Warum soll meine Religion die richtige sein?
Vorbemerkung:
Die Jahreslosung 1995 wendet sich an die heidnischen Völker und fordert sie zur Verehrung des einen Gottes JAHWE auf. Damit stellt sich die Frage nach dem 'Alleinvertretungsanspruch' der Religionen. Die folgende Ansprache versucht, dieser Frage nachzugehen, indem sie einen neutestamentlichen Zeugen zu Wort kommen läßt: Paulus. In erzählerischer Form setzt er sich mit diesem Problem auseinander. Sie wurde in der Adventszeit 1993 bei einem Jugendgottesdienst von mir vorgetragen und in ihrer ursprünglichen Form belassen.
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
in das Gewand eines anderen werde ich heute abend schlüpfen. Mein Name ist Paulus. Ihr werdet mich kennen oder habt zumindest von mir gehört oder gelesen: Lukas, der Bibelschreiber hat ja von mir erzählt. Und meine Briefe, ein paar zumindest, haben die Christen in alter Zeit in Euer Bibel- Buch mit aufgenommen.
Ihr lieben Leute geht gerade auf das große Fest der Christen zu. Mitten in den Vorbereitungen zu Weihnachten feiert ihr diesen Gottesdienst. Da, wo sich viele auf das Christfest freuen, so ein Thema: Warum soll meine Religion die richtige sein? Verwirrend für mich und spannend zugleich. Ich dachte, es könnte Euch interessieren, was ich zu sagen habe zu Eurer Frage. Denn in meinem Leben habe ich mich immer wieder damit auseinandersetzen müssen.
Ja, warum soll meine Religion die richtige sein? Zuerst, wenn ich ehrlich bin, war mir das kein Problem. Ein Jude war ich, aus dem Stamm Benjamin, Hebräer von Hebräern, am achten Tag beschnitten, wie alle jüdischen Jungen, aufgenommen in den Bund, den der Gott meiner Väter mit seinem Volk geschlossen hat. Ob es diesen Gott gab oder nicht, das versuchte ich nie herauszufinden. Er existierte. Fraglos. Er hatte seinen Platz im Elternhaus, am Sabbat, bei den Festen, die wir feierten, im Unterricht in der Synagoge.
Unser Gott hatte eine Stimme, und sie sprach aus der Thora, dem Gesetz, wir hörten sie in den Geschichten, die von ihm und unserem Volk erzählten, wir sangen ihm in den tehilim, den Psalmen. Wir beteten ihn an in dem Schemah Israel: Höre Israel: Adonai ist unser Gott. Adonai allein, und er ist einzig. Ihn, den einzigen Gott, sollst du lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, und mit all deiner Kraft. Dein Gott ist eifersüchtig.
Diese Worte habe ich mir ins Herz geschrieben, habe sie in meinen Gedanken bewegt, um sie nie zu vergessen. Daß meine Religion die richtige war, warum sollte ich daran zweifeln? Das Gegenteil war der Fall. Ich wollte sie ernst nehmen, ernster als viele meiner Mitmenschen, die ihn zu einem Sonn- und Feiertagsgott gemacht hatten. Ich wollte ernst machen mit der Forderung, heilig zu sein, weil unser Gott ein heiliger Gott war. So ging ich bei den Pharisäern in die Schule. Lernte, eiferte für meinen eifersüchtigen Gott.
Und doch gab es da auch das andere in meinem Leben: Ich war ein Jude aus Tarsus. Tarsus war eine Hafenstadt, müßt ihr wissen. Als Kind saß ich oft am Hafen, dort, wo man das Mittelmeer riechen kann, den Südwind auf der Haut spüren, der die Frische und das Salz über die Wellen in die Stadt hineintrieb. Das Meer brachte nicht nur gute Luft, sondern auch die Fremden: die Griechen, die Afrikaner, Agypter und Seefahrer aus Cypern, Exoten, Männer mit fremden Gesichtern und fernen Sprachen, mit bunten Kleidern und noch bunteren Gedanken, Kundschafter anderer, fremdartiger Religionen.
Immer, wenn ein Schiff aus dem Hafen ausfuhr, hat mich das Fernweh gepackt. Ich wollte die Welt kennenlernen, erfahren, was andere glaubten und wie andere lebten. Vielleicht lag in diesen vielen Stunden, die ich als Kind am Hafen meiner Vaterstadt verbracht habe, schon der Kern dafür, daß ich später zum weitgereistesten Menschen der Bibel werden sollte. Die Linien meiner Wanderungen und Schiffspassagen durchkreuzen schließlich die Landkarten der ganzen damals bekannten Welt von Ost nach West und zurück. Nun, ganz reicht es noch nicht als Erklärung dafür aus.
II. Laßt mich von Damaskus erzählen. Blinde sehen, Lahme gehen! tönte es damals durch die Landschaften Judas und Galiläas und über die nördlichen Grenzen hinaus. Die Römer hielten die neue religiöse Sekte des Nazareners für eine aufrührerische Gruppe, wir hielten sie schlicht für eine Bande von Gottesleugnern und Feinden unseres Volkes. Alles schienen sie daran gesetzt zu haben, unserem Volk Wunden zu schlagen und die Gemeinschaft der Glaubenden zu untergraben. Demonstrativ hatten sie die Sabbatgebote gebrochen, am heiligsten der Wochentage gebrechliches Volk von der Pest geheilt. In den Straßen erklang das Jubeln und Schreien derer, die sich nach Heilung sehnten. Schamlos, respektlos und ohne jede heilige Scheu erklärten sie, die Thora hätte sich erfüllt und das Ende der Zeiten sei angebrochen.
Die Römer haben den Kopf der Bande ja dann hingerichtet, wie man Gotteslästerer und politische Aufrührer hinrichtet. Doch Ungeheuerliches hat man sich bald darauf erzählt. Er, der Rabbi Joschua aus Nazareth, aus der Familie Davids, sei eingesetzt worden zum Sohn Gottes, auferweckt am dritten Tage, einem gewissen Kephas erschienen, danach auch den zwölf Männern, die sich als konspirative Gruppe in Jerusalem zurückgezogen hatten. Nicht lange darauf seien es gar 500 gewesen, die beim Pfingstfest in Jerusalem außer sich gerieten, weil sie mit unerklärlicher Kraft von oben erfüllt wurden. Der Herr ist auferstanden, hieß es. Und in aller Öffentlichkeit verbreiteten sie die Nachricht, der sagenhafte Josua sei der Messias gewesen, und die bösen Juden hätten den Gesalbten des Herrn umgebracht. Bis nach Damaskus hinaus verbreitete sich die Kunde, Krebsgeschwüren gleich. Laßt sie uns aufspüren und gefesselt nach Jerusalem führen und anklagen! riefen wir und zogen nach Osten. Wir wollen unsere Ruhe haben.
Auf nach Damaskus. Aber ich erreichte die Stadt anders, als ich dachte. Kurz vorher war es mir, als öffnete sich der Himmel. Qualvolles Licht bündelte sich zum Strahl und die Straße glänzte. Saul, Saul, hörte ich rufen, was verfolgst Du mich? Ein Krampf warf mich vom Pferd in den Staub. Wer bist Du? stammelte ich. Wie blind erhob ich mich vom Boden, mühsam und voller Schmerzen: Wer bist Du? Drei Tage aß und trank ich nichts. Quälende Fragen, die nur der Schlaf zur Ruhe brachte. Wer bist Du? Dann kam Ananias und legte mir heilend die Hände auf die Augen. Wer bist Du? fragte ich noch einmal. Und irgend jemand sagte: Ich bin Christus, den du verfolgst. Mach Deine Augen auf. Blind warst du, blind vor Eifer. Bist an dem Gott des Lebens vorbeigegangen und hast ihn zum Erfüllungsgehilfen deiner religiösen Vorstellungen degradiert. ..
Das Leben hatte einen Strich durch meine Pläne gezogen. Blinde sehen, Lahme gehen. Gott hatte mir die Augen geöffnet. Der Gott, der mir das Leben geschenkt hat, offenbarte mir seinen Sohn. Ich lebte, doch nun nicht nur ich, sondern Christus lebte in mir. Doch - was war nun mit meiner Vergangenheit? War mein bisheriges Leben vertan, vergeblich? Was war mit meinem Glauben an den Gott der Hebräer, mit meinen jüdischen Geschwistern? Mit den vielen, denen sich Jesus Christus nicht in den Weg gestellt hatte? Waren sie verloren? Verworfene? Welche Religion war die richtige, die jüdische oder die christliche?
Lange Jahre brauchte ich, bis ich für mich eine Antwort darauf fand: Die Zusagen, die Gott den Juden gegeben hat, können nicht hinfällig geworden sein. Gott steht dazu (Röm. 6,9). Auch wenn Gott durch seinen Sohn allen seine Liebe gezeigt hat. Wenn Gott einem Menschen seine Gemeinschaft anbietet, dann widerruft er dies nicht (Röm. 11,29). Gott hat verschiedene Wege, um zu uns zu reden. Jesus hat deutlich gemacht, daß Gottes Worte allen Völkern und Nationen (Röm. 9,30) gelten. Schließlich hat Gott alle Dinge geschaffen, alles besteht durch ihn und in ihm haben sie ihr Ziel (Röm. 11,36).
Juden oder Christen? Ich war Christus begegnet. Er hat mich zu seinem Boten gemacht. Und ich habe mich von ihm rufen lassen. Mit einmal war mir bewußt geworden, daß ich bisher noch nicht begriffen hatte, was der Glaube an Gott bedeutet. Ich meinte, ich müßte es ihm recht machen, indem ich für ihn eiferte. Jetzt weiß ich, daß ich durch Gottes Barmherzigkeit bin, was ich bin. Er hat mir das Leben gegeben. Ich bin für ihn wichtig. Nicht wegen meiner guten Taten oder meines vorbildlichen Lebenswandels. Sondern weil er mich liebt. Deshalb habe ich mich auf den Weg gemacht, um diese gute Nachricht weiterzutragen.
III. Aber noch einmal mußte ich dabei dazulernen. Juden oder Christen, das war nur ein Anlaß, über die Religionen nachzudenken. Da kam nämlich auch noch Athen! Eigentlich war die Hauptstadt der Griechen nur als Durchgangsstation zwischen Thessaloniki und Korinth gedacht gewesen. Doch kaum, daß ich sie betreten hatte, schlug sie mich in den Bann. Was für eine Stadt! Dichter, Denker, Wissenschaftler, Künstler - Sokrates und Plato, Aristoteles und Homer, die großen Dramatiker! Was für eine Welt! Noch nie war mir so bewußt geworden, welcher Geist, welche Kultur sich in dieser Stadt der Dichter und Denker versammelten. Auf dem Weg zur Akropolis rechts und links Altäre, viele für unbekannte Götter, deren Zorn man sich nicht zuziehen wollte. Lärm aus den Markthallen, neugierige, bildungsbeflissene Menschen, Philosophen und Philosophenschulen. Da war sie wieder, die Welt meiner Kindertage mit ihren fremdartigen Gedanken, mit ihrem bunten Leben. Neugierig schloß ich mich den Leuten auf dem Marktplatz an. Stoiker nannten sich einige, andere nach dem Philosophen Epikur. Und viele interessierten sich für meine Gedanken, die 'neue Lehre'. Manches klang fremd für sie und sie wollten gerne mehr darüber wissen.
Nach Art der Philosophen begann ich zu reden: 'Ihr Männer von Athen, ich habe gemerkt, daß ihr die Götter hoch verehrt. Ich bin durch eure Stadt gegangen und habe mir eure heiligen Stätten angesehen. Dabei habe ich einen Altar entdeckt mit der Inschrift: "Für den unbekannten Gott". Diesen Gott, den ihr verehrt, ohne ihn zu kennen, will ich euch jetzt bekannt machen. Es ist der Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was darin lebt. Als Herr über Himmel und Erde wohnt er nicht in Tempeln, die von Menschen gebaut werden.Meint nicht, die Gottheit sei den Bildern gleich, die ihr euch von ihnen macht. Er ist jedem von uns nahe; denn durch ihn leben, handeln und sind wir. Und Gott hat sich uns gezeigt, in einem Menschen, seinem Ebenbild. Ihn hat er vor aller Welt ausgewiesen, indem er ihn vom Tod erweckt hat.'
Als ich von der Auferstehung redete, lachten einige und spotteten. Andere meinten, ich würde neue Götter verkündigen. Sie ließen mich nicht mehr zu Wort kommen. So ging ich schweigend aus ihrer Mitte, aufrecht und ruhig, als berührte mich das nicht. Nicht aus eigener Kraft und Stärke, nicht aus Überheblichkeit und Besserwisserei, sondern als spürte ich den namenlosen Mann, den ich verkündet hatte, an meiner Seite. Später erzählten sie mir, daß einige meinen Worten vertrauten und Christen wurden. Gott ist jedem von uns nahe. Mit allen Menschen dieser Erde waren die Athener auf der Suche nach dem unbekannten Gott. Doch der hat uns Menschen besucht. Er hat Hand und Fuß bekommen in jenem kleinen Kind von Bethlehem, in dem Prediger vom See Genezareth, in dem Aufrührer am Kreuz. Und er wirbt um unser Vertrauen.
IV. Warum soll meine Religion die richtige sein? Ich habe lernen müssen, daß es viele Arten gibt, Gott zu verstehen. Als ich ein Kind war, dachte ich wie ein Kind von Gott, redete wie ein Kind, fühlte wie ein Kind. Als Mann mußte ich viele meiner liebgewordenen Vorstellungen ablegen. Mir wurde bewußt, daß wir Gott nie ganz begreifen werden, solange wir leben. Unser Erkennen ist Stückwerk. Wie in einem trüben Spiegel sehen wir Gott, unvollkommen, wie wir Menschen sind. Aber ich freue mich auf den Tag, an dem wir Gott gegenüberstehen und ihn erkennen werden, so wie er uns jetzt schon kennt (1.Kor 13,11-12).
Jugendpfarrer Wolfgang Sönning, Esslingen
Im Angesicht der Trümmer der Jerusalemer Tempelmauern entstehen nach 587 die Klagelieder. Man wird sie später dem Propheten Jeremia zuschreiben. Das dritte Lied, aus dem unsere Jahreslosung genommen ist, erzählt von dem Unheil, das den Menschen widerfahren ist. In 66 Versen klagt eine Unbekannter (der Vorbeter der Gemeinde?) Gott seine Einsamkeit. Er klagt seine "Not und Unrast". Wie ein Feind bei der Belagerung einer Stadt die Sturmmaschinen und Rammböcke aufbaut, so umbaut und umgibt Jahwe den Leidenden mit Gift und Mühsal. Er ist ein Gefangener, eingemauert und an schwere KettenIgelegt. Alles Schreien und Rufen ist sinnlos. Jeder Zugang nach außen, selbst der Zugang zu Gott ist versperrt. Doch im Gebet zeigt er sich bereit, Buße zu tun und umzukehren, alle nationale und religiöse Überheblichkeit hinter sich zu lassen und auf Gottes Eingreifen zu hoffen. Er erinnert sich an die vergangenen "Gnadenerweise" Gottes, an die Güte, die Gott seinem Volk in der Vergangenheit erwiesen hat. Täglich neu wendet Gott seine Güte den Menschen zu. Unumstößlich ist die Barmherzigkeit Gottes. Darauf ist Verlaß. Auch in Zukunft. So zeigt der Sänger der versammelten Gemeinde den Weg zur Überwindung ihres Leids auf: Im neuen Vertrauen auf die Hilfe Gottes.
3/1 Ich bin der Mann, der Elend sah durch die Rute seines Grimmes. 3/2 Mich trieb er weg und ließ mich gehen in Finsternis und ohne Licht. 3/3 Nur gegen mich wendet er immer wieder seine Hand, jeden Tag. 3/4 Verfallen ließ er mein Fleisch und meine Haut, zerbrach meine Knochen, 3/5 umbaute und umgab mich mit Gift und Mühsal. 3/6 Er ließ mich wohnen in Finsternissen, wie die Toten der Urzeit.
3/7 Er ummauerte mich, daß ich nicht herauskann; er legte mich in schwere, bronzene Ketten. 3/8 Auch wenn ich schrie und um Hilfe rief, verschloß er [sein Ohr vor] meinem Gebet. 3/9 Er vermauerte meine Wege mit Quadersteinen, kehrte meine Pfade um.
3/21 [Doch] dies will ich mir in den Sinn zurückrufen, darauf will ich hoffen:
3/22 Ja, die Gnadenerweise des HERRN sind nicht zu Ende, ja, sein Erbarmen hört nicht auf, 3/23 es ist jeden Morgen neu. Groß ist deine Treue. 3/24 Mein Anteil ist der HERR, sagt meine Seele, darum will ich auf ihn hoffen. 3/25 Gut ist der HERR zu denen, die auf ihn harren, zu der Seele, die nach ihm fragt. 3/26 Es ist gut, daß man schweigend hofft auf die Rettung des HERRN.
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1977 beginnt die englische Popgruppe Pink Floyd mit der Arbeit an dem ehrgeizigsten und vielseitigsten Multimediaprojekt seit Pete Townshends Bühnenshow Tommy, mit der Arbeit an The Wall. Es wird die Geschichte des Jungen Pink Floyd, der als Kind seinen Vater im zweiten Weltkrieg verloren hat - eine Tragödie, die nicht nur das Leben des Komponisten Roger Waters betraf, sondern auch das Leben vieler Engländer seiner Generation überschattete. Die erstickende Liebe der Mutter, ein unmenschliches Bildungssystem, die Heirat mit einer treulosen Schlampe und der Zwang zum Erfolg in der Rockmusikszene machen sein Leben unerträglich. Die Folge: Je schlechter die Erfahrungen in seinem Leben, desto mehr zieht er sich in sich zurück und fügt der "Mauer", die sie um ihn aufgebaut haben, einen weiteren Stein hinzu. "Good bye cruel world, I'm leaving you today, Good bye all you people, there's nothing you can say to make me change my mind," singt Pink am Ende des ersten Teils der Bühnenshow, völlig eingemauert in den Steinen seiner Vergangenheit.
In der zweiten Hälfte vollzieht sich Pinks endgültiger Zusammenbruch und seine "Auferstehung" zu einem wunderbar einfühlsamen Menschen. Der halluzinierende Popstar Pink wird von einem Arzt mit einer Spritze zu neuem Leben erweckt. Er taucht hinter der Mauer auf und marschiert im Stechschritt über die Bühne. Rassistische Parolen und "Hammer! Hammer!" - Rufe erfüllen die Bühne bis die Mauer des Rock n' Roll Demagogen zusammenstürzt: "All alone, or in twos, the ones who really love you, walk up and down outside the wall."
Zum absoluten Hit von The Wall wurde der der Song Another brick in the wall. Bereits eine Woche nach der Veröffentlichung 1976 führte er die Charts an und war bereits in über 340 000 Exemplaren verkauft worden. Er wurde zugleich einem der umstrittensten Songs der Popgeschichte. Südafrika hat das Lied zur Hymne der Widerstandsbewegung im landesweiten Schulboykotts erkoren. Die staatliche Zensurbehöre reagierte mit einem Verkaufs- und Sendeverbot. Auch in den USA boykottierten die TOP-Forty-Sender im Großraum Los Angeles den subversiven Hit. Hier der Text:
Part 1
Daddy's flown across the ocean
leaving just a memory
a snapshot in the family album
Daddy what else did you leave for me
Daddy what d'ya leave behind for me
All in all it was just a brick in the wall
All in all it was just a brick in the wall.
Part 2
We don't need no education
we don't need no thought control
no dark sarcasm in the classrooms
teachers leave the kids alone
all in all it's just another brick in the wall
all in all you're just another brick in the wall.
Part 3
I don't need no arms around me
I don't need no drugs to calm me
I've seen the writing on the wall
don't think anything at all
all in all it was just a brick in the wall
all in all you were all just bricks in the wall.
Hans-Joachim Kraus, Biblischer Kommentar Band XX, Klagelieder (Threni), Neukirchen 1968
Nicholas Schaffner, Pink Floyd, München 1994
Na, habt ihr's im Griff? Euer Leben, meine ich? Klar, wie kann ich fragen. Wenn euch jemand in die Quere kommt, saust ihr wie der Terminator durch die Weltgeschichte und sorgt für Gerechtigkeit! Wenn jemand eine freche Lippe riskiert, kassiert er silvester-stallon-mäßig einen Haken. Wenn die Mathearbeit verhagelt ist, zeigt ihr eurem Lehrer eure kalte Schulter und macht euren Mitschülerinnen klar, daß es im Leben wichtigere Dinge gibt. Wenn euch jemand blöde Kuh nennt, zuckt ihr mit den Achseln. Ihr seid ja obercool. Nur, wie's drinnen aussieht, das darf euch niemand fragen. Wenn euch die Tränen in den Augen stehen, dann darf das niemand wissen. Wenn euch ein Klos im Hals sitzt, schluckt ihr den selber runter. Ihr seid ja cool. Ihr strahlt wie die Boys und Girls im Quelle Katalog, immer gut drauf. Daß das Leben ganz anders ist, wissen wir alle. Aber keiner zeigt es. Muß das so sein? Manchmal habe ich den Eindruck, wir laufen wie die Heman- und Barbiepuppen in der Welt herum, mit steinernen Gesichtern, leblos wie in einer Plastikwelt. Ist das gut so?
Laßt uns ein paar Jahrhunderte zurückgehen, in die Weltstadt Korinth im schönen Griechenland. Das erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung strotzt vor Kultur. Philosophen und Denker, Kriegshelden und Musen, in Stein gemeißelte Schönlinge zieren die Plätze und Straßen der Weltstadt. Madame Toussous Wachsfigurenkabinett in Marmor und open Air, zum Null - Tarif. Muskulös und maskulin, sportlich und aktiv die Athleten des Geistes und der Körperkultur, kriegserfahren und obercool. Schöne Frauen, mal ohne mal mit wehenden Gewändern, Musen und Göttinnen in verführerischen Posen, das war der lifestyle der Zeit.
Bei so viel Eleganz wollen die Frommen in Korinth nicht nachstehen. Die einen halten es mit einem gewissen Apollos. Ein glänzender Redner ist er, sagen sie, ein kräftiger Grieche, der die Frauenherzen höher schlagen läßt. Geistreich und intelligent. Andere schwärmen für diesen Petrus, menschlich total gut drauf, ein einfacher Mann zwar, Fischer von Beruf, aber vertrauenerweckend, irgendwie hat der was, der Mann.
Nur den Paulus, den mag offenbar keiner. Und dabei hat er, der Apostel, die Gemeinde der Christen gegründet. Ein armseliges Leben legt er an den Tag: Voller Schwachheit und Furcht. Manchmal, so schreibt er, steht ihm der Schweiß auf der Stirn, manchmal zittert er am ganzen Körper, als hätte er Fieber. Manchmal erschrickt er vor seinem eigenen Spiegelbild: Bin ich das noch, bin ich überhaupt noch vorhanden? "Immer tragen wir das Sterben Jesu an unserem Leib", sagt er. "immer werden wir bei Leibes Leben dem Tod ausgeliefert. Außerlichkeiten zerfallen, wenn auch unser Inneres Tag um Tag neu wird." Er habe sich in Trübsal, Nöten und Angsten zu bewähren, Schwachheit und Schmach. In durchwachten Nächten verzweifelt er an sich und an seinem Gott. Er hat es schwer, sich gegen die Schönen und Erfolgreichen durchzusetzen. Von seinen Tränen will niemand etwas wissen. Mit seinen Schwächen will sich niemand identifizieren. Einer wie er taugt nicht zum Helden. Seine Zweifel ziehen einen herunter. Seine Unsicherheit stellt einen in Frage. Doch Paulus läßt es nicht darauf beruhen. Er setzt sich hin und schreibt - keine Abrechnung, keine Selbstrechtfertigung, Paulus schreibt von der Liebe.
13/1 Wenn ich in den Sprachen der Menschen und der Engel reden könnte, aber keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel. 13/2 Und wenn ich Weissagung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnisse weiß und wenn ich allen Glauben habe, so daß ich Berge versetze, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts. 13/3 Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung [der Armen] austeile und wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich verbrannt werde, aber keine Liebe habe, so nützt es mir nichts. 13/4 Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig; sie neidet nicht; die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf, 13/5 sie benimmt sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet Böses nicht zu, 13/6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit, 13/7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.
Das, liebe Freunde, ist kein Liebesgedicht für milde Mitsommernächte. Das sind keine Schmuseverse für Romantiker. Das sind Zeilen für die Obercoolen, für die, die alles im Griff haben wollen, für die Helden, die kein Wässerlein trüben kann.
Es ist ja merkwürdig: Wenn man verliebt ist, dann hat man nichts mehr im Griff. Da schlägt einem das Herz zum Hals und da zittern die Knie, wenn man nur an ihn denkt. Da macht man die verrücktesten Dinge, um ihr zu gefallen. Da werden aus spröden Typen Dichter und Mauerblümchen blühen auf zu Rosen. Man läuft singend durch den Alltag, schwebt auf Wolke sieben und könnte die ganze Welt umarmen. Mit einem mal kehrt das Leben in uns ein. Wir lachen und weinen, sind himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Und alles, weil man verliebt ist.
Wenn Paulus von der Liebe schreibt, dann meint er das noch nicht einmal erotisch: "Wenn ich redete und redete. Wenn ich mir den Mund fusselig redete wie Apollos und die ganzen Gelehrten Griechenlands. In den Sprachen der Engel und in allen Dialekten der himmlischen Welt. Und wenn ich mir die Finger Wund schrieb, schrieb und schrieb. Was bedeutete das alles, was nützte es mir? Habe ich die Liebe nicht, dann bin ich nichtssagend, ein tönendes Erz, eine klingende Schelle, ich rief ins Leere. Und wenn ich alle Erkenntnisse der Welt in mir hätte, einen Glauben, der Berge versetzen kann, wie dieser Petrus und all die anderen Frommen, wenn ich ohne die Liebe bliebe, dann wäre von all meinen Begabungen nichts übrig. Ich verliere mein Profil, meine Person wird gestaltlos, dann bin ich nicht, ein nichts, nie gewesen. Wenn ich die Liebe nicht habe, dann lebe ich nicht, dann spüre ich nichts, dann bleibt mein Leben sinnlos." "Ich zeig euch einen besseren Weg zu leben. Strebt nicht nach Begabungen, mit denen ihr euch aufplustert und wichtig machen könnt, sondern strebt nach der Liebe Gottes."
Paulus kämpft also darum, daß das Leben in uns Menschen einzieht. Man soll etwas von uns spüren, soll sich an uns ärgern oder reiben, sich mit uns freuen und lachen können. Unsere Traurigkeit soll einen Platz bekommen und unsere Freude soll andere anstecken. Unsere Sorgen sollen ihren Platz bekommen und unser Lachen soll andere anstecken.
Wie das geht? Durch die Liebe. Durch die Liebe Gottes, durch "die Liebe die ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist." (Röm. 5) Wer sich geliebt weiß, der braucht sich nicht zu fürchten - die Liebe treibt die Furcht aus. Wo Liebe ist, das ist Platz für Vertrauen und für Offenheit. Wo Liebe ist, da ist Raum für alle unsere Gedanken und Gefühle. Da wird nicht gemessen und zensiert und verglichen. Wo Liebe ist muß keiner sich aufspielen und niemand den anderen klein machen, da schaut keine hochmütig auf die andere herab und keiner übergeht den anderen. Wo Liebe ist, da können wir sein, wie wir sind.
So möchte ich euch Mut machen, eure Gefühle zu leben und zu zeigen. Ich möchte euch Mut machen, die zu werden, die ihr wirklich seid, die Masken abzulegen und ehrlich miteinander umzugehen. Vielleicht wird dann manches schwieriger zwischen euch: Wenn sich einer seinen Kummer von der Seele redet, dann kann man nicht so leicht zur Tagesordnung übergehen. Das braucht Zeit, um zuzuhören. Und oft wird man selbst davon betroffen sein von dem, was andere einem erzählen. Aber trotzdem das Leben wird bunter und reicher. Wir erfahren etwas voneinander und wir lernen voneinander. Und das Leben wird leichter. Wer alles im Griff haben will, muß ständig darauf achten, sein Gesicht nicht zu verlieren. Wer weiß, daß Gott ihn liebt, der kann so sein und leben wie er ist.
Babylon. Die Israeliten, vielmehr das, was von ihnen nach der großen Katastrophe übrigblieb, haben ihre Harfen in die Weiden gehängt. Ihre Freudenlieder sind verstummt. Noch immer können sie kaum fassen, was geschah: Das Land liegt am Boden. Die Häuser sind ein Raub der Flammen. Der Tempel, die lieblichen Wohnungen ihres Gottes Zebaoth liegen in Trümmern. "Wie könnten wir das Lied des Herrn noch singen im fremden Lande?
Einer sieht weiter: Der Prophet Jesaja, aus dessen Buch unsere Jahreslosung entnommen ist. Er fragt: Wie geht es mit euch weiter? Was kommt? Wer hilft?
Wir singen: Aus der Tiefe rufe ich zu dir, Herr, höre meine Klagen
(U.Seidel, O.G.Blarr, aus: Wenn der Stacheldraht blüht, 1981)
Wir sitzen auf den Trümmern unserer Vergangenheiten und fragen was kommt? Wer hilft? Wie geht es mit uns weiter?
Zufällig zusammengetragene Erlebnisse aus einer Sommerfreizeit mit 13-17jährigen:
"Vor vier Wochen habe ich erfahren, daß ich Diabetes habe. Und das mit 16! Ich kann von nun an nicht mehr so leben, wie alle anderen. Immer brauche ich eine Sonderbehandlung. Ständig muß ich mich einschränken. Warum geschieht das gerade mir?"
"Meine Eltern haben mir meine ganze Kindheit verdorben mit ihren ständigen Streitereien. Ich bin total sauer auf sie. Ich hätte mir das Leben so schön, so unbeschwert vorgestellt. Und jetzt fällt ihr ganzer Beziehungsschrott auf mich ab."
"Nie hat jemand Zeit, um mit mir vernünftig zu reden. Alles nur schnell schnell. Die Arbeit, der Garten, das Auto sind anscheinend wichtiger als ich und meine unbequemen Fragen. Ich störe doch nur."
"Eigentlich hatte ich viele Freunde, früher. Aber ich bin wohl zu oberflächlich und zu eigensinnig gewesen. Ich habe Freundschaften nie richtig ernst genommen und deshalb haben sie nie richtig lange gedauert. Jetzt stehe ich alleine da. Sicher habe ich viele verletzt, vielen wehgetan."
"Lernen, nichts als Lernen! Den Übergang von der Realschule zum Gymnasium hätte ich mir leichter vorgestellt. Jetzt bin ich die einzige aus meiner alten Klasse, sonst alles neue Schülerinnen und Schüler. Und die erste Mathearbeit habe ich schon voll verhauen. Muß ich mir das antun? Ich komme zu nichts mehr! Und wozu das alles?"
Wir sitzen auf den Trümmern unserer Vergangenheiten und fragen, was hilft. Wir tragen unsere Trümmer vor, vor zum Altar und gestehen unsere Hilflosigkeit ein.
Wir singen: Mein Gott, das muß anders werden
(Ch.Lehmann, aus: Fünf Brote und zwei Fische - Kinderbeatmesse, 1977)
Mein Gott, das muß anders werden! Fragt sich nur wie? Wir haben unsere verschiedenen Methoden entwickelt:
Abhauen: Sex, Drugs, Rock'n Roll, das sei Glück, meinen die einen. Ich verkriech mich in meine Ecke, sagen die anderen. Ich mach einen drauf, meinen wieder andere. Es gibt viele Möglichkeiten, um sich den Alltagsproblemen nicht stellen zu müssen.
Aussitzen: Manche Menschen bringen ihr Leben zu wie ein Gesäß. Sie sitzen die Probleme aus, bis sie nicht mehr existieren. Meinen sie. Ob das geht?
Dreinschlagen: Macht kaputt, was Euch kaputt macht! Ich finde schon einen Schuldigen, eine Schuldige. Denn einer ist immer der Arsch.
Das alles sind keine Lösungen. Andern tut sich gar nichts. Alles wird nur noch schlimmer!
Mein Gott, es muß anders werden. Fragt sich nur wie?
Wir bringen unsere Klagen vor Gott:
Unsere Kyriegebete
Wir singen: Herr, erbarme dich, erbarme dich
(A.Albrecht, P.Janssens, aus: Ein Halleluja für dich", 1973)
Wir hören auf Gottes Zusage: Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr.
Wir erzählen Rettungsgeschichten aus der Bibel der Hebräer oder der Christen , Befreiungsgeschichten, und bekommen Anteil an der Hoffnung der Menschen, die Gott vertrauten (Auszug aus Agypten, Führung durch das Wüstenland, Elia oder andere).
Wir feiern das Mahl der Befreiung und erleben die Gemeinschaft untereinander.
Wir singen: Neue Hoffnung, neues Leben, kann uns Gott alleine geben.
(E.Bücken, C.Lehmann, aus: Exodus, 1979)
Daß Menschen sich Gott zuwenden und darin Befreiung und Hilfe erfahren, soll nicht gelehrt, sondern gefeiert werden. Wir wenden uns Gott zu im Gebet, wir wenden uns Gott zu und spitzen die Ohren für seine Befreiungsgeschichten, wir erleben die Gemeinschaft untereinander im Mahl.
Befreiung wird konkret in den Schritten, die wir miteinander in die Freiheit gehen. Wir haben uns Gottes Nähe vergewissert. Wir haben die Gemeinschaft untereinander erlebt, indem wir unsere Sorgen teilten und im Mahl das neue Leben schmeckten, zu dem uns Gott berufen will. Nun wenden wir uns noch einmal unseren Trümmern zu. Die Israeliten bauten die Stadt und den Tempel wieder auf. Auch wir tun, was uns gegenseitig aufbaut.
Wir geben einander Zeit, um miteinander zu reden. Wir sagen uns gegenseitig unsere Unterstützung zu. Wir überlegen die nächsten Schritte, die wir miteinander gehen. Wir ermutigen uns, an unseren Zielen festzuhalten. Wir treffen Absprachen, um uns wieder zu treffen.
Wir teilen uns gegenseitig mit, wo wir Hilfe erfahren, wo für uns der Weg weitergeht. Wir vergewissern uns, daß wir nicht alleine sind.
Wir gehen unter Gottes Segen.
Wir singen: Steh mit mir auf, geh mit mir los
(H.J.Netz, P.Janssens, aus: Exodus, 1979)
Jugendpfarrer Wolfgang Sönning, Esslingen
Warum soll meine Religion die richtige sein?
Vorbemerkung:
Die Jahreslosung 1995 wendet sich an die heidnischen Völker und fordert sie zur Verehrung des einen Gottes JAHWE auf. Damit stellt sich die Frage nach dem "Alleinvertretungsanspruch" der Religionen. Die folgende Ansprache versucht, dieser Frage nachzugehen, indem sie einen neutestamentlichen Zeugen zu Wort kommen läßt: Paulus. In erzählerischer Form setzt er sich mit diesem Problem auseinander. Sie wurde in der Adventszeit 1993 bei einem Jugendgottesdienst von mir vorgetragen und in ihrer ursprünglichen Form belassen.
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
in das Gewand eines anderen werde ich heute abend schlüpfen. Mein Name ist Paulus. Ihr werdet mich kennen oder habt zumindest von mir gehört oder gelesen: Lukas, der Bibelschreiber hat ja von mir erzählt. Und meine Briefe, ein paar zumindest, haben die Christen in alter Zeit in Euer Bibel- Buch mit aufgenommen.
Ihr lieben Leute geht gerade auf das große Fest der Christen zu. Mitten in den Vorbereitungen zu Weihnachten feiert ihr diesen Gottesdienst. Da, wo sich viele auf das Christfest freuen, so ein Thema: Warum soll meine Religion die richtige sein? Verwirrend für mich und spannend zugleich. Ich dachte, es könnte Euch interessieren, was ich zu sagen habe zu Eurer Frage. Denn in meinem Leben habe ich mich immer wieder damit auseinandersetzen müssen.
Ja, warum soll meine Religion die richtige sein? Zuerst, wenn ich ehrlich bin, war mir das kein Problem. Ein Jude war ich, aus dem Stamm Benjamin, Hebräer von Hebräern, am achten Tag beschnitten, wie alle jüdischen Jungen, aufgenommen in den Bund, den der Gott meiner Väter mit seinem Volk geschlossen hat. Ob es diesen Gott gab oder nicht, das versuchte ich nie herauszufinden. Er existierte. Fraglos. Er hatte seinen Platz im Elternhaus, am Sabbat, bei den Festen, die wir feierten, im Unterricht in der Synagoge.
Unser Gott hatte eine Stimme, und sie sprach aus der Thora, dem Gesetz, wir hörten sie in den Geschichten, die von ihm und unserem Volk erzählten, wir sangen ihm in den tehilim, den Psalmen. Wir beteten ihn an in dem Schemah Israel: Höre Israel: Adonai ist unser Gott. Adonai allein, und er ist einzig. Ihn, den einzigen Gott, sollst du lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, und mit all deiner Kraft. Dein Gott ist eifersüchtig.
Diese Worte habe ich mir ins Herz geschrieben, habe sie in meinen Gedanken bewegt, um sie nie zu vergessen. Daß meine Religion die richtige war, warum sollte ich daran zweifeln? Das Gegenteil war der Fall. Ich wollte sie ernst nehmen, ernster als viele meiner Mitmenschen, die ihn zu einem Sonn- und Feiertagsgott gemacht hatten. Ich wollte ernst machen mit der Forderung, heilig zu sein, weil unser Gott ein heiliger Gott war. So ging ich bei den Pharisäern in die Schule. Lernte, eiferte für meinen eifersüchtigen Gott.
Und doch gab es da auch das andere in meinem Leben: Ich war ein Jude aus Tarsus. Tarsus war eine Hafenstadt, müßt ihr wissen. Als Kind saß ich oft am Hafen, dort, wo man das Mittelmeer riechen kann, den Südwind auf der Haut spüren, der die Frische und das Salz über die Wellen in die Stadt hineintrieb. Das Meer brachte nicht nur gute Luft, sondern auch die Fremden: die Griechen, die Afrikaner, Agypter und Seefahrer aus Cypern, Exoten, Männer mit fremden Gesichtern und fernen Sprachen, mit bunten Kleidern und noch bunteren Gedanken, Kundschafter anderer, fremdartiger Religionen.
Immer, wenn ein Schiff aus dem Hafen ausfuhr, hat mich das Fernweh gepackt. Ich wollte die Welt kennenlernen, erfahren, was andere glaubten und wie andere lebten. Vielleicht lag in diesen vielen Stunden, die ich als Kind am Hafen meiner Vaterstadt verbracht habe, schon der Kern dafür, daß ich später zum weitgereistesten Menschen der Bibel werden sollte. Die Linien meiner Wanderungen und Schiffspassagen durchkreuzen schließlich die Landkarten der ganzen damals bekannten Welt von Ost nach West und zurück. Nun, ganz reicht es noch nicht als Erklärung dafür aus.
II. Laßt mich von Damaskus erzählen. Blinde sehen, Lahme gehen! tönte es damals durch die Landschaften Judas und Galiläas und über die nördlichen Grenzen hinaus. Die Römer hielten die neue religiöse Sekte des Nazareners für eine aufrührerische Gruppe, wir hielten sie schlicht für eine Bande von Gottesleugnern und Feinden unseres Volkes. Alles schienen sie daran gesetzt zu haben, unserem Volk Wunden zu schlagen und die Gemeinschaft der Glaubenden zu untergraben. Demonstrativ hatten sie die Sabbatgebote gebrochen, am heiligsten der Wochentage gebrechliches Volk von der Pest geheilt. In den Straßen erklang das Jubeln und Schreien derer, die sich nach Heilung sehnten. Schamlos, respektlos und ohne jede heilige Scheu erklärten sie, die Thora hätte sich erfüllt und das Ende der Zeiten sei angebrochen.
Die Römer haben den Kopf der Bande ja dann hingerichtet, wie man Gotteslästerer und politische Aufrührer hinrichtet. Doch Ungeheuerliches hat man sich bald darauf erzählt. Er, der Rabbi Joschua aus Nazareth, aus der Familie Davids, sei eingesetzt worden zum Sohn Gottes, auferweckt am dritten Tage, einem gewissen Kephas erschienen, danach auch den zwölf Männern, die sich als konspirative Gruppe in Jerusalem zurückgezogen hatten. Nicht lange darauf seien es gar 500 gewesen, die beim Pfingstfest in Jerusalem außer sich gerieten, weil sie mit unerklärlicher Kraft von oben erfüllt wurden. Der Herr ist auferstanden, hieß es. Und in aller Öffentlichkeit verbreiteten sie die Nachricht, der sagenhafte Josua sei der Messias gewesen, und die bösen Juden hätten den Gesalbten des Herrn umgebracht. Bis nach Damaskus hinaus verbreitete sich die Kunde, Krebsgeschwüren gleich. Laßt sie uns aufspüren und gefesselt nach Jerusalem führen und anklagen! riefen wir und zogen nach Osten. Wir wollen unsere Ruhe haben.
Auf nach Damaskus. Aber ich erreichte die Stadt anders, als ich dachte. Kurz vorher war es mir, als öffnete sich der Himmel. Qualvolles Licht bündelte sich zum Strahl und die Straße glänzte. Saul, Saul, hörte ich rufen, was verfolgst Du mich? Ein Krampf warf mich vom Pferd in den Staub. Wer bist Du? stammelte ich. Wie blind erhob ich mich vom Boden, mühsam und voller Schmerzen: Wer bist Du? Drei Tage aß und trank ich nichts. Quälende Fragen, die nur der Schlaf zur Ruhe brachte. Wer bist Du? Dann kam Ananias und legte mir heilend die Hände auf die Augen. Wer bist Du? fragte ich noch einmal. Und irgend jemand sagte: Ich bin Christus, den du verfolgst. Mach Deine Augen auf. Blind warst du, blind vor Eifer. Bist an dem Gott des Lebens vorbeigegangen und hast ihn zum Erfüllungsgehilfen deiner religiösen Vorstellungen degradiert. ..
Das Leben hatte einen Strich durch meine Pläne gezogen. Blinde sehen, Lahme gehen. Gott hatte mir die Augen geöffnet. Der Gott, der mir das Leben geschenkt hat, offenbarte mir seinen Sohn. Ich lebte, doch nun nicht nur ich, sondern Christus lebte in mir. Doch - was war nun mit meiner Vergangenheit? War mein bisheriges Leben vertan, vergeblich? Was war mit meinem Glauben an den Gott der Hebräer, mit meinen jüdischen Geschwistern? Mit den vielen, denen sich Jesus Christus nicht in den Weg gestellt hatte? Waren sie verloren? Verworfene? Welche Religion war die richtige, die jüdische oder die christliche?
Lange Jahre brauchte ich, bis ich für mich eine Antwort darauf fand: Die Zusagen, die Gott den Juden gegeben hat, können nicht hinfällig geworden sein. Gott steht dazu (Röm. 6,9). Auch wenn Gott durch seinen Sohn allen seine Liebe gezeigt hat. Wenn Gott einem Menschen seine Gemeinschaft anbietet, dann widerruft er dies nicht (Röm. 11,29). Gott hat verschiedene Wege, um zu uns zu reden. Jesus hat deutlich gemacht, daß Gottes Worte allen Völkern und Nationen (Röm. 9,30) gelten. Schließlich hat Gott alle Dinge geschaffen, alles besteht durch ihn und in ihm haben sie ihr Ziel (Röm. 11,36).
Juden oder Christen? Ich war Christus begegnet. Er hat mich zu seinem Boten gemacht. Und ich habe mich von ihm rufen lassen. Mit einmal war mir bewußt geworden, daß ich bisher noch nicht begriffen hatte, was der Glaube an Gott bedeutet. Ich meinte, ich müßte es ihm recht machen, indem ich für ihn eiferte. Jetzt weiß ich, daß ich durch Gottes Barmherzigkeit bin, was ich bin. Er hat mir das Leben gegeben. Ich bin für ihn wichtig. Nicht wegen meiner guten Taten oder meines vorbildlichen Lebenswandels. Sondern weil er mich liebt. Deshalb habe ich mich auf den Weg gemacht, um diese gute Nachricht weiterzutragen.
III. Aber noch einmal mußte ich dabei dazulernen. Juden oder Christen, das war nur ein Anlaß, über die Religionen nachzudenken. Da kam nämlich auch noch Athen! Eigentlich war die Hauptstadt der Griechen nur als Durchgangsstation zwischen Thessaloniki und Korinth gedacht gewesen. Doch kaum, daß ich sie betreten hatte, schlug sie mich in den Bann. Was für eine Stadt! Dichter, Denker, Wissenschaftler, Künstler - Sokrates und Plato, Aristoteles und Homer, die großen Dramatiker! Was für eine Welt! Noch nie war mir so bewußt geworden, welcher Geist, welche Kultur sich in dieser Stadt der Dichter und Denker versammelten. Auf dem Weg zur Akropolis rechts und links Altäre, viele für unbekannte Götter, deren Zorn man sich nicht zuziehen wollte. Lärm aus den Markthallen, neugierige, bildungsbeflissene Menschen, Philosophen und Philosophenschulen. Da war sie wieder, die Welt meiner Kindertage mit ihren fremdartigen Gedanken, mit ihrem bunten Leben. Neugierig schloß ich mich den Leuten auf dem Marktplatz an. Stoiker nannten sich einige, andere nach dem Philosophen Epikur. Und viele interessierten sich für meine Gedanken, die "neue Lehre". Manches klang fremd für sie und sie wollten gerne mehr darüber wissen.
Nach Art der Philosophen begann ich zu reden: "Ihr Männer von Athen, ich habe gemerkt, daß ihr die Götter hoch verehrt. Ich bin durch eure Stadt gegangen und habe mir eure heiligen Stätten angesehen. Dabei habe ich einen Altar entdeckt mit der Inschrift: "Für den unbekannten Gott". Diesen Gott, den ihr verehrt, ohne ihn zu kennen, will ich euch jetzt bekannt machen. Es ist der Gott, der die Welt geschaffen hat und alles, was darin lebt. Als Herr über Himmel und Erde wohnt er nicht in Tempeln, die von Menschen gebaut werden.Meint nicht, die Gottheit sei den Bildern gleich, die ihr euch von ihnen macht. Er ist jedem von uns nahe; denn durch ihn leben, handeln und sind wir. Und Gott hat sich uns gezeigt, in einem Menschen, seinem Ebenbild. Ihn hat er vor aller Welt ausgewiesen, indem er ihn vom Tod erweckt hat."
Als ich von der Auferstehung redete, lachten einige und spotteten. Andere meinten, ich würde neue Götter verkündigen. Sie ließen mich nicht mehr zu Wort kommen. So ging ich schweigend aus ihrer Mitte, aufrecht und ruhig, als berührte mich das nicht. Nicht aus eigener Kraft und Stärke, nicht aus Überheblichkeit und Besserwisserei, sondern als spürte ich den namenlosen Mann, den ich verkündet hatte, an meiner Seite. Später erzählten sie mir, daß einige meinen Worten vertrauten und Christen wurden. Gott ist jedem von uns nahe. Mit allen Menschen dieser Erde waren die Athener auf der Suche nach dem unbekannten Gott. Doch der hat uns Menschen besucht. Er hat Hand und Fuß bekommen in jenem kleinen Kind von Bethlehem, in dem Prediger vom See Genezareth, in dem Aufrührer am Kreuz. Und er wirbt um unser Vertrauen.
IV. Warum soll meine Religion die richtige sein? Ich habe lernen müssen, daß es viele Arten gibt, Gott zu verstehen. Als ich ein Kind war, dachte ich wie ein Kind von Gott, redete wie ein Kind, fühlte wie ein Kind. Als Mann mußte ich viele meiner liebgewordenen Vorstellungen ablegen. Mir wurde bewußt, daß wir Gott nie ganz begreifen werden, solange wir leben. Unser Erkennen ist Stückwerk. Wie in einem trüben Spiegel sehen wir Gott, unvollkommen, wie wir Menschen sind. Aber ich freue mich auf den Tag, an dem wir Gott gegenüberstehen und ihn erkennen werden, so wie er uns jetzt schon kennt (1.Kor 13,11-12).
Jugendpfarrer Wolfgang Sönning, Esslingen
Von Gottes Güte ist in der Jahreslosung die Rede. 1995 trafen sich die evangelischen Christen zum Kirchentag in Hamburg. "Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist!" war die Losung in Hamburg. Der Satz aus Micha 5 kann erläutern, was mit der Güte Gottes gemeint ist, von der in der Jahreslosung die Rede ist und was die Konsequenzen für unser Verhalten sein können. Der folgende Jugendgottesdienst wurde als Vorbereitung zum Kirchentag in Hamburg vorbereitet und gefeiert.
An den Eingangstüren der Kirche
Wolfi kaut Gummibärchen
Eicke kommt dazu: "Hallo Wolfi, wie geht's?"
W Gummibärchen kauend: "Gut, warum?"
E Du bist so blaß. Was kaust du denn da?
W Gummibärchen
E Ach darum bist du so blaß.
W Ha, die sind gut.
E Was soll denn daran gut sein?
W Na der Geschmack, Zitrone, Himbeer, Waldmeister
E Das soll gut sein? Ist doch alles Chemie.
W Naturidentische Aromastoffe, bitte! Und dann die schönen Farben.
E Hör auf, alles Chemie.
W Aber die Gelatine, die ist sehr gesund, habe ich gelesen. Gut für Knochen und Gelenke.
E Das stimmt zwar, aber weißt du als Vegetarier auch, aus was Gelatine hergestellt wird? Aus Haut- und Knochenabfällen von toten Tieren!!! Da müßtest du eigentlich "Pfui Deibel" sagen.
W Ach, nun mach doch nicht alles mies. Gummibärchen braucht man halt. Die gehören dazu. Der Thomas Gottschalk hat sie auch.
E Deswegen sind sie noch lange nicht gut.
W Aber sie sind schön weich. Schau mal, man kann sie ziehen und knuddeln.
E Na, das ist doch eher was für Kinder.
W Ja, als verkalkter Grufti braucht man das nicht mehr.
E Wenn du das so sagst: 'das braucht man', dann hört sich das an, als ob das so etwas wie eine Ersatzdroge wäre.
W Ehrlich, meinst du das wirklich?
E Ja, wenn du so scharf darauf bist, und außerdem siehst du wirklich etwas blaß aus.
W Alles Quatsch! Du weißt nur nicht was gut ist.
Einen schönen guten Abend allerseits. Ich begrüße euch zu diesem Jugendgottesdienst. "Was Gut ist", so haben wir diesen Gottesdienst überschrieben. Wir, das sind einige junge Leute hier aus Zell und der Jugendpfarrer. Wir haben uns gedacht, daß es gut ist, wenn wir gemeinsam ein wenig drüber nachdenken, was gut ist, jetzt, in diesem Gottesdienst, den wir im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes feiern wollen. Wir haben euch dazu eingeladen, aber eigentlich ist es ja Gott, der uns zu seinem Fest einlädt. So heißt jedenfalls das erste Lied, das wir jetzt miteinander singen wollen
In der Kirche steht eine Plakatsäule aus Kartonagen, Wellpappe. Reklameplakate und Werbesprüche suggerieren, was gut sein könnte. Die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher sind gebeten, aufzuschreiben, was für sie gut ist und an die Plakatsäule zu kleben.
dazu: 2 Lieder der Band
Barmherziger Gott, heute abend sind wir hier zusammengekommen um Gottesdienst zu feiern. Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, was gut ist, was du für gut hältst. Doch oft frage ich ganz anders: ich frage nur danach, ob etwas gut für mich ist, ob es mir selber gut tut. Weniger denke ich daran, ob es auch gut für andere ist. Manchmal ist es mir auch nur wichtig, daß es im Moment gut für mich ist: Beim Abschreiben in der Schule glückt mir manchmal eine bessere Note dadurch, ich weiß aber, daß ich auf die Dauer damit nicht durch komme.
Herr, schenke du uns offene Ohren und Herzen, daß wir in diesem Gottesdienst mitbekommen wie du es meinst, daß es gut ist, daß wir etwas mitnehmen von deinem Wort, mit dem wir leben können. Amen
Neulich war ich im KADEWE in Berlin, im KaufHausDesWestens, früher einmal gigantischer Konsumtempel kurz vor der Mauer, heute in Sachen Kaufhäuser immer noch erste Sahne. Da stand ich nun mit großen Augen vor der 40 m langen FrischwarenTheke, Spezialitäten aus aller Herren Länder! Eine Riesenauswahl, so weit das Auge reicht. So weit, so gut! Aber wenn ich mir da z.B. eine Tube Senf kaufen müßte und unter 50 Tuben und Gläschen auswählen muß, ist das ganz schön schwierig. Bei Tante Emma zu hause gibt's gerade mal drei, den scharfen, den mittleren und den süßen vom Hengstenberg. Aber hier: Wer sagt mir, was gut ist?
Ich kann mir die hübschesten Tuben oder das netteste Gläschen aussuchen. Das Auge kauft ja schließlich mit. Aber schmeckt der deswegen schon am Besten? Ihr kennt das ja von den Klamotten: Da habt ihr euch die absolutsuperstarke Jacke ausgesucht, liegt total im Modetrend und dann kommt bestimmt einer und sagt: Was hast du denn für einen Fussel an. So würde ich nie rumlaufen. Über Geschmack läßt sich streiten. Und was für den einen gut ist, ist für die andere noch lange nicht der Hit.
Wer sagt mir, was gut ist? Soll ich das kaufen, was alle kaufen? Auch nicht so ganz das Gelbe vom Ei. Ihr kennt ja den Spruch: Mist schmeckt gut. Millionen Fliegen können sich nicht irren! So ist das mit diesen Mehrheitsentscheidungen.
Ich kann mich auf meine Erfahrung berufen! Aus Erfahrung wird man klug, sagt man! Da ist was dran, sogar dann wenn euch die Eltern diesen Satz immer vorbeten. Aber nun probier mal vierzig Sorten Senf durch, bist du die Erfahrung hast, welcher dir schmeckt! Spätestens nach der 10 Tube wird dir schon schlecht, wenn du bloß das Wort Senf hörst. Das mit der Erfahrung ist auch nur begrenzt tauglich. Wer sagt mir also, was gut ist?
Wenn das beim Senf schon so schwierig ist, wie schwierig ist es dann erst im sonstigen Leben!
Einige von euch sind ja schon dick drin mit dem Berufspraktikum. Ihr müßt euch einen Ausbildungsplatz suchen und einen Beruf erlernen, von dem ihr noch nicht wißt, ob er euch ein Leben lang Spaß macht. Wer sagt denn da, was gut ist? Nur weil der Vater und der Großvater schon beim Bosch geschraubt haben, muß euch das ja noch lange nicht liegen. Nur weil die Mutter ihr Leben lang zu hause war, müßt ihr ja noch lange nicht auf die Hauswirtschaftsschule.
Vielleicht sind bei euch zarte Frühlingsgefühle erwacht. Wenn ihr sie seht, dann kriegt ihr rote Ohren und in eurem Bauch tanzen die Schmetterlinge, wenn ihr nur an sie denkt. Die Telefonrechnungen steigen ins astronomische und statt Kugeln und Quadern malt ihr Herzchen in euer Matheheft. Aber wie geht man mit einem Mädchen um? Wer sagt euch denn, wie man sich verhalten muß, um bei den Mädels nicht gleich eine Abfuhr zu kassieren und ihnen auf den Geist zu gehen? Alle Bravohefte der Welt sind graue Theorie, wenn's wirklich zur Sache geht.
Eure Eltern sind gerade in einem schwierigen Alter. An allem, was ihr tut, mäkeln sie herum. Nichts ist recht - sie finden eure gefärbten Haare nicht schön und lästern über die Löcher in euren Jeans, sie verstehen einfach nicht, daß es neben der Schule auch noch andere wichtigen Sachen gibt und daß man Freunde nicht warten lassen kann, weil der Abwasch wartet oder ein Zimmer nicht aufgeräumt ist. Aber wenn immer der Haussegen schief hängt, wird es mit der Zeit etwas ungemütlich. So eine dicke Haut hat keiner, daß alles an ihm abprallt, was an elterlichen Erziehungsratschlägen auf ihn hereinbricht. Und irgendwie wollt ihr ja auch, daß es bei euch zu Hause gut geht. Aber wie macht man das? Wie findet man einen guten Draht zu seinen Eltern? Wie kommt man miteinander klar? Wer sagt, was gut ist?
Im dem Bibelbuch, daß ich des Öfteren zur Hand nehme, habe ich zu unserem Problem einen ungeheuerlichen Satz gefunden. Da weiß nämlich einer, was gut ist. Und er sagt es auch. Bei dem Propheten Micha im Alten Testament steht doch tatsächlich: "Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott, der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott." Die Menschen damals waren nicht besonders gottlos, aber auch nicht besonders fromm. Sie gingen fleißig ihrer Arbeit nach, versuchten ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, sparten auf den nächsten Urlaub am Roten Meer oder saßen unter ihrem Feigenbaum und tranken Tee, ihr Leben war nicht besonders aufregend - kurz, es waren Menschen wie Du und ich. An die Korruption im Land hatte man sich gewöhnt, an die Steuern für die Kriegskasse weniger. Aber noch ließ es sich leben. Alle waren zufrieden, bis auf Gott. Der war sauer. So hatte er sich nämlich die Gemeinschaft mit den Menschen, mit seinem Gegenüber, mit seinen Ebenbildern, nicht vorgestellt. Was hatte er für diese Israeliten nicht alles unternommen: "Ich habe dich aus Agypten herausgeführt, dich freigekauft aus dem Sklavenhaus. Den Mose habe ich dir gesandt, Aaron und Mirjamhabt ihr denn alles vergessen? Was habe ich euch denn getan, womit bin ich euch zur Last gefallen, daß ihr mir gegenüber so gleichgültig geworden seid?" Gott versteht die Welt nicht mehr. Feierlich hatten sie einen Bund miteinander geschlossen, damals am Sinai. Er wollte für immer ihr Gott sein und sie wollten für immer sein Volk sein. Und jetzt ließen sie ihn einfach links liegen. Ihm ging es wie einem Liebhaber, der seiner Angebeteten jeden Wunsch von den Augen abliest und erfüllt und dann trotzdem nicht beachtet wird.
Nun, dieser Micha hat das Gedächtnis der Israeliten wieder aufgefrischt. Er erinnerte sie an all das, was Gott für sie getan hatten: an das Leben, daß er ihnen gegeben hatte, an das Land, das er ihnen zum Wohnen gab, an die Gefahren, in denen sie behütet waren. Und irgendwie schien das die Leute zu beeindrucken. Ja, der Junge hat recht, dachten sie, im Grunde verdanken wir alles, was wir sind und haben Gott. Aber, was sollen wir denn tun? Wie sollen wir uns verhalten, daß es gut ist? Da fällt der Satz, den wir vorhin gehört haben: "Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott."
Als wir uns neulich über diesen Satz im Mitarbeiterkreis unterhalten haben, ist uns aufgefallen, daß wir ganz selbst verständlich davon ausgehen, daß alles, was gut ist, natürlich zuallererst gut für uns sein soll. Daß das, was für uns gut ist, für andere noch lange nicht gut sein muß, das ist uns kaum bewußt. Wir merken es höchstens da, wo uns z.B. unsere Eltern zum Glück zwingen wollen: daß das, was für sie gut und richtig ist, für uns noch lange nicht so sein muß. Aber meistens gehen wir doch davon aus, daß unser Glück auch das der anderen sein muß.
In den Augen Gottes ist das nicht gut. Er will, daß es allen gut geht, allen miteinander, daß nicht einer auf Kosten der anderen lebt. Bei Gott ist es gut, wenn alle zu ihrem Recht kommen, wenn es gerecht zu geht unter uns. Und gut ist, wenn zu diesem Recht auch noch Liebe und Güte dazukommen. Das ist dann wirklich gut. D.h. gut ist es, wenn ich bei meinen Entscheidungen also nicht nur darauf achte, daß es mir gut tut, sondern auch, ob es den anderen nützt oder schadet. Und gut ist, wenn ich mich dabei von der Liebe zu den anderen leiten lasse.
Bei all dem, meint Micha, hilft es mir, wenn ich mein Gewissen an den Maßstäben Gottes schärfe, etwa an den Geboten Gottes, bzw. wenn ich mit Gott mitgehe, wie Micha sagt, mich von Gottes Worten bestimmen lasse. Da lesen manche unter uns jeden Tag einen Satz aus der Bibel als Tageslosung, als Motto für den Tag. Und manchesmal passiert es dann, daß einem auf einmal klar wird, was heute gut und richtig ist. Oder daß einem bewußt wird, daß ich mich falsch verhalten habe. Sie sehen klar und können weitergehen.
Probiert es aus, nehmt Gott beim Wort. Ich bin sicher, daß ihr dann erfahren werdet, was gut ist - für euch und für andere. Die schwere Entscheidung, welche Senfmarke nun die Richtige ist, werdet ihr vielleicht selbst bewältigen können. Aber wie ihr mit euren Mitmenschen klar kommt, dabei kann Gott euch sicher helfen.
Herr Gott, himmlischer Vater, wir danken dir für alles was gut ist. Vieles ist uns bewußt und wir haben es auf diese Zettel geschrieben. Wir danken dir für Freunde und Eltern, für Gummibärchen und Pizza Margherita, für Musik und Schlagzeug, für Sonntage und für Feten, für Licht, Sonne und Wärme, aber auch für Regen, Wind und Schnee, für Gesundheit und Frieden, für Eis und für Disco, für Altbach, Hohengehren und Zell, für Freiheit und für Freizeit. Es ist gut, daß es dich gibt. Du weißt immer was gut ist, und du sagst es uns. Du sagst es uns immer wieder, und immer wieder durch andere Menschen und immer wieder mit anderen Worten und auf andere Weise. Wir hören dich, aber oft nur aus der Ferne und oft werden deine Worten von anderen Eindrücken verdrängt. Wir bitten dich, laß uns empfindsamer für deine Worte, für das, was gut ist, für uns und für alle.
Auch für das Gebet hast du uns ein Beispiel gegeben, das gut ist, und das wir jetzt gemeinsam sprechen: Vater unser
Jugendpfarrer Wolfgang Sönning und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Esslingen-Zell
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