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Bergbau am Niederrhein

Bergbau am Niederrhein

Im Norden, Nordwesten und Nordosten wird heute weit jenseits der Grenzen des >klassischen< Ruhrreviers Steinkohle abgebaut. Am Niederrhein und in südlichen Münsterland liegen die Flöze sehr tief und die Zechen relativ weit auseinander. Manche der Bergwerke lassen sich bis ins 19. Jh. zurückvcrfolgcn. Mehrere Zechen sind bereits wieder stillgelegt. An anderer Stelle werden auch heute noch Tiefbauschächte abgeteuft. Moderne Fördergerüste zur Seilfahrt, Bewetterung und Wasserhaltung stehen im Münsterland bereits auf dem Gemeindegebiet n Groß-Reken oder Ascheberg. Als bislang tiefster Schacht des Ruhrbergbaus erreichte Haus Aden 6 bei Werne an der Lippe 1981 eine Teufe n 1 388 m. Der Kohlenabbau unter dem Münsterland stieß in manchen Bevölkerungskreisen allerdings auch auf Unmut. Als z. B. 1988 unter dem Cappenberger Wald mit der Erschließung n ergiebigen Kohlerkommen begonnen wurde, formierte sich Widerstand aus der Bevölkerung heraus. Man fürchtete um die Unversehrtheit der Erholungslandschaft sowie um die Standsicherheit des berühmten Bauensembles n Schloss und Kirche Cappenberg.
Bis jetzt hat der Kohlenbergbau die Randzonen des Ruhrreviers noch nicht in eine Industrielandschaft verwandelt. So konnten z. B. die Stadtkerne n Moers, Dorsten oder Werne eine urbane Geschlossenheit bewahren, wie sie im Ruhrgebiet kaum noch zu finden ist. Reviertypisch ist allerdings das direkte Umfeld der älteren Zechen am Niederrhein und im Münstcrland: Kolonien. Gartenstädte, >wild< gewachsene Versorgungszentren. - Im folgenden beschränkt S'ch der Text im Wesentlichen auf die Bergwerksarchitektur in den Grenzbereichen des Ruhrgebiets. Kirchen, Schlösser und Museen wurden bewusst ausgespart, da sie zum Themenbereich n >klassischen< Kunst-Reiseführern über die niederrheinische Kulturlandschaft bzw. das Münsterland gehören.



Am westlichen Niederrhein umfasst das Verbundbergwerk Friedrich Heinrich/Rheinland mehrere Zechen, die früher eigenständig waren. Als repräsentativste ältere Schachtanlage gilt Rheinpreußen 4 an der Franz-Haniel Straße in Mocrs-Hochstraß. Nach Einstellung der Förderung wurde das Areal in den 1990er Jahren zum Gewerbegebiet umgenutzt. Dabei bezog man die qualitätllen his-toristischen Zechenbauten aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jh. ein. Sic werden n einem monumentalen Doppelbock-Fördergerüst in Gitterträger-Bauweise überragt, dem einzigen Beispiel dieses Bautyps, das aus dem Kohlenbergbau des rheinischen Ruhrreviers bis heute erhalten geblieben ist. Nordwestlich n Moers-Meerbeck markiert der weiß verkleidete Förderturm der Schachtanlage Rheinpreußen 9 die aktuelle Moerser Kohlenförderung. Auf demselben Industrieareal liegen auch die Chemischen Werke Niederrhein des Texaco-Konzerns. Die Pattberg-Schächte im Norden n Moers-Rcpelen wurden 1993 stillgelegt. Das Fördermaschinenhaus n Schacht 1 (mit einer Elektro-Fördermaschine n 1912) wird unter der Obhut der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur erhalten bleiben. Die Pattberg-Halde ist als Aussichtspunkt in die Route der Industriekultur integriert worden.

Südlich n Kamp-Lintfort fördert noch das Bergwerk Niederberg zwischen Neukirchen und Vluyn auf dem Gebiet der gleichnamigen Doppelstadt. Die Tagcsanlagen liegen auf beiden Seiten der Niederrheinallee, die n einer Kohlentransportbrücke überspannt wird. Sie werden im Süden n zwei Fördergerüsten in Gitterträger- bzw. Massivbauweise überragt, im Norden n einem massigen modernen Förderturm. Die hier geförderte Kohle eignet sich besonders für den I lausbrand und wird in der angeschlossenen Brikettfabrik, der einzigen im Ruhrgebiet, zu raucharmen Briketts verarbeitet. Südlich der Zeche beeindruckt die Neue Kolonie durch eine klare Gestaltung und zurückhaltenden Fassadenschmuck in expressionistischem Stil. Besonders gelungen wirkt die gestaffelte Anordnung n sechs Häusern mit geschweiften Schaugiebeln am Ringang der Etzoldstraße.
Schließlich ist für den linken Niederrhein noch das Salzbergwerk Borth auf dem Stadtgebiet n Rheinberg zu erwähnen. Die beiden Schächte haben eine Teufe n 850 m und durchstoßen auch drei abbauwürdige Kohlenflöze; die Kohlenförderung ist allerdings bereits 1926 eingestellt worden. Die Tagesanlagen ähneln durchaus den Tagesbauten n Kohlenzechen. Über Schacht 1 steht ein moderner kubischer Förderturm, über Schacht 2 ein Doppelbock-Fördcrgerüst in Gitterträgerbauweise.
In Dinslaken, dem nordwestlichen Ausfalltor des Ruhrgcbicts auf dem rechten Rheinufer begann der Bergbau 1909 mit den Abteu-fungsarbeiten für die beiden Schächte der Zeche Lohberg 1/2. Die Tagesanlagen des Bergwerks werden heute durch ein monumentales Doppelbockfördergcrüst beherrscht, das 1953 nach einem Fntwurf n Fritz Schupp über Schacht 2 errichtet wurde. Die Streben laufen hier geradlinig bis zur abschließenden Kranbahn, sodass in etwa ein großes >A< zustande kommt. Im Vergleich zum berühmten >Zollver-ein-Doppelbock< gilt dieses Fürdergerüst als ästhetisch misslungen und blieb im Ruhrbergbau auch Unikat.
Für das südliche Münstcrland ist zunächst Hervest-Dorsten zu nennen, wo auf Zeche Fürst Leopold 1/2 gegenwärtig (1999) noch Steinkohle gefördert wird. In der benachbarten Gartenstadt gibt es einen wohlproportionierten Marktplatz mit Ladengeschäften hinter Laubengängen und einem Torhaus als zentralem Orientierungspunkt. Im nordöstlich gelegenen Dorstener Vorort Wulfen wurde 1967 mit dem Bau einer modernen Wohnstadt für die gleichnamige Zeche begonnen, deren Förderung dann allerdings nicht in der geten Weise expandierte und 1981 ganz eingestellt wurde. Auf dem Stadtgebiet n Haltern gibt es lediglich Wetter- und Einfahrtschächle. Die unter der Stadt abgebaute Kohle wird in unterirdischen Stollen mehrere Kilometer weit bis zum Zentralförderschacht Shamrock 11 in Herne-Wanne transportiert und dort erst zu Tage gefördert. Auf diese Weise wird die Halterner Erholungslandschaft - Wälder und Wiesen - nicht beeinträchtigt.

Selbst im münsterländischen Seim - auf dem Stadtgebiet liegt hier das berühmte Schloss Cappenberg - hat es zu Beginn des 20. Jh. fast zwanzig Jahre lang Steinkohlenfördcrung gegeben. Auf der Selmer Zeche Hermann, die 1909 in Betrieb ging, waren die Arbeitsbedingungen allerdings - in ca. 1000 m Teufe bei feuchter Hitze - extrem kräftezehrend. Die Belegschaft fluktuierte stark. Hohe Betriebskosten und Absatzschwierigkeiten führten bereits 1926 zur Stilliegung des Bergwerks, was für die Ortschaft eine Massenarbeitslosigkeit n 90% der arbeitsfähigen Bevölkerung nach sich zog. Die Tagcsanlagen wurden bereits 1928 weitgehend abgetragen. Dagegen blieb die Wcrkssicdlung im Süden des Selmer Ortskerns bis heute erhalten.
Weiter östlich, in Werne an der Lippe, förderte die Zeche Werne zwischen 1902 und 1975. Auch hier gibt es noch Bergmannshäuser {Lippestraße). Als Wahrzeichen der lokalen Bergbau-Ara steht das Verwaltungsgebäude des Bergwerks an der Kamener Straße inzwischen unter Denkmalschutz. Nordöstlicher Außenposten der Kohlenförderung des Ruhrreviers ist gegenwärtig noch die Zeche Westfalen in Ahlen, die im Jahr 2000 stillgelegt werden soll. Erwähnenswert sind hier die Deutschen Strebengerüstc über den Schächten 1 und 2. Zwei Doppelbock-Gerüste n 1912/13 über den Schächten 3 und 4 sind bereits niedergelegt worden. In Ahlen wurden 1910-24 insgesamt 1090 Bergarbeiterwohnungen und 118 Beamtenwohnungen errichtet, zumeist in ansprechend gestalteten Gartenstädten.







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