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Kindesmisshandlung

Kindesmisshandlung

Begriffsklärung


Shengold betrachtet physische und sexuelle Misshandlung als "Seelenmord', das heißt Brechen des Identitätsgefühles des Kindes durch brutale elterliche Machtausübung.


Kindesmisshandlung ist nicht allein die isolierte gewaltsame Beeinträchtigung eines Kindes. Die Misshandlung von Kindern umfasst vielmehr die Gesamtheit der Lebensbedingungen, der Handlungen und Unterlassungen, die dazu führen, dass das Recht der Kinder auf Leben, Erziehung und wirkliche Förderung beschnitten wird  Das Defizit zwischen diesen Rechten und ihrer tatsächlichen Lernsituation macht die Gesamtheit der Kindesmisshandlung aus. ( vgl. Büttner/Nicklas , München 1984)



Kindesmissbrauch


Gewalt an Kindern - wie Vernachlässigung, Schlagen, Töten und sexuelle Misshandlung - ist ein weltweites Problem. Es bessert sich erst, wenn sich die Einstellung gegenüber Kindern insofern ändert, dass Kinder als eigenständige Menschen mit Bedürfnissen und Wünschen angesehen werden und nicht als Besitz oder notwendiges Übel. (Mitterhumer/ Zöchling)


Kinder lernen ihr Verhalten und reagieren auf die Erwartungen von Erwachsenen. Wenn auch das Kind im Verführerisch-sein gelernt hat, mit Hilfe der Sexualität Zuwendung zu bekommen, hat doch einmal ein Erwachsener in ausbeuterischer Manier begonnen, seine sexuellen Bedürfnisse an das Kind heranzutragen, so dass der kindliche Anteil Folge, nicht Ursache des Inzests ist. Eine Chance für Prävention und familienbezogene Therapie wird nur gesehen, wenn das noch immer bestehende Tabu, über Inzest zu sprechen, aufgehoben wird.' (Hirsch M., 1985.)




Derzeitige Situation


Die polizeiliche Anzeigenstatistik in Österreich zeigt, dass jährlich zirka zehn Kinder getötet werden, zirka 1200 Kinder schwere Körperverletzungen erleiden, zirka 200 Kinder schwerst vernachlässigt werden und ungefähr 500 Kinder sexuell missbraucht werden. Die Dunkelziffer der sexuellen Misshandlungen in Österreich kann an Hand dieser Anzeigenstatistik für § 206 und § 207 (Beischlaf und Unzucht mit Unmündigen) geschätzt werden. Dr. Baurmann geht davon aus, dass auf eine Anzeige 20 bis 50 nicht angezeigte Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern kommen. Dieser Dunkelziffer zufolge werden in Österreich jährlich 10.000-25.000 Kinder Opfer von sexuellen Misshandlungen. In Amerika werden die Opfer treffender "survivers' d. h. 'Uberlebende' genannt.

Mythen und Vorurteile zu Kindesmisshandlungen


In unserem Kulturkreis werden in Zusammenhang mit Kindererziehung immer wieder Behauptungen aufgestellt, die einer kritischen Analyse hinsichtlich (versteckter) Gewalt bedürfen:


v     'eine g'sunde Watsch'n schadet nie' Gespräche mit Betroffenen machen aber deutlich, wieviel Demütigung und Kränkung mit dem Erleiden von Gewalt tatsächlich verbunden ist.


v     'Verwöhnung kann später nicht mehr korrigiert werden' Zuwendung und Zärtlichkeit im Kontakt mit Kindern sind jedoch Grundvoraussetzungen für die Entwicklung von Einfühlsamkeit und Beziehungsfähigkeit.


v     'die Kinder beherrschen einen sonst völlig' Die Möglichkeit, mittels Kompromissen einen für Eltern und Kinder annehmbaren Weg zu finden, wird gar nicht ins Auge gefaßt.


v     'die Kinder vergessen das eh schnell' Aufgrund von Interviews und Therapien ist bekannt, daß das Gegenteil der Fall ist. Die Bedeutung, die das Verhalten der Eltern für das gesamte Leben von Menschen hat, wird immer noch unterschätzt.


v     'Gewalt wird vor allem in der Unterschicht angewandt'

Gewalt kommt aber in allen Gesellschaftsschichten vor.


v     '..mein Kind gehört mir'Dem Kind wird auf diese Weise das Recht auf ein eigenständiges Leben abgesprochen. Ein solcher Besitzanspruch erweist sich in allen Beziehungen als destruktiv. Wesentliches Kriterium einer positiven Beziehung ist es, über Nähe und Distanz Einvernehmen herzustellen.



Gewaltlose Erziehung und ein Zusammenleben, das auf Gleichwertigkeit beruht, orientiert sich hingegen an demokratischen Wertvorstellungen wie:



'Jeder Mensch gehört sich selbst.''Alle Menschen haben ein Recht darauf, mit ihren Gefühlen undBedürfnissen ernst genommen zu werden.''Gewalt kann nie legitimes Mittel sein, um sich durchzusetzen.'


Längschnittstudie  Österreich 1990



Leichte körperliche Gewalt

61 % Mütter



67 % Väter




Schwere körperliche Gewalt

29 % Mütter



26 % Väter




Psychische Gewalt ab und zu

64 % Mütter



57 % Väter





Häufiger

25 % Mütter



29 % Väter





Arten der Misshandlung


"Misshandlung im weitesten Sinn ist jede gewalttätige oder unnötig einengende Handlung an Kindern oder deren Vernachlässigung, als deren Folge Angst, seelisches Leid und / oder körperliche Verletzungen auftreten. Die Misshandlung muss keine sofort feststellbaren seelischen oder körperlichen Spuren hinterlassen; die Auswirkungen einer Misshandlung können auch nach einer sehr langen Latenzzeit sichtbar werden."

( Cermak / Pernhaupt 1980 )

Viele (unwissende) Eltern sind aber der Meinung, dass "er das von Zeit zu Zeit braucht' oder dass eine "gesunde Watschn noch keinem geschadet hat'. Das 'Jemandem - Ausgesetzt sein trägt ein misshandeltes Kind jedoch sein Leben lang mit. Oft geht es dann auch solche Beziehungen ein, durch die sie sich dann wieder in diese (gewaltsame) Abhängigkeit begibt .

Als Vernachlässigung (eine Form von der Misshandlung) kann bereits die Vernachlässigung eines elementaren Bedürfnisses angesehen werden (z.B. das nicht rechtzeitige Füttern eines hungrigen Säuglings). Drohen mit der Stimme, Schreien ,Brüllen oder gar "Klapsen' sind im Säuglingsalter ohne Zweifel Misshandlungen. Das gilt etwa bis zum Ende des zweiten Lebensjahres, ein Zeitraum, in dem das Kind absolut hilflos, vollkommen abhängig ist und die Eltern (wie so oft behauptet) garantiert nicht provozieren will. Eine heftige Ohrfeige kann bei einem Kind jeden Alters bereits eine Misshandlung sein. Bei der Beurteilung von Körperstrafen ist nicht nur die Art, sondern auch die Häufigkeit ihrer Anwendung zu berücksichtigen. Die Verwendung eines "Züchtigungswerkzeuges" ist auf jeden Fall als Misshandlung anzusehen, ungeachtet der Tatsache, ob die Züchtigung sichtbare Spuren hinterlässt oder nicht.




Seelische Misshandlung


ist nicht anders zu beurteilen als körperliche Gewaltanwendung, z.B. das Einsperren eines Kindes in seinem Zimmer oder gar im Keller, das rücksichtslose stundenlange Alleinlassen eines Kindes, z.B. im Auto. Eine seelische Verletzung ist auch der einschneidende Liebesentzug, wie langes Böse sein, längere Zeit nicht miteinander reden und nicht beachten.


Die meisten Strafen, die Kinder erhalten, entspringen der Hilflosigkeit und der Unwissenheit des Erziehers, sie sind aber mehr oder weniger Kindesmisshandlungen.


In den ersten zwei Lebensjahren zumindest ist jede Art der Strafe abzulehnen, denn sie ist mit Sicherheit sinnlos und daher als Erziehungsmittel ungeeignet. Das Durchschnittskind passt sich einer autoritären Erziehungsmethode an, die z.B. mit Prügelstrafe einhergeht, einerseits durch Notlügen, andererseits durch die bewusst durchgeführte Tat in Erwartung der Strafe.

Während liebevolle, teilnehmende, unterstützende Erziehung das Kind mit einem Handlungsrepertoire ausstattet, das es freier und wissender handeln lässt, ist die strafende Erziehung eine nachlaufende, verfolgende Methode, die das Kind eher zum Ausweichen zwingt als zum freien Handeln. Die Strafe ist also mit Sicherheit kein Sozialisierungs -, sondern eher ein '"Entfremdungsinstrument' und verschlechtert dadurch auch nicht zuletzt die Beziehung zwischen Strafendem und Bestraftem. Die Chance positiver affektiver Strömungen zwischen den beiden und für gemeinsame Aktionen, die für den Reifungs- und Sozialisierungsprozess des Kindes von größter Bedeutung ist, wird ganz wesentlich verringert.



Formen der Misshandlung


Körperliche Misshandlung


Mit dem Begriff der körperlichen Misshandlung sind Schläge oder andere gewaltsame elterliche Handlungen (Stöße, Schütteln. Stiche, Verbrennungen) gemeint, die beim Kind zu körperlichen Verletzungen führen können.


Ob und in welchem Maße das Kind durch solche gewaltsamen Handlungen zu Schaden kommt, hängt mehr von der Empfindlichkeit des kindlichen Organismus als von der Intensität der elterlichen Gewalthandlung ab.


Körperliche Vernachlässigung


Unter Vernachlässigung von Kindern versteht man den Tatbestand, dass Kinder, die auf Pflege, Ernährung, die gesundheitlichen Maßnahmen, die Aufsicht und den Schutz von ihren Eltern oder anderen Erwachsenen angewiesen sind, diese für ihr Überleben und Wohlergehen erforderlichen Maßnahmen nicht, oder nicht ausreichend erfahren und dadurch beeinträchtigt und geschädigt werden.

Hinweise für körperliche Vernachlässigung können sein : Streunen der Kinder; geringe Konzentrationsfähigkeit; Entwicklungsrückstände bei Kleinkindern ohne feststellbare organische Ursachen;


Psychische Misshandlung


Mit diesem Begriff sind Handlungen gemeint, die das Kind terrorisieren, es in zynischer oder sadistischer Weise herabsetzen, überfordern und ihm das Gefühl der Ablehnung, der eigenen Wertlosigkeit vermitteln.


Psychische Misshandlung kann sich unterschiedlich äußern:


v     Ablehnung des Kindes: dem Kind wird das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit vermittelt, indem es ständig kritisiert, herabgesetzt, überfordert, zum Sündenbock gemacht wird. Es wird emotional abgelehnt. ( Stiefkinder - durch neue Partnerschaften )

v     Terrorisieren des Kindes: das Kind mit Drohungen ängstigen und einschüchtern, um intensive Angst zu erzeugen ( z.B. Scheidung wird als Druckmittel gegen Kinder eingesetzt ).

v     Korrumpieren : es wird versucht das Kind falsch zu sozialisieren und zu antisozialem Verhalten zu bewegen. ( z.B. zwingen zu rauchen, Alkohol zu trinken, Pornos anzuschauen. )


Psychische Vernachlässigung:


v     Isolieren des Kindes: es einsperren, von Außenkontakten abschneiden und ihm das Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit vermitteln.

v     Negieren des Kindes: die Eltern stehen dem Kind psychologisch nicht zur Verfügung. ( Unterstützung fehlt )

v     Wohlstandsverwahrlosung:


Sexueller Missbrauch


Unter sexuellem Missbrauch versteht man die Beteiligung abhängiger, noch unausgereifter Kinder und Jugendlicher an sexuellen Aktivitäten, denen sie deshalb nicht verantwortlich zustimmen können, weil sie sie in ihrer Tragweite nicht voll erfassen können.

Von sexuellem Missbrauch spricht man vor allem deshalb, weil in der Regel ein mit den Kindern bekannter oder verwandter männlicher Erwachsener die Jugendlichen zur eigenen sexuellen Stimulation benutzt und das vorhandene Macht und Kompetenzgefälle zum Schaden des Kindes missbraucht.

Eine Anmerkung zum sexuellen Missbrauch


Es wird angenommen, dass Kinder auch früher missbraucht wurden, dass sich also nichts am Missbrauchsverhalten männlicher Verwandter geändert hat. Männlicher Verwandter sei hier betont, weil Kinder kaum bis gar nicht von weiblichen Verwandten missbraucht werden. Hier verschwimmen die Grenzen : Wo beginnt der Missbrauch, wenn die Eltern eine offene sexuelle Haltung ihren Kindern gegenüber anstreben ? Ganz einfach: sobald Kontakte zuge-lassen werden, die der Erwachsene bewusst ausnützt, um sexuelle Befriedigung zu erlangen, wird das Kind sexuell missbraucht.


Auswirkungen von Misshandlungen



Die Nachuntersuchung misshandelter Kinder ist mit erheblichen forschungsmethodischen Problemen behaftet. Nur wenige Kinder können nachträglich lokalisiert und untersucht werden und wichtige Einflussgrößen für die Entwicklung der Kinder (Dauer der Misshandlung, Stabilität und Veränderung der familiären Verhältnisse und außerfamiliären Einflüsse) nicht systematisch erfasst werden. In der Forschung zu den Auswirkungen von Kindesmisshandlungen hat man zunächst fast ausschließlich körperliche und geistige Behinderungen als Folgen der Misshandlung untersucht. Erst in neueren Studien werden zunehmend häufiger die emotionalen Beeinträchtigungen zum Gegenstand der Untersuchungen gemacht. Misshandelte Kinder erscheinen in ihrer kognitiven und sozialemotionalen Entwicklung erheblich beeinträchtigt. Die Beeinträchtigungen in der kognitiven Entwicklung sind bei misshandelten Kindern schon recht früh nachweisbar, aber auch langfristig erscheinen misshandelte Kinder in ihrer Intelligenzentwicklung hinter gut betreuten Kindern zurückzustehen. ( Diese Beeinträchtigung sind nur in wenigen Fällen Auswirkungen schwerer Schädelverletzungen irreversiblen Schädigungen des zentralen Nervensystems. Da diese Kinder massive Verhaltensprobleme haben scheinen sie in der Schule und in Testsituationen weniger leistungsfähig, als nach ihrem Entwicklungszustand zu erwarten wäre.In der sozial - emotionalen Entwicklung sind misshandelte Kinder ebenfalls gestört. Sie sind gegenüber gut betreuter Kinder wesentlich aggressiver, freudloser und in der Beziehung zu anderen Personen durch ihr Misstrauen und ihre aggressiven Verhaltensprobleme so stark behindert, dass sich für sie die im Elternhaus erfahrene Ablehnung nun auch in anderen Sozialbeziehungen wiederholt.


Dabei sind diese schlimmen Auswirkungen von Kindesmisshandlungen nicht so sehr eine Folge der Schläge oder der körperlichen Verletzungen, die mit der Misshandlung einhergehen. Schwerwiegender ist wohl die Erfahrung, von den eigenen Eltern abgelehnt zu werden, in dem Ringen um Zuwendung, Liebe und Anerkennung keine Chance zu haben. Dazu kommen natürlich die Probleme der allgemeinen Familiensituation, wie Armut, Kinderreichtum,, die das Kind ohnehin auch belasten.


Für misshandelte Kinder ist es aufgrund ihrer oftmaligen Verhaltensauffälligkeit aber besonders schwierig , fehlende soziale Beziehungen ( Kameradschaft, Akzeptanz ) zu kompensieren. Sie sind vielfach von ihrem familiären Milieu so geprägt, dass sie auch von anderen Menschen nicht geliebt, sondern eher abgelehnt werden. Dabei ist es so wichtig (besonders für Lehrer ), das Verhalten eines Kindes zu hinterfragen und vielleicht hinter die Kulissen zu schauen. Gerade misshandelte Kinder brauchen eine Bezugsperson, die ihnen hilft, das Misstrauen abzubauen, das sich herausgebildet hat. Besonders günstig ist es wenn Kinder schon sehr früh kompensatorische Erfahrungen machen können.


Grundlegende Schritte des Lehrers bei Verdacht


Nun wäre es jedoch grundfalsch, sofort die Polizei einzuschalten und Anzeige zu erstatten. Das kann dem Kind mehr schaden. als helfen. Noch dazu lebt das Kind in einem Zwiespalt: eigentlich liebt es seine Eltern, wie jedes andere Kind, andererseits aber ist es psychisch und physisch bedroht. Oft wollen misshandelte Kinder nicht weg von ihrer Familie, weil sie an die Situation gewöhnt sind, ihre familiäre Umgebung nicht verlieren wollen (Wohnung, Freunde. Geschwister) oder aus sonstigen Gründen.Anzeige ist auch deshalb ein Problem, weil das Verfahren sehr lange dauert. Es zieht sich über Monate (Jahre). In der Zwischenzeit muss das Kind aber mit dem Misshandelnden unter einem Dach leben. Nur in den äußersten Fällen (Kind krankenhausreif geschlagen ) wird der Täter verhaftet. Dies kann zu weiteren, ärgeren Misshandlungen (mit Mordandrohungen, wenn das Kind noch einmal etwas sagt) führen oder zumindest zu einem verstärkten psychischen Druck. Es muss angemerkt werden, dass psychische und physische Misshandlung viel bedrohlicher ist, als Verwahrlosung. Sie bedroht das Kind nicht unmittelbar in seiner Existenz.



Die Haltung des Lehrers

Prinzipiell sollte in der Klasse ein Klima herrschen, das ein Gespräch über die Probleme aller Kinder jederzeit möglich macht. Und kein Lehrinhalt kann dann wichtiger sein.Nun ist es besonders schwierig für misshandelte Kinder, ihre Situation auszusprechen und sich dem Lehrer anzuvertrauen. Trotzdem muss die Möglichkeit immer bestehen, besonders für ein "Gespräch unter vier Augen".Dieses Thema "aus der Luft gegriffen" zu behandeln erscheint mir als problematisch, weil der Lehrer nicht weiß, ob er bei manchen Kindern nicht offene Wunden noch tiefer macht. Es wird von den Eltern wahrscheinlich auch als Eingriff in die Privatsphäre empfunden, wenn man die Kinder befragt, wie oft sie z.B. eine Ohrfeige bekommen oder angeschrien werden. Es ist wichtig ein gewisses Selbstbewusstsein bei den Kindern grundzulegen, obwohl das bei vielen Eltern auf Widerstand stoßen wird. Es ist aber unabdingbar, dass Kinder wissen, sie sind keines Menschen Besitz und eigenständige Menschen, die es verdienen, ernst genommen zu werden. (Menschen- und Kinderrechte).Eigentlich ist die Situation sehr hoffnungslos. Das darf aber kein passives Zurückziehen des Lehrers bedeuten. Er wird derjenige sein, der als wichtige Bezugsperson im schulpflichtigen Alter Misshandlungen feststellt und einen Zugang zum Kind hat.

Persönliche Vorgangsweise:


v     Feststellen einer Misshandlung (Blutergüsse) -

v     bei häufigerem Vorkommen - Versuch mit dem Kind darüber zu sprechen -

v     Kontaktaufnahme mit Kinderschutzentrum (weiteres Vorgehen wird beraten) -

v     wenn Kind einverstanden, Gespräch mit dem MiBhandler (Angebot der Familientherapie) -

v     bei neuerlichem Vorkommen Androhung der Anzeige.


Problematik der Prävention, Intervention und Therapie


Grundsätzlich muss gesagt werden, dass Prävention, Intervention und Therapie ein zu komplexes Problem darstellen als dass man eine endgültige Lösung vorschlagen könnte. Als Prävention ist bei Gewalt in der Erziehung zu verstehen, dass außerfamiliäre Bezugspersonen des Kindes hellhörig sind, nicht wegsehen und sich mit dem Problem kritisch auseinander setzen. Womöglich könnte man sich mit Kinderschutzzentren in Verbindung setzen, sich mit deren Mitarbeitern beraten, um nicht voreilig ( und vielleicht falsch) zu reagieren.


Merkmale, die einem als Lehrer auffallen sollten, und die auf Gewalttätigkeiten hinweisen können:


Die auffälligsten Merkmale sind sicher Verletzungen an Wange, Stirn und Armen. Auch Blutergüsse weisen auf Misshandlungen hin. Schwieriger dagegen ist grobe Vernachlässigung zu erkennen. Unter Umständen äußert sie sich in einer extremen ''In - Anspruchnahme' des Lehrers durch das Kind. Weigert ein Kind häufig, am Turnunterricht teilzunehmen, so kann es Angst haben man könne Blutergüsse usw. entdecken. Hier wird sehr viel Fingerspitzengefühl seitens des Lehrers notwendig sein. Das Kind soll das Gefühl haben, dass ihm nichts passiert, wenn es darüber spricht. Missbrauchte Kinder sind ohnehin sehr misstrauisch und werden von der Familie oft als Lügner dargestellt, wenn sie sich über ihre Situation äußern.


Weitere mögliche Signale: - Essstörungen (Magersucht, Bulimie, . )


v     Todessehnsucht

v     Kaufhausdiebstähle (Aufmerksamkeit an sich ziehen!)

v     Selbstzerstörungsdrang

v     geminderte Leistungsfähigkeit (auch Teilleistungsschwächen)

v     Kind zeichnet Phallussymbole

v     uvm.


Themen die sich für die präventive Arbeit eignen:


"Du gehörst nur dir !"

"Vertrau deinen Gefühlen!"

"Du brauchst dir keine Berührung, die dir unangenehm ist, gefallen zu lassen. Von niemandem!"

"Du darfst nein sagen, wenn dir etwas nicht gefällt - und du sollst es auch tun!" ( Onkel )

"Es gibt Geheimnisse, die schön sind und die man wahren darf - und es gibt schlechte Geheimnisse die weh tun und die man weitersagen darf und sollte!"

Die Geschichte vom "Neinsagen" ( Gisela Braun )

Checkliste : Wer darf was mit mir machen.

Zeichne ein Angstbild - ( z.B. Furcht vor Mäusen )

Zeichne ein Mutbild - ( z.B. Hand geben ).


Phantasiereisen

Phantasiereisen lassen sich vergleichen mit Einschlafgeschichten, die Kindern vorgelesen werden. Durch solche Geschichten werden Kinder angeregt, innere Vorstellungsbilder zu erzeugen. Die Phantasiereisen werden unter verbaler Anleitung durchgeführt. Diese Anleitung kann nach TEML (1993) einen mehr offenen oder geschlossenen Charakter haben. Geschlossene Phantasiereisen beinhalten einfach gehaltene Geschichten mit positiver Grundstimmung. Die Kinder sollen die Geschichte mitverfolgen und in ihrer Phantasie möglichst deutlich ausgestalten. Komplizierte, konfliktreiche oder gar ängstigende Themen sind bei der Auswahl der Geschichten zu vermeiden, da diese eher zu Stress führen, als zu Entspannung. Geschlossene Phantasiereisen regen die Phantasie und Kreativität an, sensibilisieren die emotionale und soziale Wahrnehmung und ermöglichen ein intensives positives Selbsterleben. Offene Phantasiereisen regen die Kinder dazu an, sich selbst auf eine innere Reise zu begeben. Sie eröffnen eher die Möglichkeit, die eigene innere "Bilderwelt" zu entwickeln und Zugang zu unverarbeiteten unbewußten Erlebnisinhalten zu finden. Sie haben eine eher therapeutische Zielsetzung und sollten auch nur im therapeutischen Zusammenhang von entsprechend kompetenten Personen durchgeführt werden.

Die Durchführung erfolgt meist in drei Schritten:

1. Entspannungsanleitung

Durch eine Stille - Übung, eine Atementspannung oder eine Körperübung werden die Kinder zunächst in einen möglichst entspannten Zustand versetzt. Hiermit wird das Einlassen auf eine Geschichte und das Produzieren freier Phantasien erleichtert. Diese Anfangsentspannung soll durch die anschließende Phantasiereise verlängert oder gar intensiviert werden.

2. Anregung von Vorstellungsbildern

In dieser Phase erfolgt die eigentliche Durchführung der Phantasiereise. Es wird eine Szene vorgegeben, die Vorstellungen in den verschiedenen Sinnesbereichen anregt und Raum gleichzeitig Raum läßt für die eigenen Erlebnisse der Kind er. Durch einen filmartigen Ablauf von Bildern entsteht ein Ruhe - und Erholungszustand.

3. Zurückholen

Da sich die Kinder durch die Phantasiereise in einem veränderten Bewußtseinszustand befinden und möglicherweise auch wichtige Körperfunktion gedrosselt ablaufen, ist es unbedingt notwendig die Kinder psychisch und physisch in die Realität zurückzuholen. Indem die Reise zurückführt zum Ausgangspunkt, der momentanen Situation der Kinder und indem sie aufgefordert werden sich zu recken und zu strecken wird der Kreislauf angeregt, die Entspannung aufgelöst und die Kinder treten langsam wieder ins Alltagsbewußtsein ein.




Entspannungstraining


Bei den Entspannungsübungen in diesem Training handelt es sich um Geschichten und Phantasiereisen mit integrierten Formeln aus dem autogenen Training. Das autogene Training wird dabei reduziert auf die Formeln der Ruhe, Schwere und Wärme und des ruhigen Atmens. In den Übungen zum Thema "Misshandlungen' wird auch mit formelhaften Vorsätzen oder Merksprüchen gearbeitet.


Ablauf

Die einzelnen Übungsstunden sind jeweils in drei Phasen aufgeteilt. Besondere Bedeutung kommt dabei der ersten, der Vorbereitungsphase zu.

1. Vorbereitungsphase

Durch die vorbereitenden Spiele und Übungen soll der Übergang von Hektik auf Entspannung erleichtert werden. Die Aufmerksamkeit der Kinder wird langsam nach innen gelenkt und sie werden auf die eigentliche Entspannung eingestimmt.

Den Kindern wird an dieser Stelle auch erklärt, um welche Erfahrungen es in der nachfolgenden Entspannungsübung gehen soll. Die Begriffe Schwere und Wärme werden zur Verdeutlichung in der Vorbereitung konkret erfahrbar gemacht. Die Kinder erinnern sich an Situationen, in denen sie schon einmal Schwere und Wärme empfunden haben oder durch kurze Übungen (Hände reiben, Last aufheben und tragen) wird Schwere und Wärme am eigenen Körper spürbar.

Der Abschluß der Vorbereitungsphase ist ritualisiert, das heißt er läuft immer auf die gleiche Art und Weise ab:

v     Jeder holt sich eine Matte.

v     Jeder legt sich ruhig mit dem Rücken auf die Matte.

v     Das Licht geht aus.

v     Jeder schließt die Augen, legt die Hände auf den Bauch und atmet ruhig.

Durch diesen gleichförmigen Ablauf wird der Körper im Sinne des klassischen Konditionierens auf Entspannung eingestellt.


2. Entspannungsphase

Während die Kinder auf der Matte liegen wird die entsprechende Geschichte vorgelesen. Leise Hintergrundmusik ist möglich.

3. Zurücknahme

Der Abschluß der Entspannungsübung ist ebenfalls ritualisiert um das Umschalten auf die reale Lebenssituation zu erleichtern. Die Kinder kommen am Ende der Reise in ihrem realen Raum an, recken und strecken sich nach Herzenslust, gähnen und atmen tief ein und aus. Die wortwörtlich immer gleiche Rücknahmeinstruktion kann zum Beispiel folgendermaßen lauten:

"Ganz allmählich kehrst Du in diesen Raum (in unser Klassenzimmer) zurück. Du atmest ein paarmal tief ein und aus und reckst und streckst dich nach Herzenslust. Öffne nun langsam die Augen. Bleibe noch ein bißchen liegen und setze dich dann langsam auf'.

Zum Abschluß besteht immer die Möglichkeit, über die Erfahrungen und Erlebnisse während der Übung zu erzählen. Freiwilligkeit ist hier wieder oberstes Gebot.



Literatur.

Pernhaupt/Cermak: "Die gesunde Ohrfeige macht Krank" Orac - Verlag Seite 9-15; Seite 32-40;          Seite 57-71; Seite 84-114; Seite 223-225; Seite 251-253.


Aull/Jungwirth/Mennert - Püchler

"Gegen Gewalt an Kindern handeln" Mappe des Bundesministeriums für

Frauenangelegenheiten 1994; 62Seiten.


Bundesministerium für Umwelt,Jugend und Familie: "Gewalt in der Familie" 3.Aufl. 1994 Seite 251 - 266


Bundesministerium für Umwelt,Jugend und Familie: "Sexueller Mißbrauch an Kindern in Österreich" 4.Aufl 1992 Seite 13 - 25


Deuchert, M. u. Petermann, U. Angststörungen. In Vaitl, D. u. Petermann, F. (Hg.), Handbuch der Entspannungsverfahren. Bd. 2: Anwendungen. Weinheim 1994, 19-56


Fuhrmann, E. "Zaubergarten und Lieblingswiese." Entspannung für Kinder. München 1994


Kemmler, R. "Autogenes Training für Kinder, Jugendliche und Erwachsene." München 1975


Kruse, W. "Einführung in das autogene Training mit Kindern." Köln 1980


Müller, E. "Du spürst unter deinen Füßen das Gras." Frankfurt 1983


Müller, E. "Hilfe gegen Schulstress." Reinbek 1984







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