Unterm Rad (Hermann Hesse)
Ein Lehrer hat lieber zehn notorische Esel als ein Genie in seiner Klasse, und genau betrachtet hat er ja recht, denn seine Aufgabe ist es nicht, extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner und Biedermänner. Wer aber mehr und Schwereres vom anderen leidet, der Lehrer vom Knaben oder Tyrann, mehr Quälgeist ist, und wer von beiden es ist, der dem anderen Teil seine Seele und seines Lebens verdirbt und schändet, das kann man nicht untersuchen, ohne bitter zu
werden.
Hermann Hesse wurde am 2. Juli 1877 in Württemberg geboren, 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet und starb am 9. August 1962 in Montagnola bei Lugano.
Seine Bücher, Romane, Erzählungen und Gedichte sind mittlerweile in einer Auflage von mehr als 80 Millionen Exemplaren in aller Welt verbreitet und haben ihn zum meistgelesenen europäischen Autor des 20. Jahrhunderts gemacht. Eines seiner besten Bücher ist zweifellos "Unterm Rad"
Man stelle sich vor ein kleiner Ort wie viele andere auch im Schwarzwald. Und doch gibt es eine Person, die sich aus der Masse des Durchschnittes abhebt. Dieser heißt: Hans Giebenrath.
Er ist ohne Zweifel ein begabtes Kind. Nachdem das auch seine Lehrer, der Rektor und der Stadtpfarrer erkannt haben, wollen sie ihn zum Landexamen schicken, welches in wenigen Wochen stattfindet. Das Landexamen ist die einzige Möglichkeit für einen begabten Schüler, der keine reichen Eltern hat, eine höhere Bildung zu genießen.
An die Schulstunden schließen sich noch griechische Extralektionen und eine Lateinstunde beim Stadtpfarrer an.
Um zu verdeutlichen, wie wichtig das Landexamen für das kleine Dorf ist, wollen wir einen kurzen Dialog aus dem Buch vorlesen:
In der Kronengasse begegnete er dem Stadtpfarrer.
"Wie geht's?", fragte er. "Du wirst froh sein, dass es jetzt bald soweit ist."
"Ja, es ist mir schon recht."
"Nun, halte dich gut! Du weißt, dass wir alle Hoffnungen auf dich setzen. Im Latein erwarte ich eine besondere Leistung von dir."
"Wenn ich aber Durchfalle?" meinte Hans schüchtern.
"Durchfallen?!?" Der Geistliche blieb ganz erschrocken stehen. "Durchfallen ist einfach unmöglich. Einfach unmöglich! Sind das Gedanken!"
"Ich meine nur, es könnte ja doch sein"
"Es kann nicht sein, Hans, es kann nicht sein.
Nun sollte er also mit dem Vater nach Stuttgart zum Landexamen fahren. Dort übernachten sie bei Verwandten.
Als er in den großen Prüfungssaal kommt, ist er ziemlich aufgeregt, er hat Angst vor dem Versagen. Am Anfang hat er leichte Schwierigkeiten, doch nach kurzer Zeit ist die Aufregung vorbei und er kann alle Aufgaben gut lösen. Er hat trotzdem ein schlechtes Gewissen und glaubt, nicht durchgekommen zu sein.
Zuhause erfährt er dann aber, dass er das Examen sogar als Zweiter geschafft hat und im Herbst das Seminar besuchen darf. Der Vater und seine Lehrer sind sehr stolz auf ihn.
Nun beginnen die Sommerferien und Hans genießt sie anfangs auch. Später muss er aber mit dem Stadtpfarrer Hebräisch und Latein lernen und sich für das Seminar vorbereiten, damit er einen guten Einstieg hat.
Bald muss Hans ins Internat nach Maulbronn.
Hier muss er sich ein Zimmer mit neun weiteren Seminaristen teilen. Der wohl Auffallendste unter ihnen ist Hermann Heilner, der bald auch der beste Freund von Hans wird. Die beiden sind ein ungleiches Paar, Hermann, der Leichtsinnige und Hans, der Gewissenhafte. Diese Freundschaft wirkt sich aber negativ auf seine Leistungen aus. Nun muss er in den Arbeitsstunden noch eifriger und fleißiger lernen, um nichts zu versäumen. Bald verbieten ihm die Lehrer, mit Heilner zusammen zu sein.
Er wird vom Ephorus auf sein Zimmer gerufen, dieser stellt ihn wegen seiner schlechten Leistungen zur Rede:
LESEPROBE: Buch Seite 92-93
Nachdem Heilner ein paar Stunden Arrest wegen seines Ungehorsams erhält, verlässt er das Internat, ohne sich zu verabschieden. Ab diesem Zeitpunkt geht es mit Hans nur noch bergab. Schließlich wird er noch vor Schulschluss nach Hause geschickt.
Sein Vater und die ganze Stadt sind empört, doch es lässt sich nichts mehr ändern.
Hans denkt sogar ernsthaft daran, Selbstmord zu begehen, doch das ändert sich, als er sich im Herbst in ein hübsches Mädchen, namens Emma verliebt. Doch auch sie verlässt ihn, genauso wie Hermann Heilner.
Nun entschließt sich Hans, Schlosser zu werden. Es ist eine harte Arbeit, die ihn sehr ermüdet. Er lässt sich trotzdem von seinem Arbeitskollegen August überreden, mit ihm am Wochenende seinen ersten Wochenlohn zu verjubeln. Am Sonntag brechen sie also nach Bielach auf, um dort in einem Gasthaus zu feiern. Es geht lustig zu, und als es Abend wird, ist Hans schon ziemlich berauscht. Nachdem er zum Abendessen wieder zu Hause sein soll, will er den Weg alleine zurückgehen.
Als er am späten Abend noch immer nicht angekommen ist macht sich sein Vater Sorgen und er ist auch wütend auf ihn.
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