Erzählung von Hermann Hesse 1877-1962
Entstehung 1903
Anmerkung: enthält starke autobiographische Züge Hesses
Im Mittelpunkt stehen drei große Themen
Die Gesellschaft um die Jahrhundertwende (Kapitel 1+2)
Die Selbstentfremdung, Selbstaufgabe (Kapitel 3+4)
Die erwachende Pubertät (Kapitel 7)
Handlung mit Bezug zum Titel:
Ein Junge kommt unters Rad am Beispiel vom 15jährigen Hans Giebenrath
1. Kindheit Eltern: Mutter tot, Vater spießig, gewöhnlich, regeltreu
nicht reich, wohnt aber in guter Straße im eigenen Haus
Hans : normaler Junge, spielt gern mit Freunden, züchtet Hasen, liebt angeln, im Wald umherbummeln, baden im Fluss
aber: sehr klug, lernwillig, ehrgeizig
körperlich: schmächtig, blasshäutig (anders als die Mitschüler)
2. ab ca. 12 Jahre Besuch der Lateinschule
jetzt nur noch Lernen - Verbot von außerschulischen Aktivitäten
keine Freizeit mehr ; Kopfweh, müde, Blässe
aber: trotzdem großen Ehrgeiz, will besser sein als die anderen
hier: Beginn der Selbstaufgabe (Zerstörung seines Spielzeugs)
3. Landexamen
in Stuttgart Hans besteht das Landexamen zur Aufnahme an einer Kloster-
schule, wo mittellose Kinder mit einem Stipendium auf das
Theologiestudium vorbereitet werden
aber: er lässt sich hier schon von Vater, Rektor, Pfarrer ab-
richten ohne Widerspruch, obwohl er schon hier körperlich
und psychisch überfordert ist
4. Klosterschule Maulbronn zuerst: sehr großer Ehrgeiz, will besser sein als alle anderen
lernt ununterbrochen
aber: er hat keine Freunde, gilt als Außenseiter
es herrschen strenge Regeln, alles Weltliche und Moderne wird
abgelehnt, nur Griechisch, Hebräisch, Latein, Religion zählen
Freundschaft mit
Hermann Heilner Hermann ist "Dichter", schwärmerisch, einfühlsam,
rebelliert gegen die Obrigkeit, wehrt sich gegen die Regeln,
erkennt manches Unsinnige am Unterricht
aber: er wird von den Lehrern verachtet, bestraft, dennoch als "Genie" erkannt und deshalb isoliert, damit er die anderen
Jungen nicht anstecken kann.
Freundschaft mit Hans entwickelt sich trotz Verbot
Sie führen Gespräche, aber Hans öffnet sich nicht total, er
bleibt reserviert
Hermann wird aus der Schule verwiesen, aber er wäre sowieso
gegangen
aber: Hans bleibt, er ist ganz allein, ein Außenseiter geblieben,
durch die Freundschaft hat er nicht mehr die Zeit und die Lust nur noch zu lernen, seine Leistungen verschlechtern sich zunehmend, er wird krank
Die Lehrer helfen ihm nicht, fordern nur noch mehr Fleiß.
Hans versagt und wird zu seinem Vater nach Hause geschickt.
5. Rückkehr nach Hause Erinnerung an seine Kindheit, er möchte die verlorene Zeit wiederhaben, er hat erste Selbstmordgedanken
6. Beginn der Lehre
zum Mechaniker schon am ersten Tag ist ihm die Arbeit langweilig
7. Pubertätsprobleme Hans lernt Emma, ein Mädchen aus der Stadt kennen, die
ihn verführen will.
Er verliebt sich in sie, lässt diese Gefühle aber nicht zu, weil er
von Kind auf kein Gefühlsleben zeigen durfte und konnte.
Er spürt den Trieb nachzugeben, hat aber Angst und nie-
manden, den er um Hilfe bitten könnte, seine Probleme zu
verstehen.
Seine geliebte Emma verlässt ihn ohne Gruß und fährt heim.
8. Selbstmord Während einer Gesellenfeier betrinkt sich Hans, und aus Ekel
über sein Leben und auch Angst sein Versagen vor der
Gesellschaft zugeben zu müssen ertränkt er sich.
(Hesse lässt den Vorgang offen, aber es gibt Hinweise im Text,
dass es Selbstmord ist)
Fazit: Hermann Hesse kritisiert die Lebensweise der Spießer, Hermann Heilner überlebt, weil er sich wehrt. Hans dagegen hat keine Kraft sich durchzusetzen. Er will nicht kapitulieren und will sich auch nicht anpassen, deshalb zieht er seinen Selbstmord vor.
Die Erzählung "Unterm Rad" wurde 1903 von dem damals 25jährigen Hermann Hesse in seinem Heimatort Calw verfasst. Nach ihrer Veröffentlichung 1905 war sie sehr beliebt und gefragt bei den Lesern, weil sie deutlich die Unzufriedenheit mit dem damals bestandenen Schulwesen hervorhob.
In Hesses Erzählung spiegeln sich sehr viele eigene Erlebnisse wider, denn er benutzte sowohl Namen von Ortschaften und Personen aus seiner Kindheit als auch Ereignisse, die er tatsächlich erlebte. Aus diesem Grund konnte er so detailliert über die Lebens- und Leidensgeschichte des sensiblen Jungen Hans Giebenrath berichten, der durch die spießbürgerliche Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts unter "das Rad" kommt.
Der 14jährige Hans Giebenrath lebt mit seinem Vater in einer kleinen schwäbischen Stadt im Schwarzwald. Seine Mutter ist schon lange tot, und so erlebt der Junge wenig mütterliche Fürsorge und Liebe. Die Giebenraths besitzen ein eigenes Haus in der Gerbergasse, einer angesehenen Wohngegend, sind aber ansonsten mittellos. Hans besucht die Lateinschule und gilt als äußerst klug und lernwillig. Durch seine Begabung und sein äußeres Erscheinungsbild - er ist extrem dünn, blasshäutig und wirkt kränklich - gilt er von vornherein als Außenseiter in dem Städtchen. Die Leute sind selbstzufrieden, spießbürgerlich und beschränken sich auf eine gewisse Mittelmäßigkeit. In ihren Köpfen existiert ein Idealbild, dem alle entsprechen sollen. Der "moderne Mensch" ist ihnen nur von Zeitschriften bekannt, selbst Hans' Vater, von Beruf Zwischenhändler und Agent, ist ein gewöhnlicher, mittelmäßig gebildeter Mensch, der keine Vorzüge und Eigenheiten vor seinen Mitbürgern hat, sich strengstens anpasst und deshalb auch keine neuen Einflüsse und Lebensgewohnheiten zulässt. In dieser erstarrten Gemeinschaft hat das Außergewöhnliche keinen Platz.
In seiner Kindheit war Hans ein fröhlicher Junge. Er liebte es, mit seinem Freund am Fluss zu angeln, Kaninchen zu züchten, sich verbotenerweise in der Straße "Zum Falken", wo das einfache Leben pulsiert oder in der Gerberei herumzutreiben und stundenlang durch den Wald zu bummeln. Doch seit dem Besuch der Lateinschule verbietet man ihm jegliche außerschulischen Aktivitäten. Seine Zeit wird rücksichtslos verplant ohne auf seine Gesundheit zu achten. Die Schule dauert bis 16.00 Uhr, es folgt eine Extrastunde Griechisch beim Rektor höchstpersönlich, anschließend um 18.00 Uhr beginnt eine Wiederholungsstunde in Latein und Religion bei dem Stadtpfarrer, und zweimal in der Woche erhält Hans nach dem Abendessen sechzig Minuten Mathematikunterricht. Die Hausaufgaben werden bis Mitternacht und länger erledigt. So bemühen sich alle, in ihrer eigenen Ehre geschmeichelt, ihrem Zögling die besten Voraussetzungen für das Bestehen des angestrebten Landexamens zu bieten. Dieses Examen findet jedes Jahr in der württembergischen Hauptstadt Stuttgart statt. Besteht der Absolvent das Seminar ist der Zugang zur protestantischen Klosterschule Maulbronn gewährleistet. Dort werden 14-18jährige Jungen auf das evangelische Theologiestudium vorbereitet.
Hans' Vater, der Rektor der Lateinschule und der Stadtpfarrer sind der Meinung, dass Hans diesen Weg einschlagen muss, denn als begabtes Kind mittelloser Eltern sei dies die einzige Möglichkeit mit Hilfe eines Stipendiums Karriere zu machen. Hans wehrt sich nicht gegen die tägliche Überforderung, die seine Gesundheit untergräbt und seine Lebensfreude zerstört. In ihm ist der Ehrgeiz gewachsen, stets als Bester unter seinen Kameraden zu glänzen. Doch er sehnt sich im Stillen nach seiner Kindheit, die ihm so plötzlich entrissen wurde. Er weiß, dass sie nie wiederkehrt, und so versucht er, jede Erinnerung an sie durch Zerstörung seiner Spielsachen auszulöschen. Keiner macht sich deswegen Sorgen. Hauptsache ist doch, dass er sich voll und ganz auf die Schule konzentriert. Nur der Schuster Flaig sieht als einziger die Not des Jungen, doch Hans vermeidet den Kontakt mit ihm.
Nach quälenden Monaten der Lernerei besteht Hans letztendlich das Examen als Zweitbester, so dass er nach den Sommerferien die Klosterschule Maulbronn besucht. Zuerst findet Hans keine Freunde und gilt wieder als Außenseiter, da er ausschließlich seinen Studien nachgeht. Doch dann freundet er sich mit Hermann Heilner an. Er ist glücklich, endlich einen Freund gefunden zu haben. Hermann ist ein "schwärmerischer Dichter", sehr einfühlsam aber selbstbewusst. Er lässt sich nicht so willig abrichten und wehrt sich gegen die strengen Regeln des Klosters. Er sieht nicht ein, warum er Dinge lernen muss, die er für völlig unsinnig und überholt hält. Von den Lehrern wird er als Rebell gefürchtet und verachtet aber als Genie bewundert. Als Hermann gegen eine Klosterregel verstößt, nutzt man die Gelegenheit ihn zu bestrafen, indem man den anderen Jungen den Kontakt mit ihm verbietet. Die Erzieher fürchten seinen "negativen" Einfluss auf die Kameraden. Nach großer Überwindungskraft setzt sich Hans über das Kontaktverbot hinweg und steht als einziger zu seinem Freund. Er beginnt zu begreifen, dass man in dieser Schule den "natürlichen Menschen" vernichten will, um einen neuen, zu der Erziehers Zwecken nützlichen "geistigen Menschen" zu formen. Mit dieser Erkenntnis schwindet Hans' Fähigkeit, den physischen und psychischen Anforderungen gewachsen zu sein, und als Hermann dann von der Schule verwiesen wird, bleibt Hans allein zurück. Er scheitert, weil ihm die Lehrer bei seinen Problemen nicht helfen, sondern noch mehr Fleiß fordern und den schulischen Druck erhöhen. Er bricht schließlich zusammen und wird als nervenkrank nach Hause entlassen. Daheim erinnert er sich wieder an seine Kindertage. Er versucht verzweifelt sie zurückzuholen, erkennt aber, dass sie für immer verloren sind. Es überkommt ihn eine unglaublich große Traurigkeit, weil er in seinen Augen versagt hat und glaubt, all seine Erzieher enttäuscht zu haben. Selbstmordgedanken quälen ihn.
Im Herbst beginnt er eine Lehre als Mechaniker, doch schon am ersten Tag ist ihm die Arbeit langweilig. Als kleiner Lichtblick erscheint ihm Emma, ein Mädchen aus der Stadt, die er kennenlernt und in die er sich sofort verliebt. Emma versucht ihn zu verführen, aber Hans ist unsicher und schüchtern. Er lässt seine Gefühle nicht zu, weil er von Kind auf kein Gefühlsleben zeigen durfte und konnte. Er hat niemanden, dem er seine Probleme anvertrauen kann, und als ihn dann seine geliebte Emma ohne einen Abschiedsgruß verlässt, ist der Schmerz so groß, dass er sich während einer Gesellenfeier betrinkt aus Ekel über sein Leben und auch aus Angst, sein Versagen vor der Gesellschaft zugeben zu müssen. Hans kommt nicht mehr nach Hause, er wird tot im Fluss treibend gefunden. Niemand weiß, ob sein Tod ein schreckliches Unglück war oder ob er sich ertränkt hat.
Interpretation und Gedanken zur Erzählung "Unterm Rad" (Hermann Hesse)
Unters Rad gerät jemand, der überfahren wird. Hans Giebenrath wird buchstäblich überrollt. Von seinem Vater, den Lehrern, der Gesellschaft in der schwäbischen Heimatstadt, den Kameraden in Maulbronn und selbst von Emma. Sie alle haben den Tod des Jungen zu verantworten. "Unterm Rad" - zerbrochen am übersteigerten Ehrgeiz seiner Erzieher, am Unverständnis seiner Mitmenschen und an der Lieblosigkeit. Gescheitert am Versuch sich selbst zu entfalten und zu entwickeln, "trieb ihn Müdigkeit und Angst mit stillem Zwang in die Schatten des Todes" (vgl. Seite 164)
Als Symbol erscheint das "Rad" in der Erzählung bereits als kleines hölzernes Wasserrädchen, das er zerstört, um dadurch seine Kindheit hinter sich zu lassen und als gusseisernes Zahnrädchen, an dem Hans als Lehrling lustlos feilt.
Im gesamten Stück lassen sich immer wieder ausführliche Naturbeschreibungen finden. Durch die Beschreibung der wechselnden Jahreszeiten wird der jeweilige Gemütszustand des Jungen beschrieben. Zuerst bieten ihm die Natur und auch die Kindheitserinnerungen vorübergehend Geborgenheit und Zuflucht, aus der er aber immer wieder herausgerissen wird. Beim Angeln und Baden im Fluss, beim Waldspaziergang und während seiner Kindheitserinnerungen findet Hans sein Gleichgewicht wieder. Der Wald und der Fluss erscheinen ihm als "Gegenwelt" zur Realität. Der Wald weckt in ihm das Erleben einer zweiten unwirklichen Kindheit, doch als er begreift, dass er sie unwiederbringlich verloren hat, ist er todunglücklich und wählt inmitten der Bäume seine "Sterbestätte" aus. Die Möglichkeit mit der Natur eins zu werden, gibt Hans aber die Kraft vorerst weiterzuleben.
Hans Giebenrath versucht, die in ihn gesetzten Erwartungen eifrig zu erfüllen und vor allem sich selbst sein Können zu beweisen. Aber Ehrgeiz darf den Charakter nicht "verbiegen", der Einfluss anderer darf nie so groß werden, dass man daran zerbricht. Heilner entscheidet sich aus freien Stücken gegen den schulischen Zwang und setzt der Verachtung der Lehrer seinen eigenen starken Willen entgegen. Er lässt sich nicht umerziehen, bleibt seinem "Ich" treu. Ich finde, Ehrgeiz gehört zum erfolgreichen Leben aber er darf nicht über das Leben bestimmen. Hermann Heilner hat richtig gehandelt, es muss trotz Einfluss der Gesellschaft und Erziehung das Recht auf individuelle Entfaltung bestehen bleiben. Heilner ist wie Hans Außenseiter, aber er hat genug Stärke, sich von dem Druck der Lehrer zu befreien - Hans gelingt dies nicht. Meiner Meinung nach zählt im Leben die Durchsetzungskraft und persönliche Stärke mehr als aller Ehrgeiz gute Leistungen zu erbringen. Ein bisschen Anpassung ist notwendig aber man sollte seine eigenen Fähigkeiten und Gefühle darüber nicht vergessen.
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