REFERAT-MenüArchaologieBiographienDeutschEnglischFranzosischGeographie
 GeschichteInformatikKunst und KulturLiteraturMarketingMedizin
 MusikPhysikPolitikTechnik

Der Untergang von Rungholt

Der Untergang von Rungholt

»Heut bin ich über Rungholt gefahren, Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.«

Mit diesen Worten beginnt die Ballade »Trutz, Blanke Hans« von Detlev von Liliencron (1883), in der er den Untergang der einstmals blühenden Hafenmetropole beschreibt. Der Dichter hat sich bei seiner Zeitrechnung allerdings um 100 Jahre rtan. Denn die Edomsharde zwischen Pellworm und Nordstrand rsank mit sieben Orten - darunter auch dem legendären Rungholt - erst 1362 unter Wasser- und Schlammassen.

Rungholl, das »Symbol frevlerischen Reichtums und überheblicher Gotteslästerung«, bewegte schon vor Lilicncron die Gemüter. Der Dichter legte nur nieder, was ihm in den Uhtlanden erzählt wurde.

»Rungholt ist reich und wird immer reicher,
Kein Korn mehr faßt selbst der größeste Speicher.
Wie zur Blütezeit im Alten Rom «

Der Vergleich Rungholts mit Rom entspringt dichterischer Phantasie, doch als erwiesen gilt mittlerweile, daß die kleine Siedlung in der Edomsharde am Herstrom durch die ertragreiche Bewirtschaftung der fruchtbaren Marschböden und den florierenden Getreide- und Salzhandel zu Wohlstand gekommen war und sich im 1 3. Jh. zu einem der wichtigsten, möglicherweise auch zum bedeutendsten Handelszentrum Nordfrieslands entwickelt hatte. Urkunden aus den jähren 1355 und 1361 bezeugen die wirtschaftliche Bedeutung der Edomsharde. Handelsreisen führten von hier nach Flandern, um )ülland herum in die Ostsee und bis ins maurische Spanien. Rungholt selbst wird erstmals 1.345 in einem Testament erwähnt. Doch wo genau lag der Ort, dessen Untergang seitdem Mittelalter in der Rungholtsage lebendig blieb? »Rungholt war ein kleines Städtchen auf Strand bei Pell-worm, wo jetzt Südfall sich befindet«, schrieb der Chronist Matz Pay-sen im jähre 1635. Ebenfalls in der ersten Hälfte des 17. Jh. arbeitete der Husumer Kartograph Johannes Mejer an einer Karte, die die Uth-lande um 1240 zeigen sollte. Mejer rmutete die Siedlung Rungholt etwa 2 km nordöstlich von Südfall. Daß er die rsunkene Siedlung lagegetreu wiedergegeben hat, ist unwahrscheinlich. Untersuchungen Mitte der 80er Jahre ergaben sogar, daß nicht einmal die Geländepunkte, die die Mandränke überstanden hatten und im 17. Jh. noch zu sehen waren, genau eingetragen waren.




Es sollten noch einmal fast 300 Jahre rgehen, bis man dem Geheimnis Rungholts auf die Spur kam. Seit dem 19. Jh. kamen durch Uferabbruch nach und nach immer mehr Siedelreste unter der Hallig Südfall zum Vorschein, auf die der Nordstrander Landwirt Andreas Busch zu Beginn unseres Jahrhunderts aufmerksam wurde. Von 1921 bis zu seinem Tode im lahre 1972 hat er zahlreiche Deiche, Warften, Sodenbrunnen, Pflugfurchen, zwei Schleusen, einen Hafen und mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Reste einer Kirchwarft mit Friedhol nachweisen und dokumentieren können. »Fin Glücksfall für die historische Küstenforschung«, meint Dr. Hans Joachim Kühn vom archäologischen l.andesamt in Schleswig, denn heute ist von den Siedlungsresten kaum noch etwas zu sehen. Fin tiefer Wattstrom hat sich durch das Gebiet gegraben und die meisten Spuren abgetragen, während ein anderer Teil der Siedelplätze unter der in den 30er Jahren befestigten Hallig ruht. Als Busch seine ersten, nordwestlich und südwestlich der Hallig gelegenen Funde dokumentierte, ragten die von den Halligablagerungen freigespülten Deichlinien und Warftsockel noch rund 80 cm über die Wartoberfläche hinaus. (Im 17. Jh., als Johann Mejer die Uth-lande des 1.3. Jh. rekonstruierte, lag ein Großteil der von Busch dokumentierten Siedlungsreste noch unter der aufgeschluckten Hallig.)

Wer aber kann genau sagen, ob das von Busch untersuchte Gebiet überhaupt Rungholt war? Den sagenhaften Reichtum Rungholts bestätigten die Funde nicht, man fand keine mit Gold und Silber gefüllten Schatztruhen. Das ins 13. und 14. Jh. datierte Fundgut bestand überwiegend aus Tongefäßen und Keramikscherben - zwei der Tongefäße sind Reste maurischer Krüge -, zahlreichen Tierknochen sowie wenigen Waffen und Metallgefäßen. Sowohl die Dichte der Siedclplätzc als auch die durch Importwaren belegten rernhandelskontakte sprechen für eine Ansiedlung des Rungholt-Komplexes in diesem Gebiet. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß kein frühmittelalterliches Fundgut belegt werden konnte, das Gebiet ist also relativ spät besiedelt worden, was darauf schließen läßt, daß die Menschen kaum durch fruchtbares Ackerland ins »Rungholt-Gebict« gelockt wurden. Es finden sich auch keine Spuren, die darauf hinweisen, daß in diesem Gebiet Salztorf abgebaut wurde. Mit großer Wahrscheinlichkeit war es der über ein Tief gewährleistete Zugang zum freien Meer, der die Menschen anzog. Von hier aus konnten sie Handel treiben, wie Dokumente des 14. Jh. belegen.

Doch ihr Land war dem Untergang geweiht, denn es lag über tiefen, mit Meercsscdimcntcn gefüllten eiszeitlichen Rinnen und Mulden. Setzungen der Sedimente ließen das Land absacken und gaben den Weg frei für einen mächtigen Wattstrom, die Norderher. »So war das Bemühen der Marschenbewohncr, im Nordcrhergebiet dauerhaft Fuß zu fassen, von vornherein aussichtslos«, faßt Hans Joachim Kühn die geologisch ungünstigen Verhältnisse zusammen. Die rheerenden Landrluste wären - so sein Resümee - früher oder später auch ohne das Zutun der Menschen (Torfabbau, Eindeichung und Entwässerung) erfolgt.







Haupt | Fügen Sie Referat | Kontakt | Impressum | Nutzungsbedingungen