Mit seinem 1909 erschienenen Werk "Über den Standort der Industrie" schafft Alfred Weber die erste systematische Darstellung einer Industriestandorttheorie. Darin ermittelt er den optimalen Standort eines industriellen Einzelbetriebes unter betriebswirtschaftlichem Aspekt.
Vereinfachte Annahmen:
Standorte der Rohmaterialien sind bekannt und gegeben
Räumliche Verteilung des Konsums ist bekannt und gegeben
Räumliche Verteilung der Arbeitskräfte ist bekannt und gegeben
Arbeitskräfte immobil aber unbegrenzt verfügbar
Lohnhöhe konstant aber räumlich differenziert
Transportkosten einheitlich und darstellbar als Funktion von Gewicht und Entfernung
wirtschaftliches, kulturelles und politisches System ist homogen
Die industrielle Standortwahl beruht somit nur noch auf drei Standortfaktoren, die Weber aufeinanderfolgend betrachtet:
o Transportkosten
o Arbeitskosten
o Agglomerationswirkungen
hängen ab:
vom Gewicht des transportierten Ausgangsmaterials und Endproduktes
von räumlicher Verteilung Material(-vorkommen) - Konsum
Berechnung eines "tonnenkilometrischen Minimalpunktes"
Lokalisiertes Material
an bestimmte Fundorte gebunden
gehen mit vollem Gewicht in das Endprodukt ein
Gewichtsverlustmaterialien
gehen nicht mit vollem Gewicht in das Endprodukt ein
Totalgewichtsverlustmaterialien
(Energieträger)
Ubiquitäten
an keinen bestimmten Fundort gebunden, überall verfügbar
Materialindex:
mLM Gewicht des lokalisierten Materials
mP Gewicht des Produktes
Fallbeispiele
M
M K
M1;M2 Ubiquität
Materialindex = 0
Produktionsort: Konsumort
M1 Ubiquität
M2 Reingewichtsmaterial
a) Ubiquität geht nicht in das Gewicht des Produktes ein
M2 K
Produktionsort:
zwischen M2 und Konsumort
a)
b) Ubiquität geht in das Gewicht
des Produktes ein
M2 K
Produktionsort: Konsumort
M1 Reingewichtsmaterial
M2 Reingewichtsmaterial
M1
M2 K
Bsp: M1 = 10t
M2 = 10t
P=K (10t · 100km) + (10t · 80km) = 1800tkm
P=M2 (10t · 60km) + (20t · 100km) = 2600tkm
P=M1 (10t · 60km) + (20t · 80km) = 2200tkm
M1 Ubiquität
M2 Gewichtsverlustmaterial
a) Ubiquität geht nicht ins Gewicht des Produktes ein
Produktionsort: Fundort (M2)
Materialindex: >1
b) Ubiquität geht ins Gewicht des Produktes ein
mUbiquität > mVerlust
Materialindex: <1
Produktionsort: Konsumort
mUbiquität < mVerlust
Materialindex: >1
Produktionsort: Fundort
mUbiquität mVerlust
Materialindex: 1
Produktionsort: zwischen M2 und Konsumort
M1;M2 Gewichtsverlustmaterialien
M
M K
P = M1 mM1 mM2 mProdukt
P = M2 mM2 mM1 mProdukt
Je größer der Gewichtsverlust, desto näher liegt der Produktionsstandort am Fundort.
hoher Materialindex: Standortwahl materialorientiert
niedriger Materialindex: Standortwahl konsumorientiert
Arbeitskosten
Die Arbeitskosten können nun, nachdem der Transportkostenminimalpunkt ermittelt wurde, zu einer Verlegung des Industriestandortes führen. Dies geschieht, wenn die Arbeitskostenersparnisse größer als die jetzt gestiegenen Transportkosten sind.
Agglomerationswirkungen
Durch räumliche Konzentration mehrerer Betriebe an einem Standort entstehen Agglomerationsvorteile.
Eine Verlegung des Produktionsstandortes erfolgt nur dann, wenn eintretende Agglomerationsvorteile die Transportkostennachteile überwiegen.
Stellt eine räumliche Ballung für Industriebetriebe Nachteile dar, kann dies jedoch auch zu räumlicher Streuung führen.
Kritikpunkte:
Es wird von Beginn an deutlich, dass diese Standorttheorie für Industrien nicht direkt in die Realität umgesetzt werden kann. Sie ist sehr vereinfachend und idealisiert.
Durch die vielen restriktiven Annahmen werden heutzutage übliche Praktiken ausgeschlossen. So sind z.B. die Transportkosten abhängig von den Frachttarifen, die mit zunehmender Entfernung degressiv abnehmen. Des weiteren wird auch häufig nach Massen- und Stückgütern preislich unterschieden.
Die Arbeitskräfte spielen heutzutage eine wichtigere Rolle bei der Suche nach dem richtigen Standort, da sie eben nicht unbegrenzt und zusätzlich noch mit der nötigen fachlichen Ausbildung überall vorhanden sind.
Außerdem reichen diese drei Standortfaktoren nicht aus um eine sinnvolle Standortwahl zu treffen. Weitere wichtige Faktoren sind z. B. Umweltfaktoren, vorhandene Infrastruktur und die so genannten "weichen" Standortfaktoren (Freizeitmöglichkeiten usw.).
Alfred Weber hat grob den Markt vernachlässigt, Daher ist der gefundene Standort kostenminimiert, nicht jedoch gewinnmaximiert.
Alfred Weber selbst verstand seine Theorie lediglich als Grundlage für die Erstellung von umfassenderen Standorttheorien.
Quelle: Ludwig Schätzl: Wirtschaftsgeographie 1, UTB Schöningh, 2. Aufl. 1981, S. 31ff
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