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Die europäische Agra Wirtschaft

Die europäische Agra Wirtschaft

Agrarrevolutionen sind stets den Revolutionen in der Wirtschaft und Gesellschaft vorangegangen. Die Agrarrevolution in England im 18. Jahrhundert hat durch die Erhöhung der Erträge und die Freisetzung von landwirtschaftlichen Arbeitskräften wesentliche Voraussetzungen für die industrielle Revolution geschaffen.
Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenfalls eine Agrarrevolution abgespielt, die noch nicht zu Ende ist. Die Entagrarisierung, d.h. eine kontinuierliche Abnahme der Agrarbevölkerung und damit ein gesellschaftlicher Modernisierungsschub, vollzog sich vor dem Hintergrund einer beachtlichen Steigerung der Produktion sowohl im Anbau als auch in der Viehzucht. Das Herausnehmen von Arbeitskräften aus dem landwirtschaftlichen Produktionsprozess war nur durch eine zügige Mechanisierung möglich, welche andererseits einen Kapitaleinsatz erforderte, der eine weitere Intensivierung und Erweiterung der Produktion und damit einen Kon-zentrationsprozess im Gefolge hatte.

In der Konkurrenz zu den wesentlich schneller wachsenden sekundären und tertiären Sektoren der Wirtschaft rlor die Landwirtschaft rasch ihre Anteile am Bruttonationalprodukt. Sie betragen derzeit in der EU-l5 zwischen 1 und 5%. Interntionsmaßnahmen der Staaten und der EU waren erforderlich, um bei fallenden Weltmarktpreisen für Agrarprodukte die Einkommen der Landwirte zu halten.



Zwei Angaben belegen die gegenwärtige Situation im deutschen Sprachraum: Auf der Internetseite der Centralen Marketinggesellschaft konnte man am 11.3.200** nachlesen, dass "ein Bauer 40 Menschen ernährt und ein technisch modern ausgestatteter Arbeitsplatz in der Landwirtschaft mit 250.000 Euro doppelt so teuer ist wie in der übrigen Wirtschaft.
Mit diesen Aussagen wird indirekt die Notwendigkeit einer Subntion der Agrarwirtschaft im Rahmen der GAP (Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik) offen gelegt: "Verdient wird nicht in der Landwirtschaft, sondern an der Landwirtschaft. Hierzu gehören die vorgelagerten Betriebe der Erzeugung von Düngemitteln, Pestiziden und Futtermitteln ebenso wie die immer vielfältigere Produkte auf den Markt bringende Maschinenindustrie für die Landwirtschaft. Nachgelagert gehört hierzu der gesamte Verarbeitungssektor der Lebensmittelindustrie, auf den in der EU-l5 1999 13,«*% des BIP und 11,8% der Beschäftigten entfielen (!) sowie der gesamte Groß- und Einzelhandel mit Lebensmitteln, der mit ähnlichen Werten zu Buche steht.
Wenn schließlich und endlich die Kosten für Nahrungsmittel für den Verbraucher von der Statistik registriert werden, so erreichen sie in der EU-25 im Mittel bereits 30% der Einkommen, wenn auch bekanntlich mit hohem Einkommen der Wert bis auf 12 bis 15% absinkt. Exakte Angaben für die Nahrungskette vom Landwirt bis zum Konsumenten bieten die Statistik des Ministeriums für Umwelt und Agrarwirtschaft des Vereinigten Königreichs (Abb. 7.13).
Zur Agrarwirtschaft gehört schließlich nicht nur ein eigener Forschungs- und Ausbildungssektor bis zu den Unirsitäten für Bodenkultur und Veterinärmedizin, sondern auch ein breiter institutioneller Überbau. Bei diesem bilden die zu einem europäischen Verband reinigten landwirtschaftlichen Genossenschaften einen wichtigen Faktor der Volkswirtschaft und der Gesellschaft insgesamt, wie folgende Eckdaten für die EU-l5 belegen: 2003 umfasste die C0GECA ungefähr 30.000 genossenschaftliche Betriebe mit fast 9 Mio. Mitgliedern, 500.000 Beschäftigten und einem Anteil von mehr als 60% in der Erfassung, Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse.
Aufgrund der historischen Bedeutung der Agrarwirtschaft bestehen in allen Staaten noch eigene Ministerien und Landwirtschaftskammern, ferner eine Vielzahl von Vereinen und Verbänden. Als Klammer zum Finanzsektor sind schließlich die landwirtschaftlichen Sparkassen und Banken anzuführen, allen voran die Raiffeisenzentralbank, auf deren europäische Institionstätigkeit noch zurückzukommen sein wird.

Nun ist durch die Entagrarisierung und technologische Aufrüstung der Landwirtschaft die Agrar-bevölkerung im ländlichen Raum in vielen Gebieten in eine isolierte Position gerückt, ebenso wie die neuen Flurtafeln, Monokulturen und Bewässerungsgebiete ihre Zugänglichkeit für die städtische Bevölkerung rloren haben. Eine "glückliche Ehe zwischen der Agrargesellschaft und der städtischen Freizeitgesellschaft besteht nur in wenigen Agrarräumen Europas. Auf diese Thematik wird noch eingegangen.
Die zweite Agrarrevolution ist freilich noch nicht zu Ende. Eine Silisierung in der Generationenfolge der Betriebsinhaber ist nicht in Sicht. Selbst im Falle der großen landwirtschaftlichen Betriebe in Frankreich ist die Hofübernahme innerhalb der Familie nur bei rund 65% gesichert. Von den kleinen Betrieben wird schätzungsweise mehr als die Hälfte mit der jetzigen Besitzergeneration auslaufen.

In diesem Prozess differieren die Teilräume der EU ganz wesentlich voneinander. Die EU-Erweiterungsstaaten nehmen eine Sonderstellung ein. Nach dem Scheitern des Großexperiments der kommunistischen Verstaatlichung der Landwirtschaft gemeinsam mit der Nationalisierung der Industrie und des Dienstleistungssektors sind Millionen von landwirtschaftlichen Subsistenzbetrieben entstanden, welche in mittelfristiger Zukunft den Weg der Konzentration und Modernisierung zu europäischen Betriebsformen finden werden müssen. Nach den neuen Richtlinien der deutschen Agrarstatistik bezüglich der Mindesterzeugungs-grenzen landwirtschaftlicher Betriebe von 2 ha, 8 Rindern oder 20 Schafen usw. wäre allerdings ein Gutteil dieser neu entstandenen Kleinstbetriebe gar nicht als Agrarbetriebe zu registrieren!
Da der Agrarsektor eine stärkere Bodenhaftung als andere Wirtschaftszweige besitzt, ist eine Auslagerung der Produktion gegenwärtig nur im Rahmen der EU denkbar. Hier allerdings werden die EU-Erweiterungsstaaten als derzeit noch "schlafende Agrarriesen in mittelfristiger Zukunft den gravierenden Vorteil der niedrigen Arbeitskosten wahrnehmen, wenn sie auch infolge geringerer hygienischer Standards noch größere Institionen tätigen müssen. Die Lebensmittelindustrie und die chemische Industrie bewerben diese Räume bereits.
Die Agrarwirtschaft der EU bedarf nicht nur einer internen, sondern auch einer externen Perspekti. Als großer Exporteur landwirtschaftlicher Produkte steht im 21. Jahrhundert die EU in Konkurrenz zu den USA. Es ist daher die Frage berechtigt, ob das liberalere amerikanische Vorbild die europäische Entwicklung beeinflussen wird. Die folgenden Zahlen belegen, dass die USA über die dreifache landwirtschaftliche Fläche rfügen und die Betriebe nahezu zehnmal so groß sind.

Andererseits betragen aber die Flächenerträge z. B. beim Weizen nur rund ein Drittel der europäisehen. Die amerikanische Landwirtschaft kann flächenextensiv wirtschaften. Die Schlussfolgerungen für die europäische Landwirtschaft lauten:
Die EU kann wohl einzelne Elemente, jedoch nicht das amerikanische Agrarmodell insgesamt übernehmen. Ebenso wie sich die Stadtentwicklung in Europa klar von der amerikanischen unterscheidet, werden auch das ländliche Europa und die Agrarwirtschaft einen eigenen Weg in die Zukunft beschreiten. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der ländliche Raum in Europa nicht wie in den USA eine unbegrenzte, sondern eine bereits knapp gewordene Ressource darstellt. Insgesamt steht Europa unter dem Diktat einer anhaltenden Steigerung der Flächen- und Arbeitsproduktivität, wobei synchron dazu Qrenzertragsböden und nicht existenzfähige Kleinbetriebe unter 9.600 Euro Jahreseinkommen pro Arbeitskraft in der EU-l5 aufgegeben werden.

Die Konsequenzen daraus sind: eine fortschreitende Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe, eine Auseinanderlegung von Ackerbau, Viehzucht und Sonderkulturen, eine Substitution von Arbeitskraft durch Kapitaleinsatz, sprich Maschinen und Einrichtungen. Auch in dieser Hinsicht ist die Agrarrevolution noch nicht am Ende angelangt. Eine Prognose ist nicht möglich, zu unterschiedlich sind die Ökologischen Rahmenbedingungen, die eingespielten Regeln der Agrarr-fassung und die Politik der Nationalstaaten. Auf einige Aspekte der Dirsität der Agrarrfassung und der Produktionsziele der Landwirtschaft wird im Folgenden eingegangen.

Die Agrarverfassung

Gleitende Betriebsgrößenskalen kennzeichnen die meisten europäischen Staaten, wobei langsam, aber stetig die Zahl der kleinen Betriebe zugunsten der größeren Betriebe abnimmt. Dagegen besteht eine klare Polarisierung im Mediterrangebiet, wo Minifundie und Latifundie (Abb.7.14, 7.15) einander gegenüberstehen und ebenso in den ehemaligen COMECON-Staaten, in denen im Zuge der Privatisierung neben den kommerzialisierten ehemaligen Staatsfarmen Millionen von Subsistenzbe-trieben entstanden sind.
In Hinblick auf die Besitzverhältnisse zerfällt Europa in drei Teile: Ein mittlerer Streifen bäuerlicher Betriebe wird an beiden Seiten von Pachtsystemen eingerahmt. Der Raum des vorherrschenden bäuerlichen Besitztums umfasst Nordeuropa, große Teile Frankreichs, die Beneluxstaa-ten (Abb. 7.16) und den deutschen Sprachraum (Abb. 7.17) bis zum ehemaligen Eisernen Vorhang. Hierzu gehören ferner die nicht der Kollektivierung anheim gefallenen Kleinbetriebe im ehemaligen Jugoslawien, vor allem in Slowenien, Kroatien, Bosnien und Serbien sowie in Polen. Beim Pachtsystem sind das mediterrane und das nordwesteuropäische Pachtwesen zu unterscheiden.

Das mediterrane Pachtwesen besteht aus zwei Pachtformen: Die Halbpacht ("mezzadria in Italien, "metayage in Frankreich) wird auch als Teilbausystem bezeichnet. Die "mezzadria war bis in die ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg die klassische Form der Agrarverfassung in Mittelitalien, vor allem in der Toskana und mit der VII- leggiatura der städtischen Landbesitzer in StreuSiedlungen verbunden. Die Betriebe der "poderi mussten in der "coltura mista groß genug sein, um die Familie des Pächters zu ernähren und Überschüsse zu produzieren. Die Erträge wurden zu gleichen Teilen zwischen dem Besitzer und dem Pächter aufgeteilt. In Frankreich wurden 19^6 die Anteile für den Pächter gesetzlich auf zwei Drittel festgelegt. Dies hat zu einem raschen Rückgang des Systems geführt. Betrug der Anteil der Pachtbetriebe 1929 noch 10%, so ist er bis zum Ende des 20. Jahrhunderts auf unter 1% gesunken (Pletsch 1997, S.177). Eine etwas andere Entwicklung vollzog sich seit den 1960er Jahren in Italien, wo in einzelnen Regionen, wie den Marken, noch 60%, in Umbrien k2% und in der Toskana 31% der Flächen mittels des Agrarsystems der "mezzadria bewirtschaftet wurden und sich diese durch Berg- und Landflucht im Zusammenhang mit der Industrialisierung "von allein auflöste (Rother und Tichy 2000, S.222). Reste der Halbpacht erhielten sich in Frankreich in Weinbaugebieten. Im Wallis in der Schweiz können Teilpachtvertrage für Weingärten via Internet abgerufen werden.

Während für das mitteleuropäische Denken der Bauernhof eine Produktionseinheit darstellt, gehört es zu den Kulturphänomenen des orientalischen Bereiches, dass die einzelnen Betriebsfaktoren (Boden, Bäume, Vieh, Düngemittel, Saatgut, Maschinen, Gebäude, Wasser usw.) jeweils als separate Besitztitel aufscheinen, die mit entsprechenden Nutzungsrechten verbunden sind. Auch im Mediterrangebiet haben sich Einflüsse dieses sehr komplizierten Systems zur Geltung gebracht, so dass sich Sonderformen der Pacht entwickelten, je nachdem, welche Nutzungskomplexe vom Besitzer bzw. Pächter eingebracht werden.
Am häufigsten ist die Form der "colonia partia-ria vertreten, bei der nur mehr das Land selbst verpachtet wird. Die kurzfristigen, meist nur auf zwei bis drei Jahre ausgestellten Verträge verpflichten die Pächter in erster Linie dazu, ganz bestimmte Arbeiten, wie die Pflege des Weinstocks und die Weinernte, das Schneiden der Olivenbäume und die Olivenernte usw., zu übernehmen. Es handelt sich bei diesen Pächtern um eine Form von Landarbeitern, die, als "contadini bezeichnet, die Sozialstruktur der Stadtdörfer Süditaliens, ebenso wie jene Süd- und Mittelspaniens bestimmen.

Das nordwesteuropäische Pachtwesen hat sich aus einer ganz anderen Wurzel entwickelt. England ist im 17. Jahrhundert mit der kompletten Umwandlung des Feudalsystems in ein Geldpachtsystem im Zusammenhang mit der Flurbereinigung durch die so genannten "enclosures ("Verein-ödung) vorangegangen (Abb. 7.18). Beide Bewegungen breiteten sich nach Nordfrankreich, in die Niederlande, nach Belgien und Nordeuropa aus. In Schweden und in Dänemark wirtschaftete um 1660 nur die Hälfte der Bauern auf eigenem Grund. Seit dem 18.Jahrhundert hat dann der Staat in Nordeuropa zum Unterschied von England die Eigenbauern bevorzugt und die Pachtverhältnisse sukzessive eingeschränkt. Ein Jahrhundert später vollzog sich derselbe Vorgang in Irland. Noch in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts dominierte hier das Pachtsystem. Heute umfasst es nur noch 10% der Betriebsfläche; dabei handelt es sich infolge der Realteilung um Kleinstbetriebe. In England hat das Pachtwesen im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft Kapitalmarktformen angenommen. Der Survey 2000 registrierte rund ein Drittel der Agrarfläche als "tenanted land. Auch in Frankreich ist es im Zusammenhang mit dem Merkantilismus und der frühen Entwicklung der Textilindustrie zu einer Einschaltung des städtischen Kapitals in die Agrarwirtschaft gekommen. Heute beherrscht das Geldpachtsystem vor allem "la grande culture, den landwirtschaftlichen Großbetrieb im Norden Frankreichs. Der Anteil der in Geldpacht bewirtschafteten Betriebe beträgt in Frankreich insgesamt fast k9%.
Für die bäuerlichen Betriebe ist das Erbrecht von entscheidender Bedeutung. Es gibt zwei Formen: Das Anerbenrecht, bei dem der Betrieb in seiner Gesamtheit meist an den ältesten Sohn, gelegentlich auch an den jüngsten, vererbt wird, gilt im ganzen Norden und Nordwesten Europas, ferner in Bayern, im Großteil Österreichs und in Südfrankreich. Vor der Kollektivierung zählten hierzu auch Ostdeutschland und Teile der ehemaligen CSSR.
Die Realteilung ist im römischen Recht verankert und daher seit der Antike für das Mediterrangebiet kennzeichnend. Die Hintergründe für die Verbreitung der Realteilung nördlich der Alpen sind bisher nicht geklärt. Vor der Kollektivierung war die Realteilung auch in großen Teilen Süd osteuropas, wie in Bulgarien und in Ungarn, die Regel. Sie wird noch heute in Polen praktiziert, ferner in den Alpen von der rätoromanischen Bevölkerung; auch der deutsche Stamm der Alemannen hat sie übernommen.

Damit ist sie für Baden-Württemberg ebenso kennzeichnend wie für große Teile der Schweiz.
In den deutschen Realteilungsgebieten war schon von alters her die Saisonarbeit üblich. Da die kleinen Betriebe die Familien nicht ernähren konnten, mussten vor allem die Männer außerhalb der Heimatgemeinde Arbeit suchen. Derart sind Maurer-, aber auch Wanderhändlergemeinden entstanden. In manchen Realteilungsgebieten, wie in Baden-Württemberg, hat sich schon früh das Heimgewerbe, vor allem die Weberei und das Verlagswesen angesiedelt. Dieses bildete eine Grundlage für die spätere Industrialisierung.
Die Zersplitterung der Flur durch die Realteilung zeitigte verschiedene Formen. So wurden in Polen die Gelängefluren bzw. die Gewannfluren in ein schmales Riemenwerk von oft nur ein bis zwei Meter breiten, aber bis zu 500 Meter langen Parzellen aufgeteilt (Abb. 7.19), während in einzelnen Gebirgsräumen (Abb. 7.20), vor allem den rätoromanischen Alpen, die Blöcke der Breite und Länge nach in z.T. nur zimmergroße Rechtecke zerschnitten worden sind. Ebenso unterschiedlich wie die Auswirkung auf die Flur ist die Auswirkung der Realteilung auf die Gehöfte gewesen (Abb. 7.21).

Die massiven zweistöckigen Steinbauten in Westtirol und im Engadin wurden oft in so komplizierter Form geteilt, dass die Katastralbeamten im 19. Jahrhundert größte Schwierigkeiten hatten, die Lage der einzelnen Aufgänge, An- und Umbauten genau aufzunehmen und den jeweiligen Besitzern zuzuordnen, hatten doch manche dieser Bauten bis zu acht Eigentümer!
Wieder anders war die Situation im Bereich der ehemaligen ungarischen Reichshälfte der Donaumonarchie, wo auf den tiefen, schmalen Hausparzellen in der Längsrichtung hintereinander jeweils nur aus zwei Räumen bestehende, einhüftige Wohntrakte geschaffen wurden. In ähnlicher Form reihten sich hinter den Haustrakten die Scheunen an. Als Modell dieser heute in Rückbildung begriffenen historischen Realteilung sind die Hofgäss-chen in Mörbisch am Neusiedler See im Burgenland zu einer Fremdenverkehrsattraktion geworden (Abb. 7.22).

Bodennutzun gssysteme

Bei den Bodennutzungssystemen ist zwischen Wechselwirtschaftssystemen und Felderwirtschaften zu unterscheiden.
Als historische Anpassungserscheinungen der europäischen Landwirtschaft an die Grenzräume der Ökumene besaßen Wechselwirtschaftssysteme, in denen einerseits zwischen Feld und Wald, andererseits zwischen Feld und Grasland gewechselt wurde, in Europa große Bedeutung. Sie waren überall dort verbreitet, wo aufgrund der hohen Niederschläge bei gleichzeitig kurzer Vegetationszeit der Wald bzw. die Wiese von selbst wieder hochkamen: von der Nordgrenze des Anbaus in Skandinavien bis zu den Gebirgen im mittleren Streifen Europas.
Bis heute erhalten hat sich die Feld-Gras-Wirtschaft. Sie setzt verhältnismäßig hohe, über die Vegetationszeit verteilte Niederschläge voraus. Dementsprechend ist sie in zwei Gebieten vertreten: Sie kennzeichnet die gesamte atlantische Flanke Europas von Norwegen bis zur Normandie im Süden und bildet ein Höhenstockwerk an den beregneten Seiten der Gebirge. Die historische Form der wilden Feld-Gras-Wirtschaft, bei der man die Begrasung dem Samenflug überließ, ist durch die Klee-Gras-Wirtschaft ersetzt worden, bei der Klee- oder Grassamen in das Getreide eingesät werden. Sie hat im Zuge der Vergrünlandung ehemalige Ackerbaugebiete erobert, darunter einen Großteil des Alpenvorlandes. In ihrer intensivsten Form ist die Feld-Gras-Wirtschaft mit künstlicher Bewässerung verbunden. Als solche gestattet sie in der Poebene 6 bis 8 Schnitte im Jahr und rotiert mit verschiedenen Formen des Gemüsebaus.

Bei den Felderwirtschaften lassen sich in Europa drei Systeme unterscheiden:

1. Die Vierfelderwirtschaft ist eine besonders getreideintensive Form, bei der drei Jahre Halmfrüchte auf ein Jahr Blattfrüchte entfallen. Sie findet sich in den Großbetrieben des Pariser Beckens, auf den trockenwarmen Kalkböden der Beauce und der Brie und dominierte seinerzeit auf den Staatsgütern in der DDR im niederschlagsarmen kontinentalen Ostmitteleuropa.
2. Die Dreifelderwirtschaft (Wintergetreide, Sommergetreide, Hack- oder Blattfrüchte) bildet das traditionelle Anbausystem großer Teile Mittel-und Westeuropas, welches ursprünglich mit dem Gewannsystem gekoppelt war. Im Verhältnis zu ihrer Verbreitung im 19. Jahrhundert hat die Dreifelderwirtschaft überall Einbußen erlitten, und zwar in niederschlagsreichen Gebieten durch die Intensivierung des Futterbaus in Form der Fruchtwechselwirtschaft in Großbritannien, Nordfrankreich und Schleswig-Holstein und durch die bereits erwähnte Vierfelderwirtschaft. In den Gebirgen konnte auch die Feld-Gras-Wirtschaft ihr Areal auf Kosten der Dreifelderwirtschaft ausdehnen.
3. Die Zweifelderwirtschaft stellt die traditionelle Anbauweise im Mediterranraum dar, bei der im Trockenfeldbau ein Jahr Weizenanbau und ein Jahr Brache abwechseln. Modernisierte Fruchtfolgen mit Blattfrüchten, Zuckerrüben oder Sonnenblumen haben, wie in großen Teilen Spaniens, diese ertragsschwache Anbauform in jüngster Zeit in manchen Gebieten völlig verdrängt.

Im Rahmen der Felderwirtschaften rotieren entsprechend den klimaökologischen Zonen Europas verschiedene Anbaupflanzen.
In der gemäßigten Zone trennte die Null-Grad-Grenze des Januars längs der Rheinlinie das Gebiet des Weizenanbaus in Frankreich von dem des traditionellen Roggenanbaus im deutschen Sprachraum. In den kontinentalen, sommerwarmen Becken Südosteuropas dominiert ebenfalls der Weizenanbau, der auch das Mediterrangebiet kennzeichnet.
Auch die kühlgemäßigte Zone in Nordeuropa ist zweigeteilt: in eine Haferzone, welche dem atlantischen Flügel entspricht, und eine Gerstenzone, die mit dem subkontinentalen Gebiet zusammenfällt.
Zwei Verschiebungen der Anbaugrenzen seit dem 19.Jahrhundert verdienen Erwähnung: In Nordeuropa breitete sich der Haferanbau in Richtung auf den Gerstenanbau aus. In Mitteleuropa verdrängte auf allen günstigeren Böden der Weizen den Roggen. Als Beispiel sei angeführt, dass die Weizenanbaugebiete des Wiener Umlandes, das Wiener Becken und das Weinviertel, zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur den Roggenanbau gekannt haben.
Die Grundnahrungsmittel bestimmen in den genannten Gebieten die Essgewohnheiten: der Porridge das englische Frühstück, das Weizenbrot Frankreich und die verschiedenen Roggenbrotsorten den deutschen Sprachraum.
Aus Lateinamerika importierte Anbaupflanzen, der Mais und die Kartoffel, haben, teils in Abhängigkeit von klimaökologischen Gegebenheiten, teils von bestimmten Sozialstrukturen, in der europäischen Agrarwirtschaft ihren Eingang gefunden. Gemeinsam ist beiden der sehr hohe Hektarertrag und dadurch die Möglichkeit, eine größere Bevölkerungszahl zu ernähren. So hat der Maisanbau in den Kleinbauerngebieten Südosteuropas zum Großteil das Getreide, vor allem den Weizen, ersetzt, während die Kartoffel in Irland die Stelle des Hafers einnahm und als Hauptnahrungsmittel die Voraussetzung für die erwähnte starke Bevölkerungsvermehrung zu Beginn des 19.Jahrhunderts war. Im EU-Erweiterungsstaat Polen gehört die Kartoffel noch immer zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln (vgl. Tabelle 7.3 im Anhang). Hingegen dient der starke Maisanbau in Ungarn in erster Linie der Schweinemast.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Sonnenblumen und Raps als Ölpflanzen zur Intensivierung der Fruchtfolge wesentlich beigetragen.


Dauerkulturen

Zwei Dauerkulturen, der Weinbau und die Olivenkulturen, gehen bereits auf die Antike zurück. Sie besitzen in der europäischen Agrarwirtschaft einen spezifischen Stellenwert.

Der Weinbau
Von seiner ursprünglichen Heimat, den Auenniederungen des randmediterranen Klimas aus, hat sich der Wein als wichtige Kulturpflanze des Römischen Reiches in der Eichenstufe ausgebreitet und ist aufgrund seiner Frostempfindlichkeit und seines hohen Wärmebedarfs auf die Sonnenhänge übersiedelt. Entsprechend dieser Anpassung an das Gelände findet er sich in Europa in zwei Gebieten:
In der Eichenstufe der gemäßigten Zone ist der Weinbau ein Element der Südhänge von entsprechend breiten und besonnten Tälern. Das Rheintal, das Moseltal, die Wachau als Teil des Donaulaufes und Burgund in Frankreich sind Beispiele dafür.
In randmediterranen Gebieten in Südfrankreich und der Poebene hingegen ist der Wein eine Niederungspflanze. Er kann in diesen Räumen aber auch trockene Hochflächen einnehmen, da er mit verhältnismäßig geringen Niederschlägen auskommt und resistent gegen die Sommertrockenheit ist, wie sein flächenhaftes Vorkommen in der spanischen Mancha belegt.
In Abhängigkeit von den kleinklimatischen Bedingungen und agrarhistorischen Traditionen wird die Weinpflanze in vielfältigen Formen gezogen. So sind selbsttragende Weinsträucher für die Mancha kennzeichnend, finden sich aber ebenso in Südfrankreich. In Zusammenhang mit der "coltura mista wird der Wein häufig an Drähten zwischen Obstbäumen verhältnismäßig hoch gezogen. Per-gelkulturen haben ihre besondere Ausstilisierung gerade in den randmediterranen Talräumen der Alpen, wie im Etschtal oder in Form der "latniki in Slowenien gefunden.
In den Tälern und Hanggebieten des Weinbaus in Mittel- und Westeuropa war die Weinkultur von alters her mit sehr sorgfältigen Terrassierungen verbunden. Diese stellen heute ein Hindernis für die Mechanisierung dar und werden bei Neuauspflanzungen beseitigt.
Durch den Reblausbefall in den 1870er Jahren hat der europäische Weinbau flächenhaft schwere Schäden erlitten. An der Küste Dalmatiens sind die jahrhundertealten Weinbauterrassen damals verfallen (Abb. 7.2 Ebenso unterschiedlich wie die "Erziehung des Weines sind Besitz- und Betriebsverhältnisse. In großbetrieblicher Form werden die Weinplantagen Spaniens und Südfrankreichs, die städtischen Besitzern gehören, von Landarbeitern bewirtschaftet. In Mittelitalien, der Poebene und bis in die Alpen hinein ist der Wein in Form der "coltura mista mit anderen Anbaupflanzen, Gemüse und Obst gekoppelt.

Eine Sonderform im alpinen Raum stellen bäuerliche Betriebe dar, die im Weinbau verankert sind. Ihre Besitzungen sind im Veltlin und im Wallis infolge der Realteilung stark zersplittert, während sich in Südtirol durch das Anerbenrecht gesicherte, sehr stattliche Weinbaubetriebe über ein gut ausgebildetes Genossenschaftswesen an der internationalen Vermarktung des Weines beteiligen (Abb. 7.23).
Mit der Umstellung von Stockkulturen auf die Draht-, Rahmen- und Hochkulturen waren im Main-, Rhein- und Donautal Besitzumschichtungen verbunden. Größere Betriebe, darunter alte geistliche und weltliche Herrschaften, gewannen die Oberhand. Auch neue Weingüter mit entsprechenden Vorteilen bei der Vermarktung sind entstanden.
Die EU nimmt im Weinbau global mit 45% der Anbaufläche, 60% der Erzeugung und 70% der Exporte eine dominierende Stellung ein.
Zum Unterschied von den beiden neuen Weinexportkontinenten Australien und Nordamerika sind die Strukturen Europas im Weinbau ausgesprochen kleingliedrig. Während die 20 größten Kellereien Australiens über 90% der Produktion erzeugen, kommen in Frankreich erst über 1.000 der größten Kellereien auf diesen Prozentanteil. In dieser neuen globalen Konkurrenz bei der Erzeugung von Massenwein liegen die Chancen des europäischen Weinbaus nur in der Qualität, einer regionalen Klientel und nicht zuletzt in den Förderungsmaßnahmen der EU und der Nationalstaaten.


Der Olivenbau

Die Olive gehört zur klassischen Dreiheit der mediterranen Agrarwirtschaft. Ihre Bedeutung lag darin, dass sie nahezu der einzige Fettlieferant des Mittelmeerraumes war, bevor die Rinderhaltung in den nördlichen Gebieten, wie in der Poebene und in Katalonien, ihren Einzug gehalten hat.
Die EU ist der weltgrößte Olivenproduzent. 70% des Olivenöls kommen aus der EU, 50 % davon entfallen allein auf Andalusien. Hier wachsen auf 2Mio. ha Boden rund 215Mio. Olivenbäume (Abb. 7.25). Während man in den 1970er Jahren beobachten konnte, wie im klassischen Gebiet des Ölbaums, in Andalusien, die Ölbaumhaine flächen-haft beseitigt und durch Rapsfelder verdrängt wurden, hat sich seither, bedingt durch den wachsenden Konsumwunsch nach hochwertigen pflanzlichen Speiseölen und durch EU-Fördermittel, die Tendenz umgekehrt.

Weite Flächen werden in Andalusien mit Ölbäumen bepflanzt. Dasselbe gilt für die mediterranen Regionen Italiens und Griechenlands. An vielen Anbauorten werden sie allerdings auch großtechnisch bewässert und gedüngt und erbringen so um ein Vielfaches höhere Erträge. Je nach Wasserangebot werden 20 bis 300 Bäume (vegetativ vermehrte Setzlinge) je Hektar gepflanzt. Ein Baum trägt abhängig vom Jahr (stark alternierend) und seiner Größe bis zu 300 kg Oliven, im Durchschnitt der Jahre allerdings nur 20 bis 30 kg. Die Oliven werden sorgsam von Hand oder mit Rüttelmaschinen und untergelegten Netzen geerntet. In Hinblick auf die Betriebsform ist der Ölbaum im Mediterrangebiet nach wie vor an den Großbetrieb gebunden, sind die Ölmühlen doch immer schon in der Hand von größeren Unternehmern gewesen. Für Kleinbetriebe war die Ölbaumkultur mit Schwierigkeiten verbunden, da sie auf Vorschüsse der Ölmühlenbesitzer auf die nächste Ernte angewiesen waren und über die Verzinsung in deren Abhängigkeit gerieten. Auch benötigt der Ölbaum 20 Jahre, bis er zu tragen beginnt, und erreicht erst nach 30 bis 40 Jahren den maximalen Ertrag. Die Neuauspflanzungen von Ölbäumen haben damit den Großgrundbesitz gestärkt. Ölbäume gehören wie der Weizenanbau zu den klassischen Pfeilern des Großgrundbesitzes im Mittelmeerraum.

Die Bewässerungswirtschaft

Die Landwirtschaft ist mit 30% ein wichtiger Wasserverbraucher in der EU, wobei dieser Anteil in den mediterranen Staaten auf 60% steigt. Vor allem die Existenz der zahlreichen kleinen Betriebe hängt von der Bewässerung ab. In den ehemaligen Satellitenstaaten der UdSSR ist nach der Wende die Bewässerungswirtschaft zusammengebrochen, was vor allem die bulgarische Landwirtschaft schwer getroffen hat.
Die Zunahme der bewässerten Fläche in der EU-15 von ca. 6,5 Mio. ha (1961) auf 11,6 Mio. ha (1996) ist ein Indikator für die Intensivierung der Landwirtschaft. Die Wasserwirtschaft gehört in den südlichen Mitgliedstaaten der EU zu den vorrangigen agrarpoiitischen Zielen. Daher übernimmt bei allen großen staatlichen Bewässerungsprojekten der Staat wesentliche Teile der laufenden Kosten. Die bewässerten Flächen reichen von der in Italien als Innovation schon in den 60er Jahren gebräuchlichen Folienkultur (Abb.7.27) über den intensiven ganzjährigen Gemüsebau (Abb. 7.28) bis zu den Orangenkulturen in Andalusien (Abb.7.26).

Für die Bewässerungswirtschaft werden in mehreren Staaten, wie Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Portugal, Grundwasserquellen herangezogen, während in Spanien, Frankreich und Deutschland Oberflächenwasser zur Bewässerung dient. Mit Abstand an der Spitze hinsichtlich der weit zurückreichenden Tradition der Bewässerungswirtschaft stehen die Niederlande, wo 60% der Fläche bewässert werden.
Eine junge Entwicklung ist die Bewässerungswirtschaft in Dänemark mit 17% der Fläche. In den südeuropäischen Staaten wird im Durchschnitt ein Fünftel bis etwa ein Viertel der landwirtschaftlichen Fläche in die künstliche Bewässerung einbezogen.

Die Viehwirtschaft
Während in den mediterranen Staaten die pflanzliche Produktion weit über die Hälfte des Ertrags einbringt, gilt das Gleiche nördlich der alpidischen Gebirge für die Produkte der Viehwirtschaft.
Wichtig für die Viehwirtschaft der EU sind drei Haustiere: Rinder, Schafe und Schweine. In den EU-Erweiterungsstaaten und in Südosteuropa sind zwei in der EU-15 weitgehend verschwundene Zugtiere noch von Bedeutung. In Polen besitzt die Pferdehaltung nicht nur eine Nutz-, sondern auch eine Prestigefunktion für die kleinbäuerlichen Betriebe. Florierende Pferdemärkte am Rande von Marktorten und Städten gehören zur landwirtschaftlichen Struktur (Abb. 7.30). In manchen Landesteilen Südosteuropas, die lange zum Osmani-schen Reich gehört haben, wie Mazedonien, hat sich der Wasserbüffel als Zugtier erhalten (Abb. 7.29).
Bei der Rinderhaltung sind drei Wirtschaftsziele zu unterscheiden: die Abmelkwirtschaft, die Aufzucht und die Mast. Diese lassen sich theoretisch in ein Modell der jeweiligen Entfernung vom Markt bzw. Konsumenten einordnen. Eine derartige Zo-nierung besteht in den USA ebenso wie die Züchtung entsprechender, einerseits auf Fleischqualität und andererseits auf Milchleistung ausgerichteter Rinderrassen. Beide Phänomene sind in dieser verhältnismäßig einfachen Form der regionalen Differenzierung in Europa nicht vorhanden. In Hinblick auf die Züchtung bestimmter Rinderrassen auf Fleischqualität ist nur Frankreich zu nennen, wo das weiße Charollais-Rind seit 186^ und das rotbraune Limousin-Rind seit 1868 als Herdbuchvieh gezüchtet werden. Zur Fleischrinderrasse der Welt hat sich das britische Hereford-Rind entwickelt. Ursprünglich waren in Europa in den kleinen gemischten Betrieben Dreinutzungsrinder gebräuchlich (Fleisch-, Milch- und Zugtier). Davon hat sich das Pinzgauer Rind in Salzburg noch erhalten. Ansonsten ist Europa durch Zweinutzungsrinder gekennzeichnet, von denen das schwarzbunte Holsteinrind derzeit global und auch in Europa am wichtigsten ist, da es die höchste Milchleistung erbringt. Es dominiert nicht nur in den Niederlanden, in Deutschland und in den ehemals zum Deutschen Reich gehörenden Teilen Polens, sondern hat sich auch in den ehemaligen Satellitenstaaten ausgebreitet. Darüber hinaus hat es zum Aufbau der Rindviehhaltung im Mediterrangebiet, vor allem in der Poebene, entscheidend beigetragen.
Die Kleinräumigkeit Europas, die Vielzahl historisch-topographischer Einheiten, deren Zentren z.T. noch heute als Viehmärkte Bedeutung haben, resultiert in einer Vielzahl von lokalen Rinderrassen. Die EU hat es sich zur Aufgabe gemacht, vom Aussterben bedrohte Rinderrassen zu erhalten.
Die Betriebsformen der Rindviehhaltung werden durch das Verhältnis der Zahl der Jungrinder zu den Milchkühen definiert.

Mit ca. 18% der landwirtschaftlichen Erzeugung ist die Milchproduktion der wichtigste Zweig der Agrarwirtschaft in der EU. Die EU ist auch der größte Exporteur von Milchprodukten auf der Erde. Es ist einsichtig, dass der Milchsektor zu den wichtigsten Agenden in der GAP der EU gehört. Mit einem Anteil von 10% an der gesamten landwirtschaftlichen Erzeugung schließt die Rindfleischproduktion an.
Es besteht ein Nord-Süd-Gefälle in den Größenklassen der kuhhaltenden Betriebe. Im Vereinigten Königreich und den Niederlanden liegen sowohl die Bestandsgrößen als auch die durchschnittlichen Milchleistungen um ein Mehrfaches über denen der südeuropäischen Staaten.
Der sich selbst ergänzende Milchviehbetrieb stellt die alte, traditionelle Form großer Teile der europäischen Rinderhaltung dar. In diesen Betrieben werden auch Jungtiere aufgezogen. Sein Hauptverbreitungsgebiet ist nach wie vor Frankreich; er findet sich ferner in Schweden, Finnland, großen Teilen Deutschlands und Österreich.
Als eine spezialisierte Form mit einem Verhältnis von 100 Milchkühen auf kO Jungrinder hebt sich davon der Abmelkbetrieb ab. Ein reiner Abmelkbetrieb kauft Kühe auf, die nach dem Abkalben so lange gehalten werden, wie die Laktationsperiode dauert. Nachher werden sie noch etwas gemästet und dann ebenso wie die Kälber verkauft. In Europa war dieser Typ vor allem in den ehemaligen Satellitenstaaten vertreten. Dies hat seinen Grund darin, dass man aus der gleichen Futtermenge in Form der Umsetzung in Milch fast die dreifache Menge an Kalorien gewinnen kann, als wenn man mit dem gleichen Futter ein Rind mästet. Im Westen sind Durchhaltebetriebe vertreten, bei denen man die Kühe ca. vier- bis fünfmal belegen lässt.
Der Aufzuchtbetrieb mit einem Verhältnis von 1:1 zwischen Milchkühen und Jungrindern ist der traditionelle Betriebstyp der Alpen und der Mittelgebirge. Bei ihm wird nicht nur Milch produziert, sondern es spielt auch der Verkauf der Jungtiere eine Rolle.
Die echten Mastbetriebe, bei denen das Verhältnis von Kühen zu Jungrindern mindestens 1:3 beträgt, kaufen bereits in großem Umfang Vieh von anderen Betrieben auf. um es zu mästen. Besonders hoch ist der Anteil an Mastbetrieben in England, wo vor allem bei den Großbetrieben die Rindermast, beruhend auf einer intensiven Futterwirtschaft, das Hauptwirtschaftsziel darstellt. Auch in Spanien dominieren die Mastbetriebe (Stiermast), freilich in einer extensiven Form der Rinderhaltung.
Die Schafhaltung bietet sich als Modellfall an, um die Umorientierung der gesamten europäischen Agrarwirtschaft in den letzten hundert Jahren zu demonstrieren. Noch Ende des 18. Jahrhunderts gehörte Deutschland zu den führenden Wollexportländern Europas. Das Ziel der Schafhaltung war, eine möglichst feine Merinowolle zu erzeugen. Durch die Konkurrenz mit der Wollproduktion in den Überseeräumen (mit rapider Ausdehnung der Schafhaltung in extensiver Form) und den Baumwolle anbauenden Staaten ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Wollpreis verfallen.
Hinzu kam die Konkurrenz der Rindviehhaltung, welche durch verbesserte Methoden der Zucht und Fütterung eine beachtliche Steigerung der Milch-und Fleischleistung auf das Doppelte und Dreifache erzielen konnte.
Zu diesen Faktoren kam schließlich der Wandel der Futterwirtschaft, wurden die Schafe doch stets auf den extensiv genutzten Flächen gehalten. Mit der Intensivierung der Allmenden ist in den deutschen Mittelgebirgen und Schichtstufenlandschaften die Futterbasis für die Schafe zum Großteil verschwunden. Die leichten Böden der großen Heidegebiete, die vor der Zeit des Handelsdüngers kaum einen Ertrag abwarfen, sind heute für den Hackfrucht- und Futteranbau erschlossen. Vor allem die über Schnapsbrennerei und Schweinemast recht lohnend gewordene Kartoffelverwertung muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden. In vielen Fällen ist auch der Waldbau an die Stelle der Extensivweiden getreten, da Heiden und Moorländereien weitflächig aufgeforstet wurden. Im mittleren Streifen Kontinentaleuropas wurden die Schafweiden großflächig reduziert. Die Schafzucht erhielt sich in zwei Staaten - Spanien und Großbritannien - mit einer exklusiven Spitzenposition von rund 2<+Mio. Schafen, und zwar einerseits in der spanischen Meseta und andererseits in den fruchtbaren Marschenniederungen von Südengland, wo sich die Lämmermast zu einem führenden Produktionszweig entwickelt hat (Abb.7.31), weiterhin in den extensiven Weidegebieten von Nordengland und Schottland, wo die Wollgewinnung wichtig geblieben ist. Auch in Südosteuropa hat die Schafhaltung nie ihre Bedeutungverloren.

Mit dem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich gestiegenen Wollpreis haben hochwertige Produkte von Schafwolle einen neuen Anwert bekommen. Nur in Frankreich spielt die Milchschafhaltung eine Rolle für den internationalen Markt. So sind über ein weit verzweigtes Milchsammeinetz 800.000 Schafe an die Käseerzeugung in Roquefort angeschlossen. Dieses Netz umfasst nicht nur das französische Mutterland, sondern reicht bis nach Sardinien und Korsika. Für lokale Märkte haben im alpinen Raum die Schafkäseerzeugung und die Vermarktung von Lammfleisch in jüngster Zeit eine gewisse Bedeutung bekommen. Eine Fellgewinnung, wie bei den Karakulschafen, fehlt in Europa.
Die Schweinehaltung ist ein Bereich der Agrarwirtschaft der EU, in dem es keine Marktordnungen gibt. Die Agrarpolitik beschränkt sich auf das Einheben von Zusatzzöllen. Entsprechend dieser Situation konnten sich agrartechnologische Innovationen schneller durchsetzen. Es hat ein starker Konzentrationsprozess stattgefunden, der weiter anhält. Von den traditionellen Zentren der Schweinehaltung, die sich in der Futterbasis unterschieden haben - der freien Weidewirtschaft mit Eichelmast in Spanien und Ungarn, dem Kartoffelanbau in Polen und dem Gerstenanbau in Dänemark -, hat sich Dänemark, gefolgt von den Niederlanden und Belgien, in der modernen Großorganisation mit mehr als 1.000 Schweinen pro Betrieb an die Spitze gesetzt. Insgesamt vollzieht sich gegenwärtig ein weiterer Konzentrationsprozess. Der Welthandel mit Schweinefleisch wird von Europa dominiert. 1999 hatten 79% des auf den Weltmarkt gelangten Schweinefleisches ihren Ursprung in Europa. Hierbei rangiert Dänemark unangefochten an der Spitze, gefolgt von den Niederlanden und Belgien. Zwischen 1961 und 2000 ist die Erzeugung von Schweinefleisch in der EU von 7,2Mio. Tonnen auf 17,6 Mio. Tonnen gestiegen. In Hinblick auf das räumliche Muster fällt die Bedeutung der Schweinehaltung in den ehemaligen Satellitenstaaten Polen, Ungarn und Rumänien auf. Allerdings ist sie hier zum Großteil ein Element der Subsistenzbetriebe. In dem viel reicheren Frankreich hat sich übrigens bei der Hälfte der Schweine haltenden Betriebe noch das Ziel der Versorgung des eigenen Haushalts mit Schinken und Schweinefleisch erhalten.


Der ökologische Landbau in der EU

In vielen Staaten Europas lässt sich der ökologische Landbau bis in die Zwischenkriegszeit zurückverfolgen. Größere Bedeutung erlangte er erst in den späten 1970er Jahren als Gegenbewegung zur industrialisierten Landwirtschaft. Die anhaltende Diskussion um Rückstände in pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln, so genannte "Fleischskandale, und die Debatte um die artgerechte Haltung von Nutztieren, die Auseinandersetzungen um die Haltung von Hennen in Käfigen und von Kälbern in Mastboxen, ließen auch in der Tierhaltung alternative Haltungsformen aufkommen.

Die Bedeutung des ökologischen Landbaus ist in den einzelnen Staaten der EU sehr unterschiedlich. Neben der finanziellen Förderung durch die EU wird der ökologische Landbau in den meisten Ländern zusätzlich einzelstaatlich intensiv gefördert. So hat die französische Regierung 1997 ein Förderprogramm gestartet mit dem Ziel, bis 2005 die ökologisch bewirtschaftete Fläche auf 1 Mio. ha und die Zahl der Biobauern auf 25.000 zu steigern.

Insgesamt hat der ökologische Landbau in den vergangenen Jahren Zuwächse verzeichnet. Allerdings erweist sich in zunehmendem Maße die Vermarktung der ökologischen Produkte als Eng-pass. Eine große Bedeutung hat die Direktvermarktung ab Hof oder über Wochenmärkte, doch lässt sich gegenwärtig auch ein Vordringen ökologisch erzeugter Produkte in große Einzelhandelsketten feststellen. Ein Hauptproblem des ökologischen Landbaus ist die Zersplitterung des Angebotes. Es treten damit hohe Erfassungskosten auf, wenn Großabnehmer bedient werden sollen. Einer Bündelung des Angebotes stehen die verstreute Lage der Betriebe, vergleichsweise geringe Angebotsmengen und uneinheitliche Klassifizierungskriterien entgegen. Die weitere Entwicklung des ökologischen Landbaus wird einerseits bestimmt werden von der Nachfrage der Konsumenten und andererseits von der Neustrukturierung der Vermarktung. Trotz der staatlichen Förderung der ökologischen Landwirtschaft wird letztlich der Konsument darüber entscheiden, wie groß der Anteil dieses Segments in der Landwirtschaft der EU werden kann.







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