Die Mengen sind gewaltig: Über 20 000 Container werden Tag für Tag im Hamburger Hafen umgeschlagen und gelöscht, Tendenz steigend. Möglich ist dieser Handelsplatz n Weltgröße nur dank der günstigen Lage am drittgrößten deutschen Fluss, der Elbe. Die Elbe (tschechisch Labe) hat an dieser Stelle bereits 1000 Kilometer hinter sich gebracht und ist zum mächtigen, behäbig-dunklen Strom geworden. Die Herkunft des Flussnamens mag daher an dieser Stelle verwundern, denn er wird auf die indogermanische Wurzel albh zurückgeführt, die mit "weiß oder "glänzend übersetzt werden kann. Die Römer nannten die Elbe albis. Die schwedische Bezeichnung für Fluss -älv-geht auf die gleiche indogermanische Wurzel zurück. Diese verschiedenen Namen führen zu den Anfängen der Siedlungsgeschichte an der Elbe.
Aus der Siedlungsgeschichte
Bei Magdeburg wurden Faustkeile und andere Feuersteingeräte gefunden, die rund 200000 bis 250 000 Jahre alt sind. Sesshaft wurden die Menschen an der Elbe allerdings erst r rund 6000 Jahren, rzugsweise um Magdeburg, wo die nährstoffreichen Lössböden am ertragreichsten waren. Um 100v.Chr. stoßen wir am Ufer der Elbe unter anderem auf Langobarden, Semnonen und Hermunduren-germanische Stammesverbände, die zur Gruppe der "Eibgermanen oder "Sueben gehörten. Auf sie mag die Namensgebung Albi zurückgehen. Im Jahr 9 v. Chr. erreichte der römische Feldherr Drusus zwischen Stade und Boizenburg die Elbe. Von dem Versuch, in diesem Raum Fuß zu fassen, zeugen bis heute die Überreste eines römischen Kastells auf dem Höhbeck im Kreis Lüchow-Dannenberg. Gründlich umgekrempelt wurde die Bevölkerungsstruktur entlang der Elbe im Zuge der Völkerwanderung um 600. In das Gebiet östlich der Elbe-Saale-Linie drangen slawische Stämme ein, westlich dan siedelten weiterhin eibgermanische Gruppen, die unter Karl dem Großen christianisiert wurden. Aus der Sprachgrenze Elbe wurde damit auch eine Kulturgrenze.
Herrschafts- und Kulturgeschichte entlang der Elbe
Durch die Unterwerfung der Sachsen in den Sachsenkriegen (772-804) wurden weite Gebiete an der-heute niedersächsischen - Elbe Teil des Frankenreichs, das von Italien bis zur Nordsee und vom Ebro bis zur Elbe reichte. Prägend für die weitere Entwicklung war die Christianisierung. In dieser Zeit wurden die ersten Bischofssitze errichtet: 815 in Verden, 827 in Halberstadt und 834 in Hamburg. Ziel war in erster Linie die Missionierung der Slawen, die sich gegen die damit verbundenen fränkischen Herrschaftsansprüche jedoch vehement zur Wehr setzten. Zum Schutz vor slawischen Angriffen auf das fränkische Reichsgebiet wurden vielerorts Burgen gebaut, so die Hamma-burg, die Keimzelle der späteren Stadt Hamburg.
Der sächsische Herzog Heinrich I. (876-936), der 919 König des Ostfrankenreichs wurde, überschritt 928 erstmals die Elbe. Auf seinem Feldzug besiegte er die slawischen Haveller (Havelländer) und eroberte deren Hauptsitz Brennabor (Brandenburg). Der Bau einer Burg in Meißen 929 war der sichtbare Ausdruck des königlichen Machtanspruchs. Meißen wurde in der Folge zu einer wichtigen Ausgangsbasis für Kriegszüge und Missionsarbeit in Böhmen und in der Lausitz. In diese Zeit fällt die Ansiedlung Hunderttausender von Bauern aus den Kerngebieten des ostfränkischen Reichs in die ehemals slawischen Gebiete östlich der Elbe und der Saale, später (im 13. Jahrhundert) auch in die Gebiete östlich der Oder. Die Elbe war nun kein ausschließlicher Grenzfluss mehr, sondern "Rückgrat sächsischer Macht.
Heinrichs Sohn Otto I. (912-973) machte das 805 erstmals erwähnte Magdeburg 936 zu seiner bevorzugten Pfalz. Das von ihm 937 gestiftete, dem heiligen Mauritius geweihte Kloster (Moritzkloster) sollte als Zentrale der Missionierung der Eibslawen dienen. Verstärkt wurden Ottos Bestrebungen durch den 962 begonnenen Dombau und die Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum 968. Zur Kirchenprovinz des neu gegründeten Erzbistums gehörten die Bistümer Merseburg, Zeitz, Havelberg, Brandenburg und Meißen. Durch die Errichtung neuer Marken (Grenzgrafschaften) versuchte Otto das Gebiet zu sichern. Dazu gehörten die Nordmark, aus der sich später die Mark Brandenburg entwickelte, die sächsische Ostmark und die Markgrafschaft Meißen. König Lothar von Supplinburg (1125-1137) belehnte 1123 den Wet-tiner Konrad mit der Markgrafschaft Meißen und 1136 mit der sächsischen Ostmark, während er die Mark Brandenburg Albrecht dem Bär aus dem Haus der Askanier übertrug. 1415 belehnte Kaiser Sigismund Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg aus dem Haus Hohenzollem mit der Mark Brandenburg. Damit war der Grundstein für den Aufstieg der wichtigsten Adelsgeschlechter im Elberaum und den an der Elbe liegenden Städten gelegt. Neben den zu Kurfürstentümern aufgestiegenen Brandenburg und Sachsen gab es beim Tod Karls IV. 1378 weitere Landesherrschaften wie Grafschaften, Herzogtümer, Erzbistümer und Fürstentümer an der Elbe.
Zahlreiche Festungen und Burgen künden von dem zähem Ringen um Macht und erzählen die Geschichte von Kriegen an der Elbe: Die Festung Josephstadt nahe Königgrätz in Böhmen, ließ Kaiser Joseph II. nach den Erfahrungen des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) in den 1780er Jahren zum Schutz vor Preußen anlegen. Was die bittere Erfahrung mit den Preußen angeht, war die Anlage dieser Festung allerdings vergebens, erlitten die Österreicher doch knapp 100 Jahre später- 1866-in der legendären Schlacht von Königgrätz die entscheidende Niederlage im Krieg gegen Preußen. Die Festung Theresienstadt am Zusammenfluss von Eger und Elbe wurde 1780 ebenfalls unter Joseph II. angelegt. Theresienstadt wurde jedoch nie Schauplatz von Kriegsereignissen. Die sogenannte Kleine Festung wurde von Anfang an auch als Gefängnis genutzt. Der berühmteste Häftling war Gavrilo Princip. Er hatte das Attentat von Sarajewo auf den österreichischen Kronprinzen Franz Ferdinand verübt, das Auslöser für die in den Ersten Weltkrieg mündende Julikrise von 1914 war. Traurige Berühmtheit erlangte Theresienstadt während der NS-Zeit, als 1942 die gesamte Garnisonsstadt in ein riesiges Konzentrationslager verwandelt wurde, in dem fast 40 000 Menschen den Tod fanden.
Ein friedlicheres Schicksal hatte - trotz ihres Namens -die Burg Schreckenstein, die König Johann von Böhmen 1316 auf dem steil abfallenden Klingsteinfelsen zur Überwachung der Elbe erbaute. Als die Burg schon längst eine Ruine war, wurde Richard Wagner von dem wild-romantischen Anblick zu seinem Tannhäuser inspiriert, und Ludwig Richter verewigte den Bau 1837 in seinem Gemälde Überfahrt am Schreckenstein, das sich heute im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befindet. Von den zahlreichen Festungen an der Elbe seien noch zwei weitere erwähnt: Die 1589 von den sächsischen Wettinern angelegte Königstein ist eine der gewaltigsten Festungen Europas. Belagert wurde sie nur ein einziges Mal, während des Dreißigjährigen Krieges.
Die Festung des an der mittleren Elbe gelegenen Torgau wurde zwischen 1811 und 1813 durch König Friedrich August I. von Sachsen errichtet. Im Juli 1813 besichtigte Napoleon I. die Anlage, die in der Folge über 30000 französische Soldaten aufnahm, darunter 10000 Verwundete aus der Völkerschlacht von Leipzig. Nachdem preußische Gruppen die Stadt umschlossen hatten und dort eine Typhusepidemie ausgebrochen war, starben in kürzester Zeit über 20 000 Menschen.
Während des Siebenjährigen Krieges hatte bei Torgau am 3. November 1760 die "größte Massenschlacht des 18. Jahrhunderts (Czaya) getobt. Friedrich der Große errang damals einen seiner legendären Siege gegen Österreicher und Reichstruppen. Doch der Sieg war mit insgesamt 32 000 Toten teuer erkauft. Ein drittes Mal war Torgau schließlich Ort schicksalhafter Kriegsbegegnungen, als sich im April 1945 russische und amerikanische Soldaten an der Elbe trafen. Was als symbolträchtiges Bild des Friedens am 26. April 1945 eigens noch einmal nachgestellt wurde, bekam bald einen bitteren Nachgeschmack: Für über 40 Jahre verschwanden die Gebiete östlich der Elbe hinter dem Eisernen Vorhang. Die Elbe wurde damit auf 93 Kilometern - zwischen Schnackenburg und Lauenburg - zum Grenzfluss. Heute verbindet die Elbe Tschechien und Deutschland. Die sieben Bundesländer auf ihrem Weg-Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein -erinnern noch an die zahlreichen Herrschaften an der Elbe.
Die Architektur an der Elbe wirkte in vielerlei Hinsicht stilbildend. Dies gilt beispielsweise für den Magdeburger Dom, einen der frühesten rein gotischen Kirchenbauten im deutschen Sprachraum, oder die von 1471 bis 1525 erbaute Albrechtsburg in Meißen, die als erster Schlossbau in Deutschland gilt. Vorbildfunktion hatte auch die Residenzstadt Dresden: Als Beispiele seien an dieser Stelle das zwischen 1548 und 1556 im Stil der Renaissance umgebaute Residenzschloss und die berühmte Frauenkirche genannt, eine der "großartigsten protestantischen Barockkirchen überhaupt. Auch das kleine Fürstentum Anhalt-Dessau war geradezu eine Brutstätte der Architektur. Hier wurden unter Fürst Leopold II. Friedrich Franz (1740-1817)-in Zusammenhang mit dem legendären Wörlitzer Landschaftspark-von dem Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1740- 1817) die ersten historisierenden Baustile entwickelt: so das Schloss in Wörlitz (1769-1773). das den Frühklassizismus einleitete oder das "Gotische Haus (1773-181.3), das die Neugotik in Deutschland begründete. Auch ein gänzlich neuer Stil hat hier seinen Anfang genommen: der sachlich-funktionale Bauhau-Stil, entwickelt in der 1919 gegründeten Dessauer Hochschule für Gestaltung.
Unabhängig von allen Stilen gibt es in der Architektur entlang der Elbe eine natürliche Trennlinie: Während bis Tangermünde der Sandstein die Gebäude bestimmt, gebrochen aus dem Eibsandsteingebirge, gibt von Tangermünde bis zur Mündung der Elbe in Cuxhaven der rote Backstein den "Ton an-gebrannt aus den zahlreichen Lehmvorkommen des Urstromtals der Elbe. Der aus Lehm gebrannte Ziegel ist nicht nur für ganz Nord-deutschland landschaftsbestimmend, er prägte auch eine eigene Stilrichtung, vor allem in den Hansestädten: die Backsteingotik.
Nicht nur die Architektur erhielt von den Elbe-Anrainern wichtige Impulse. Geradezu ein Initial für die Neuzeit wurde 1517 in Wittenberg an der Elbe gezündet, als Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Missbrauch des Ablasshandels veröffentlichte, mit denen er die Reformation einleitete. Ebenso von der-sächsischen-Elbe konnte 1708 eine Nachricht vermeldet werden, die auf andere Art epochal war: die Herstellung des ersten europäischen Porzellans, benannt nach dem Ort, an dem es bis heute hergestellt wird: "Meissener Porzellan. Und an der Elbe - im sächsischen Radebeul - wurde auch Literaturgeschichte geschrieben: Hier ersann Karl May (1842-1912) seine legendären Abenteuer, wie Winnetou oder Durchs wilde Kurdistan, ohne selbst je die Elbe verlassen zu haben.
Die Elbe als Handelsweg
Auf flachgehenden Einbäumen fuhren Händler die Elbe auf und ab, lange bevor schriftliche Quellen darüber Nachweis geben. Archäologische Funde lassen einen Handel an der gesamten Elbe erahnen, der selbst den Donauraum mit einschloss -nachgewiesen unter anderem durch ßronzefunde in einer Langobardensiedlung bei Hamburg. Eine erste Blütezeit erlebte der Elbhandel während der Hochzeit der Hanse im 13./14. Jahrhundert.
Über die Elbe (und über den Rhein) konnten die Küstenstädte der Hanse ihr Netz bis weit ins Binnenland ausspannen, sodass auch weit von der Ostsee entfernte Städte wie Magdeburg Mitglied der Hanse werden konnten. Beförderte Handelsgüter waren elbaufwärts Salz, Fische, Tuche, Flachs und Gewürze und elbabwärts Steine, Bauholz, landwirtschaftliche Erzeugnisse, Erze und Messer aus Böhmen. Nicht vom Elbhandel zu trennen sind ihre Nebenflüsse und die ergänzenden Kanäle. So um-fasste die Eibregion ein weites Gebiet: über die Moldau in große Teile Böhmens, über die Mulde und die Saale in das westliche Sachsen und in Teile Thüringens, über die Havel in große Teile Brandenburgs und nicht zuletzt nach Berlin.
Die vom 14. Jahrhundert an erbauten Kanäle brachten zusätzliche Erweiterungen: So stellte der 1398 fertig gestellte Stecknitzkanal, der Vorläufer des Elbe-Lübeck-Kanals, eine Verbindung zur Trave her, wodurch unter anderem das kostbare Lüneburger Salz über die Ilmenau bis nach Lübeck auf dem Wasserweg transportiert werden konnte. 1669 wurde in Brandenburg die Verbindung zwischen Havel, Spree und Oder vollendet.