Zusammenfassung Denken und Problemlösen: Hussy: Allgemeine I
Gegenstand, Methode und Geschichte
Gedächtnisspanne: Anzahl von Zeichen, die bei einmaliger Präsentation korrekt wiedergegeben werden können (im Durchschnitt 7 Zeichen)
In Streßsituationen: kognitive Leistungsmöglichkeiten stark eingeengt (bei Männern stärker), siehe Verschiebeaufgaben S. 12
Gegenstand: geistige Vorgänge die
a) zielgerichtet sind
b) nicht allein auf das Erkennen und Endecken von Reizen beschränkt sind
c) nicht allein auf Speichern oder Abrufen von Fakten aus Gedächtnis beschränkt sind
d) Verarbeiten von Fakten erforderlich machen
= Verarbeiten von Informationen im Sinne ihrer zielbezogenen (Neu-)Verknüpfung
Ziel:
a) Beschreibun g und Erklärung der Phänomene
b) allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten finden
Kennzeichen von Denk und Problemlöseprozeßen:
a) vielschichtige, komplexe, geistige Abläufe
b) nicht direkt beobachtbar (intern im Individuum)
c) Prozeß wird erlebens- und verhaltenswirksam
d) Problem: zwischen Ausgangs- und Zielzustand gibt es Barriere => sonst Aufgabe
Methoden:
Selbstbeobachtung (Vp kommentiert ihr Tun = Verbaldaten)
Retrospektion: Vp berichten danach
lautes Denken
Fremdbeobachtungsmethode (Extraspektion): Zeitdauer oder Güte wird gemessen => Schlußfolgerungen
Experimentieren: Kausalaussage (Ursache)
Computersimulation, kognitive Modellierung
Geschichte:
Philosophischer Ursprung: Aristoteles unterscheidet
a) die Idee (Gedanke)
b) die Assoziation (Verbindung): 3 Prinzipien der Bildung:
Kontiguität (Garten,Pflanzen), Ahnlichkeit (Rose,Tulpe), Kontrast (Tag,Nacht)
Psychologische Anfänge:
psych. Labor in Leibzig, W. Wundt 1879: elementare Wahrnehmungsvorgänge
Strukturalismus: Sinnesempfindungen, Vorstellungen, Gefühle
Ebbinghaus: Untersuchbarkeit höherer geistiger Prozesse
verbales Lernen (sinnfreie Silben), Lern- und Vergessenskurve
Donders: Reaktionszeit (sensorische und motorische Diskrimination)
Behaviorismus:
Watson: Reiz (S), Reaktion (R), Assoziation (-), S-R-Schema
Thorndike: klassisches Konditionieren: Denken = Anwendung des Versuchs- und Irrtumsprinzips, Problemlösen = Veränderung der Reaktionshierarchie
Gestaltpsychologie:
Wertheimer & Köhler: Prozeß des Denkens, ganzheitliche Sicht, defekte (Problem, Ausgangszustand) =>(Überführung (Neu)-Verknüpfung)=> gute Gestalt (Zielzustand), produktives Denken (Aha-Erlebnis)
Beispiele: Neun-Punkte-Problem und Streichholzproblem
Informationsverarbeitung und Kognition
In den 50er Jahren Computer, Hard- und Softwarekomponenten, dazu analog das Modell menschlicher Informationsverarbeitung
1967 Buch von Neisser Kognitive Psychologie => kognitive Wende in den 70ern:
Kognition = Aktivität des Wissens, der Erwerb, die Organisation und der Gebrauch von Wissen
kognitiver Apparat nimmt Informationen aus der Umwelt auf, speichert und verarbeitet sie intern und gibt sie manchmal wieder an die Umwelt zurück
Verarbeitungsschritte folgen nacheinander = Verarb.phasen
kybernetische Betrachtungsweise: auf die Struktur, Funktion, Kontrolle, Steuerung eines informationsverarbeitenden Systems gerichtet - verbindet behavioristische und gestaltpsychologische Sichtweise
Prinzip der kompensierenden (negativen) Rückkopplung: formalisiert durch TOTE-Einheit (Test-Operate-Test-Exit)
Zusammenfassend: im Rahmen der kognitiven Psychologie wird Individuum als ein offenes, kybernetisches System betrachtet und das Auffinden von Gesetzmäßigkeiten repräsentiert den Forschungsgegenstand
MEKIV: Modell zur Elementaren und Komplexen menschlichen InformationsVerarbeitung
Elemente des Systems = Gedächtnisstrukturen, die an kognitiven Abläufen beteiligt sind:
Sinnesorgane SO: Randelement, Schnittstelle, Umwandlungsfunktion, Kommunikation mit Umwelt
Sensorisches Register SR: kurze Speicherung, Infos noch keine Bedeutung (Icone) = ikonisches Gedächtnis
Langzeitged. LG (Epistemische Struktur: Faktenwissen, Heuristische Struktur: Veränderungswissen, Evaluative Struktur): jetzt Bedeutung = Perzepte, nicht erinnern können = Abruf- oder Erinnerungsblockade, nicht vergessen, unbegrenzter Speicherumfang und unbegrenzte Speicherdauer, elaboriertes Memorieren (s. KS)
Zentraler Prozessor ZP: Speichersystem, Bewältigungsstrategien (s.u. Modellprozesse), Kontrolle und Steuerung des Informationsflusses
Arbeitsgedächtnis AG, Kurzzeitspeicher KS: mittelfristige Speicherung (15 - 30 Sek), stilles Wiederholen (oberflächliches Memorieren) vs. elaboriertes Memorieren (Rückgriff auf Wissensbestände im LG)
Motorisches Programmsystem MPS: angeborene und erworbene Bewegungsmuster
Motorik MO: Randelement wie SO
Relationen zwischen diesen Elementen = Fluß der Informationen, Modellprozesse: dabei werden aus Iconen (bedeutungsfreie Information) Perzepte (Begriffe, mit Bedeutung angereichert), Perzeptbildung = Wahrnehmung, unbewußt + automatisch
MEKIV erfüllt Kriterien (s.o.) für Denk- und Problemlöseprozesse und Wahrnehmungs-, Lern-, Gedächtnis-, Denk- und Problemlöseprozesse sind in ihrem Zusammenspiel erkennbar und in Relationen festgelegt.
Forschungsschwerpunkte
Aufmerksamkeit
3.1.1. Informationsselektion
wie relevante und irrelevante Infos in das AG gelangen, Fokussierung der Aufmerksamkeit auf diese Infos führt zu Selektions- bzw. Transfervorgang
Reizselektion: Cocktailparty-Phänomen (dichotisches Hören)
Broadbent (1958): Filtertheorie der auditiven Wahrnehmung (bzw. Reizselektionsmodell): sehr frühe Auswahl einer Nachrichtenquelle (Icon) = Zuwendung von Aufmerksamkeit, Info in Kanal mit begrenzter Kapazität (zu vgl. mit KS), andere Infos werden negiert => nur mit Aufmerksamkeit belegte Info kann verhaltenswirksam werden
Treisman (1960): Cocktailparty-Phänomen: Erkennung des eigenen Namens. Kopfhörer-Untersuchungen. Filter wird durch Dämpfungskomponente ersetzt, d.h. einlaufende Infos werden drei verschiedenen Analysen unterzogen (1. Akustische Signale und physikalische Merkmale, 2. Linguistische Infos, 3. Erkennen von Wörtern und Versehen mit Bedeutung), die ohne Aufmerksamkeitszuwendung ablaufen. Konkurrierende Infos = Distraktoren
Reaktionsselektion
Gegenposition zur Broadbentschen Theorie: auch nichtbeachtete Infos werden vollständig verarbeitet, d.h. alle Reize gehen direkt ins LG und erhalten Bedeutung (Perzeptbildung), und von dort aus ins AG, bei diesem Transfer dann Selektion durch Aufmerksamkeit = später Auswahlvorgang
Langzeitgedächtnis:
Epistemische Struktur: Faktenwissen
Heuristische Struktur: Veränderungswissen
Evaluative Struktur: Bewertungswissen
Faktenwissen:
episodisches Wissen: zeitlich Datiertes und raum-zeitliche Relationen = raum-zeitlicher Kontext
semantisches Wissen: Sprachbenutzung = Bedeutungszusammenhang => Netzwerkmodelle
Netzwerkmodelle: Knoten (Begriffe) und Fäden (Beziehungen)
Wissen ist hierarchisch geordnet
zwei Arten von Relationen: Abstraktheitsrelation (Rotkehlchen ist ein Vogel)
Merkmalsrelation (Rotkehlchen hat eine rote Brust)
= Aktivationsausbreitungsprinzip durch Wahrnehmungsprozesse im SR
Pertinenzmechanismus: (Voraktivierung durch z.B. hohen Selbstbezug, oder durch aktiv/passiv (Erwartung gelbes Auto)) im LG
Aktiv.-br.-prinzip + Pertinenzm. = Aktivationssummation, d.h. je mehr Bedeutung bei Wahrnehmung und je größer die Voraktivierung, desto höher das Aktivationsniveau.
Verschiedene Ergebnisse stützen Auffassung von einer semantischen Vorarbeitung aller Infos. Sie machen aber auch deutlich, daß mit einer unbewußten oder bewußten Verarbeitung spezifische Konsequenzen für darauf aufbauende kognitive Prozesse verknüpft sind: bei unbewußt kein Abruf aus LG möglich und Einfluß auf folgende kognitive Vorgänge geringer. Beide Vorgänge (bewußt und unbewußt) laufen nebeneinander ab, beeinflussen sich, stören sich aber nicht. Dazu Beispiel "Homophone" S. 72.
mentale Kapazität
Kapazitätstheorie: Johnston & Heinz (1978) führten Test zu dichotischem Hören durch (Mehrfachaufgabenparadigma: hören und bei Helligkeitsveränderung Taste drücken): mit zunehmender Schwierigkeit verlängern sich die Reaktionszeiten (zu wenig Aufmerksamkeitskapazität).
Verteilungsinstanz nach Kahneman (1973): Kontrolle und Verteilung von verfügbaren Ressourcen. Im MEKIV wäre Zentraler Prozessor der, der Verteilung übernimmt.
kontrollierte und automatisierte Prozesse
2 Verarbeitungsmodi |
|
intern kontrolliert |
extern kontrolliert |
bewußt |
unbewußt |
kontrolliert |
automatisiert |
mit Intention |
ohne Intention |
Kontrolle im Individuum |
Kontrolle in der Umwelt |
bewußtbar zu machen |
nicht bewußtbar zu machen |
benötigen Aufmerksamkeitskapazität |
benötigen keine Aufmerksamkeitskapazität |
Stroop-Effekt (Stroop 1935): Farbenbenennung rot = Interferenzphänomen, zwei Abläufe stören sich gegenseitig. Farbwort wird gelesen und mit Bedeutung angereichert => Reaktionsbereitschaft (Reaktionsselektionsmodell), läuft automatisch ab. Aber nur das laute Benennen (Ergebnis) interferiert (also viel später!), nicht der Verarbeitungsprozeß. Auch Beispiel Zahlen in Kästchen.
Studie von Spelke et al. (1976): simultanes Lesen und Schreiben: zunächst Leistungseinbußen wegen Kapazitätsdefizit, später anfängliches Niveau überholt, weil zuerst kontrolliert ablaufende Teilprozesse durch Übung automatisiert werden und Kapazität freigesetzt wird.
Aufmerksamkeit im MEKIV
Aufmerksamkeit im Rahmen von MEKIV keine Kapazität, sondern Kontroll- und Steuerungsvorgänge, die die Art und das Ausmaß der Nutzung der verfügbaren Verarbeitungskapazität von AG und KS regeln. = Prozeß, keine Struktur.
Art: bezieht sich auf Qualität der kognitiven Abläufe (was)
Ausmaß: bezieht sich auf Intensität d.k.A. (wie stark)
d.h. nach Kahnemann: ZP = Verteilungsinstanz, KS + AG = Kapazitätsaspekt
Problemlösen
intentionale Prozesse
3.2.1. Problemlösen im MEKIV
strukturelle Komponenten:
Substruktur des LG jetzt HS: Veränderungswissen aus der heuristischen Struktur
Bestandteile des Wissens aus der HS = Operatoren (transferieren, analysieren, vergleichen und abstrahieren Merkmale)
und Substruktur EVS: Bewertungswissen aus der Evaluativen Struktur
Bestandteile des Wissens aus der EVS = Evaluatoren (ermitteln Ist-Soll-Diskrepanz und bestimmen Auswahl und Wechsel von Teil- und Zwischenzielen)
Verarbeitungskapazitäten des KS und AG (ca. 6-9 Einheiten und 15-30 Sek) stehen den Verknüpfungen und Bewertungen der Infos aus Umwelt und/oder ES mittels der Operatoren und Evaluatoren zur Verfügung.
KS: reine Verfügbarhaltung von Infos (Zahlenreihe)
AG: weitergehende Verarbeitung (elaboratives Memorieren)
Prozesse:
SPIV-Modell (Struktur- und Prozeßmodell komplexer menschlicher Informationsverarbeitung) nach Hussy 1983: 4 Phasen (Beispiel Zahlenreihen)
Phase1: Problemdefinition (Lösung spontan lieferbar? Wenn ja, dann Aufgabe, nein, Problem) und Zielkriterienerstellung
Phase 2: Operatorsuche und -anwendung (Überwindung der Barriere, Neuverknüpfung der Infos, Suche nach Operatoren (subtrahieren) aus der HS an den Inhalten des AG (Zahlen) orientiert, Zusammenwirken von KS und AG
Phase 3: Evaluatorsuche und -anwendung: Bewertungsvorgang, Kontrolle des Bewertungsergebnisses, evt. Nochmal zurück zu Phase 1 oder 2, hier auch TOTE-Einheiten deutlich
Phase 4: Output-Steuerung: Ist-Soll-Diskrepanz ist beseitigt, Barriere überwunden, Reaktion = Ausgabesystem AS (im MEKIV = MPS und MO), Rückspeicherung von Wissen in die Subsysteme des LG
strukturelle Komponenten bleiben invariant, nur Steuerungs- und Kontrollprozesse unterscheiden sich in den 4 Phasen = unterschiedliche Systemzustände
Systemzustände werden aus 2 Perspektiven beschrieben:
aus Steuerungs- und Kontrollbefehlen des ZP
dadurch ausgelöster Informationsfluß
Barrieretypen
Interpolationsbarriere: Operationen zur Überwindung sind bekannt (nur Abfolge nicht),
Ausgangs- und Zielzustand bekannt (Verschiebeprobleme, Anagrammprobleme)
Synthesebarriere: Operationen unbekannt, Ausgangs- und Zielzustand bekannt
(Zahlenreihen)
dialektische Barriere: Operationen und Ausgangs- und Zielzustand unbekannt
(verbessere die Lebensqualität deiner Familie)
Fixations- und Kontexteffekte
individuelle und situative Bedingungen, die Einfluß nehmen
Fixierung: verringerte
Verfügbarkeit von einem (einigen) Merkmal(en) eines Begriffs aus der ES =
funktionale Gebundenheit Experiment von Birch & Rabinowitch 1951:
Seilaufgabe: Schalter bzw. Relais wird nur mit "Bauen des Stromkreises" in
Verbindung gebracht (aktiviert), nicht mit "ist schwer". Also: Fixierung eines
Objekts (bzw. seiner begrifflichen internen Repräsentation in der ES) auf sein
wesentlichstes bzw. funktionalstes Merkmal.
Hussy dasselbe Experiment (1984), aber nur Relais oder Schalter und
Lösungszeiten gemessen: diegleichen Ergebnisse.
Und Hussy (1991) Seilaufgabe 1 Woche nach Stromkreis: Fixierung verschwunden.
Verknüpfungsfixierung: verringerte
Verfügbarkeit von Veränderungswissen aus der HS
Experiment von Luchins & Luchins (1950): Wasserumschüttversuch: komplettes,
erfolgreiches Handlungsprogramm wird in der ES abgespeichert = Aufgabe.
Lösungsvorgang ist auf Handlungsprogramm eingestellt = Einstellungsbildung,
d.h. Lösung (Item 8) wird nicht gefunden, weil weitere Lösungssuche sich nur
auf abstrakte Merkmale des erfolgreichen Handlungsprogramms bezieht.
Kontext: kontextbezogenes
Wissen legt die Bildung von Zwischenzielen nahe, das kann sich positiv oder
negativ äußern, je nach Nähe zu objektiver Problemstruktur
Experiment von Jülisch & Krause (1976): Kannibalen-und-Missionaren-Problem:
Kontext "Missionare sind schwach" erzeugt Zwischenziel "Missionare nicht
trennen"
Fixations- und Kontexteffekte wirken unbewußt auf bewußten Teil des Problemlösevorgangs. Sogar der Erwerb erfolgreicher Handlungsprogramme, d.h. bei komplexen kognitiven Abläufen, kann unbewußt sein:
Experiment von Ruhlender (1989): Anagramme lösen
Strategien des Problemlösens
Informationsverarbeitungsstrategie:
regelhaftes, weitgehend bedingungsunabhängiges Vorgehen
dienen dazu, Infos auf Verarbeitungskapazität zu reduzieren
Bewältigung erfolgt durch zielbezogene Zwischenzielbildung
a) algorithmisch: systematisch und erfahrungsunabhängig (evt. länger, aber zielsicher)
b) heuristisch: unsystematisch und erfahrungsabhängig (evt. schneller, aber unsicher)
Experiment von Klix & Rautenstrauch-Goede (1967): Turm von Hanoi-Problem:
zuerst Orientierungsphase (Versuch-Irrtum-Strategie)
dann lokale Strategie: Lösungsplan erarbeiten
globale Strategie: Zwischenziele erstellen und Rückwärtsanalyse (am Ziel orientiert)
Oberschüler besser als Studenten, weil auch Beweisführung von Rückwärtsanalyse und Zwischenzielen profitiert
Ahnliches Beispiel: Experiment von Hussy (1989): Superhirn-Problem: Annäherung an Ziel über Verarbeitung der Rückmeldung (Schlußfolgern). Mögliche Teilstrategien:
Positionsstrategie
Ziffernstrategie
Tiefenstrategie (nur die letzten beiden Rückmeldungen berücksichtigen)
Kreatives Problemlösen und Urteilsprozesse
Spezialfälle des allgemeinen Problemlöseprozesses
kreativ: prinzipiell neu, nicht vertrauter und erfolgreicher Zugang,
nicht die naheliegende Lösung
3 Kriterien zur Unterscheidung zwischen allgemeinem und kreativen Problemlösen:
a) ist selten
b) bezieht sich auf ein umfangreiches bereichsspezifisches Faktenwissen
c) folgt keinem gängigen Lösungsweg
Fixierungen und der kreative Prozeß
Experiment von Duncker (1935): Kerzenproblem
Experiment von Hussy (1992a): modifizierte Version des Kerzenproblems, in der die "Plattformlösung" (Überwindung der Merkmalsfixierung) erzwungen wird. Vpn mit ausgeprägten Fähigkeiten zum kreativen Denken sind viel schneller als Normale (auch bei verstärkter Fixierung). Sie können sich also schneller von Fixierungen lösen und Fixierungen weniger deutlich ausbilden! (Kriterium c)
Pausen und der kreative Prozeß
produktives Vergessen (blockierte Merkmale sind wieder verfügbar) = passive, zeitabhängige Form der Überwindung von Fixierungen
Experiment von Murray & Denny (1969): Kugelproblem: Wechselwirkung zwischen den vier Versuchsbedingungen. Kreative Personen sind ohne Pause erfolgreicher (Lösungsansätze werden durch Pause gestört) als mit Pause und umgekehrt (Fixierungen werden durch produktives Vergessen gemindert)
Unbewußte Vorgänge und der kreative Prozeß
Bisoziationstheorie von Koestler (1964): Lösungsprozeß wird im Unterbewußtsein fortgesetzt, durch systematische Verknüpfung der fraglichen Informationen, bis gelegentlich Verknüpfung zur Lösung gefunden wird (Geistesblitz) = Bisoziationen: neue Verknüpfungen vs. Assoziationen: alte Verknüpfungen. Siehe auch Inkubationsphase in Gestaltpsychologie (Vorbereitung, Inkubationsphase, Verifikation)
Experiment von Hussy (1992b): Anagramme: zeigt Einfluß automatisierter Prozesse auf Lösungsfindung: Bilder mit und ohne Lösungswort (am Rand). Vpn, die unbewußt die Lösungswörter auf den Bildern gesehen hatten, fanden schneller das Lösungswort (d.h. vorher automatisiert verarbeitet = priming)
Heutiger Erkenntnisstand: alle bewußten (intentionalen, kontrollierten) kognitiven Prozesse werden durch vorausgehende und/oder parallel ablaufende automatisierte Prozesse beeinflußt, im allgemeinen wie im kreativen Problemlöseprozeß.
Heuristiken der Urteilsbildung
Heuristik: Methode zur Auffindung neuer Erkenntnisse, dabei verlassen wir uns sehr stark auf Erfahrungen:
a) Repräsentativitätsheuristik (RH)
b) Verfügbarkeitsheuristik (VH)
zu a)
Experiment von Kahnemann & Tversky (1972): Münzwurfbeispiel und Urnenkugeln
RH besagt 1.: typische Beispiele für Ereignisse werden aus dem Gedächtnis abgerufen und in den Vergleich einbezogen
je ähnlicher das Ereignis dem typischen Beispiel ist, für um so wahrscheinlicher wird es gehalten
Vorurteil: gerade beim Fehlen hinreichender eigner Erfahrungen sind wir anfällig für die ungeprüfte Übernahme von typischen Beispielen, weil sie uns helfen, zu Urteilen zu kommen: lieber ein vorschnelles Urteil als Urteilsunsicherheit
zu b)
Vorhersage der Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist an der Leichtigkeit orientiert, mit der Beispiele zu diesem Ereignis abgerufen werden können => das allgemeine Auffinden von Beispielen. Das unmittelbare, anschauliche Erleben bewirkt eine Urteilsveränderung.
In beiden Heuristiken bilden Inhalte der ES die Grundlage zur Überwindung der Barriere.
Ankereffekte:
Experiment von Kahnemann & Tversky (1974): Glücksrad: Obwohl die Vpn wußten, daß es sich um eine zufällig erdrehte Zahl handelte, verwendeten sie sie doch als Anker für ihre Schätzung. Grundlage ist wieder das Faktenwissen. Wenn man Antwort weiß, gibt es keinen Ankereffekt, wenn nicht, können x-beliebige Infos als Anker fungieren.
Komplexes Problemlösen und Intelligenz
3.4.1 Komplexes Problemlösen
Experiment von Dörner et al. 1983: Lohhausenstudie (Bürgermeister)
komplexe Probleme weisen fünf Merkmale auf:
Variablenzahl (z.B. Arbeitszufriedenheit)
Variablenvernetzung
(z.B: hängt die A.z. vom Lohn, Betriebsklima etc. ab) und
Art der Vernetzung, linear und nichtlinear (z.B. steigt A.z. nicht linear mit
Lohn)
Transparenz (Ausmaß der Durchschaubarkeit der beteiligten Variablen)
Eigendynamik (Veränderungen finden ohne Eingreifen statt)
dialektische Barriere, auch "offenes Problem"
Erkenntnisse zu den Unterschieden zwischen guten und schlechten Vpn:
schlechte Vpn "vagabundieren" von Thema zu Thema oder hängen an einem Thema
schlechte Vpn analysieren Umstände schlecht
Schlechte Vpn handeln ad hoc, treffen wenige Enscheidungen und koordinieren sie nicht
s. Vpn zeigen weniger Selbstreflexion und Selbstorganisation
s. Vpn benötigen mehr Infos von außen
s. Vpn zeigen weniger Vorausplanung und Vororganisation
Dörner et al. Faßten sechs verschiedene Erfolgskriterien zu einem gemeinsamen Generalgütekriterium (GGK) zusammen, welches das Leistungsmaß für die Vp repräsentiert.
Ergebnis: es gibt keinen systematischen Zusammenhang zwischen der Leistung im Umgang mit Lohhausen und a) dem Intelligenztest (*siehe3.4.2), b) der Kreativität, c) der Rigidität
Aber Zusammenhänge zeigen sich für die Extraversion (Sammlung von Infos, Transparenz) und der Selbstsicherheit (optimistisch-realistisch, selbstkritisch) mit dem GGK.
Operationalisierungsproblematik: Subjektivität bei der Erfassung der Leistungsvariablen => interne Validität. Keine objektive Erfassung des Leistungsaspekts.
Ist Lohhausen realitätsnah? Kommt man mit solchen Problemen im Alltag in Berührung? Ist Computersimulation angemessen? => ökologische Validität.
Problemlösen und Intelligenz
Experiment von Putz-Osterloh & Lüer (1981): Schneiderwerkstattproblem
Untersuchungsgegenstand: Zusammenhang von Intelligenz und Problemlösen
Hypothese: Intransparenz ist für fehlenden Zusammenhang mit Intelligenz verantwortlich, da Intelligenztests Transparenz aufweisen.
Ergebnisse: Intransparenzbedingung = kein Zusammenhang
Transparenzbedingung = geringer Zusammenhang
Fazit: Intelligenztests erfassen nicht Fähigkeiten zur Problemlösung (z.B. Schaffen von Transparenz)
Durch Bildschirmversion der Instruktion (Funke 1983) oder Katalog möglicher Maßnahmen (Hussy 1991c) erhöht sich Transparenz ebenfalls => Zusammenhang: Operationalisierungsproblematik. Herogene Ergebnisse weiterer Untersuchungen. Je höher Komplexität, desto geringer Zusammenhang.
Deshalb eher wichtig: welche im Intelligenztest erfaßten kognitiven Fähigkeiten sind beim Lösen komplexer Probleme relevant und wie ist da Intelligenzkonzept in die Modellvorstellungen zum menschlichen Denken und Problemlösen zu integrieren.
Dazu Hussy-Experiment 1991c): er läßt das SWS-Problem wiederholt bearbeiten. Einerseits Problemlösegüte (positive und negative Bilanzwerte) und andererseits Intelligenz = Verarbeitungskapazität nach dem Berliner Intelligenzstrukturmodell (BIS) von Jäger 1982.
BIS: Operationen und Inhalte = Intelligenzleistungen
Inhalte: Bilder (figural-bildhaft), Begriffe (verbal) und Zahlen (numerisch)
nach MEKIV ES-Struktur (episodisch vs. semantisch)
Operationen: Bearbeitungsgeschwindigkeit, Gedächtnis, Einfallsreichtum und Verar
beitungskapazität. Nach MEKIV HS-Struktur
Operation K: Intelligenzfaktoren wie räumliches Vorstellungsvermögen, schlußfolgerndes Denken und Rechenfähigkeit. Nach MEKIV Vorhandensein, Verfügbarkeit und Effizienz von Makrooperatoren der HS
Hussy erwartet, daß Vpn mit ausgeprägter Verarbeitunskapazität K Leistungsvorteile haben. Ergebnisse: wie gesagt, hoher Zusammenhang, d.h. bei Vpn mit hohem K geglückte Nutzung der Rückmeldungen durch Erkennen von Regelhaftigkeiten durch schlußfolgerndes Denken (wenn/dann) = K repräsentiert Makrooperatoren aus HS, die zur Reduktion von Infos und Entlastung der Kapazität von KS und AG führen. Je effektiver dieser Makrooperator, desto schneller gelingt das Erkennen von Regelhaftigkeiten und desto ausgeprägter die Reduktion von Infos in den mittelfristigen Speichermedien. Bei Vpn mit geringem K Informationsüberflutung (nach MEKIV Verarbeitungskapazität begrenzt)
Dies nicht nur für komplexes, sondern auch für allgemeines Problemlösen von Bedeutung: Experiment Hussy (1991b) Superhirn und BIS:
Vpn mit hohem K: einzelne schlußfolgernde Prozesse schneller, aber mit zunehmender Anzahl an Rückmeldungen nehmen sie sich mehr Zeit, machen weniger Fehler (ignorieren weniger Infos)
Vpn mit geringem K: sind im KS und AG überfordert und entwickeln Teilstrategien = sie kommen also schneller zu Vorschlägen, aber später ans Ziel
Entwicklungstrends
Wissenspsychologie
methodischer Zugang = Computersimulation (bzw. kognitive Modellierung)
Bücher und Zeitschriften mit cognitive science
Bewußtseinspsychologie
bewußt - unbewußt:
1. bewußt Gedächtnisinhalte: kontrolliert, intentionalisiert (Infos im AG und KS, stehen für Weiterverarbeitung zur Verfügung
2. unbewußte Gedächtnisinhalte: automatisiert, Infos im LG, unbewußte Gedächtnisinhalte, z.T. erinnerbar, aber in kleinen Anteilen
2a. vorbewußte
Gedächtnisinhalte: prinzipiell abrufbar, beeinflussen bewußt ablaufende
kognitive Prozesse
Determinanten der Erinnerbarkeit vorbewußter Gedächtnisinhaltaen (d.h.
Leichtigkeit oder Schwierigkeit der Bewußtmachung):
A: Alter der Information
B: Häufigkeit der Nutzung der Information
C: aktuelle Wahrnehmungs- und Gedächtnisvorgänge
D: der Selbstbezug
je höher der Grad der Voraktivierung durch die genannten Determinanten,
desto leichter sind entsprechende Gedächtnisinhalte zu erinnern und vice versa
= Aktivationssummation
2b. unterbewußte Gedächtnisinhalte: nicht abrufbare Infos, beeinflussen ebenfallsbewußt ablaufende kognitive Prozesse
zu 2a und 2b: Experiment von Kihlstrom (1982): hypnotischer Zustand: Weniger suggestible Vpn konnten Wortliste reproduzieren = vorbewußt. Die hoch suggestiblen Vpn konnten weder Wortliste noch Auftrag erinner: posthypnotische Amnesie = unterbewußt. In beiden Gruppen Infos sehr wohl im Gedächtnis gespeichert, denn fehlerfreie Wiedergabe war vor Auftrag möglich, nur intentionaler Zugriff gelingt nicht. Nach Auflösung der posthypnotischen Amnesie (Zugriffsbarriere) durch ein vereinbartes Zeichen war Erinnern wieder möglich.
Selbstbild, Selbstbezug (autobiographisches Gedächtnis):
Relevanz der wahrgenommenen oder gespeicherten Infos für die eigene Person (Episodisches Gedächtnis immer beteiligt).
Diese episodischen Erfahrungen sind nicht nur an chronologischer (raumzeitlicher) Achse gespeichert, sondern auch hierarchisch organisiert. Die zentralen Größen wie Interessen, Werte, Überzeugungen, Ziele, stellen den relativ stabilen Kern des Selbstbildes dar.
Bewußtsein:
Diese Art des Selbstbildes ist gemeint, wenn wir das Bewußtsein als die räumliche, zeitliche und selbstbezogene Orientiertheit definieren. D.h. nicht nur Infos aus dem AG (bewußt), sondern auch unbewußte (vor- und unterb.) Gedächtnisinhalte mit hohem Grad an Voraktivation zählen dazu.
Zustandsaspekt: Bewußtsein im permanentem Wechsel, alltägliche Veränderungen im normalen Bewußtseinszustand
relativ stabiler Kern: Konstanz im Bewußtsein, Eindruck der Kontinuität und Identität der eigenen Person, veränderter Bewußtseinszustand = Schlaf, Rausch, Hypnose etc.
Bewußtsein bezieht sich auch auf die Qualität der Steuerung und Kontrolle des gesamten kognitiven Systems durch den zentralen Prozessor (ZP). Sie kann sein:
a) rational-zielgerichtet (Normalfall)
b) emotional-zielgerichet (Affektfall, Rausch)
c) assoziativ-ungerichet (Traum, Rausch)
d) fremdbestimmt (Hypnose)
Veränderte Bewußtseinszustände definieren sich damit über Steuer- und Kontrollmerkmale des ZP. Dabei variieren nicht nur Verarbeitungsmodi, sondern Wissenbestände können unterschiedlich verfügbar gemacht werden (in Hypnose oder Traum).
Klinisches Bild der multiplen Persönlichkeiten:
mehrere voll- und eigenständige Unterpersönlichkeiten
extrem isoliertes Nebeneinander verschiedener Selbstbilder
gegenseitig amnestisch
mögliche Ursache traumatische Erlebnisse in Kindheit
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