Der barocke Bau in der K reuzberger Lin-dcnslraße entstand 1734-35 nach Plänen Philipp Gcrlachs als erstes Behördengebäude Berlins. Friedrich Wilhelm I. hatte es als »Kollcgienhaus« für die bis dahin im Schloß untergebrachten Gerichls-und Verwaltungsbehörden errichten lassen. Im Giebelfeld über dem Portal befindet sich das preußische Staatswappen.
Rechts und links vom Giebel sind die allegorischen Figuren der Justitia und der Veritas angeordnet. Erstmals urkundlich erwähnt wird das Kammergericht im Jahre 1468. Von Kurfürst Joachim I. wurde es 1516 als Oberster Gerichtshof für die Mark neu eingerichtet. In dem Gebäude in der Lindcnslraße hatte das Kammergericht von 1735 bis 1913 seinen Sitz. Zunächst nur für Zivilstrcitigkcilen zuständig, seil 1748 auch mit Strafsachen befaßt, wurde es als Ober-Appellationstribunal auch Beschwerdeinstanz. Entsprechend der Slaatsdoktrin des Absolutismus waren Eingriffe der Monarchen in die Rechtsprechung bis in die Anfänge der Regicrungszeit Friedrichs II. nicht ungewöhnlich. Die Justizrelbrm des Kammergerichtspräsidenten Samuel Freiherr von Cocccji führte zu einem neuen Selbst- und Standesbewußtsein der Richter. Die Folge waren Konflikte mit den Monarchen.
Die allmähliche Herausbildung einer unabhängigeren Justiz schlug sich in der Legende vom Müller von Sanssouci nieder, der dem mit Enteignung seiner Mühle drohenden König entgegenhielt: »Ja, Euer Majestät, wenn das Kammergericht in Berlin nicht wäre!« Der tatsächliche Vorgang war freilich anders. Der Müller Arnold, der fällige Zinszahlungen verweigerte, wurde verurteilt, seine Mühle 1779 versteigert. Durch eine Bittschrift konnte er jedoch den König für seine Sache gewinnen. Dieser ordnete bei der Wiederaufnahme des Prozesses an, »kurz abzumachen«. Das Gericht bestätigte aber das erstinstanzliche Urteil. Friedrich II. entließ daraufhin unter wüsten Beschimpfungen den Großkanzler von Fürst und befahl, als das Gericht sich weigerte, die Räte zu verurteilen, sie ins Gefängnis zu sperren. Den Zivilprozeß entschied er zugunsten des Müllers. Mehr als früher war das Gericht in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts mit politischen Strafsachen befaßt. Eine Reihe von Urteilen zeugt von dem Bemühen, sich nicht zum willfährigen Werkzeug gemäß den »Karlsbader Beschlüssen« machen zu lassen. Als der Kammergerichtsrat, Dichter, Maler und Musiker E.T.A.
Hoffmann 1819 beauftragt wurde, den Fall des Turnvaters Jahn zu untersuchen, räumte er den Verdacht »geheimer, hochverräterischer Verbindung« aus, wenngleich er eine Einstellung des Verfahrens nicht erwirken konnte. Im Verfahren gegen den Königsberger Arzt Johann Jacoby, der 1843 wegen Hochverrats und Majcstätsbeleidigung angeklagt war, entschied der Ober-Appellationssenat auf nicht schuldig. Jacoby hatte die Nichterfüllung politischer Versprechungen angeprangert. Weniger Gnade vor den Augen der Richter fanden dagegen 60 von 254 Angeklagten, die beschuldigt wurden, 1846 hochverräterisch die Herstellung Polens in den Grenzen von 1772 angestrebt zu haben. Sic wurden zu hohen Freiheitsstrafen und zum Tod verurteilt, jedoch linde März 1848 freigelassen. Mit diesem Prozeß war eine grundlegende Änderung des preußischen Strafrechtsverfahrens verbunden, nämlich die Einführung der Staatsanwaltschaft als Anklagebehördc sowie die Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Verfahrens. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude in der Lindenstraße mehrfach erweitert. Von 1879 bis zu seinem Auszug im Jahr 1913 hatte das Kammergcriehl die Räume allein innc. Anschließend wurde das Gebäude vom Evangelischen Konsistorium der Mark Brandenburg genutzt. Im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt, konnte das ehemalige Kammergerichtsgebäude vor dem Abriß bewahrt und in den sechziger Jahren wieder aufgebaut werden.
Seit dem 21. Juni 1969 beherbergt es das Berlin Museum. Diese Neugründung war nach der Teilung der Stadt notwendig geworden. Vom Märkischen Museum, dem die Dokumentation der Stadtgeschichte bis dahin oblag, war man durch Mauer und Ideologie getrennt. Die Vereinigung hat dazu geführt, daß die beiden kommunalen Museen zusammenwachsen können. Das im Bezirk Mitte gelegene Märkische Museum wird sich auf die Ur- und Frühgeschichte sowie die Zeit bis 1800 konzentrieren, das Kreuzberger Berlin Museum auf das 19. und 20. Jahrhundert: hier also die Geschichte der Residenzstadt - dort die Geschichte der Weltstadt. Beide Museen besitzen umfangreiche Bestände; beide Museen sind längst an die Grenzen ihrer räumlichen Kapazitäten gestoßen. Im Jahr des Stadtjubiläums, 1987, hat das Märkische Museum mehrere Dependan-cen eröffnet, u.a. in der Nikolaikirche, im Ephraimpalais, im Turm des Französischen Doms; und auch das Berlin Museum hat einen von Daniel Libeskind entworfenen Erweiterungsbau für seine jüdische Abteilung genehmigt bekommen.