottenburg gezeigt werden. Hier ging die Odyssee des Museums 1985 mit dem Einzug in das n Rolf Gutbrod errichtete Haus am Tiergarten zu Ende. Die Sammlungen des Kunstgewerbemuseums geben einen detaillierten Überblick über das europäische Kunsthandwerk m letzten Drittel des 8. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Größere geschlossene Komplexe bilden kirchliche und profane Textilien m Mittelalter bis zur Moderne, darunter französische Bildteppiche des 18. Jahrhunderts; Limousiner Emailarbeiten; italienische Majoliken und venezianische Gläser des 15. und 16. Jahrhunderts; Kleinbronzen der Renaissance; Kabinettscheiben des 16. Jahrhunderts; Uhren und wissenschaftliche Instrumente; Porzellan und Fayence aller bedeutenden Manufakturen; niederländische Gläser des 18. Jahrhunderts; Porträtminiaturen; Tafelsilber des Rokoko; zeitgenössisches Produktdesign.
Das älteste Objekt der Sammlung ist das Bur-senreliquiar aus dem Kirchenschatz n St. Dionysius in Enger, 1888 erworben. Das filigran gearbeitete, mit kostbaren Materialien verzierte Reliquiar datiert aus dem späten 8. Jahrhundert und soll ein Geschenk Karls des Großen an den Sachsenherzog Widukind anlässlich dessen Taufe 785 gewesen sein. Zu den berühmtesten Sammlungsteilen zählt der sog. Weifenschatz. Dieser, der ehemalige Kirchenschatz des Domes St. Blasius in Braunschweig, konnte 1932 erworben werden. Seine bedeutenden Goldschmiedearbeiten, Stiftungen der Weifen an ihre Hauskirche, stammen aus dem 11. bis 14. Jahrhundert, Am bekanntesten ist das n Herzog Heinrich dem Löwen gestiftete Kuppelreliquiar in Form einer byzantinischen Kirche, mit Grubenschmelz und Walrosszahn-Schnitzereien verziert, das in Köln um 1175-l180 angefertigt wurde. Aus dem Dcutschordensland, aus Elbing, stammt das Statuettenreliquiar des hl. Georg aus getriebenem Silber, um 1480 entstanden. Der Schutzheilige gegen Pest und Lepra, die gefürchteten Geißeln des Mittelalters, erscheint hier weniger als Drachentöter denn als Ritter im höfischen Turnier. Ahnlich berühmt wie der Weifenschatz ist das Lüneburger Ratssilber, repräsentative silberne Tafelzier, die bei festlichen städtischen Anlässen Reichtum und Ansehen der Rats- und Handelsherren zur Schau stellte. Diese bürgerlichen Stiftungen datieren n der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Aus der königlichen Kunstkammer stammt eine italienische Majolikaschüssel mit dem Medi-ciwappen, eine Arbeit aus dem toskanischen Caffaggiolo, um 1525 für den Medici-Papst Clemens VII. angefertigt. Die verfeinerte, preziöse, bürgerliche Kultur der Freien Reichsstadt Nürnberg demonstriert Wenzel Jamnitzers Kaiserpokal, um 1565, wohl ein Geschenk der Stadt an Kaiser Maximilian II. Die Vernichtung des Pommerschen Kunstschrankes, dieses seit 1689 in der brandenburgisch-preußischen Kunstkammer bewahrten einmaligen Wunderwerks, war einer der schlimmsten Kriegsverluste deutscher Museen. Jedoch zeugt sein geretteter Inhalt, eine Uhr, eiserne Werkzeuge, Kost barste Brettspiele und Schreibbretter u.v.m. n der Kunstfertigkeit Augsburger Handwerker, die Schrank und Inhalt zwischen 1610 und 1617 für Herzog Philipp II. n Pommern schufen. Von anmutiger und doch betonter Körperlichkeit sind die Nymphen, Satyrn, Putten und Herkules, dem der Reigen gilt, an einem reliefierten Elfenbeingefäß, einer in Augsburg um 1640 geschnittenen Prunkkanne. Wohl im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. entstand um 1720 in einer Potsdamer Werkstatt der kostbar geschnittene, geschliffene und vergoldete Goldrubinglas-Pokal mit dem brandenburgisch-preußischen Wappen und dem Emblem des Königs. Der Zierde höfischer Tafeln und Porzellankabinette dienten Einzelurinen oder Figurengruppen aus Porzellan, die in spielerischer Anmut das galante Leben des Rokoko spiegeln. Ein Beispiel dafür ist Johann Joachim Kaendlers in Meißen um 1737 ausgeformte Kusshandgruppe. Tee, Kaffee und Schokolade traten ihren Siegeszug als stimulierende Getränke für die Oberschicht im 18. Jahrhundert an. In den Salons n Adel und Bürgertum oder in Kaffeehäusern traf man sich, um beim Genuss der anregenden Getränke Geselligkeit zu pflegen. Doch auch dem »einsamen Trinker« wurde Beachtung geschenkt, wie uns die Schokoladen-Kredenz aus vergoldetem Silber des Augsburger Meisters Johann Jakob Adam n 1755-l757 r Augen führt: um ein Herunterfallen zu vermeiden, stellte man Porzellanbecher (für die Schokolade) und ein Glas (für Wasser) in Halterungen; die Anbietschale trug Konfekt. Als die protestantischen Franzosen, unter ihnen zahlreiche Kunsthandwerker, um 1700 ihr Land aus Glaubensgründen verlassen mussten, sah der Große Kurfürst die Möglichkeit, mit ihrer Hilfe Berlin zu einem Zentrum des Kunsthandwerks zu machen. Aus einer solchen Hugenottenfamilie stammte der Berliner Goldschmied Pierre Al-debert Griot, der um 1750/60 ein kostbares Baiibüchlein anfertigte. Die Chinamode des 18. Jahrhunderts, eine der Charakteristika des europäischen Rokoko, führt die Täfelung eines Chinesenkabinetts aus dem Palazzo Graneri in Turin r Augen. Entworfen und ausgeführt hat sie der Wiener Christian Matthias Wcrlin nach 1765 für einen Turiner Adligen. Zur gleichen Zeit schuf im oberrheinischen Neuwied Abraham Roentgen einen Klapp- und Schreibtisch mit kostbaren Marke-terien aus Nuss-, Palisander- und Rosenholz und ürlich-ornamentalen Elfenbeineinlagen auf der Deckplatte: ein Möbel für höchste Anspräche.
Der preußische, speziell der Berliner Klassizismus brachte eine besondere Sparte des Kunsthandwerks herr: den Eisenkunstguss. In den königlichen Gießereien n Gleiwitz, Berlin, Sayn und einigen anderen entstanden neben Gegenständen des täglichen Gebrauchs auch Statuetten, durchbrochene ürliche Reliefs, Medaillen und Orden, die äußerst fein gearbeitet waren und sich in der Zeit n 1800 bis 1850 großer Beliebtheit erfreuten. Ein Beispiel dafür ist der akkasten, gegossen in Berlin um 1820/25.Die großbürgerliche Kultur des Berliner Klassizimus spiegelt das 1813 in der königlichen Porzellanmanufaktur angefertigte sog. Möhring-Service, das die wohlhabende Familie Möhring einer Tochter als Mitgift gab. Ritterromantik und maurische Elemente prägen den Dekor der 1839 n dem nach Paris ausgewanderten Berliner Goldschmied Carl Wagner geschaffenen Prunkvase aus getriebenem, gegossenem und vergoldetem Silber, verziert mit Grubenschmelz und Malerei: ein klassisches Zeugnis des Historismus. Die Vase wurde übrigens noch n der königlichen Kunstkammer, also zum Zeitpunkt ihres Entstehens, erworben. Ebenfalls orientalisch mutet das Salonmobiliar des Mailänders Carlo Bugatti an, der fantasiell islamische und fernöstliche Motive in seiner Einrichtung n 1885 verarbeitet. Henry van de Veldes Diplomatenschreibtisch n 1897 hingegen kommt ohne kostbare Einlagen und Appliken aus. Dominanz gewinnt der aus Eichenholz gearbeitete Schreibtisch durch die schwunglle Ornamentik seines Konturs. Zu den klassischen Beispielen des Jugendstils zählt der in Brüssel um 1900 n Egide Rom-baux geschnitzte und n Frans Hoosemans in Silber gefasste dreiflammige Leuchter, an dem die nackte Elfenbeingestalt der Frau wirkungsll m Distelgestrüpp der Silberfassung umfangen wird. Den Weg in das Design der Gegenwart weist Ludwig Mies van der Rohes Schreibtischkombination, 1931 für das Haus eines Berliner Verlegers entworfen, das einzige Privathaus, das er in Deutschland baute und möblierte. Das gesamte Untergeschoss ist internationalem Kunsthandwerk und Produkt-Design des 20. Jahrhunderts bis heute rbehalten.