Im Jahre 1992 fand in Rio de Janeiro die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung statt. Auf dieser wurde mit der Agenda 21 ein Aktions für das 21. Jahrhundert rgestellt und n 178 Staaten der Erde, darunter auch n der Bundesrepublik Deutschland, unterzeichnet. Die Konferenz wurde zum Symbol für eine neue Qualität des Bewußtseins und der Zusammenarbeit in der Umwelt- und Entwicklungspolitik.
Die Besonderheit an diesem Aktions ist, daß die Bereiche ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und ökonomische Effizienz - trotz rhandener Zielkonflikte -nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, sondern daß sie als gleichberechtigte Schwerpunkte in die Entwicklungen mit einbezogen werden müssen. Das Leitbild der Nachhaltigkeit wurde zum Prinzip globaler Zukunftsstrategien erklärt. Die Entwicklung und der Fortschritt müssen sich an der dauerhaften Tragfähigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen orientieren. Das Rio-Dokument besteht aus 40 Kapiteln und zeigt darin nicht nur Entwicklungsziele, sondern auch Wege zur Erreichung dieser Ziele auf.
Damit die Verantwortung für notwendige Veränderungen für das Überleben der Menschheit nicht nur anonym und auf Regierungsebene bleibt, wurden in Kapitel 28 die Kommunen angesprochen und aufgerufen, eine Lokale Agenda 21 zu erarbeiten und bis 1996 mit der Wirtschaft, den örtlichen Organisationen und den Bürgern in einen Dialog zu treten.
In Deutschland liegen die inhaltlichen Schwerpunkte auf den Bereichen Energie und Klimaschutz, Verkehr- und Landschaftsschutz sowie Bauen und Flächennutzung. Zur Bündelung der vielfältigen Aktivitäten und effektiveren Gestaltung des Aktionsprogramms hat das Umweltbundesamt bereits 1996 das Forschungsprojekt Umweltwirksamkeit kommunaler Agenda-21-Pläne an den Internationalen Rat für kommunale Umweltinitiativen (ICLEI) vergeben.
Bereits nach einem Jahr (also 1997) hatten nach Angaben n ICLEI in Deutschland rd. 100 Städte und Gemeinden Initiativen für eine Lokale Agenda ergriffen und sich in einem Netzwerk zusammengeschlossen. Auf Workshops tauschten sie regelmäßig Informationen aus. Nach Abschluß des Projektes Mitte 1998 entstand ein praxisnaher Leitfaden, der den Kommunen helfen sollte, Probleme r Ort zu lösen.
Der Begriff Nachhaltigkeit
In wenigen Jahren hat sich der Begriff Nachhaltigkeit zum zentralen politischen Schlagwort entwickelt. Nachhaltige Nutzung oder Nachhaltigkeit ist ursprünglich ein Begriff der Forstwirtschaft. Er bezeichnete zunächst eine Waldnutzungs form. Bei dieser wird nur soviel Holz entnommen, wie wieder nachwächst, damit der Waldbestand insgesamt erhalten bleibt. So war zwar die Nutzung gestattet, aber auch gleichzeitig die Substanzerhaltung gefordert. Das wichtigste Motiv für die Forderung nach Nachhaltigkeit war die Angst vor Holzmangel durch Übernutzung. Bis Ende des 19. Jahrhunderts mußte die wichtigste Nutzfunktion des Waldes, nämlich Holz für die Energieerzeugung bereitzustellen, sichergestellt sein. Als dann fossile Energieträger eingesetzt wurden, verlagerte sich das Interesse an der Dauerhaftigkeit. Nun spielte die Einkommenssicherung durch den Verkauf von Nutzholz eine zunehmende Rolle. Wohl-fahrts- und Sozialfunktion des Waldes im öffentlichen Interesse erhielten erst seit dem 20. Jahrhundert ihre Bedeutung.
Wenn heute von nachhaltiger Nutzung aus forstlicher Sicht gesprochen wird, dann meint man damit die Gewährleistung aller Waldfunktionen: Schutz vor Naturgefahren und Emissionen, Produktion hochwertiger Rohstoffe, ökologische Funktionen, Arbeits- und Einkommensfunktion, Landschaftsgestaltung und Erholung. Damit hat sich die Definition im Laufe der Zeit geändert, vom quantitativen Ursprung zur qualitativen Ausgestaltung (Bätzing/von der Fecht 1997, S. 22).
Nachhaltige Stadtentwicklung
Umwelt- und Entwicklungsprobleme sind in Städten und Kommunen besonders groß. Flächen werden dort intensiv genutzt. Dort konzentrieren sich Güterproduktion, Energie-und Stoffumsätze auf engem Raum.
Als Leitindikator einer nachhaltigen Stadtentwicklung kann die Siedlungsfläche bezeichnet werden. Die Entwicklung der Siedlungsfläche in Deutschland zeigt, daß 1930 80 m2 auf jeden Einwohner entfielen. Mitte der 1990er Jahre war es ein rund dreimal so hoher Wert. In nur fünfzig Jahren hat sich die versiegelte Fläche verdoppelt. Dieser Anstieg ist noch nicht beendet. Gegenwärtig werden in Deutschland täglich ca. 70 ha Freifläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Da zukünftig mit einer weiteren Zunahme der Bebauung gerechnet werden muß, kann -wohl mit einem Anstieg des Freiflächenverbrauchs bis zum Jahre 2010 auf 100 bis 120 ha täglich gerechnet werden. Die Siedlungs- und Verkehrsflächen in Kernstädten und Verdichtungsräumen können in Einzelfällen schon heute bis zu 75% betragen. In solchen Kernstädten stößt die Stadterweiterung bereits an ihre Grenzen. Zunehmende Verstädterung führt zu erheblichen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, d.h. Umweltbelastungen für den Menschen durch Verlust ökologischer und sozialer Freiraumfunktionen (Deutscher Bundestag, 1996 S. 5ff., 68ff.).
Bausteine für den Lokale Agenda 21-Prozeß auf kommunaler Ebene
Beim Lokale Agenda 21-Prozeß kann auf kommunaler Ebene auf zahlreiche Bausteine zurückgegriffen werden:
- städtebauliche Pläne,
- Landschaftspläne,
- Stadtentwicklungskonzepte,
- Umweltqualitätsberichte,
- Klimaprogramme,
- Umweltverträglichkeitsprüfungen,
- Beschaffungsweisen,
- Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen,
- Bürgerbeteiligung im Rahmen der Bauleitplanung.
Mit der Lokalen Agenda 21 sind diese verschiedenen Ansätze zu systematisieren, zu bündeln und unter dem speziellen Vorsorge- und Nachhaltigkeitsgesichts-punkt zuammenzufassen. In diesen Konzentrationsprozeß müssen auch wirtschaftliche und soziale Fragen, Kooperation zwischen Städten und Regionen, städtepartnerschaftliche Projekte u. a. miteinbezogen werden.
Der Erfolg der Lokalen Agenda 21 hängt davon ab, ob und wie es gelingt, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Entscheidungsträger einer Kommune unter dem politischen Leitbild der Nachhaltigkeit zusammenzuführen (Lokale Agenda 21, Manuskript des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom Mai 1998, S. 3).
Überblick zur Lokalen Agenda 21 in deutschen Städten
Ständig steigt die Zahl der Städte und Gemeinden, in denen Initiativen mit dem Ziel entstehen, Leitbilder und Aktionsprogramme zur nachhaltigen Entwicklung und deren Umsetzung auf kommunaler Ebene zu erarbeiten.
Nach einer Umfrage im Frühjahr 1997 gab es von 150 befragten Städten bereits 75%, die an einem Aktionsplan für das 21. Jahrhundert arbeiteten. Für die Hälfte dieser Städte lag bereits ein politischer Beschluß vor, durch den die Aktivitäten in diesem Zusammenhang auf politischer Ebene und in der Verwaltung ein höheres Gewicht hatten. In 59 Städten gab es Agenda-Büros oder Koordinierungsstellen. Nur in 30 Städten wurden jedoch noch zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt.
Nach Schätzungen des Internationalen Rates für kommunale Umweltinitiativen (ICLEI) waren im Frühjahr 1998 in Deutschland in 400 bis 500 Kommunen Aktivitäten zur Erarbeitung von Lokalen Agenden 21 im Gange (BMU-Pressemitteilung Nr. 37/98 vom 2.6.1998). In den meisten Fällen waren die Umweltämter im Agenda-Prozeß die treibende Kraft. Sozialämter beteiligten sich nur selten. Eine entscheidende Rolle für alle Städte spielte die Öffentlichkeitsarbeit (Rösler 1997).
Das Fallbeispiel Berlin-Köpenick
Zu den ersten örtlichen Gemeinschaften, die sich mit der Aufstellung einer Lokalen Agenda 21 beschäftigt haben, gehört der Berliner Bezirk Köpenick. Das heute weit über die Grenzen Köpenicks hinaus bekannte Köpenicker Drei-Säulen-Modell wurde in einem mehrjährigen Prozeß entwickelt und soll hier vorgestellt werden.
Der Weg zu einer Lokalen Agenda 21 in Köpenick
Der Berliner Bezirk Köpenick ist ein Beispiel dafür, daß Impulse aus den Ökumenischen Versammlungen der Kirchen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung neben den Empfehlungen der Agenda-21 von Rio auf lokaler Ebene einen gemeinsamen Diskussionsprozeß von Kirchengemeinden, Kommunalverwaltung und Öffentlichkeit über nachhaltige Entwicklung auslösen können.
Die Köpenicker Initiativgruppe EINE Welt traf sich im Sommer 1993 mit dem wichtigsten Anliegen, das Thema Nachhaltige Entwicklung auf die Tagesordnung zu bringen. Sie suchte sehr früh die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Bezirksamt. So entstanden gemeinsame Aktivitäten, die in die 2. Umwelt- und Naturschutzkonferenz des Bezirkes Köpenick im Oktober 1993 mündeten. Durch Unterstützung des Arbeitsamtes war es möglich, zwei Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen für Umwelt und Entwicklung im Umweltamt einzustellen, die mit der Vorbereitung eines Rahmenprogramms für die Lokale Agenda 21 beauftragt wurden.
Eine zentrale Stellung im Köpenicker Modell hat das öffentliche Forum Umwelt und Entwicklung Köpenick. Es handelt sich dabei um eine Interessengemeinschaft Köpenicker Bürger. Sie kommen aus der Wirtschaft, aus Verbänden, aus Bürgergruppen und Verwaltungen. Alle wollen sie sich in das Anliegen der Agenda 21 einbringen. Im September 1994 kam dieses Forum erstmals zusammen und hat seitdem mehrfach jährlich getagt.
Schon im Oktober 1994 erfolgte ein Beschluß der Bezirksverordnetenversammlung, für Köpenick eine Lokale Agenda 21 aufzustellen. Im September 1996 stellte dann das Bezirksamt einen ersten Arbeitsentwurf Lokale Agenda 21 vor. Er enthielt 79 Leitbilder und eine umfassende Dokumentation unterschiedlicher Vorschläge.
Umfangreiche und manchmal sehr kontrovers geführte Diskussionen wurden bei öffentlichen Veranstaltungen der Volkshochschule und in Ortsvereinen geführt. Schülerinnen und Schüler wurden an Projekttagen auf die Lokale Agenda 21 aufmerksam gemacht. Um alle beteiligten Interessengruppen zu Wort kommen zu lassen, gibt es ein zweimonatlich erscheinendes Informationsblatt Lokale Agenda Köpenick.
Im Januar 1998 wurde der Bevölkerung ein zweiter Entwurf der Lokalen Agenda 21 vorgestellt und damit ein weiterer umfassender Diskussionsprozeß eingeleitet. Wenn dieser Diskussionsprozeß abgeschlossen ist, wird von der Bezirksverordnetenversammlung ein verbindliches Programm zur nachhaltigen Entwicklung Köpenicks verabschiedet werden.
Der zweite Arbeitsentwurf enthält u.a. Leitbilder, Indikatoren und ein Handlungsprogramm für Stadtplanung, Umweltschutz und Verkehr (nach Angaben des Agenda 21 Büros Köpenick).
Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Akteure
Säule I, Lokalbehörde
. Bezirksverwaltung Köpenick/Berlin: Verantwortlich für die Koordination des Agenda-Prozesses im Bezirksamt sind der Bezirksstadtrat für Jugend und Umwelt und das Umweltamt.
Aufgaben:
- Erarbeitung und Vorlage der Arbeitsentwürfe der Lokalen Agenda 21 (LA 21)
- Einbeziehung/Rückkopplung mit der Öffentlichkeit im Erarbeitungsprozeß
- Umsetzung der Teile der LA 21, die im Verantwortungsbereich der Bezirksverwaltung liegen, Kontrolle der Umsetzung.
. Projektgruppe LA 21:
Sie setzt sich aus Projektmitarbeitern des zweiten Arbeitsmarkts im Umweltamt zusammen. Aufgaben:
- Öffentlichkeitsarbeit
- Mitarbeit in der abteilungsübergreifen-den Arbeitsgruppe und der Leitstelle (LA 21)
- Koordination mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie
. Abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe: Mitglieder waren Vertreter verschiedener Abteilungen des Bezirksamts. Aufgaben:
- inhaltliche Diskussion der Leitbilder der LA 21 im Bezirksamt
- Abstimmung des Entwurfs der LA 21 im Bezirksamt
- Diskussion, Festlegung und Umsetzung von ämterübergreifenden Maßnahmen
Diese abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe ist Ende des Jahres 1997 vorerst aufgelöst worden.
Säule II, Öffentlichkeit
. Forum Umwelt & Entwicklung (U&E) Köpenick:
Öffentliche Veranstaltung für alle Gruppen der Bevölkerung.
Aufgaben:
- Plattform zum Einbringen von auf den Entwurf der Lokalen Agenda 21 bezogenen Vorschlägen
- Konsultation, Informationsaustausch und Konsensbildung zwischen den Gruppen und Personen.
. Sprecherkreis des Forums Umwelt &
Entwicklung: Mitglieder sind Vertreter aus dem Forum U & E Köpenick.
Aufgaben:
- Planung der Arbeit des Forums und Abstimmung seiner Tätigkeit mit dem Bezirksamt
- Vorbereitung und Auswertung der Sitzungen des Forums
- Planung und Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit des Forums U & E
. Förderverein LA 21 Köpenick:
Es können alle an der LA 21 Interessierten
beitreten.
Aufgaben:
- Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit
- Förderung von Aktivitäten und Projekten auf dem Gebiet der LA 21 für alle Akteure
- Einwerbung von Fördermitteln und Spenden für entsprechende Projekte Agenda 21 Büro Köpenick
. Geschäftsstelle für Säule II Aufgaben:
- organisatorische Arbeiten: Aktualisierung von Adressen und Materialien der Öffentlichkeitsarbeit, Protokolle, Pressearbeit u.a. für die Akteure der Säule II
- Informationssammlung und -Verarbeitung zum Forum U&E (z.B. Termine, Projekte, Literatur)
- Innovations- und Ideenbörse zur Vorbereitung von Projekten, Kooperation mit Vertretern der Wirtschaft
. Arbeitsgruppe des Forums U&E: Ehrenamtlich tätige Mitarbeiter aus der gesamten Bevölkerung, die sich spezifischen Aufgaben zuwenden
Aufgaben:
- Diskussion von Schwerpunktthemen zum Entwurf der LA 21 (Konsultation, Informationsaustausch, Anhörung, Interessens-abwägung, Konsensbildung)
- inhaltliche Vor- und Nachbereitung (Inputs) für die Forumssitzungen (insbesondere Themenveranstaltungen)
- Erschließung und Umsetzung von themenspezifischen Projekten
Säule III, Kirchen
. Ökumenisches Forum Köpenick: Regelmäßige öffentliche Veranstaltungen für alle Köpenicker Kirchengemeinden (Teilnehmer aus freikirchlichen, evangelischen und katholischen Gemeinden im Bezirk).
Die Lokale Agenda 21 und nachhaltige Entwicklung in ländlichen Gemeinden
Die Erfahrungen großer Städte mit der Lokalen Agenda 21 lassen sich nur sehr begrenzt auf den ländlichen Raum und kleine Kommunen übertragen. In vielen Dörfern gibt es interessierte Bewohner, die sich um langfristige wirtschaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Entwicklungen im Dorf kümmern.
Die Lokale Agenda 21 ist aber auch im ländlichen Raum ein interessantes Angebot für bürgerschaftliches Engagement und für Freiwilligenarbeit. Neben der Ableitung genereller Leitlinien, die der Zukunftssicherung der Gemeinde dienen sollen, ist die Erarbeitung von konkreten Maßnahmeprogrammen ein wichtiger Punkt.
Wie im städtischen Bereich existieren auch im ländlichen Bereich bisher eine Reihe von Instrumenten und umfangreiche Erfahrungen, auf die zurückgegriffen werden kann. Zu nennen sind die agrarstrukturelle Entwicklungsplanung, die Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz und die Dorferneuerung einschließen.
In den Dorfgemeinschaften finden das Dorferneuerungsprogramm und der ländliche Wegebau besonderes Interesse. Das Bestreben der Dorfbewohner ist auf die Erhaltung historisch gewachsener Ortskerne und sinnvolle Nutzung ortsbild-prägender Gebäude ausgerichtet. Es geht aber darum, den sich vollziehenden Funktionsverlusten im ländlichen Raum entgegenzuwirken. So gilt es, vorhandene dörfliche Potentiale für den sozialen und ökonomischen Aufschwung zu mobilisieren. Es sind aber auch die Landschaften in die Dörfer mit einzubinden, so daß ein über lebensfähiges und auf Dauer angelegtes vernetztes System von Lebensräumen entstehen kann.
Es versteht sich von selbst, daß zur Realisierung der Agenda 21 größere Städte über ein Agenda-Büro bessere Möglichkeiten haben, ihre Ziele zu erreichen. Den Kommunen in ländlichen Räumen fehlen oft die finanziellen Mittel. Wesentliche Koordinations funktionen können oftmals aber von bestehenden Initiativen übernommen werden.
Das Beispiel Diebzig
Am Beispiel der Gemeinde Diebzig
(Landkreis Köthen, Sachsen-Anhalt) sollen
die Möglichkeiten einer nachhaltigen
Entwicklung aufgeführt werden (Übersicht
10.3).
Nachhaltige Landwirtschaft
Mit der Lokalen Agenda 21, in der gleichwertige ökonomische, ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden sollen, um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, geht es nicht nur um städtische und ländliche Räume, sondern auch um einzelne Produktionseinheiten, Standorte und Methoden.
So kann nur eine nachhaltige Landbewirtschaftung und damit eine Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln erreicht werden, wenn nicht mehr ausschließlich die Ökonomie im Planungsund Produktionsprozeß, sondern gleichbedeutend ökologische und soziale Aspekte mit berücksichtigt werden.
Nachhaltige Landwirtschaft ist eher energie- und ressourcenextensiv und Wissens- und arbeitsintensiv. Nachhaltiges Wirtschaften hat das Ziel, die Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen zu erhalten und zu entwickeln und dadurch die Chancen zukünftiger Generationen zu sichern. Voraussetzung dafür sind demokratische Systeme, die die gesamte Bevölkerung in die Entscheidungsfindung und Verantwortung einbeziehen, und die gerechte Zugangsmöglichkeiten zu den Ressourcen, zu angepaßten Technologien und zu Finan-zierungs- und Absatzmöglichkeiten gewährleisten. Nachhaltige Landwirtschaft ist nicht vereinbar mit gentechnologischen Methoden (Burdick 1999, S. 149).
Die Ökologisierung der Bewirtschaftung und die Regionalisierung der Lebensmittelversorgung wird zunehmend von Institutionen und Gremien gefordert, denn ökologischer Landbau mit einer regionalen Versorgung bedeutet Verringerung der Umweltbelastung:
- Bei den weitgehend geschlossenen Stoffkreisläufen sind Material- und Energieinput wesentlich niedriger als bei herkömmlicher Bewirtschaftung. Tierhaltung und Pflanzenbau werden wieder integriert. Die Zahl der Tiere wird infolge eigener Futtergrundlage in eine vernünftige Relation zur eigenen Futterfläche gebracht. Die Basis für die Fütterung bildet die eigene Futtergrundlage. Der Zukauf fremder oder sogar importierter Futtermittel verringert sich. Das bedeutet nicht nur Rückgang des Energie- und Transportaufwandes, sondern auch Rückgang der Transporte für Nahrungsmittel und Tiere.
- Durch Verzicht auf Mineraldünger und Biozide sowie Verzicht auf Zukauf- und Importfuttermittel wird insgesamt der Energieverbrauch in der Landwirtschaft stark reduziert.
- Eine flächendeckend umweltverträgliche Landbewirtschaftung verringert die energiebedingten CO.-Emissionen. Die reduzierten Stickstoffeinträge verringern die NO,-Emissionen. Die Rückgänge der Tierbestände reduzieren die Emissionen von Methan und Ammoniak.
Zahlreiche positive Auswirkungen auf Bodenleben und Bodenstruktur gibt es durch Auswertung der Stall-Humuswirtschaft.
Ökologisierung und Regionalisierung in der Land- und Ernährungswirtschaft haben nicht nur ökologische Effekte, sondern sozioökonomische Vorteile: - Der ökologische Landbau kann mehr Arbeitsplätze schaffen als der konventionelle. So können Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden.
- Es werden je Arbeitskraft im ökologischen Landbau höhere Gewinne erzielt als im konventionellen Landbau.
- Die Lebensmittel gelangen schneller und frischer auf den Markt.
- Mit der Direktvermarktung wächst das Vertrauen in die Qualität der Produkte (Burdick 1999, S. 149-151).
Fallbeispiel: Anwendung des Nachhaltigkeitsprinzips auf dem Dottenfelder Hof
Am Rande der fruchtbaren Wetterau liegt in etwa 10 km Entfernung nördlich von Frankfurt der Dottenfelder Hof. Hier begann man bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg nach den Richtlinien des ökologischen Anbauverbandes zu wirtschaften. Entsprechend dieser Richtlinien ist der Dottenfelder Hof ein vielfältiger Gemischtbetrieb. Er verknüpft Tierhaltung und Pflanzenbau optimal miteinander.
In der Feldwirtschaft gibt es eine zwölf-gliedrige Fruchtfolge: Weizen - Roggen-Hackfrucht-Weizen-Gerste-Kleegras -Luzernegras. Klee- und Luzernegras verbessern den Boden, binden den Stickstoff und liefern Tierfutter. Die Bodenbearbeitung erfolgt mechanisch. Alles Saatgut im Getreide- und Gemüseanbau wird im Betrieb erzeugt und schon über 30 Jahre lang angebaut. Nur stickstoffsammelnde Leguminosen und deren Wurzelrückstände dienen der Düngung.
Für den Eigenbedarf und den Hofladen wird Feingemüse angebaut: Möhren, Rote Beete, Zwiebeln, Kohl. Handarbeit spielt bei allen Arbeitsvorgängen eine große Rolle. Das trifft auch für den auf knapp 3 ha betriebenen Obstbau zu.
Wie in der Feldwirtschaft, so ist auch die Viehwirtschaft sehr vielfältig. Es gibt keine Spezialisierung. Die Milchwirtschaft ist jedoch der wichtigste Bereich. Die 80 schwarzbunten Milchkühe stehen im Sommer auf Weiden, im Winter in Offenfront-Tieflaufställen auf Stroh, nicht auf Gitterrosten. Anstelle von Zukauf- und Kraftfutter bekommen die Tiere Klee, Gras und Heu. Der heutige stabile Herdenverband der Tiere ist aus dem ursprünglichen Bestand von 1945 entwickelt worden. Die Züchtung erfolgt nicht auf hohe Milchleistung, sondern auf hohe Lebensleistung.
Die anfallenden Abfälle aus der Hauswirtschaft oder aus der Verarbeitung von Gemüse, Kartoffeln und Milch werden in der Schweinehaltung verwertet. Die alte Landrasse, das schwäbisch-hällische Schwein, dominiert. Gruppenhaltung auf Stroh mit Auslauf und Suhle sind üblich. Etwa 400 Hühner werden in großen Freilandgehegen gehalten. Im Winter erfolgt die Tierhaltung im Tiefstall mit Stroheinstreu. Das Futter stammt nur aus dem eigenen Betrieb.
Der größte Teil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse wird im eigenen Betrieb verarbeitet und vermarktet. Schon 1968 wurde eine Hofbäckerei in Betrieb genommen, die ursprünglich nur die Selbstversorgung sichern sollte. Gegenwärtig aber ist sie ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb und ein Gewerbebetrieb. Es werden jährlich 60 t Getreide verbacken. 1982 entstand eine Hofkäserei. Alle Erzeugnisse werden vertrieben. Dazu dienen ein eigener Hofladen, drei Marktwagen auf 10 Märkten und der Verkauf über den Naturkostgroßhandel im Frankfurter Raum in mehr als 60 Läden. Ein Dutzend Auszubildende, ebensoviele Praktikanten und mehrere Dutzend Schüler werden Jahr für Jahr mit den Arbeiten der Hauswirtschaft, der Käserei, der Bäckerei und natürlich den Besonderheiten im Pflanzenbau und in der Viehwirtschaft vertraut gemacht. Daneben gibt es seit 1976 eine Außenstelle des Instituts für biologisch-dynamische Forschung aus Darmstadt. So hat auch die Wissenschaft im Dottenfelder Hof ihren Platz. 1975 wurde die Landbauschule Dottenfelder Hof gegründet, in der vierwöchige Einführungskurse abgehalten werden. Seit 1978 gibt es Aufbaukurse, seit 1985 ein landwirtschaftliches Studienjahr für Landwirte und Gärtner.
Durch die hohe Arbeitsintensität und Wertschöpfung durch die Weiterverarbeitung und Direktvermarktung ist es möglich, etwa 60 Menschen zu beschäftigen, die damit eine sinnerfüllende Tätigkeit finden und eine Grundlage für ihren Lebensunterhalt haben.
Ein konventioneller Betrieb dieser Größenordnung (150 ha) wird in Deutschland im allgemeinen von einem Landwirte-Ehepaar und einigen Saisonkräften bewirtschaftet (Burdick 1999, S. 151 bis 152).
Kommunales Umwelt-Audit als Beitrag zur Lokalen Agenda 21
Am 29. Juni 1993 hat der Rat der EU die Verordnung (EWG) Nr. 1 836/93 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltprüfung beschlossen. Das ist die rechtliche Grundlage für das Umwelt-Audit. Diese europäischen Vorgaben wurden in Deutschland 1995 mit dem Umweltauditgesetz (UAG) (Bundesgesetzblatt, Teil I, vom 14. Dezember 1995, S. 1 590 - 1 601) umgesetzt. Damit ist in Deutschland ein neues umweltpolitisches Instrument geschaffen worden. Ein Unternehmen oder eine Institution strebt durch freiwillige Selbstverpflichtung eine kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes an. Hinzu kommt aber auch die Festlegung auf gute Management-Regeln.
Im Bereich des kommunalen Umwelt-Audits hat die Landesanstalt für Umweltschutz des Landes Baden-Württemberg Modellprojekte durchgeführt. Dabei standen Verwaltungen, Stadtwerke und Verkehrsbetriebe im Vordergrund (Hermanns 2000, S. 9-10).