Als am 23. September 1972 der Staatshafen Nürnberg eröffnet und damit die Strecke des Main-Donau-Kanals von Bamberg bis zur Noris offiziell freigegeben wurde, gab es ein großes lksfest. Danach kehrte für Angler, Kanuten und Ausflügler wieder beschauliche Ruhe ein. Das sporadische Erscheinen hinauf- und hinuntertuckernder Fahrgastschiffe und das noch seltenere von Lastkähnen kommentierte der trockene fränkische Witz bald mit »Hoi, a Schiff!«, in Umkehrung von »Schiff ahoi«. Sollten die Kritiker doch recht behalten, die im rfeld das Unternehmen als Anachronismus angeprangert hatten, angesichts der flexibleren Transportwege Schiene und Straße? Erst der Altmühl-Anschluss an das System schaffe von der Nordsee zum Schwarzen Meer eine durchgängige Verbindung, hielten die Befürworter dagegen. Dann werde mit dem Zusammenrücken der europäischen Märkte auch der Frachtverkehr steigen. Eine kühne Vision auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs zwischen Ost und West!
Den schlimmsten Rückschlag in der öffentlichen Akzeptanz erlebten die Kanalbauer im März 1979, als bei Nürnberg-Katzwang der Damm brach. Ein Kind ertrank in den Fluten, mehrere Häuser des Orts waren abbruchreif, die romanische Kirche wurde stark beschädigt. 1992 war man schließlich an der Donau angelangt. Mit den Nalurschützem, die gegen massive Eingriffe ins Altmühltal protestiert hatten, konnten Kompromisse gefunden werden, wie Biotopzonen und naturnahe Ufergeslaltung.
Schlechte Karten dennoch für die Kanallobby trotz der Argumentation, zu geringe Fahrtiefen an Main und Donau hätten dem rgängermodell, dem 1846 eröffneten Ludwig-Donau-Main-Kanal, letztlich das Wasser abgegraben. Im Grunde aber war das Licblingskind König Ludwigs I. von Bayern schon bei seiner Einweihung eine Totgeburt. 101 Schleusen verlangsamten die Fahrt, zudem saß die Eisenbahn-Konkurrenz im Nacken. Ehe der Kanal 1949 aufgelassen wurde, verkehrten zwischen Nürnberg-Doos und Fürth-Kronach nur noch Ausflugsboote eines findigen Wirts, die der lksmund Schlagrahmdampfer nannte. Reste des Alten Kanals sind in die neue Wasserstraße integriert oder als Naherholungsidylle im Urzustand belassen, etwa im Nürnberger Süden.
1960 mit der Teilregulierung der Regnitz begonnen, ist die Neuaullage bei 55 m Wasserspiegelbreite und 4 m Tiefe wesentlich großzügiger dimensioniert als ihr rgänger und auf 16 Schleusen (darunter 13 Sparschleusen mit Rückhaltebecken) reduziert. Das 171 km lange und 4,7 Milliarden Mark teure Wunderwerk der Ingenieurslechnik kreuzt auf bis zu 220 m langen Stahltrögen drei Flusstäler und muss 243 m Höhenunterschied überwinden. Mit Wehr und Schleuse kombinierte Wasserkraftwerke finanzieren die Baukosten und liefern umweltfreundliche Energie. Pumpwerke verwandeln den Kanal in eine Wasserleitung, die Alfmühl-und Donauwasscr in die Speicher Rothsee und Großer Brombachsee speist, um bei Bedarf den wasserarmen Norden zu versorgen.
Bleibt die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, denn dafür wurden immerhin ganze Landschaften umgebaut. Der Lkw-Transport schluckt als schärfster Rivale IroLz günstiger Infrastruktur im Hafen Nürnberg den Löwenanteil. Dabei ist der Kanal bei Schwerstgütern unschlagbar, wie das Großversandhaus Quelle bewies, das 1998 für den Katalogdruck 650 t Papier mit einer Schiffsladung anliefern ließ. Dafür hätte man 20 Bahnwaggons oder 30 Lkws benötigt. Womöglich aber zwingen Verkehrskollaps und Klimaschäden zum Umdenken. Dann wäre eine Idee, die seit Karls des Großen Fossa Carolina vor 1200 jähren die Menschen fasziniert, etwa Dürers Freund Willibald Pirckhcimcr, doch kein Schlag ins Wasser gewesen.
Rad-/Wandertipp:
n Nürnbergs Stadtteil Gartenstadt (südwestlich Süd-Iriedhof) am Alten Kanal bis Worzeldorf, über Hcrpersdorf zum Main-Donau-Kanal dann so weit man will!