Die Klarinette
Mit der Klarinette hat es eine eigene Bewandtnis. Sie gilt als ein junges
Instrument und ist in Wirklichkeit recht betagt. Denn in dem ägyptischen Arghul,
dem arabischen Zummarah und einer Serie von asiatischen Instrumenten ist das
Urbild des Schnabel-Instruments mit einfachem Rohrblatt bereits vorgeprägt. Das
bei den frühesten Instrumenten angewandte Prinzip der aus dem Korpusrohr selbst
ausgeschnittene Zunge, die die Aufgabe des einfachen Rohrblatts übernahm, stellt
diese in die Gruppe der 'indioglotten' Instrumente ein, während der 'richtige'
Klarinettentyp erst da beginnt, wo das Instrument 'heteroglott' wird, d.h., wo
das Rohrblatt nicht zum Korpusrohr gehört, sondern aufgebunden ist.
Das ist beim Chalumeau der Fall. Das Chalumeau (Chalemie), dessen Name denselben
Ursprung hat, wie die oboenartige Schalmei (von lat. Calamus=Rohr), war ein
neunlöchriges instrument der Volksmusik, das dem Mittelalter und Barock durchaus
bekannt war, ehe es in die Diskussion einbezogen wurde. Es bestand aus vier
Größen: Sopranino (f1 bis b2), Sopran (c1 bis f2), Alt (f bis b1) und Tenor (c
bis f1). Das späte 17. Jahrhundert nahm sich seiner mit Bedacht und Interesse an.
An dieser Stelle liegt der Beginn der Klarinette. Denn es ist keineswegs so, daß
hier ein neues Instrument geschaffen wurde. Vielmehr erhielt das Chalumeau eine
sorgsame Konstruktion. Um 1690 war das entwicklungsfähige Instrument geschaffen,
bei dem es sich nicht um die Erfindung der Klarinette, sondern um den Ausbau des
Chalumeau handelt.
Die Bezeichnung Klarinette taucht erst 1732 auf. Erst dort wurde der Korpus
verlängert und ein Trichterbecher angebracht. Es waren erst zwei Klappen
vorhanden. Davon wurde eine ersetzt, dass das b1 spielbar wurde. Die
Korpusverlängerung erlaubte, durch das Anbringen einer Langstielklappe für das
tiefe e durch überblasen in die Duodezim das h1 zu spielen (Denner jr. 1720). Bis
zum späten 18. Jahrhundert hatte sich die Zahl der Klappen auf sechs erhöht (in
chronologischer Folge: fis, gis, cis1, dis1, cis2, gis2). Die Anbringung der
chromtischen Klappen, die bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts auf zehn gestiegen
waren, machte die bei allen Holzblasinstrumenten des Barock zur Erzeugung
chromatischer Töne notwendige Anwendung des sogenannten Gabelgriffes überflüssig;
das bedeutete zugleich bei allen Instrumenten eine endgültige Abkehr vom barocken
Klangideal und ging Hand in Hand mit der Stilentwicklung.
1812 legt Iwan Müller die moderne Klarinette vor (dreizehn Klappen), durch die
das Instrument seine endgültige Prägung erhielt. Wesentliche Verbesserungen (z.B.
Mollenhauer-Klarinette 1867 und sog. Normal-Klarinette 1890) vermochten die
Komplikationen, die sich aus dem Mechanismus ergaben, zu beheben (Bärmann
Klarinette).
Um 1850 wurde in Paris von H. E. Klosé zusammen mit L. A. Buffet das Boehm-System
der Flöte auch auf die Klarinette übertragen. Diese 'Boehm-Klarinetten' werden in
England, Frankreich und den USA fast ohne Ausnahme gespielt.
Es ist bemerkenswert, daß das Instrument, das in seiner Klarinetten-Gestalt aus
dem 18. Jahrhundert herauswuchs, das 19. Jahrhundert intensiv beschäftigte
(Bärmann, Sax, Heckel, Pupeschi, Rampone). Denn nachdem die Klarinette, die als
Chalumeau schon bei Telemann (1721), Mattheson und Vivaldi Anwendung fand, vor
allem durch die Mannheimer dem Orchester einverleibt worden war, trat sie mehr
und mehr in Erscheinung, gelegentlich (wie uns die Klarinette bei Mozart zeigt)
noch eine Attraktion, aber bald, vor allem seit der Beethoven-Zeit, ein
unentbehrlicher, ja, charakteristischer Faktor der orchestralen Klangs und
solistischer Funktion; seit I. Müller, der die Klarinette zur Norm erhob, datiert
der entscheidende Anteil der Klarinette in Orchester- und Instrumentalmusik
(bedeutende Solisten nach Stadler und Beer waren Hermstedt, Bärmann, ohne den das
Klarinettenwerk Werbers oder Spohrs nicht
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