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Castrop-Rauxel

Castrop-Rauxel

Die älteste Namensnennung erfolgte in einer Urkunde m 23. November 834, die allerdings nur in späteren Abschriften erhalten blieb: Ein gewisser Frithuard gewinnt m Bischof Gerfried n Münster, einem Neffen und Nachfolger des hl. Liudger, in einem Tauschverfahren verschiedene Ländereien, u. a. im Brukterergau, »in o Bortergo, in villa quae dicitur Castorf«. Ein erst für das 15. Jh. zweifelsfrei gesicherter Reichshof gilt als Gründung Kaiser Karls des Großen und als Keimzelle des Dorfes Castrop, das seit dem 13. Jh. Sitz eines >Gerichts< (d. h. eines kleineren Verwaltungsbezirks) war und 1484 zur »Freiheit- (d. h. hier: Stadt minderen Rechts) erhoben wurde.

Im Industriezcitalter wurde Castrop 1926 mit den Amtern Rauxel und Bladenhorst sowie mit den Gemeinden Ickern, Deininghausen und Dingen zur Stadt Castrop-Rauxel zusammengelegt. Im äußersten Norden kam 1975 dann noch die Gemeinde Henrichenburg hinzu. Heute leben in Castrop-Rauxel knapp 80 000 Menschen.

Im Süden: Castrop, Schwerin
Im Zentrum n Castrop blieben im Schatten der katholischen St. Lambertus-Kirche mehrere Fachwerkhäuser aus rindustriellcr Zeit bis in die Gegenwart erhalten. Die Kirche selbst lässl sich bis ins 13. Jh. zurückvcrfolgen. In den 1880er Jahren scheiterte ein geter Totalabriss am Einspruch der behördlichen Denkmalpflege. Als Kompromisslösung trug man nur den Glockenturm und ein Seitenschiff ab und integrierte den Rest als >Seitenschiff< in einen großräumigen Neubau, den der Paderborner Diözesanbaumeister Arnold Güldenpfennig 1889 im rheinischen Ubergangsstil entworfen hatte. Im mittelalterlichen Teil der vierschifen (!) Basilika sind kunstlle Blattkapitelle sowie ein achtrippiges Kuppelgewölbe im Chorjoch bemerkenswert, bei dem die einzelnen Rippen in einem hängenden Schlussstein schließlich gebündelt werden, Das reich geschmückte gotische Sakramentshaus n 1516 wird Bernd Bunickmann zugeschrieben. Im >neuen< Teil der Kirche ist die historistische Ausmalung in wesentlichen Teilen noch rhanden.



Die evangelische Lutherkirche am Biesenkamp entstand 1880/81 nach einem Entwurf der Architekten Flügge & Zindel. In der Turmhalle erinnert ein Epitaph an Philipp n Viermundt (gest. 1584), der sich maßgeblich für die Einführung der Reformation in der Castroper Region eingesetzt hatte. Der Taufstein der Kirche stammt noch aus dem barocken Vorgängerbau. Wie eine prägnant eingeschnittene Inschrift erläutert, wurde er 1714 n dem Bauern Hubbert aus Bövinghausen gestiftet. Das Gemälde des schönen neugotischen Altars zeigt, wie der verlorene Sohn n seinem barmherzigen Vater wiederaufgenommen wird (G. Goldkuhle, 1881).
Der Castroper Marktplatz spiegelt in seiner heterogenen Randbebauung fast 200 Jahre lokaler Architekturgcschichte ausschnitthaft wider. Das Fachwerkhaus Nr. 4 stammt noch aus rindustrieller Zeit (1826). Zwischen 1890 und 1914 entstanden repräsentative Geschäftshäuser im historistischen oder Jugendstil. Das ausladende, klobige Sparkassengebäude steht für die >Wirtschaftswunderjahrekeltischcr Baumkreis< umgibt ihn neuerdings: Bestimmte Baumarten stehen dabei für verschiedene Abschnitte des Jahres sowie für unterschiedliche menschliche Stimmungen und Eigenschaften. Im Zuge des regionalen >Land-markcn-Projekts< wurde auf der Halde Schwerin eine Sonnenuhr aus Edelstahlstelen installiert (Jan Bormann).
Thomas Mulvany verbrachte seit 1872 die Sommermonate alljährlich in Haus Goldschmieding. Das ehemalige Wasserschloss im Osten des Castroper Zentrums war ursprünglich der Sitz einer gleichnamigen, bereits 1275 erwähnten Adclsfamilie. Heute steht nur noch - auf die Hälfte seines ursprünglichen Umfangs reduziert - das 1583-97 erbaute Herrenhaus. Glanzstück im Festsaal ist ein prächtig geschmückter Renaissance-Kamin (bezeichnet 1597). Reliefdarstellungen zeigen auf dem Sturz einen Triumphzug mit folgenden Unterthemen: TERRA (eine Weltkugel wird mitgefühlt), OPULENTIA (Verschwendung), SUPERBIA (=Hochmut), INVIDIA (=Neid), BELLEUM (=Krieg), INOPIA (=Mangel), HUMILITAS (=Demut), PAX (=Friede). Zwischen den einzelnen Relieffeldcrn stehen antike Götter und Heroen. Diese >heidnische< Welt wird n christlicher Motivik umrahmt: Es gibt Statuen der Apostelfürsten Petrus und Paulus hinter den Säulen, die den Sturz tragen, sowie Engel an den Stützwangen und in der obersten Spitze des Giebels.
Im Norden n Castrop - zwischen Castrop und Rauxel - wird seit den 1960er Jahren der Versuch unternommen, dem weitläu zerfließenden Stadtareal durch ein avantgardistisches Stadtforum einen attraktiven Mittelpunkt zu geben. Das neue Behörden- und Kulturzentrum vereinigt u. a. Rathaus, Volkshochschule, Kongresshalle und Stadthalle (Sitz des renommierten Westfälischen Landestheatcrs). Prägende Elemente der beiden gegenüberliegenden Gebäudetrakte sind große Glasfronten und weit ausschwingendc Dächer. Die durchaus eindruckslle Anlage >auf der grünen Wiese< zog allerdings bislang kaum weitere Mosaiksteine einer Citybildung nach sich, sondern wirkt n der verkehrsreichen Habinghorstcr Straße aus gesehen etwas verloren. (Architekten: Arne Jacobsen und Otto Weitling/Kopcnhagen, seit 1971 Dissing+Weitling)

Rauxel, Habinghorst, Ickern, Henrichenburg
Die nördlichen Stadtteile n Castrop-Rauxel werden durch weitläue Bergarbeitersiedlungcn geprägt. Hier liegt südlich der Köln-Mindener Eisenbahnlinie (Viktorstraße und Nebenstraßen) auch die Masuren-Kolonie, die 1908 den Anknüpfungspunkt zu einer der zahlreichen Bergleutc-Werbe-Aktionen im südlichen Ostpreußen gab. Der nachmals viclzitiertc >Masurcn-Aufruf< warb mit der Vision einer geradezu paradiesischen Lebenswelt für die Reise ins Kohlenrevier: »In rein ländlicher Gegend, umgeben n Feldern, Wiesen und Wäldern, den Vorbedingungen guter Luft, liegt, ganz wie ein masurisches Dorf, abseits m großen Betriebe des westfälischen Industriegebietes, eine reizende, ganz neu erbaute Kolonie der Zeche Viktor bei Rauxel. Diese Kolonie besteht rläu aus über vierzig Häusern. In jedem Haus sind nur vier Wohnungen..Zu jeder Wohnung gehört ein geräumiger Stall, wo sich jeder sein Schwein, seine Ziege oder seine Hühner halten kann Die ganze Kolonie ist n schönen, breiten Straßen duchzogen, Wasserleitungen und Kanalisation sind rhanden. Abends werden die Straßen elektrisch erleuchtet. In der Kolonie wird sich in nächster Zeit auch ein Konsum befinden, wo allerlei Kaufmannswaaren wie Salz, Kaffee, Heringe usw. zu einem sehr billigen Preis n der Zeche geliefert werden «
Erst im äußersten Norden n Castrop-Rauxel, im Stadtteil Henrichenburg, gibt es wieder Reste eines rinduslriellen Dorfkerns: mehrere Fachwerkhäuser und eine kleine mittelalterliche Saalkirche, die inzwischen als Jugendheim dient. Der spätgotische Taufstein befindet sich heute in der großen neugotischen St. Lambertus-Kirche, deren Turm im Bombenkrieg seinen Spitzhclm verlor und seitdem unbeabsichtigt an englische Kirchtürme erinnert (Architekt: Wilhelm Sunder-Plaßmann, 1902-l3: Hebewerkstraße). Die katholische St. Josefs-Kirche in Castrop-Rauxel-Habinghorst wurde noch in neuromanischen Bauformen errichtet. (Carl Moritz, 1912/13; Lessingstraße). Erst die katholische St. Antonius-Kirche am Marktplatz n Castrop-Rauxel-ic&era brachte 1922-25 den Durchbruch zur frühen Moderne. Bei diesem Gotteshaus aus Klinkern und Stahlbeton handelt sich um den bislang einzigen bekannten Sakralbau des Essener Architekten Alfred Fischer, der ansonsten für qualitätlle Industriearchitektur einen Namen hatte. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass der wuchtige Glockenturm n St. Antonius an die kubischen Fördertürme des 20. Jh. erinnert. Beim basilikalen Langhaus überspannen schlichte Strebebögen elegant die Stufung zwischen den niedrigen Seitenschiffen und den Hochwänden des Hauptschiffs. Der eindruckslle Innenraum wird durch ein steiles Tonnengewölbe in Parabelform geprägt.
Westlich m Stadtteil Rauxel liegt das Wasserschloss Bladenhorst am Westring zwischen Köln-Mindcner Eisenbahn und Rhein-Herne-Kanal. Die heutige Anlage entstand im Laufe des 16. Jh., als das Schloss im Besitz der Familie n Viermundt war. Altester Teil ist ein Torhaus mit fünfstuem Treppengiebel. Ein freistehender Wchrturm wurde im 19. Jh. umgebaut. Das Hauptgebäude verlor damals seinen Nordflügel und präsentiert sich heute als Drciflügelanlage in Hufeisenform. Zwei der drei erhaltenen F.cktürme tragen welsche Hauben. Einmalig für Westfalen ist ein grüner Kachelfries in gotischen Vierpassformen, der an Torhaus und Herrenhaus als Mauerzierrat angebracht wurde. Auch die Bärmauern, die wie kleine Brücken die Bin-nengräfte überspannen, kommen in Westfalen sonst nirgendwo r.







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