Psychologische Betrachtung des "Frau Holle" - Märchens:
Als kleinem Kind wurden wohl jedem von uns Märchen vorgelesen.
Meistens vor dem Einschlafen, oder auch einfach nur zur Unterhaltung.
Dass in Märchen jedoch viel mehr steckt und dass sie deshalb auch einen gewissen erzieherischen Wert haben, möchte ich heute am Beispiel des Märchens "Frau Holle" zeigen.
Da sich manche vielleicht nicht mehr ganz so gut an diese Geschichte erinnern werden, will ich sie zuerst einmal vorlesen, damit dann alle wissen worum es geht.
Eine Witwe hatte zwei Töchter, .
Wie schon vorhin erwähnt haben viele Märchen erzieherischen Charakter. Das ist auch bei
"Frau Holle" der Fall, welche wie einige andere Märchen auch, Möglichkeiten der äußeren und inneren Lebensbewältigung aufzeigt.
Bei "Frau Holle" gilt das jedoch fast ausschließlich für die weibliche Lebensbewältigung und darauf möchte ich nun genauer eingehen.
Am Beispiel die Goldmarie und der Pechmarie werden zwei mögliche Lebensgestaltungen dargestellt und zwar so, dass man sie leicht unterscheiden kann und dass auch eindeutig hervorkommt, welcher der positive und welcher der negative Weg ist.
Am Beginn des Märchens wird festgestellt wie ungerecht es manchmal in der Natur zugeht.
Die einen werden in eine lieblose, elende Umgebung hineingeboren und haben schon von Anfang an erheblich schlechtere Aussichten auf ein glückliches Leben als jene, zu denen der Zufall großzügig war und die mehr oder weniger alles, was sie sich wünschen auch bekommen.
So wird Goldmarie Tag für Tag von ihrer Stiefmutter gequält während ihre Schwester Pechmarie über alle Maße verwöhnt wird.
Doch das Märchen lässt diese Tatsache nicht einfach so im Raum stehen, sondern versucht jene, die irgendwie benachteiligt wurden zu trösten, indem es sagt, dass ein hartes Lebensschicksal einen gewissen Lebensgehorsam bewirken kann und dass dieser dann oft Früchte trägt und äußerst positive Folgen hat, während jemand, der ständig verwöhnt wurde den harten Anforderungen des Lebens oft nicht gewachsen ist und dass so Unglück, oder eben auch Pech entsteht.
Ich werde nun versuchen, dass nun deutlicher am Beispiel der Suchwanderung der Goldmarie darzulegen.
Das Spinnen am Brunnen ist ein Symbol für die harte unermüdliche Lebensarbeit und Goldmarie ist mit dieser Anstrengung völlig überfordert und verliert als Konsequenz ihre Lebensmitte und ihre Ausgeglichenheit, welche von der Spindel, die in den Brunnen fällt dargestellt wird.
Dieser Verlust bedeutet Arbeitsunfähigkeit und geistige Orientierungslosigkeit, doch die Stiefmutter, die die Rolle der Natur einnimmt, zeigt ihr die kalte Schulter und befiehlt ihr sich selbst zu helfen.
Als Folge stürzt sich ihre Tochter Goldmarie in den Brunnen um die Spindel wiederzuerlangen.
Ein Vergleich mit der Wirklichkeit ist hier leicht anzustellen.
Krankheit oder Überforderung, vor allem bei Frauen, die heutzutage sehr oft untragbaren Doppelbelastungen mit Kindern, Haushalt und Beruf ausgesetzt sind, kann zu Depressionen führen. Sie haben also die Spindel verloren und springen jetzt in den Brunnen, in dem es dunkel und feucht ist und wo ihnen das Wasser bis zum Hals steht und wo die Überschwemmung ihr Leben bedroht.
In dieser Situation fordert das Märchen Selbstheilung, indem man sich der Krankheit hingibt und sie akzeptiert anstatt sie zu verleugnen und irgendwo an der Oberfläche des Lebens dahinzuvegetieren.
Der Text, der mir bei der Vorbereitung zur Verfügung stand, drückt das mit dem schönen Satz:
"Das geduldige Suchen nach der verlorengegangen Seelenmitte führt sicher eher zum Ziel als ein Vertuschen der Verletzung." aus.
Das bedeutet, dass Leid im Endeffekt zu einem großen Gewinn führen kann, denn nach der fürchterlichen Zeit der Besinnungslosigkeit folgt meist ein sehr viel intensiveres Lebensgefühl.
Das wird im Märchen durch das Bild der intensiven grünen Wiese dargestellt.
Man wird nun auch aufmerksam auf neue Aufgaben, wie Goldmarie die plötzlich Apfel pflücken und Brot backen muß.
Doch welches Bild steht hinter diesen Aufgaben?
Nun, reifende Früchte und Brote im Ofen sind auch sehr oft Symbole aus Träumen von jungen Mädchen und Frauen.
Die Apfel, die reif sind und gepflückt werden wollen stehen für den Reifeschritt vom Mädchen zur Frau. Goldmarie akzeptiert diese Veränderung und hört auf ihre innere Stimme, die ihr sagt sie möge die Apfel doch pflücken, während Pechmarie diesen Schritt verweigert.
Auch in Wirklichkeit gibt es viele Mädchen, die die Veränderung ihres Körpers aber auch ihrer Seele nicht akzeptieren wollen und die Apfel sozusagen nicht pflücken.
Ein Beispiel dafür wären etwa Mädchen, die solange hungern, bis kaum noch weibliche Formen erkennbar sind und bis auch die Menstruation ausbleibt.
Goldmaries nächste Aufgabe ist das Herausholen der Brote aus dem Ofen.
Auch das ist wiederum ein Bild aus Träumen, nämlich von Schwangeren.
Die Brote im Ofen sind also ein Symbol von Schwangerschaft, und auch hier ist das gleiche Szenario wie vorher erkennbar.
Während Goldmarie sich ihrer Aufgabe stellt, verweigert sie Pechmarie mit der Begründung sie könnte ja schmutzig werden.
Auch hier ist der Bezug zur Realität nicht besonders schwer herzustellen.
Besonders in unserer heutigen Zeit gibt es immer mehr Frauen, die gewollt kinderlos bleiben, sei es durch Empfängnisverhütung oder gar durch Abtreibung.
Und auch das "Schmutzigmachen ist leicht erklärbar, denn viele Mütter haben im Laufe der Zeit einmal das Gefühl sich ihre Hände durch irgendwelche Erziehungsfehler schmutzig gemacht zu haben, doch das sollte man nicht verleugnen, denn es gibt nun einmal keine total perfekten Eltern.
Trotzdem führt das Tun der Pechmarie nicht zum Lebensreichtum, da gewollte Kinderlosigkeit im Alter ofr Leere und Einsamkeit erzeugt.
Ein weiteres Symbol in dem Märchen ist Frau Holle selbst und ihre großen Zähne, die bedeuten, dass sie die Macht über Leben und Tod hat.
Sie ist es aber auch die die Menschen gerecht entlohnt und so die ungerechte Stiefmutter Natur zur gerechten Richterin macht.
Sie gibt jenen, die die Betten immer aufschüttelten, dass heißt die Weisheit versprühten und kluge Ratschläge gaben, denn der Schnee steht für die Weisheit, die oft mit weißhaarigen alten gutmütigen Frauen symbolisiert wird die Spindel, dass bedeutet die Ausgeglichenheit und Lebensfreude zurück und beschenkt sie obendrein mit einem reichen Schatz, der für ein erfülltes, glückliches Leben steht, und den sie nun ins Jenseits, in dem sie vom Hahn, einem christlichen Symbol für Ewigkeit begrüßt wird, mitnimmt, während die Pechmarie ihr unausgefülltes Leben mit einem elenden Leben im Jenseits fortsetzten muß, da sie der Weisheit des Märchens nicht gefolgt ist und nicht auf ihre innere Stimme und ihre Gefühle gehört hat.
Ich denke diesen Appell möchte das Märchen auch heute noch an die Jugend weitergeben, nämlich, dass man nicht immer nur dem kühlen Verstand, der Vernunft oder einfach der Masse folgen soll, sondern, dass man auf seine eigenen inneren Wünsche eingeht und seinen Gefühlen folgt.
Ich hoffe ich konnte euch diese neue Betrachtung einer alten Geschichte etwas näher bringen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
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