Ökonomie
Bahn und Lkw,
ein ökonomischer Vergleich
3.1 Gesellschaftliche Kosten des Straßenverkehrs?
Gleich zu Beginn dieses Kapitels stellten sich mir diverse Schwierigkeiten in
den Weg, da über die Ökonomie des LKWs kaum Material existiert, erst recht
nicht im direkten Vergleich zu anderen Verkehrsträgern.
Später fand ich dank einiger Fachbücher heraus, daß bis heute tatsächlich keine
volkswirtschaftliche gesamtgesellschaftliche Kostenrechnung des Straßenverkehrs
voliegt. Bereits 1970 stellte der Buchautor Hans Dollinger die Frage nach den
'volkswirtschaftlichen Kosten des Verkehrschaos und seiner
umweltschädigenden Begleiterscheinungen.' Die Antwort auf diese Frage gab
Hans Apel, verkehrspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag allzu deutlich:
'Eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse des gesamten
Straßenverkehrs fehlt bislang. Ich möchte aber auch bezweifeln, daß diese für
die Verkehrspolitik von großem Nutzen sein könnte.'[12] Doch auch eineinhalb
Jahrzehnte später hat sich die Situation keinesfalls verändert; die
CDU-geführte Bundesregierung beantwortet eine parlamentarische Anfrage der
Grünen nach den gesellschaftlichen Kosten des Autoverkehrs folgendermaßen:
'Der Bundesregierung liegen keine ausreichenden Informationen über
ökologische Schäden des Kraftfahrzeugverkehrs vor.'[13]
Da die heutige Sachlage diesbezüglich nur als geringfügig verändert einzustufen
ist, war und ist der Durchbruch des Kraftfahrzeugverkehrs nicht aufzuhalten.
Zwar läßt die Deutsche Bahn AG bereits seit mehreren Jahren mit dem jährlich
erscheinenden 'Bahn Report' relevante Daten und Fakten
veröffentlichen, doch über den Verkehrsträger LKW sind nur sehr wenig
Informationen zu erhalten, was wohl daran liegt, daß diejenigen, die Zugang zu
wirklich relevantem Material besitzen, kaum an dessen Veröffentlichung
interessiert sein dürften, denn anders lassen sich diese Gegebenheiten wohl
kaum erklären. Desweiteren möchte ich in diesem Kapitel nun aber ausschließlich
die ökonomische Situation, die beiden Verkehrsträgern auferlegt ist, besprechen
und die Ökologie in einem separaten Kapitel darstellen, um im Anschluß eine
Analyse aus beiden Teilen ziehen zu können.
3.2 Welcher Verkehrsträger ist ökonomischer?
Welcher Verkehrsträger ist nun ökonomischer, Bahn oder LKW?
Klar läßt sich diese Frage nicht beantworten, da die Frage nach der Ökonomie
jeweils von den entsprechenden Gegebenheiten für den Verkehrsträger abhängt.
Diese Gegebenheiten (Höhe der finanziellen Unterstützung, Geschwindigkeitsvorschriften,
Netzausbau u. ä.) werden entsprechend vom Staat festgelegt, gemäß den Wünschen
der Wähler, hauptsächlich jedoch nach den Forderungen der Industrie.
3.3 Unsere heutige Marktordnung
Einfacher läßt sich die Frage nach der Ökonomie beider Verkehrsträger anhand
der heutigen Marktordnung bestimmen, denn diese begünstigt klar den
Straßenverkehr.
Nun möchte ich, bevor die heutige Sachlage besprochen wird, zuvor versuchen zu
ergründen, wie diese heutige Wettbewerbsordnung zustande gekommen ist, um darzustellen,
daß die heutige Situation (1997/98) sich nicht zwingend ergeben mußte. Später
werde ich mich dann mit den heutigen Fakten über Vor- und Nachteile beider
Verkehrsträger befassen.
3.4 Erhielt die Straße nicht genug Beachtung?
Bis heute hält sich fast überall die Ansicht, die Bahn sei ein
kostenverschlingendes schwarzes Loch, welches ununterbrochen subventioniert
werden müsse, wogegen dem Straßenverkehr eine gerade ausreichende Beachtung
geschenkt werde.
Dieses Image wurde der Bahn bereits sehr früh aufgedrängt, so wurden
beispielsweise 1984, unter anderem im 'Handelsblatt', folgende Thesen
eines Professors Hamm zitiert, der im Auftrag des wissenschaftlichen Beirats
des Frankfurter Instituts für wissenschaftspolitische Forschung die Verkehrspolitik
Deutschlands analysierte. Darin wird der Staat aufgefordert, seinen
'massiven Flankenschutz' für die Bahn 'aufzugeben'.
Tatsache sei, das die Bahn 'unter der Schutzglocke einer kontrollierten
Wettbewerbsordnung keine zuverlässigen Marktinformationen (mehr) darüber
erhalte, wo der Schienenverkehr dem Konkurrenten überlegen oder gewachsen'
sei und wo nicht. [14]
Auch die Industrie selbst versuchte mit massivem Druck, sich gegen die Bahn zu
wenden, indem man die Menschen direkt ansprechen wollte, wofür die Werbeanzeige
auf der folgenden Seite der BMW/Alpina ein sehr gutes Beispiel darstellt.
Erschienen war sie in allen großen Tageszeitungen und Zeitschriften im
September 1985.
'Verkehrspolitik im Jahr 1985 in der Bundesrepublik Deutschland ist eine
schwierige Angelegenheit. Die Bahngewerkschaft visiert für neue Züge Tempo 350
an, der Autofahrer soll sich mit 100 begnügen - maximal. Die Grünen halten das
Auto für überflüssig und sozialschädlich. Die Roten machen es madig ().
Gewissermaßen Aufschwung durch Tempo 100 () Autofahrer () müssen mit
dirigistischen Maßnahmen und psychologischen Mitteln - wie Tempolimit 80/100
und Verbot von Rallyes - als Volksschädlinge diskriminiert werden. Lafontaine
und Leinen bitten, mit nicht zu überbietender Dreistigkeit, den Bund um
Hunderte von Millionen an Subventionen für Arbed Saarstahl und versäumen
gleichzeitig keine Gelegenheit, dem größten Kunden eben dieser Stahlindustrie,
() ans Schienbein zu treten. ()
Die Nachfrage nach ökologischen Plumpsklosett - Auffangbehältern dürfte Arbed
kaum auslasten ().'[15]
3.5 Sind beide Verkehrssysteme gleichberechtigt?
Die Realität dieser Wettbewerbsordnung bis zu ihrem heutigen Stand sieht jedoch
anders aus. In Wirklichkeit liegt dem Verkehrssektor eine Marktordnung
zugrunde, die einseitig den Straßenverkehr begünstigt und den Transport von
Menschen und Gütern auf der Schiene benachteiligt. Dies möchte ich nun
versuchen auf einigen unterschiedlichen Ebenen nachzuweisen.
3.6 Die Investitionen unterscheiden sich deutlich
Zum ersten besteht die das letzte halbe Jahrhundert andauernde Auseinander-
entwicklung zwischen Straße und Schiene. In der nachfolgenden Tabelle läßt sich
die Differenz der Höhe der getätigten Investitionen klar erkennen.
Tabelle 3
Brutto-Anlageinvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur 1950 - 1980 [16]
-------- ----- ------ -------- ----- ------ -------- ----- ------ ----- ----- ----
Zeitraum Eisenbahnen/ Straßen und Eisenbahnen
S-Bahnen Brücken in Prozent der
------------- in Mio. DM ------------ Straße
-------- ----- ------ -------- ----- ------ -------- ----- ------ ----- ----- ----
1950 330 500 66
1954 450 920 49
1958 6400 26700 24
1965-69* 5280 40240 13
1970-74* 9020 62910 14
1975-80* 14525 89930 16
-------- ----- ------ -------- ----- ------ -------- ----- ------ ----- ----- ----
*=Im Jahresdurchschnitt
Nachdem diese Tabelle nun eindeutig die Differenzen bei der Bruttoinvestition
darstellt, schließt sich eine entsprechende Tabelle an, welche das Netto-
anlagevermögen darstellen soll. (D. h. das gesamte bereinigte Anlagevermögen,
Abschreibungen und wertmäßigem Verschleiß). In dieser Tabelle wird bewußt der
Zeitraum von 1960 - 1984 analysiert, da in diesem Zeitraum die Massenmotorisierung
Deutschlands stattfand.
Tabelle 4
Nettoanlagevermögen der Verkehrsträger 1960 - 1984 [17]
-------- ----- ------ -------- ----- ------ -------- ----- ------ ----- ----- ----
Verkehrsträger Nettoanlagevermögen in Millarden DM 1984
und in Preisen von 1980 geg. 1960
1960 1970 1980 1982 1984 in vH
-------- ----- ------ -------- ----- ------ -------- ----- ------ ----- ----- ----
Bundesbahn 72,6 103,6 122,6 122,9 122,7 +69
Fluggesellschaften und
Flughäfen 2,3 8,2 12,2 12,1 11,9 +417
Binnenschiffahrt, Binnen-
häfen, Wasserstraßen bis
zur Seegrenze 26,1 31,8 36,5 36,4 36,6 +40
Straßen und Brücken 95,4 223,9 347,8 359,5 366,4 +284
-------- ----- ------ -------- ----- ------ -------- ----- ------ ----- ----- ----
Nach diesen Angaben konnte das Nettoanlagevermögen der Bahn lediglich um 69%
gesteigert werden. Einzig die Binnenschiffahrt weist ein geringeres Wachstum
auf, doch wenn man dort den privat betriebenen Bereich ausklammert, liegt die
Wachstumssteigerung dort mit 65% nahezu so hoch wie die der Bahn, wogegen Luft
und Straßenverkehr drastisch höhere Zahlen aufweisen. Einen Vergleich kann
diese Tabelle jedoch ausschließlich versuchen anzudeuten, denn wogegen bei der
Bahn alle dazugehörigen Gerätschaften (Schienen, Loks, Wagenpark etc.) erfasst
wurden, wird beim Straßenverkehr lediglich die Zahl des staatlich
kontrollierten Verkehrsweges berechnet. Dabei kommt dazu, daß in dieser Zeit
der Massenmobilisierung die Anzahl der Personenkraft- und Kombinationsfahrzeuge
von 4,5 auf 24 Millionen Einheiten gesteigert wurde. Die Anzahl der LKWs
vervierfachte sich (beides mit ansteigender Tendenz).
Durch diese einseitige Entwicklung der Investitionen in den jeweiligen
Verkehrssektoren wird also ausschließlich der Sektor des Straßenverkehrs
begünstigt. Wer in den 70er und 80er Jahren davon sprach, der Straßenverkehr
trage sich durch Mineralöl- und KFZ Steuer selbst, 'konnte' sich
diese Realität (vermutlich mit eigennützigen Interessen seitens der
Autoindustrie) nicht eingestehen. Die nachfolgende Tabelle kann diese Rechnung
deutlich wiederlegen. Doch genau mit diesem Maßstab, der kostenverschlingenden
Bahn und des sich selbst finanzierenden Straßenverkehrs, wird die Bahn heute
noch gemessen. Die Folgen dieser historischen Gegebenheiten werde ich später
hierzu erläutern.
3.7 Die zwangsweise verschuldete Bahn
Da der Staat nicht bereit war, die Kosten für Ausbau und Modernisierung des
Schienennetzes wie beim Straßenbau aus Steuermitteln zu begleichen, mußte dies
zwangsweise auf andere Art finanziert werden. Somit begann das Zeitalter der
verschuldeten Bahn. 1970 wiesen diese Schulden bereits eine Höhe von
17 Milliarden Mark auf und dies ist immer noch weniger als der aufgelaufene
Fehlbetrag im Straßenbau zur selben Zeit, welcher jedoch nicht zu verzinsen war
/ ist.
Vor allem diese Schuldenlast hat die Bahn in ein ständig wachsendes Defizit
gebracht, da jährlich allein für die Verzinsung enorme Zahlungen fällig werden.
Tabelle 5
Saldo der staatlichen Einnahmen und Ausgaben im Straßenverkehr 1965 - 1983 [18]
-------- ----- ------ -------- ----- ------ -------- ----- ------ ----- ----- ----
Jahr Ausgaben Einnahmen Steuer- Summe d. Saldo
f. d. Stra- durch Kfz-, ausfall Ein- Ausgaben
ßenwesen u. Mineralöl- dr. km- nahmen zu Ein-
d. Verkehrs- steuer u. Pauschale* nahmen
polizei -zoll
-------- ----- ------ -------- ----- ------ -------- ----- ------ ----- ----- ----
----- ----- ----------------- in Mrd. DM----- ----- ----------------
1965 10913 8767 1,0 7767 -3146
66 11421 9646 1,0 8646 -2775
67 11958 10801 1,1 9701 -2257
68 12441 11438 1,2 10238 -2203
69 14436 12399 1,3 11099 -3337
1970 16452 13621 1,5 12121 -4331
71 18084 14885 1,5 13385 -4699
72 18653 17192 1,5 15692 -2961
73 19509 18858 1,6 17258 -2251
74 21152 19304 1,7 17604 -3548
1975** 20276 20617 1,8 18817 -1459
76 19886 21748 1,8 19948 +0,062
77 20783 23124 1,8 21324 +0,541
78 23356 24464 1,8 22664 -0,695
79 25690 26482 1,9 24582 -1108
1980 26768 25675 1,9 23775 -2993
81 25949 26849 1,9 24949 -1000
82 23774 27945 2,0 25945 +2171
83 22968 28645 2,0 26645 +3677
84 22900 29655 2,2 27455 +4555
Gesamt =387804 =392115 =32,5 =359615 = -28189
-------- ----- ------ -------- ----- ------ -------- ----- ------ ----- ----- ----
*Zum Teil geschätzt
**Durch neue statistische Berechnungsgrundlagen sind die Zahlen vor 1975 mit
denen der folgenden Jahre nur bedingt vergleichbar.
Dieselben Verteidiger der Marktwirtschaft, die der Bahn 'mangelnde
Orientierung am Markt' vorwerfen und von einer 'kontrollierten
Wettbewerbsordnung' zugunsten der Bahn sprechen, 'vergessen'
diese massive Veränderung der Marktordnung zuungunsten der Bahn, die seit der
Gründung der Bundesrepublik Deutschland stattfand. Bis heute hat sich diese
Situation für die Bahn zwar verändert, da ihr als Aktiengesellschaft die
Hauptlasten abgenommen wurden, aber dennoch schreibt die Bahn vielfach rote
Zahlen.
Die einzige Chance, den schwarzen Zahlen näherzurücken ist die der Stillegung
unattraktiver Strecken, so traurig dies klingen mag. Zu den genaueren
Gegebenheiten möchte ich mich jedoch im Bereich der aktuellen Ergebnisse dieser
historischen Wirtschaft äußern.
3.8 Die unterschiedliche Kostenentwicklung
Die zweite Ebene, auf welcher ich die verzerrte Marktordnung zu Ungunsten der
Bahn darstellen möchte, sind die strukturellen Nachteile des Schienenverkehrs.
Dazu ist zunächst wichtig zu wissen, daß die Bahn als einziger Verkehrsträger
für den Verkehrsweg selbst verantwortlich ist, wogegen Straßen, Schiffahrtswege
und Flughäfen von der öffentlichen Hand bereitgehalten werden. Jede Mark, die
die Bahn für Reparaturen und Instandhaltung des Gleisnetzes, für
Modernisierungen des Verkehrsweges und den Neubau von Strecken ausgibt, ist
eine direkte Ausgabe und wirkt sich somit negativ auf die jährliche Bilanz der
Bahn aus.
Bei allen anderen Verkehrsträgern ist dies anders. Alle Gelder die dort für
gleiche Zwecke investiert werden erscheinen in der Regel nur als Staatskosten,
oder besser gesagt als ausgegebene Steuergelder. Diese Beträge haben jedoch mit
den jährlichen Bilanzen und Abrechnungen der Verkehrstreibenden direkt nichts
zu tun.
Bei der Höhe der Ausgaben der Bahn handelt es sich Jahr für Jahr um die
gleichen, bzw. steigende Werte, die unabhängig davon sind ob zur Folge
konjunktureller Einbrüche oder weiterer Marktverdrängung der Transport auf der
Schiene rückgängig ist. Dies liegt daran, daß es sich bei den Ausgaben der Bahn
generell um fixe Kosten handelt, was die entsprechende Folge der zuvor
beschriebenen Situation ist.
Ein Fuhrunternehmer steht dagegen vor einer völlig anderen Situation, denn er
hat variable Kosten. Dieser hat den Vorteil, daß sich seine Kosten nahezu
automatisch bei geringeren Verkehrsleistungen senken, da für ihn entsprechend
weniger Steuern zu begleichen sind. Er hat sogar die Möglichkeit einen LKW
abzumelden und zu verkaufen, wodurch sich seine Kosten erneut drastisch senken
lassen.
Diese strukturellen Nachteile der Bahn werden von vielen Menschen einfach als
gegebene Fakten angesehen, welche gegen die Bahn sprechen. Dies ist jedoch
keinesfalls korrekt, denn genau diese strukturellen Nachteile der Bahn sind
vielmehr das Produkt einer Politik, welche niemals ernsthaft versuchte die
durch den Straßenverkehr entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten diesem auch
aufzuerlegen. Ein weiteres plastisches Beispiel wird durch den 'Spikes -
Test' geliefert. Zu Beginn der 60er Jahre wurde von den Reifenherstellern
mit großem Werbeaufwand der Spikes - Reifen für Kraftfahrzeuge in einem
Großversuch eingeführt.
Tatsächlich hätten jedoch einige Laborversuche ausreichen können um
klarzustellen, daß die Spikes - Reifen zwar an wenigen Tagen im Jahr bei stark
vereister Fahrbahn mehr Sicherheit gewärleisten, in der gesamten übrigen Zeit
jedoch massive Schäden am Fahrbahnmaterial verursachen. In der Realität wurde
jener Großversuch jedoch - weshalb auch immer - über gut 13 Jahre durchgeführt
und erst 1975 wurde der Spikes - Reifen generell verboten. Die Höhe der Kosten,
die dabei durch massive Zerstörungen an den Fahrbahnen entstand, beläuft sich
auf über zwei Milliarden Mark. Diese Kosten tauchen dabei weder bei den
Reifenherstellern noch direkt bei den Verursachern der entsprechenden Schäden
wieder auf, sondern sie mußten stillschweigend von der Allgemeinheit der
Steuerzahler getragen werden. Die Vorstellung, die Bahn würde einen solchen
Großversuch stattfinden lassen ist abenteuerlich. Dabei steht jedoch klar fest,
daß der entspechende Milliardenschaden direkt auf der Bahn hängenbliebe um ihre
Bilanz zu verschlechtern. Die Öffentlichkeit würde es als ebenso
selbstverständlich betrachten das der von der Bahn verursachte Schaden auch von
ihr beglichen werden muß, wie im Straßenverkehr weder die Verursacher dieser
Fehlentwicklung noch das entsprechende Verkehrsmittel zur Verantwortung gezogen
werden, sondern der Schaden still und heimlich auf die Allgemeinheit abgewälzt
wird.
Zusätzlich zu diesen Dingen handelt es sich bei der Bahn nicht um ein normales
Unternehmen; sie ist von ihrer Struktur als auch von Gesetzes wegen gezwungen
nicht nur marktwirtschaftliche, sondern auch soziale und volkswirtschaftliche
Kriterien zu erfüllen. Dies wird durch das bestehende 'allgemeine
Eisenbahngesetz' festgelegt. Gänzlich anders ist die Sachlage auch hier
für einen Fuhrunternehmer. Ein freier Unternehmer kann zum Betrieb seines
Unternehmens nicht gezwungen werden - er betreibt es nur und nur in dem Umfang,
wenn und wo dies rentabel erscheint. Auch zur Beförderung bestimmter Güter und
Personen kann er nicht gezwungen werden. Er entscheidet von Fall zu Fall -
erneut meist nach dem Kriterium der Rentabilität. Schließlich ist der
Unternehmer auch nicht an feste Preise / Tarife gebunden, es ist ihm also auch
hier möglich, einen Profit mit einzukalkulieren.
Diese Tarifpflicht müßte für die Bahn aufgehoben werden, so daß
unterschiedliche Tarife der jeweiligen Marktlage gerecht werden können. Hohe
Preise bei hohem Verkehrsaufkommen, niedrige Preise bei niedrigem
Verkehrsaufkommen.
Hierbei würde sich jedoch die Frage stellen, ob mit einer solchen Tarifordnung
nicht die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben, die der Bahn auferlegt sind,
verletzt werden. Weshalb muß der sozial schwache Pendler, welcher zu Stoßzeiten
zur Arbeit hin und zurück fahren muß auch noch den höchsten Tarif bezahlen,
wogegen der
Erste - Klasse - Geschäftsreisende durch die Großzügigkeit seines Terminplans
den günstigsten Tarif in Anspruch nehmen kann?
3.9 Die Benachteiligten durch diese Situation
An solchen Problemen der Bahn lassen sich wunderbar die Schwierigkeiten
erkennen, mit denen diese zu kämpfen hat, obwohl es sich im Grunde um Probleme
unserer Gesellschaft handelt, mit denen die Bahn direkt nichts zu tun hat, die
sie jedoch als einziger Verkehrsträger verantworten muß.
Die Bahn wickelt 84% ihrer Leistungen auf Strecken mit elektrischer
Zugbeförderung ab, wo sie auch weitgehend ohne Defizite fährt. Doch diese
Strecken machen nur 39% des Streckennetzes aus und durch die
volkswirtschaftlichen Zwänge, denen die Bahn unterliegt ist sie gezwungen, sehr
viele Strecken zu betreiben auf denen fast keine, oder bestenfalls nur eine
geringe Verkehrsnachfrage besteht. Durch die Natur des Individualverkehrs sind
insbesondere die sozial Schwachen auf den Schienenverkehr angewiesen. Menschen,
die noch nicht Führerschein befähigt sind, die sich einen PKW nicht leisten
können, deren Ehepartner den PKW benutzt und alte Menschen gehören in diesen
Bereich, welcher auf die Bahn verzichtlos angewiesen ist. Bei dieser Klientel
läßt sich jedoch nur wenig verdienen und der Beförderungsbedarf steigt an.
Hierbei handelt es sich zudem um Verkehr, der nur über kurze Distanzen geführt
wird, was für die Bahn ein ausgesprochen ungünstiges Marktsegment bedeutet.
Auch hier wird eine Marktsituation geschaffen, die der Bahn Kosten anhängt, die
andere verursacht haben und von der diese profitieren.
Die Situation im Güterverkehr ist kaum differenziert. Ausgerechnet die Bahn,
welche auf langen Beförderungsdistanzen die besten volkswirtschaftlichen Möglichkeiten
darbietet, weist die kürzeste durchschnittliche Transportweite auf. Über die
letzten zehn Jahre gesehen beträgt die durchschnittliche Transportweite der
Bahn ca. 190km, wogegen die der LKWs bei durchschnittlich 270km liegt. Eine
solche Struktur kann den Forderungen des Gesetzgebers, für eine
'volkswirtschaftlich sinnvolle Aufgabenverteilung' zwischen den
Verkehrsträgern nur schwer Rechnung tragen, obwohl es prinzipiell kein
unlösbares Problem wäre, die jetzige Situation zu ändern.
Hierzu möchte ich mich im abschließenden Gesamtvergleich umfassend äußern.
3.10 Einzelne Maßnahmen gegen die Bahn
Als weiteren Punkt möchte ich die Ungerechtigkeit einzelner Maßnahmen und
Bestimmungen gegenüber der Bahn offenlegen. Als bestes Beispiel dient hierfür
der Umgang mit den Abgaben der Mineralölsteuer. Wogegen Binnenschiffahrt und
Luftfahrt von diesen Abgaben vollständig befreit sind, hat die Bahn diese seit
1983 zu begleichen, wodurch Kosten in einem Rahmen zwischen 300 - 430 Millionen
Mark entstehen. Desweiteren begünstigen Steuererleichterungen diejenigen,
welche sich auf die volkswirtschaftlich aufwendigste Art fortbewegen. Ein Pkw -
Besitzer kann für den täglichen Weg zur Arbeit 36pfg. pro gefahrenem
Doppelkilometer absetzen, bei einem Motorradfahrer sind es 16pfg. Benutzer von
Mofas oder öffentlichen Verkehrsmitteln können dagegen (nur) die nachgewiesenen
Kosten absetzen. Für Menschen die auf das Auto für den Weg zur Arbeit
angewiesen sind ist dies natürlich nur gerecht. Doch wieso sollte Jemand der
das Auto für diesen Zweck nutzt, trotz vorhandener anderer Fahrmöglichkeiten,
noch vom Staat bezuschußt werden, wogegen die Bahn die volle Mineralölsteuer
begleichen Muß?
Interessant ist zusätzlich, das zwar stets die Bundesleistungen für die Bahn
zum Ausgleich spezieller Sozial - und anderer Tarife genannt und meist als
'Subventionen für die Bahn' falsch charakterisiert werden, ähnliche
Vorgänge im Straßenverkehr jedoch übersehen werden. So weist beispielsweise
eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auf, das jährlich
rund zwei Milliarden Mark ungedeckter Kosten durch nicht - oder nur teilweise
abgabevepflichteten Kfz Verkehr
entstehen. Diese werden hauptsächlich durch Landwirtschaft, Militär und Polizei
verursacht, welche von Kfz - und Mineralölsteuer befreit sind; ganz im
Gegensatz zur Bahn.
3.11 Schwierigkeiten im Güterverkehr
Der vierte und letzte Punkt, betrifft direkt den Güterverkehr. Durch den
massiven Ausbau des Straßennetzes (insbesondere des Autobahnnetzes, welches die
Lkw fast uneingeschränkt nutzen können) ergab sich, daß Fernziele (über 500km)
immer besser erreichbar waren und das bei einer höheren Umlaufgeschwindigkeit.
In jedem Fall ist festzustellen, daß der gesetzlich vorgesehene und 1975 vom
Bundesverfassungsgericht bestätigte Schutz der Bahn, gegenüber dem Lkw heute
kaum noch besteht, werden doch heute über 60% des Straßenverkehrs im
Werkverkehr und auf ausländischen Lkw durchgeführt, welches beides Bereiche
sind, die keinerlei Beschränkungen unterliegen. Zudem wird diese Verbesserung
der Infrastruktur für den Lkw - Verkehr und die Zunahme der Lkw - Kapazitäten
in einem Zeitraum vollzogen, in welchem die Bahn keinerlei Investitionen zur
Verbesserung ihrer Transportkapazitäten vornehmen kann. Gleichzeitig wird das
Schienennetz und die Anzahl der Zugverbindungen abgebaut, wodurch die Eisenbahn
immer mehr den Vorteil verliert, ein weitgehend flächendeckendes
Transportsystem anbieten zu können. Ist eine Ware erst einmal auf einem großen
für lange Strecken ausgerüsteten Lkw verladen, so ist eine Verladung auf die
Schiene äußerst fraglich.
Es geht hierbei natürlich nicht darum, daß der Straßenverkehr unbedingt
wachsende Anteile am Gütertransport einnehmen soll, sondern vielmehr darum, daß
eine solche Marktordnung durch den Charakter des Schienenverkehrs unweigerlich
zu Milliarden - Defiziten führen muß. Die Bahn kann nur in beschränktem Maß auf
solche Marktveränderungen reagieren. Sie kann nicht, wie ein Fuhrunternehmer,
für einige Zeit eine Zugmaschine verkaufen oder bei der Steuer abmelden. Vor
allem aber muß sie weiterhin für ihr Schienennetz in vollem Umfang aufkommen.
Die enorme Konkurrenz, die im Lkw - Frachtverkehr herrscht, und die Tatsache,
daß auch der Straßengütertransport seine Wegekosten nicht deckt und somit also
massiv vom Staat subventioniert wird, führen zu einem sehr niedrigen
Kostenniveau. Dieses Tarifniveau ist dabei so niedrig, daß es bei der Bahn die
Kosten nicht mehr decken kann und im Straßenverkehr zwar für die großen
Speditionsfirmen einen ausreichenden Gewinn abwerfen mag, wenn auch vor allem
als Resultat einer besonders brutalen Ausbeutung der hier Beschäftigten. In der
volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung deckt der Straßengüterverkehr seine Kosten
jedoch keinesfalls.
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