Strukturen und Mittel von Talkshows und deren Wirkung auf die Rezipienten
Wenn im folgenden Text nicht immer dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau in den sprachlichen Formulierungen gefolgt wird, ist dies der besseren Lesbarkeit zuzuschreiben.
Heute kann man sich kaum noch vorstellen, daß es je einen Fernsehnachmittag gegeben hat ohne die zahlreichen Nachmittags-Talkshows, wie zum Beispiel Hans Meiser, Arabella und Ilona Christen. Jahrzehnte glaubten die Programmacher, daß man ausschließlich mit der sogenannten "Prime Time", also der Zeit kurz vor und nach 20:00 Uhr, Geld verdienen könne. RTL war 1992 der Pioniersender, der mit Hans Meiser den ersten Talkmaster ins Rennen schickte und damit an die unglaublichen Erfolge der amerikanischen Talkshows wie Oprah Winfrey oder Geraldo anknüpfen wollte. Mit bis zu 5 Millionen Zuschauer wurde dieser Versuch mit enormem Erfolg gekrönt. Die Folge war vorhersehbar: Jeder Fernsehsender schickte seine Talkmaster in den täglichen Quotenkampf. So kam es, daß man jeden Tag sieben Stunden lang das Neuste aus der Welt des "Otto-Normal Bürgers" sehen kann.
Doch warum offenbaren Menschen in den Talkshows ihre intimsten Geheimnisse, mit der Folge, daß für manche Gäste nach der Sendung eine psychologische Betreuung notwendig ist? Und warum sind täglich so viele Zuschauer an dem Privatleben ihrer Mitbürger interessiert?
Im folgenden soll das Wesen und die Art einer Talkshow erörtert werden. Weiterhin wird versucht zu erklären mit welchen Mitteln es diesem Genre gelingt zu einem solchem Erfolg zu kommen.
Unter Talkshow steht im Lexikon folgende Erklärung:
"Talk-Show [engl., »Plauderschau«] ein in den 1950er Jahren in den USA entstandener Typ von Unterhaltungssendung in Hörfunk u. Fernsehen. Ein oder mehrere »Gastgeber« (engl. Host, in Dtld. Talkmaster genannt) befragen geladene Gäste in lockerer Form zu privaten, berufl. u. allg. Themen."
Anhand dieser Definition kann man erkennen, wie umfangreich das Genre der Talkshow ist. Beginnend bei denen wohl am meisten mit dem Begriff Talkshows assoziierten Sendungen, nämlich den Nachmittags-Talkshows, über die eher seriöseren Sendungen, wie z.B. "Talk im Turm", bis hin zum Promi-Kochen mit Alfred Biolek würden alle Sendungen in das Genre der Talkshow passen. Aufgrund des Umfanges dieser Kategorie wurden weitere Instanzen zur Klassifizierung bestimmter Sendungen eingeführt. Nur so ist es möglich die Sendungen ihrem Inhalt und ihrem Sendekonzept nach einzuordnen. Die typische Nachmittags-Talkshow gehört den Sub-Genres "Themen Talk" und "Konfro Talk" an, allerdings sagt das noch nichts über die Qualität der Sendung aus, denn "Talk im Turm", zum Beispiel ist ebenfalls eine Talkshow bei der jeweils ein Thema behandelt wird und bei der es mehrere Parteien gibt, die ihren Standpunkt vertreten, aber es werden im Gegensatz zur Nachmittags-Talkshow ausschließlich themenkompetente Gäste eingeladen, was sich im Endeffekt auf das Niveau der Sendung auswirkt.
Den Begriff Talkshow darf man nicht als Sendekonzept ansehen, sondern eher als einen Bereich der Fernsehunterhaltung, wie zum Beispiel Quiz-Sendungen oder Spielfilme. Diese Genres bilden gemeinsam mit der Talkshow die zweite Ebene innerhalb der Hierarchie der Fernsehunterhaltung und sind somit gleichwertig. Deshalb kann man den Begriff Talkshow auch nur als einen Bereich der Fernsehunterhaltung definieren und nicht etwa als ein Sendekonzept, wie es zum Beispiel der Heimatfilm oder das Bauerntheater ist, wo immer die selben Strukturen zu erkennen sind.
Die Nachmittags-Talkshow stellt ein besonderes Sendekonzept dar, welches maßgeblich von dem Talkmaster beeinflußt wird. Durch seinen Charme und sein Können, den Gästen möglichst viele (intime) Geheimnisse zu entlocken, wird der Charakter der Sendung geprägt. Er ist also eine Identifikationsfigur, was auch der Grund dafür ist, daß alle Nachmittags-Talkshows so heißen, wie der Moderator. Er ist das immer wiederkehrende einer Sendung; er ist die Leitperson der Sendung, da er die Verbindung zwischen Gästen und Publikum herstellen soll. Dies geschieht hauptsächlich dadurch, indem er eine besondere Einfühlsamkeit und große emotionale Anteilnahme zeigen soll, in Folge dessen gewinnen die Gespräche an Glaubwürdigkeit, was eine größere Nähe zum Publikum bewirkt. Bereits nach kurzer Zeit können die meisten Zuschauer mit dem Namen der Sendung, also der des Moderators, das gesamte Sendekonzept verbinden, bzw. ob die Sendung gut oder schlecht ist. Der Moderator ist eine Konstante, die bei jeder Sendung gleiche Vorgehensweisen aufzeigen muß, damit die Struktur der Sendung über die Zeit hinweg gleich bleibt. Dies hat zur Folge, daß das eigentliche Thema der Diskussion, für die unmittelbaren Einschaltquoten in den Hintergrund tritt, da der Rezipient zunächst nur die Qualitäten des Moderators in Erinnerung behält.
Ausgehend von den Entwicklungen und dem Erfolg der Talkshows im US-amerikanischen Fernsehen in den 50er und 60er Jahren, überlegten deutsche Programmacher, ähnliche Sendungen dem deutschen Publikum anzubieten. Doch bis die Idee realisiert wurde, vergingen noch mehr als 20 Jahre.
Im März 1973 wurde unter dem Titel "Je später der Abend" im Dritten Programm des WDR die erste deutsche Talkshow gesendet. Moderator Dietmar Schönherr lud seine Gäste zu einem zwanglosen Gespräch ins Studio ein. Schönherr wies die Zuschauer bei seinem ersten Auftritt darauf hin, daß dies nun eine sogenannte Talkshow sei, wie es sie in den USA schon lange gebe. Zwar wisse man selbst auch nicht ganz genau, was eine Talkshow eigentlich sei, man wolle aber ausprobieren, ob sich so etwas auf die BRD übertragen lasse.
Den Zuschauern schien die Sendung zu gefallen, so daß es nach einem halben Jahr die nächste Folge gab. Von nun an wurde die Talkshow im Zwei-Wochen-Rhythmus gesendet. In der Silvesternacht 1973/74 wurde die Talkshow erstmalig bundesweit ausgestrahlt.
Ein Jahr später verließ Schönherr wegen Schwierigkeiten mit der WDR-Leitung die Talkshow. Schönherrs Nachfolger wurde Hansjürgen Rosenbauer. Sein Konzept sah vor, den Unterhaltungs- und Showeffekt mehr zu betonen. Er wollte die Distanz zwischen Publikum und Bühne abbauen und das Publikum mehr am Geschehen teilhaben lassen. Das Studiopublikum konnte Fragen an die Gäste stellen. Als Gäste sollten nicht nur Prominente eingeladen werden, sondern auch "Normalbürger", welche zu Beginn der Sendung in einem kleinen Film vorgestellt wurden.
Das Konzept war erfolgreich: 1976 wurde "Je später der Abend" auf den zentralen Sendeplatz - Sonnabend abends, 20.15 Uhr - gesetzt. Doch auch Rosenbauers Stil wurde kritisiert, ein Kritiker: "Rosenbauer ist wohl der bisher einmalige - und nur in Deutschland mögliche - Fall, daß jemand sich in einen angestrengten Masochismus des ständigen Mißlingens seiner Sendung geradezu freut, ja trickreich das Mißlingen zum Prinzip der Sendung erklärt. Beim ersten ,zufälligen' Mal wirkte das noch ganz charmant, beim zweiten abgeschmackt, mittlerweile wie eine Manie."
An der Talkshow "Je später der Abend" wurde das Problem deutscher Unterhaltungssendungen, speziell deutscher Talkshows, deutlich. Die Produzenten wollten ihren amerikanischen Vorbilder nacheifern, das konnten sie aber nicht, da es in Deutschland noch an einigen Grundvoraussetzungen mangelte. Zu der Zeit war das Privatleben der Mitbürger noch geachtet und sogar die Prominenten lebten bis dahin noch einiges anonymer als heute. Das Interesse am Privatleben, sei es von Prominenten oder auch Privatpersonen, ist für die Talkshow von Nöten, da das Privatleben der eigentliche Bestandteil dieses Genres ist. Die frühen Talkshows in Deutschland wurden zwar nach dem Vorbild der amerikanischen Fernsehsendungen gemacht, allerdings für das damals noch konservative Fernsehpublikum. So entstand anfangs ein Konflikt der eine Moralfrage aufwarf: Darf das Fernsehen Privatleben auf diese Art und Weise senden ?
Innovative Neuerungen in diesem Genre gab es bis zur Mitte der achtziger Jahre nicht mehr. Die Kritik in den Medien verhinderte neue Ideen der Sender. 1988 führte der "Spiegel" eine grundlegende Abrechnung mit allen Talkshow-Sendungen, die es zu diesem Zeitpunkt im deutschen Fernsehen gab. Den Moderatoren wurde "wortreiche Inhaltslosigkeit" vorgeworfen, sie beherrschten die "Kunst des platten Fernsehdialogs - dusselige Frage, dusselige Antwort", von der "der deutsche Zuschauer offenbar gar nicht genug kriegen kann". Talkshows sollten in Richtung "Stammtisch" getrimmt werden, mit "viel Stoff, aber so einfach, daß Lieschen Müller in Gänsefüßchen auch alles versteht."
Als eine spezielle Talkshow-Form etablierte sich Anfang der neunziger Jahre die tägliche Talkshow im Fernsehen. Ausgehend von den "Daily Talks" im US-amerikanischen Fernsehen, begann 1990 die ARD mit der Ausstrahlung von "Talk täglich - Termin in Berlin". In der 30minütigen Sendung wurden an drei Tagen in der Woche Gäste porträtiert. Es gab kein einheitliches Profil. Teils wurden einzelne Gäste porträtiert, teils mehrere recht unterschiedliche Themen diskutiert. Diese von Sendung zu Sendung unterschiedliche Ausrichtung erschwerte eine konstante Zuschauer- und Zielgruppenbindung. Die Sendung wurde 1992 mit einem neuen Konzept versehen, das sich überwiegend an das Senioren-Fernsehpublikum wandte. Jeweils zwei Zeitzeugen, die alle über eine breite Lebenserfahrung verfügten, plauderten mit sich zurückhaltenden Moderatoren über bestimmte Lebensabschnitte oder jetzige Lebenssituationen, welche durch Erfolge oder Kreativität gekennzeichnet waren oder sind.
Dann folgten die Privatsender mit der Ausstrahlung ihrer täglichen Talkshows. Die älteste Talkshow-Serie dieser Art ist "Hans Meiser". Ende 1992 wurde auf RTL mit dieser einstündigen Talkshow begonnen, die bis heute einen festen Sendeplatz im RTL-Nachmittagsprogramm hat.
Auf der Studiobühne werden fünf Gäste plaziert, die zu einem ausgewählten Thema ihre Informationen, Standpunkte und gegensätzlichen Positionen an das Publikum weitergeben, das aktiver Bestandteil der Sendung ist, Fragen stellt und mit Zwischenrufen und Beifall seine Zustimmung oder Ablehnung äußert.
Seit 1992 entwickelte sich diese Talkshow-Art vor allem bei den Privatsendern weiter und bestimmt seitdem das Fernsehgeschehen am Vormittag und Mittag.
Jetzt gibt es ab 11 Uhr vormittags eine "Talkshow-Schiene", die sich durch das Programm von RTL, SAT 1, PRO 7, aber auch durch das ARD- und ZDF-Programm zieht und gemeinsame konzeptionelle Ausrichtungen besitzt. Vor allem die Moderatoren geben den Sendungen ihre persönliche Ausrichtung und ein spezielles Profil. Deshalb werden die Sendungen nach ihnen benannt.
Kritiker und Medienexperten, die die frühen deutschen Talkshows oft noch lobten und ihnen positive Eigenschaften zusprachen, weil sie in erster Linie zweckfreie Plauderei waren und der Unterhaltungswert der Talkshow in der Selbstdarstellung der Gäste bestand, konzentrierten sich in ihrer Kritik nun auf die Talkshows im Nachmittagsprogramm und konnten auch an den traditionellen Talkshows nichts Gutes mehr finden.
Um einen weiteren Überblick über die verschiedenen Talkshowarten zu bekommen, werden folgend die wichtigsten Kategorien der Talkshow aufgezeigt.
Diese Talkshow-Art ist die älteste, sie lebt vom personenorientierten Gespräch mit mehreren, meist prominenten Gästen. Darüber hinaus kann eine Talkshow dieses Formates auch eine themenbezogene Talkshow sein. Der Anspruch ist unterhaltend, und teilweise auch informativ. Die Talkshow-Redaktionen erhoffen sich durch prominente Gäste viele Zuschauer, die die jeweiligen Prominenten gerne in anderen Situationen erleben möchten, als in bisher "offiziell" gewohnten. Zum Beispiel geht es in der Promi-Talkshow "Boulevard Bio" weniger um Sacherörterungen von Themen als um Meinungen der Gäste zu emotional besetzten Inhalten.
In dieser Talkshow steht das Einzelgespräch mit dem Moderator eindeutig im Vordergrund. Zwar fällt damit ein scheinbar wichtiges Talkshow-Kriterium - das Gespräch oder die Diskussion - weg, doch es handelt sich trotzdem um eine Talkshow. Unterschieden werden dabei die unterhaltende und die journalistische Portrait-Talk-Variante. Letztgenannte könnte man auch als Fernsehinterview bezeichnen. Als Gesprächsthemen des unterhaltenden Portrait-Talks kommen nur Inhalte in Frage, die eng mit der Person des Gastes verknüpft sind und ausschließlich der Unterhaltung der Zuschauer dienen. Der sachlich orientierte Portrait-Talk stellt ebenfalls die Person in den Vordergrund, legt aber einen auf sachliche Information bezogenen Schwerpunkt, der zeitgeschichtliche Themen mit dem Gast verknüpft.
An dieser Talkshow-Klasse ist charakteristisch, daß ein vorgegebenes, aktuelles Thema im Mittelpunkt des Gespräches steht. Die meist prominenten Gäste werden aufgrund ihrer Kompetenz und ihres Expertenwissens eingeladen. Dabei kann diese Form auch eng mit dem Konfro-Talk verknüpft sein, wenn es darum geht, die unterschiedlichen Standpunkte und Ansichten zu einem Thema deutlich zu machen und dem Zuschauer zu präsentieren. Diese Mischung aus Themen- und Konfro-Talk ist besonders bei den täglichen Talkshows zu erkennen. Der Unterhaltungseffekt spielt dabei eine wichtige Rolle.
"Talk im Turm" ist eine typische Sendung dieser Klasse, die Themen sind überwiegend politisch und decken sich oft mit den in Zeitungen und aktuellen Nachrichtenmagazinen diskutierten Themen. Die "Talk im Turm"- Produzenten sehen darin die Stärke der Sendung und charakterisieren sie als, informativ und unterhaltend. Der Moderator soll kritisch nachfragen, am Thema festhalten, wenn nötig darauf zurückführen, auch seine eigene Meinung mit einbeziehen, sofern diese in der Runde noch nicht vertreten ist. Als Gäste kommen nur thematisch kompetente Personen in Frage, was ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu den "Daily Talks" ist.
Diese Klassifizierung ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß sie weder auf die thematische oder personelle Ausrichtung der Talkshow eingeht, sondern eine "Übergruppe" aller Talkshows bildet, die sich inhaltlich mit den Themen der Boulevard-Presse beschäftigen. Ein kompetenter politischer oder intellektueller Inhalt ist in diesen Sendungen nicht erkennbar und wird von den Produzenten auch nicht angestrebt. Gäste dieser Sendungen sind keine Persönlichkeiten. Die Auswahl erfolgt nicht nach fernsehrelevanten Kriterien, wie Sprache, Kompetenz, Redeverhalten, persönliche Darstellung oder Offenheit. Die Gäste können, ohne daß die Moderatoren es hinterfragen, auch Unwahrheiten verkünden. Zwar versuchen die Moderatoren manchmal, ihre Distanz zum Gesagten deutlich zu machen, doch haben die Gäste, die ihre Standpunkte öffentlich vertreten können, ein Millionenpublikum, das ihnen zuhört und diese Themen aufnimmt.
Die deutschen Fernsehanstalten übernahmen das Sendekonzept des Konfro-Talks von den Sendungen, die in den USA bereits erfolgreich waren. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Sendungen, die dieser Klasse zugeordnet werden, in erster Linie in der Art und Weise der Konfliktaustragung zum Thema. Gemeinsam ist allen Sendungen, daß es weniger auf die argumentative Auseinandersetzung mit Inhalten ankommt, sondern vielmehr auf emotionale Streitgespräche vor einer angeheizten Kulisse, in der das Publikum sich positioniert, indem es eine Position für eine der beiden Konfrontationsseiten einnimmt.
Zu dieser Klasse zählten sowohl die Sendungen "Explosiv - Der heiße Stuhl", als auch die "daily talks" wie "Arabella", "Hans Meiser", "Sonja", "Ilona Christen" und "Bärbel Schäfer".
Im Schnitt dauert eine Talkshow 60 Minuten, in dieser Zeit wird meist ein Thema mehr oder weniger ausführlich und tiefgründig besprochen. Pro Sendung werden bis zu 10 Gäste eingeladen, die sich zu dem Thema äußern wollen. Die Sendung beginnt meist schon mit drei oder mehr Gästen auf der Bühne, damit für die kommenden Personen schon Diskussionspartner vorhanden sind. Der Moderator stellt nun seine Fragen, die je nach Seriosität der Sendung die Schamgrenze der Gäste überschreiten, oder respektieren, ohne, daß der Moderator weitere Informationen in einem Verhör nahekommenden Gespräch herauszufinden versucht. Falls sich die Diskussion festgefahren hat, bezieht man das Publikum in das Gespräch mit ein, welches ein aktiver Bestandteil der Nachmittags-Talkshow darstellt und damit dessen Involvierung in die Diskussion ausdrücklich erwünscht ist. Je nach Sendung werden die Studiozuschauer immer wieder vom Moderator nach ihrer Meinung gefragt, oder sie mischen sich selbstständig in das Geschehen ein. Das Publikum bildet somit für den Moderator auch ein Rückrad falls er im Moment keine neuen Aspekte mehr einbringen kann. Nachdem alle Gäste hinreichend ihren Standpunkt diskutiert haben, resümiert der Moderator die Sendung in schnellen Zügen und beendet sie mit dem Hinweis auf das Thema der nächsten Sendung.
Im folgenden soll erklärt werden, warum eine Talkshow einen solch großen Erfolg hat, denn sobald man versucht eine Talkshow mit konventionellen Kriterien zu beurteilen, läßt sich keine schlüssige Erklärung für die relativ hohen Zuschauerzahlen finden. Die Sendung ist weder wirklich informativ, noch spannend und auch nicht von allgemeinen Nutzen für das Privatleben. Doch die Quoten belegen, daß die Talkshows für viele Menschen schon zum Fernsehleben dazugehören.
Die heutigen gesellschaftlichen Strukturen, wie zum Beispiel hohe Scheidungsraten, viele Single Haushalte und die große Arbeitslosigkeit wirken sich auch auf den Gebrauch des Fernsehers aus. Früher war dieses Medium reine Informationsquelle, heute dient es vielen nur als Zeitvertreib, damit man Langeweile und Probleme verdrängen kann. Auf diesen Wandel haben die Produzenten mit leicht verdaulicher Fernsehkost geantwortet: Es soll unterhalten werden, das heißt der Zuschauer soll sich möglichst wenig Gedanken über das gesendete machen und sich den Inhalt der Sendung erst gar nicht merken. Diese Sendungen sollen eine Ablenkung sein, um die ganzen Alltagsprobleme vergessen zu können.
Auf die Nachmittags-Talkshow trifft dieser Punkt nicht unmittelbar zu, da die Themen des "Daily Talks" selten mit Sachlichkeit und Objektivität verbunden werden können und keine redaktionelle Recherche notwendig ist, dennoch kann man vereinzelt erkennen wie dank der "kompetenten Recherche der Talkshow Redaktion", aus völlig belanglosen oder selbstverständlichen Themen ein Skandal wird, Beispiel hierfür wäre folgender Fall: Ein Arbeiter eines Tierlabors wandte sich an eine Talkshow, er sagte, daß er Ratten für Kosmetika qualvoll töten müsse. Die Redaktion machte daraus eine Sondersendung, in der einige Laborarbeiter über ihre Tätigkeiten sprachen. Der Talkmaster wies mehrmals darauf hin, daß dieser "Skandal" nur mit Hilfe der Zuschauer aufgedeckt worden sei.
Anhand dieses Beispieles, läßt sich deutlich aufzeigen wie die Produzenten ihre Zuschauer halten, bzw. gewinnen können: Der Tierversuch ist bei der Mehrzahl der Bevölkerung nicht akzeptiert, oder mit anderen Worten: Er ist "schlecht" und "böse" und muß somit bekämpft werden. Die Rolle des "friedliebenden Helden" übernimmt die Talkshow, respektive deren Redakteure, die mit Hilfe der Zuschauer das "Böse" besiegen. Der Zuschauer wird stets als ein Kollektiv angesprochen, was zur Folge hat, daß sich der einzelne Zuschauer einer Gruppe zugehörig, sich also nicht mehr alleine fühlt. Die Talkshow kann im Extremfall sogar Familienersatz werden, weil der Rezipient die Sendung im Unterbewußten mit einem Freund assoziiert, der sich um ihn kümmert und nie alleine läßt. Im Normalfall ist dies aber nicht so, viele der oben beschriebenen Vorgänge finden für den Zuschauer latent im Unterbewußtsein statt. Dadurch erfährt er zwar ein Gefühl des "dazu gehören" und der Geborgenheit, doch er bemerkt nicht, daß seine Talkshowfreunde virtuell und irreal sind. Die Folge davon kann sein, daß sich der Zuschauer aus dem normalen Leben zurückzieht und keine echten sozialen Kontakte mehr pflegt. Ahnliches kann man auch bei Vielsehern von den "Daily Soaps" feststellen, die nur noch in der fiktiven Welt der heilen Fernsehfamilie leben. Dieser fehlende Kontakt wirkt sich aber erst dann aus, wenn der Zuschauer versucht mit seiner "irrealen Familie" zu kommunizieren. Dies wird ihm im allgemeinen nicht gelingen und da er im schlimmsten Falle kein anderes Soziales Netz aufgebaut hat ist er einsam, was er wiederum versucht, mit noch mehr Fernsehaktivität zu kompensieren.
Alle Sendungen, die Informationen kompetent präsentieren wollen, prahlen damit besonders sachlich und objektiv an ein Thema heranzutreten, wie zum Beispiel Nachrichtensendungen. Es wird also versucht jegliche Emotion von einer sachlich-kompetenten Sendung fernzuhalten. Das ist für viele Zuschauer zu trocken bzw. zu langweilig. Mehrere Studien haben ergeben, daß der Rezipient jene Informationen am besten aufnehmen kann, die eine Mischung aus (Pseudo-)Sachlichkeit und Emotionen beinhalten. Primär will der Rezipient zwar auf die Information achten, im Unterbewußtsein prasseln aber jede Menge Emotionen auf ihn ein. Beispiele hierfür wären viele Nachrichtensendungen: Wenn von einem Krieg berichtet wird, kommen die wirklichen Informationen, warum und wo ein Krieg ist, fast ausschließlich vom Sprecher; der Bildschirm zeigt dazu die entsprechenden Bilder mit verletzen oder toten Personen. Zuschauer, die die Nachrichten eher beiläufig anschauen wissen danach zwar, daß irgendwo ein Krieg ist, aber die Informationen, die der Sprecher geliefert hat, wußten sie nicht mehr. Das zeigt, daß emotionale Ereignisse im allgemeinen besser aufgenommen und behalten werden als rein sachliche.
Die Ergebnisse aus der Untersuchung, machen sich auch die vielen Talkshows zu nutze: Sie verkaufen reine Emotionen teilweise unter dem Vorwand sachliche Informationen vermitteln zu wollen. SAT 1 zeigt dies recht deutlich: Vor jedem "Daily Talk" schiebt der Sender einen Trailer mit dem Hinweis "Information" voraus, so wird dem Zuschauer suggeriert, daß er sich informiert, es ihm somit gestattet ist diese Sendung zu schauen. Der Rezipient betrachtet solche Sendungen im vermeintlichen Glauben wichtige Lebenserfahrungen anderer Menschen auf sein Leben direkt übertragen zu können, um jene Fehler, die ein Gast der Sendung vielleicht begangen hat nicht auch zu tun. Am Ende einer Sendung nimmt der Zuschauer an, sich informiert oder gar weitergebildet zu haben, tatsächlich hat er sich nur an den Emotionen anderer Menschen erfreut.
Wie in 3.2 bereits angedeutet arbeitet die Talkshow mit den Gefühlen der Gäste. Diese sind sozusagen das Kapital eines jeden "Daily Talks". Je tiefer ein Talkmaster in den Gefühlen der Gäste "herumwühlt", desto interessanter wird es für den Zuschauer, da er unmittelbar die einzelnen Reaktionen, wie Leid, Trauer, Glück usw. erlebt. Die heutige Gesellschaft zeigt aber im normalen Leben keine so heftigen Gefühlsausbrüche, es wird versucht jede Stimmungsschwankung zu maskieren; nur guten Freunden erklärt man warum man in welchem Gemütszustand ist, also nur Personen seines Vertrauens.
Während einer Talkshow werden sehr viele, zum Teil intime Offenbarungen gemacht, wodurch der Zuschauer ein Gefühl des "gebraucht-werdens" bekommt, weil er im Unterbewußten ein Verantwortungsgefühl gegenüber dem Gast aufbaut. Sobald man Wissen über einen anderen Menschen besitzt, könnte man es auch gegen ihn verwenden. Der Zuschauer meint deshalb eine gewisse Verantwortung zu haben. Durch diese Verbindung zwischen Talkshow-Gast und Rezipient kann der Zuschauer wieder einen vermeintlichen Zweck in dem Betrachten der Talkshow sehen.
Die Folge davon ist aber, daß die Zuschauer immer mehr vereinsamen, weil sie die Menge an Emotionen (letztendlich Vertrauen und Verantwortungsgefühl) nur durch die Talkshow bekommen. Das reale Leben kommt den Zuschauern so vor, als würde es ihm Mißtrauen, weil ihnen ein "normaler" Mensch nicht soviel Geheimnisse erzählt, wie sie es aus der Talkshow gewohnt sind. Das hat wiederum zur Folge, daß sich der Zuschauer möglicherweise nur noch innerhalb der "Talkshow-Gemeinde" zu hause fühlen kann, und sich deshalb immer mehr aus dem normalen Leben heraus halten kann und sich zurückzieht. Dies ist allerdings nur bei Extremfällen festzustellen. Jene Personen werden von ihrer Umwelt häufig nicht respektiert, sie suchen deshalb in der Talkshow wieder Anschluß an die Gesellschaft.
Generell kann man feststellen, daß sich Menschen, die viel Zeit vor dem Fernseher verbringen, also auch mehr Talkshows anschauen, sich öfters von der Gesellschaft distanzieren, als Menschen die entweder nur ausgewählte Sendungen betrachten oder erst gar kein Fernsehgerät haben.
Für den Erfolg der Nachmittags-Talkshows gibt es noch weitere Gründe. Einer davon ist bereits vor gut 2000 Jahren von dem dichter Lukrez aufgeschrieben worden: "Süß ist's, anderer Not bei tobendem Kampfe der Winde / Auf hochwogigem Meer vom fernen Ufer zu schauen." Lukrez hat in diesem Gedichtsauszug bereits den wichtigsten Grund für das Gelingen des Genres der Talkshow aufgeschrieben. Die Zuschauer freuen sich, daß es noch Jemanden gibt, dem es schlechter geht, als ihm selbst. Dies erfüllt den Zuschauer mit dem Gefühl des "zufrieden seins", weil er weiß, daß es ihm genauso gehen könnte wie der erzählenden Person. Es entsteht also eine Identifikation mit dem Gast. Der Rezipient läßt sich von dem realen Leben ablenken, indem er in die fiktive Welt des Talkshowgastes einsteigt, dabei muß es, oder soll es ihm nicht einmal bewußt sein, daß er sich an einer Scheinwelt vergnügt.
Der Zuschauer erhält mit dem Medium Fernsehen die Möglichkeit die Alltagsprobleme zu vergessen. Dies geschieht durch Spielfilme, Komödien und besonders durch Nachmittags-Talkshows, weil bei diesem Genre die Emotionen besonders hervorgehoben werden. Dazu kommen Themen, von denen der Rezipient zwar angesprochen wird, aber selten selbst davon betroffen ist, doch prinzipiell davon betroffen sein könnte. Dadurch wird eine besondere Nähe zwischen den Talkshowgästen und dem Zuschauer hergestellt. Gerade auch weil Personen auftreten, die alles selbst miterlebt haben und nicht irgendein Reporter, der die Story auch nur über Dritte erfahren hat. Der Zuschauer ist in das Geschehen involviert, durch unmittelbare Nähe zu den Agierenden. Das ist auch der Unterschied zwischen der Unterhaltung, die zum Beispiel ein Spielfilm bietet. Der Zuschauer eines Spielfilmes weiß im allgemeinen, daß er einen gespielten Film anschaut, bei einer Talkshow dagegen verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion.
Im folgenden wird erklärt wie die Beteiligten der Sendungen, die erfolgversprechenden Gründe in die Realität umsetzen. Betrachtet wurden hierfür primär folgende Nachmittags-Talkshows: Arabella, Pro7; Ilona Christen, RTL; Hans Meiser, RTL und Jürgen Fliege, ARD. Im speziellen wurde auf folgende Dinge geachtet: Sendeumfeld, Moderatoren und Gäste. Da nur geringfügige Differenzen zwischen den Talkshows bestehen, wurde auf eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Sendungen verzichtet.
Bei Fernsehshows mit Publikum, ist es im allgemeinen üblich, daß Bühne und Zuschauer voneinander getrennt sind. Das Bühnenbild endet seitlich spätestens bei der ersten Zuschauerreihe. Zwischen Bühne und Betrachter befindet sich eine Freifläche, die dazu dient, die Stativkameras bewegen zu können. Dieser Freiraum stellt eine gravierende räumliche Trennung von Zuschauer und Bühnengeschehen dar.
Bei Nachmittags-Talkshows ist dies anders. Der Zuschauer soll voll und ganz mit in das Geschehen auf der Bühne involviert werden. Es gibt keinen separaten Zuschauerraum, sondern nur eine große Bühne mit den Gästen dem Publikum und den Kameras. Dies ist auch daran zu erkennen, daß die Kulisse sich nicht nur vor den Zuschauern befindet, sondern es (das Publikum) umschließt. Das Bühnenbild ist rundherum geschlossen, dadurch werden die Zuschauer animiert, sich in die Diskussion mit einzubeziehen. Sie sollen sich aktiv durch Fragen, Kommentare und Kritiken an der Handlung beteiligen.
Die Kameraführung unterscheidet sich von herkömmlichen Unterhaltungsshows durch folgende Dinge:
Bei "Daily Talks" werden bevorzugt Handkameras statt den sonst üblichen Stativkameras verwendet, dadurch ist eine größere Bewegungsfreiheit bei der Kameraführung gegeben. Somit kann jede Person im Studio anvisiert werden, um ihre Emotionen der Zustimmung, Ablehnung oder des Mitleids einfangen zu können. Auffallend ist auch die große Anzahl der Nahaufnahmen der Personen im Studio, die dem Rezipient Nähe zu der Handlung suggeriert. Mit diesem Mittel versuchen die Produzenten Emotionen bei dem Fernsehpublikum zu wecken. Sehr häufig werden Schwenks über die Zuschauerreihen gezeigt, damit die allgemeine Zustimmung oder Ablehnung des Studiopublikums für den Fernsehzuschauer ersichtlich ist.
Folgend wird das Verhalten der Moderatoren während der Sendung erklärt, dabei werden die Moderatoren nicht als Privatmenschen charakterisiert, sondern es wird ihre Rolle in der Talkshow betrachtet und dargestellt.
Arabella Kiesbauer ist eine Talkmasterin, die bei jedem Thema und jeder Problematik ihre eigene Meinung mit einbringt. Sie verhält sich während einer Sendung immer parteiisch, wodurch sie Gefahr läuft, durch dieses Verhalten von einigen Gesellschaftsgruppen ablehnend betrachtet zu werden. Jedoch hebt sie sich dadurch von den anderen Talkmastern ab und gewinnt somit neue Zuschauer.
Desweiteren ist es ihr wichtig, ihren Gästen helfen zu können, wie zum Beispiel alte Freundschaften wiederzufinden oder sie bietet ihre Hilfe bei der Suche nach den Eltern eines Adoptivkindes an. Dadurch erreicht sie bei den Zuschauern einen Freundschaftsstatus - besonders bei den Jüngeren.
Ilona Christen versucht während ihrer Sendung nicht parteiisch zu sein. Sie hat nur die Aufgabe die Gäste und die Diskussion zu führen. Dies versucht sie jedoch auf eine unterhaltsame und humorvolle Weiße zu tun. Das Gesprächsformat ähnelt mehr einem Interview, als einer (kontroversen) Diskussion. Ilona Christen sitzt zusammen mit ihren Gesprächspartnern auf einem kleinen Podium. Ihre recht statische Sitzhaltung zeigt, daß für sie der Kontakt zum Publikum nicht so wichtig ist wie es für andere Talkshows typisch ist, tatsächlich bezieht sie das Studiopublikum sehr selten bis gar nicht mit in das Gespräch ein.
Hans Meiser ist die einzige Talkshow, die fast jeden Tag in der Woche live auf Sendung geht. Dadurch können während der Sendung auch die Fernsehzuschauer ihre Meinung per Fax oder Telefon kundtun. Hans Meiser räumt diesen Kommentaren aber nicht sehr viel Zeit in seiner Sendung ein. Viel mehr arbeitet Meiser mit seinem Publikum, indem er einzelne Zuschauer nach ihrer Meinung fragt, oder auch freiwillige Wortmeldungen unmittelbar berücksichtigt. Seine Nähe zum Publikum demonstriert er auch durch sein Aufenthaltsort während der Sendung, er steht fast immer im Publikumsraum, was ab und zu seine konträre Meinung zu dem Gesprochenen auf der Bühne vermuten läßt. Meiser neigt oft dazu seine eigene Meinung in Form von Witzen auf Kosten der Gäste zu verkünden. Dies ist wohl auch einer der Gründe für seinen großen Erfolg.
Jürgen Fliege hat vergleichsweise wenig Gäste pro Sendung, für diese hat er aber sehr viel Zeit. Fliege versucht jedem Gast gerecht zu werden, das heißt, er hat für jeden soviel Zeit, wie er für richtig hält. Eine Stärke von Fliege ist es, den Gästen ein Gefühl des Vertrauens zu vermitteln, hierbei ist ihm seine Rolle als Zuhörer sehr nützlich. Er hört sich in aller Ruhe die Probleme seiner Gäste an und gibt seine Meinung erst kund, wenn er sie sich wohl überlegt hat. Das Format dieser Sendung erinnert mehr an den Portrait-Talk, als an eine Typische Nachmittags-Talkshow, da Fliege jeden Gast nacheinander befragt und nicht wie viele andere Talkshows eine kontroverse Diskussion provozieren will. Sehr oft hat er neben seinen eigentlichen Gästen noch Fachleute und Spezialisten, die bei Bedarf zu rate gezogen werden können.
Erklärung: Bei Arabella ist das Thema Familie zu ca. 8 % vertreten, das Thema Sex zu ca. 15 %.
Eine Studie zum Thema "Affektfernsehen" (Sendungen in denen einzelne Menschen bzw. Einzelschicksale im Mittelpunkt stehen) umfaßt folgende Kernpunkte bezüglich den Gästen und ihren Gründen in einer Talkshow aufzutreten.
Selbstdarstellung und eventueller Nutzen für ihre Zukunft
Die Gäste erhoffen sich durch ihren Auftritt mehr Respekt und Ansehen in ihrem unmittelbaren Personenumfeld.
Versuch mit der Talkshow persönliche Probleme zu lösen (Schüchternheit, Streßsituationen bewältigen)
Oft wird den Gästen suggeriert, sie können ihre Phobien, durch eine Talkshow verlieren. Diese Schocktherapie wirft aber oft mehr Probleme auf, als sie löst.
Anschluß an die Gesellschaft finden
In einer Talkshow, scheint sich das Publikum und besonders der Moderator für die Geschichte des Gastes zu interessieren, das ermutigt ihn an einer Talkshow teilzunehmen, weil der Gast sich dadurch erhofft, wieder Anschluß an die Gesellschaft zu finden.
Appelle an einzelne, bekannte oder unbekannte Personen oder Gruppen richten
Viele Gäste wollen einfach nur auf etwas aufmerksam machen, zum Beispiel auf einen Komet, der auf die Erde stürzt oder auf etwas ernsthafteres wie zum Beispiel auf das Walsterben oder die Atomkraftrisiken. Diese Personen finden durch die Talkshow eine Möglichkeit, sehr viele Menschen anzusprechen.
Vergeltung oder Rache an anderen Personen
Themen wie: "Du hast mich betrogen" oder "Ich bin doch nur eure Putzfrau" zeigen dieses Motiv, Diese Gäste wollen im Rahmen der Sendung einen Menschen blamieren, der oft zunächst als Zuschauer eingeladen wurde, um dann der Person gegenübergestellt zu werden, die ihm dann Vorwürfe und Anschuldigungen macht. Der Vorteil sich auf diesem Wege an Personen zu rächen, ist es, daß meist das gesamte Publikum hinter einem steht.
Trend: "Talkshowgast - Dabei sein ist alles!"
Wenn der bisherige Trend sich fortsetzt, wird, statistisch gesehen, bis zum Jahre 2002 jeder vierte Bundesbürger an einer Talkshow teilgenommen haben. Man ist also schon fast ein Außenseiter, wenn man noch nicht einen Talkshowbesuch nachweisen kann. Außerdem haben viele Spaß daran, sich einfach mal in eine andere Person zu versetzen, um dem Publikum irgendwelche fiktiven Geschichten zu erzählen, die es dann auch noch glaubt.
"Entschädigungszahlung" in Höhe von bis zu 1500 DM
Einige Gäste nehmen an einer Talkshow nur Teil um damit etwas Geld zu verdienen. Zu den 1000 bis 1500 DM kommt meistens noch ein kostenloses Wochenende in der Großstadt, wo die Sendung produziert wird. Eine Talkshowproduktion ist praktisch ein bezahlter Kurzurlaub in einer Großstadt. Aus diesem Grund gibt es schon regelrecht "Talkshow-Pendler" die schon ziemlich an allen Talkshows teilgenommen haben, die es gibt.
Nach Betrachtung einiger Talkshows kann man zwei Grundtypen der Teilnehmer unterscheiden, der erste ist praktisch der Nachbar von Nebenan, allerdings mit einem Macken (Er muß jeden Tag sein Auto waschen) oder einem Schicksalsschlag (Arbeit verloren, Haus verloren,). Der Zweite ist ein kurioser, teilweise Verrückter und dem spießbürgerlichen Leben fremder Mensch. Beide übernehmen in der Maschinerie "Talkshow" bestimmte Aufgaben. Während der erste eine Nähe zum Zuschauer, durch Identifikation und Mitleid (vgl. 3.4) herstellen soll, dient der Zweite dazu, dem Zuschauer zu zeigen, daß er (der Zuschauer) eigentlich ein ganz normaler Mensch ist, der einen viel besseren Status in der Gesellschaft genießt, als der Gast. Diese Aufgabe übernehmen oft Punks, Wohnungslose, Weltenbummler und noch vor einigen Jahren auch Schwule und Lesben.
Was passiert mit den Talkshow-Gästen, wenn sie ihre Geschichte erzählt haben und die Aufzeichnung beendet ist? Diese Frage stellt sich der Psychologe Colin Goldner, der sich auf die Behandlung von "Talkshow-Opfern" spezialisiert hat.
Er stellte fest, daß dem Gast schon im Vorfeld eine außergewöhnliche Aufmerksamkeit zukäme, zum Beispiel durch telefonische Vorabsprachen und manchmal auch ein Casting-Team, welches zu Besuch kommt und die Gäste interviewt. Vor Sendebeginn steigert sich der Druck enorm, nicht enttäuschen zu wollen (der Sender hätte viel Geld investiert, Flug- und Hotelkosten wurden bezahlt). Während der Sendung ließe die vermeintliche Nähe der Moderatoren vorhandene Hemmungen schwinden. Die Gäste hätten das Gefühl, man interessiere sich für ihre Geschichte und ihr Problem. Ihnen fiele der schlagartige Wechsel von teilnahmsvoll zugewandter Mine zu schlagartigem Desinteresse während der Werbepausen nicht auf. Nach der Aufzeichnung wechsele der Moderator kein Wort mehr mit seinen Gästen.
Der Talkgast hätte mit Betreten des Studios keine Chance mehr, sich dem Geschehen zu entziehen: Schminken, Frisieren, Mikrofonprobe, Kameraprobe, Regieanweisungen, Moderatoren-Gespräch.
Goldner argumentiert weiter, die Gäste würden während der Sendung mit der Meinung des Publikums konfrontiert. Oft würden sie erst hier erfahren, welche Meinung zum Thema andere Gäste vertreten. Auf jede Publikumsäußerung müsse der Gast reagieren, Schutz biete auch der Moderator nicht.
Nach der Sendung beurteilten die meisten Gäste ihren Auftritt als positiv und versprechen sich erhöhte Anerkennung im Bekannten- und Arbeitskreis. Doch es gebe keinerlei Unterstützung für Talkgäste, die langsam merken, viel zu viel oder viel zu Intimes preisgegeben, sich und andere entblößt oder zum Narren gemacht zu haben. Sie müssen damit leben, vor Millionenpublikum ihre Probleme und ihr Privatleben zur Schau gestellt zu haben. Die "Talkshow Therapie", also die Möglichkeit mir der Talkshow Probleme zu bewältigen, schlägt fatal ins Gegenteil um, wenn keine wirkliche Auseinandersetzung stattfindet und die fehle bei den Daily-Talks.
Wenn Talkshow-Gäste vor einem Millionenpublikum scheinbar freiwillig über intimste und schmerzhafteste Dinge redeten, würden sie zu Folgendem verführt: Es werde ihnen vorgegaukelt, derlei Selbstentblößung habe befreiende oder heilsame Wirkung. In Wahrheit diene sie nur der Quote. Talkmoderatoren seien weder Seelsorger noch Therapeuten, auch wenn sie sich gerne als solche verhalten. Sie haben keinerlei medizinisch-psychologische Schulung, die sie befähigen würde, Grenzen zu erkennen.
Öffentliche Untersuchungen zu dem Zuschauerprofil eines Talkshow Zuschauers sind uns nicht bekannt, dennoch kann man durch die Werbung, die während den Talkshows ausgestrahlt wird, Rückschlüsse auf die Zuschauer ziehen. Die Werbeagenturen geben viel Geld für Studien aus, die die Zuschauerprofile einzelner Sendungen aufzeigen. Mit Hilfe dieser Studien werden die einzelnen Werbespots zielgruppengerichtet plaziert. Die große Anzahl von Kosmetik- und Lebensmittelwerbung läßt die Vermutung zu, daß besonders viele Hausfrauen und Alleinstehende (erkennbar an der Werbung für Fertiggerichten für eine Person) den Fernsehnachmittag mit den Talkshows verbringen.
Abschießend kann man sagen, daß Nachmittags-Talkshows einzig und allein den Sinn haben, möglichst viele Menschen zu animieren die täglichen Talkshows zu sehen, um die Einschaltquoten, respektive die Gewinne der Sendeanstalten in die Höhe zu treiben. Hierbei wenden die Produzenten viele psychologische Grundlagen an, die im schlimmsten Fall eine psychische Abhängigkeit des Rezipienten hervorrufen können. Hier wäre etwas mehr Verantwortung gegenüber den Gästen seitens der Produzenten dringend Notwendig.
Ansonsten sollte man die tägliche Flut der Talkshows entweder gar nicht ertragen, oder mit Humor wie es zum Beispiel Oliver Kalkofe, Mediensatiriker, tut:
"Ohne unsere täglichen Vor-, Während- und Nachmittags-Talkshows wüssten wir gar nicht, wie furzlangweilig und erschreckend uninteressant doch das Leben der anderen ist und wieviel kleine geile Latex-Teufelchen in der Hirnschale des durchschnittlichen Filialstellenleiters schlummern. Daily Talks, wie man das serienmäßige Schwachsinns-geschwafel gern cool in der Branche nennt, sind schließlich dazu da, damit genau die uninteressanten Fusselfressen sich für umsonst mal so richtig einen ablabern dürfen, die sich einen teuren Therapeuten oder Friseur sonst nicht leisten können."
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