Adresse: Kartäusergasse 12,90402 Nürnberg.
Telefon: (0911) 13310.
Telefax: (0911) 1331200.
rkehrsverbindungen: U-Bahn-Station Opernhaus.
Eintrittspreise: Er«', DM 8,-; Erm. DM 6,-; Mi. ab 18.00 Uhr frei. Öffnungszeiten: Di., Do., Fr.-So. 10.00-l7.00 Uhr, Mi. 10.00-21.00 Uhr, Mo. geschlossen.
Gastronomie: im Museum.
Sammlungsschwerpunkte: Vor- und Frühgeschichte, Gemälde, Skulpturen, Kunsthandwerk, Möbel, Textilien, Spielzeug und Puppenhäuser, historische Musikinstrumente, wissenschaftliche Instrumente. Museumspädagogik: Unterricht für Schulklassen, Jugendgruppen, Seminare, Lehrerfortbildung, Führungen.
Führungen: Di.-Sa. 10.30 und 15.00 Uhr, So. 15.00 Uhr.
Führer: Gerhard Bott (Hg.): Führer durch die Sammlungen, 3. Auflage 1985.
Sinn und Aufgabe des Germanischen Nationalmuseums ist es, die kulturellen Zeugnisse aus dem deutschen Sprachraum im Kontext der gesamteuropäischen Kultur zu bewahren, zu dokumentieren und zu erforschen. Dieses Wirken umfaßt den einfachen Gebrauchsgegenstand ebenso wie erlesenen Luxus und sogenannte hohe Kunst. Die Räume des alten Kartäuserklosters, des Galeriebaus und des weitläuen Neubaus von Sep Ruf füllen Kunst-und Sachgüter von der Vorzeit bis zur Gegenwart und laden ein zur kulturhistorischen Betrachtung der deutschen rgangenheit jenseits der politischen Nationalität, die als Teil des ganzen europäischen Erbes begriffen wird. Dieses »völkerverbindende« Konzept ist aber keineswegs eine Idee unserer, auf ein vereintes Europa hinstrebenden Gesellschaft, sondern sie entsprang dem neuen Geschichtsbewusst-sein der Historiker, Kultur- und Sprachforscher um König Ludwig I. von Bayern (reg. 1825-l848) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit also, in der sich allerorten in Deutschland Historische und Altertumsvereine konstituierten. Doch war es in diesem Fall kein Historischer rein, sondern ein einzelner Privatmann, der fränkische Adelige Hans Freiherr von und zu Aufseß, der mit seiner Idee der Gründung eines »Germanischen Nationalmuseums« beim bayerischen König offene Ohren fand.
Nach einigem Hin und Her bei der Wahl des Standortes - Bamberg, die ste Coburg und die Wartburg bei Eisenach standen zur Debatte - folgte 1853 die Bundesversammlung, wohlgemcrkt unter dem Vorsitz Österreichs, dem Wunsch von Aufseß' und beschloss, das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg erstehen zu lassen. Als Grundstock dienten Aufseß' eigene Sammlungen in Form einer Nationalstiftung, rasch vermehrt durch Stiftungen alteingesessener Nürnberger Familien, deutscher Fürstenhäuser und Städte sowie von zahlreichen Privatleuten aus allen Gebieten des deutschen Sprachraumes. Im Jahre 1853 wurde das Germanische Nationalmuseum im Tiergärtnertorturm feierlich eröffnet. 1857 erfolgte dann der Umzug in die ehemalige Kartause Maria Zell, die so vor dem Schicksal des rfalls, das andere Nürnberger Klöster traf, bewahrt blieb. Dieser aus dem 14. Jahrhundert stammende Klosterbezirk wurde im Laufe der Zeit, dem Wachstum der Sammlungen und der Weitung des Aufgabenbereiches entsprechend, von Ausstellungs- und rwaltungsgebäuden umgeben, ist aber bis heute das Herz des Museums geblieben.
Im Erdgeschoss des großzügig angelegten Mu-scumskomplexes finden sich die Abteilungen Kunst des Mittelalters (Gemälde, Skulpturen, Kunsthandwerk von 300 bis 1550; Hausrat von 1400 bis 1500); Historische Waffen und Jagdaltertümer (von 1000 bis 1800); Gartenskulpturen der Renaissance und des Barock (von 1750-l800) sowie die bedeutende und umfangreiche Sammlung historischer Musikinstrumente (von 1500-l900). Die Obergeschosse warten mit den Abteilungen Gemälde, Skulpturen, Kunsthandwerk, wissenschaftliche Instrumente, Apotheken, Zunftaltertümer, Münzwesen aus Renaissance und Barock, den volkskundlichen und vor- und frühgeschichtlichen Sammlungen sowie der Abteilung historisches Spielzeug und Puppenhäuser auf. Die Sammlung der Landesgewerbeanstalt Bayern ist im Rittersaal im Erdgeschoss untergebracht. Gesondert aufbewahrt werden die Grafische Sammlung, das Münzkabinett, das Historische Archiv, das Archiv für bildende Kunst und das Glockenarchiv sowie die allgemein zugängliche Bibliothek. Mit dem im Juni 1993 eröffneten, von der Architektengruppe medium (Hamburg/Aachen) entworfenen Erweiterungsbau an der Kartäusergasse wuchs die gesamte Nutzfläche des Museums um ein Drittel auf rund 50000 m2 an. Das Germanische Nationalmuseum ist somit mit seinen rund 1,2 Mio. Objekten nicht nur das größte Museum deutscher Kunst und Kultur, sondern zählt zu den größten Museen der Welt.
Zu den Glanzstücken der an bedeutenden Objekten überreichen Mittelalterabteilung gehört die Prunkhandschrift eines ottoni-schen Evangeliars, der Codex Aureus aus der Abtei Echternach, um 1020-l030 im Kloster in kaiserlichem Auftrag illuminiert. Sein Buchdeckel, mit getriebenem Goldblech beschlagen und mit Email, Zellenschmelz, Edelsteinen und Perlen besetzt, zeigt in der Mitte ein Elfenbeinrelief mit der Kreuzigung Christi. Diesen Deckel ließen Otto III. und seine Mutter, Kaiserin Theophanu, zwischen 985 und 991 in einer Trierer Werkstatt als Geschenk an die Abtei anfertigen.
Ein ebenfalls kaiserliches Werk ist die Armilla, ein Oberarmschmuck, den Kaiser Friedrich Barbarossa an seinem Ornat trug. Die Gru-benschmelzarbeit mit der großartig in das schwierige Format hineinkomponierten Kreuzigung Christi ist ein maasländisches Werk, um das Jahr 1180 entstanden. In die Gotik führt uns der im Jahre 1442 in Nürnberg aus dem ortstypischen Sandstein gemeißelte, über drei Meterhohe Schlüsselfel-dersche Christophorus, eine Stiftung des gleichnamigen Nürnberger Patriziers für das Südturmportal von St. Sebald. Neben dem Namen Dürers verbindet sich noch ein weiterer Name untrennbar mit der großen Zeit Nürnbergs, der des Bildhauers it Stoß. Von seiner Hand stammen einige Skulpturen im Germanischen Nationalmuseum, darunter die köstliche, virtuos geschnitzte Lindenholzgruppe des Erzengels Raphael mit dem jungen Tobias aus dem Jahr 1516, eine Stiftung des wohlhabenden, dem Nürnberger Kontor vorstehenden Florentiner Seidenhändlers Raffael Torrigiani zu Ehren seines Namenspatrons.
Dem Auftrag des Museums folgend finden sich in der mittelalterlichen Abteilung nicht nur Werke der »hohen« Kunst, sondern auch zahlreiche Zeugnisse der Sachkultur des 14. und 15. Jahrhunderts, Hausgerät im weitesten Sinn. Dem Nürnberger Patrizier Hieronymus Kreß gehörte einmal ein Buchbeutel mit einem 1471 datierten Gebetbuch. Bücher waren damals ein kostbarer Schatz und nur im Besitz höhergestellter Persönlichkeiten. Um sie nicht zu verlieren, befestigte man sie mit Hilfe eines Lederbeutels am Gürtel der Kleidung. Wie hochgeschätzt und über Generationen vererbt uns heute so selbstverständlich erscheinende Haushaltstextilien wie Handtücher waren, zeigt ein in Augsburg um das Jahr 1460 mit eingewebten Bildstreifen hergestelltes Handtuch, dessen Klöppelspitze im 17. Jahrhundert angefügt wurde!
Vier bedeutende Gemälde Albrecht Dürers besitzt das Germanische Nationalmuseum, darunter das intime, kleinformatige Porträt seines Lehrers, des Malers Michael Wolgemut von 1516. Das drei Jahre vor dessen Tod entstandene Bildnis des greisen Meisters behielt Dürer in seinem Besitz. Die authentischen Porträts Martin Luthers stammen von der Hand Lucas Cranachs d. A. Eines dieser Bildnisse zeigt den 50-Jährigen mit ernstem gesammelten Antlitz in schwarzem Habit mit Barett. Eine Kostbarkeit der Bibliothek sei diesem Porträt zur Seite gestellt, die Erstausgabe von Luthers Bibelübersetzung, das Neue Testament/Deutsch, nach dem Erscheinungsmonat September 1522 auch »September-Testament« genannt.
In den Sammlungen zur Malerei der Zeit um 1600 und des 17. Jahrhunderts dominieren die Künstler am Prager Hof Rudolfs IL, Hans von Aachen, Joseph Heintz d. A. und Bartholomäus Spranger; um die Mitte des Jahrhunderts arbeitet der an italienischer Kunst geschulte Augsburger Johann Heinrich Schön-fcld. Die Kunst des Hochbarock und Rokoko dokumentieren hauptsächlich Skulpturen und Ölskizzen. Ein schwebender Engel des Ignaz Günther von um 1770 aus der ehemaligen Knöbl'schen Hauskapelle in München und die Lindenholzur der hl. Notburga, eine bayerisch-schwäbische Arbeit der gleichen Zeit, die die Patronin der Dienstmägde in ländlicher Tracht zeigt, seien als Beispiele des heiteren süddeutschen Rokoko genannt. Ölskizzen von Johann Evangelist Holzer, Matthäus Günther, Christian Wink, Januarius Zick und des Österreichers Franz Anton Maulpertsch runden die Sammlung ab. Eine eigene Abteilung ist wissenschaftlichen Instrumenten des 15. bis 17. Jahrhunderts gewidmet. Wohl das berühmteste Stück dieser Sammlung ist der Erdglobus um 1492, auf Initiative des Patriziers und Kaufmanns Martin Behaim in Nürnberg angefertigt, die älteste erhaltene Darstellung der Welt in Kugelgestalt. Am Vorabend der Entdeckung Amerikas zeigt er noch den von Kolumbus vermuteten und dann gesuchten freien Seeweg nach Indien.
Ebenfalls eigene Abteilungen bilden die Sammlungen historischer Waffen, Rüstungen und Jagdaltertümer sowie die weltberühmten historischen Musikinstrumente des 16. bis 19. Jahrhunderts. In einem eigenen Saal präsentiert, vermitteln sie dem Besucher auch durch Tonbänder mit Musikbeispielen, die mit diesen Instrumenten aufgenommen worden sind, einen eindrucksvollen Überblick über die Musik- und Instrumentengeschichte vergangener Jahrhunderte.
In den reichhaltigen Sammlungen zum Kunsthandwerk von 1500 bis 1700 ragen unter vielem anderen das Schlüsselfelder Schiff, ein aus Silber getriebener, teilvergoldeter Tafelaufsatz in Gestalt eines seefesten, mit Geschützen, Ballastsäcken und Mannschaft bestückten Kauffahrteischiffes der Zeit um 1500, ein voll eingerichtetes Puppenhaus aus dem Jahr 1639 und die Hirschapolheke zu Öhringen in Württemberg aus dem frühen 18. Jahrhundert hervor.
Die Präsentation der Sammlungsbestände aus den Bereichen der Kunst und des Kunsthandwerks des 19. und 20. Jahrhunderts wird 1993 eröffnet. Dazu gehört Kunstgewerbe der Zeit um 1900, wie Möbel von Henry van de lde und Peter Behrens, die den Weg zum modernen Design bereiten, an dessen Anfang Marcel Breuers Stahlrohrstuhl aus dem Jahre 1926 steht. Die Malerei der Moderne vertreten Arbeiten von Karl Schmidt-Rottluff, Lovis Co-rinth. Otto Dix, Oskar Kokoschka und Ernst Ludwig Kirchner. Die Sammlung der Landesgewerbeanstalt im Germanischen Nationalmuseum präsentiert bedeutende Stücke aus den Bereichen Kunsthandwerk, Kunstgewerbe und Design von der Antike bis in das 20. Jahrhundert aus dem europäischen, vorder-und ostasiatischen Kulturkreis. Reichhaltig sind auch die Sammlungen zur Volkskunde. Hier finden sich Objekte, Trachten und textile Arbeiten, Schmuck, Möbel und Hausgerät von Hallig Hooge bis Oberammergau, von den Masuren bis zum Schwarzwald. Religiöses Brauchtum katholischer Länder verdeutlichen Votivbilder, Votivgaben und Weihnachtskrippen.
Von Beginn an enthielt das Germanische Nationalmuseum eine Abteilung zur Vor- und Frühgeschichte, die mittlerweile auf insgesamt 15 000 Funde angewachsen ist. Zu den bekanntesten gehört der über 80 cm hohe Goldkegel von Ezelsdorf, wohl die Spitze einer ur-nenfelderzeitlichen Kultsäule des 13.-l2. Jahrhunderts vor Christus. Ein Zeugnis keltischer Kunstfertigkeit und keltischen Brauchtums ist die bronzene Maskenfibel aus Parsberg in der Oberpfalz, eine Arbeit aus dem 5. Jahrhundert vor Christus. rgleichsweise jung dagegen ist der ostgotische Goldschmuck aus dem Schatzfund von Domagnano in der Republik San Marino, der Besitz eines Adeligen aus der Zeit Theoderichs des Großen. Neben den umfangreichen Schausammlungen stehen den Besuchern des Germanischen Nationalmuseums als Studiensammlungen eine der größten deutschen Museumsbibliotheken mit rund 500000 Bänden und 1500 laufenden Zeitschriften sowie eine Grafische Sammlung mit rund 300 000 Blättern zur rfügung. Zu den bedeutendsten Sammlungen ihrer Art gehört das Münzkabinett mit rund 60000 Münzen, Wertvolle Urkunden und Adelsarchive sowie eine große Siegelsammlung beherbergt das Historische Archiv. Im Archiv für Bildende Kunst werden Nachlässe und Autografen von Kunstschaffenden und Kunstgelehrten gesammelt. 1968 wurde in den Räumen des Germanischen Nationalmuseums das Kunstpädagogische Zentrum gegründet, das Unterricht für Schulklassen und Führungen anbietet. Weitere Einrichtungen im Germanischen Nationalmuseum sind das Institut für Kunsttechnik und Konservierung sowie das Forschungsinstitut für Realienkunde. Um die Existenz und Arbeitsfähigkeit des Museums zu sichern, warb der Initiator von Aufseß bereits bei der Museumsgründung in ganz Deutschland um Mitglieder, die bereit waren, die Arbeit des Nationalmuseums mit freiwilligen Beiträgen zu unterstützen. Der sie zusammenschließende rein hat noch heute mit ca. 8000 Mitgliedern Bestand.