Unterm Rad
von Hermann Hesse
Persönlichkeit des Dichters
Hermann Hesse wurde am 2. Juli 1877 als Sohn eines deutschen Missionars
geboren. Von 1881 bis 1886 lebte er 5 Jahre in Basel mit seiner Familie,
anschließend kehrte er nach Württemburg zurück. Danach besuchte er eine
Lateinschule in Göppingen. Nach 7 Monaten bricht er die Ausbildung ab. Nach
einem Selbstmordversuch wird er in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Im
Jahre 1903 schrieb er "Unterm Rad", ein Jahr darauf heiratete er. 1946
erhielt er den Nobelpreis für Literatur, am 9. August 1962 starb Hermann
Hesse im Alter von 85 Jahren.
Entstehung, Anregung, Umarbeitung, Quelle
Das Werk "Unterm Rad" basiert auf eigene Erfahrungen Hesses in seiner
Schulzeit. Er wurde aber nicht nur dadurch beeinflußt , sondern auch von den
katastrophalen Schulerfahrungen seines Bruders Hans, der später Selbstmord
beging. "Unterm Rad" erschien 1906, es gab jedoch bereits Vorabdrucke im
Jahre 1904 in der "Neuen Zürcher Zeitung". Hermann Hesse mußte für die
Buchausgabe einige aggressive Formulierungen zurücknehmen, trotzdem führte
es zu heftigen Protesten bei der Lehrerschaft. Genau so wie die Erzählung
"Die Verwirrungen des Zögling Törleß" von Musil beschäftigt sich "Unterm Rad
" mit der systematischen Zerstörung des Geistes durch das Bildungssystem.
Inhalt
Hans Giebenrath, ein überdurchschnittlich begabter und intelligenter
Schüler, lebt in einer kleinen Stadt im Schwarzwald. Da seine
Schulleistungen hoch über denen seiner Mitschüler stehen, wird er vom Lehrer
und Pfarrer sehr gefördert. Er bekommt so die Chance zum Landesexamen nach
Stuttgart zu fahren. Die Besten dieser Prüfung bekommen einen Freiplatz im
Seminar von Maulbronn, wo sie zu Priestern oder Lehrern ausgebildet werden.
Bei diesem Examen wird er Zweiter. In den bevorstehenden Ferien, die
eigentlich zum Entspannen da sind, wird er dazu angehalten, noch mehr zu
lernen. So kommt er völlig müde und überarbeitet in das Seminar, wo ihm noch
dazu eine kühle und für ihn ungewohnte Atmosphäre begegnet. Auch im Internat
gelingt Hans unter größten Anstrengungen unter den besten zu bleiben. Nach
anfänglicher Isolation findet er einen Freund namens Hermann Heilner. Die
schulischen Leistungen beginnen durch die neue Freundschaft zu leiden und
die Klassenlehrer verbieten Hans den weiteren Umgang mit dem Störenfried.
Doch durch den Tod eines Mitschülers versöhnen sich die beiden wieder und
kapseln sich völlig ab. Hermann, der mehr Genie als Schüler ist, unternimmt
einen Fluchtversuch und wird vom Internat ausgeschlossen. Hans bricht nun
völlig zusammen und wird nach einigen qualvollen Versuchen, wieder in den
Schulbetrieb zurückzufinden, ebenfalls nach Hause geschickt. Das kleine
Städtchen belächelt ihn jetzt, weil Hans die Erwartungen aller enttäuscht
hat. Im Sommer verliebt er sich in ein Mädchen und macht seine ersten
zärtlichen erotischen Erfahrungen. Doch diese Liebe ist nicht von Dauer und
schon bald stellt sich für Hans die Frage nach seinem weiteren Lebensweg.
Ein Freund von ihm ist Mechaniker und weil Hans handwerklich nicht
ungeschickt ist, beschließt er Mechaniker zu werden. Das erste Wochenende
als Lehrling verbringt Hans im Wirtshaus mit seinen neu gewonnen Freunden.
Es fließt reichlich Alkohol und am nächsten Morgen wird Hans am Ufer eines
Flusses tot aufgefunden. Bei seinem Begräbnis ist Hans wieder die
Berühmtheit, die er einmal war, als er noch Musterschüler war. Einzig der
Schuster, ein guter Freund von Hans erkennt, daß falscher Ehrgeiz der
Erzieher Hans in den Tod getrieben hat.
Grundgedanke, Motivik, und Problematik
Eine zentrale Aussage des Werkes ist: "Ein Schulmeister hat lieber 10
notorische Esel als ein Genie in seiner Klassedenn seine Aufgabe ist es
nicht, extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner
und BiedermännerSeine Pflichten und sein vom Staat überantworteter Beruf
ist es, in dem jungen Knaben die rohen Kräfte und Begierden der Natur zu
bändigen und auszurotten und an ihrer Stelle stille, mäßige und staatlich
anerkannte Ideale zu pflanzen."
Es geht hauptsächlich um die Unterdrückung eines Individualisten durch das
Schulsystem. Aber nicht nur dieses ist gemeint, Hesse will auch aufzeigen,
wie Druck von außen einen Menschen biegen und brechen kann. Das, für Hesse
typische Wechselspiel, das Leben entweder in vollen Zügen genießen zu können
oder die geistige Vollendung zu finden kommt in diesem Werk besonders zum
Ausdruck. Hans ist nur einigermaßen glücklich, als er nichts zu lernen hat
und ihm keinerlei Pflichten auferlegt werden. Er läßt sich jedoch diese
Freiheit wieder nehmen, indem er im Übermaß zu lernen beginnt. Diese
Entscheidung zwischen Leben und Lernen wird aber nicht von ihm getroffen,
sondern von anderen. Hans läßt sich leiten und setzt seine übermäßige
Intelligenz nicht ein. Er wird von Anfang bis Ende beeinflußt, gelenkt und
geleitet, selbst seinen Selbstmord begeht er nicht bewußt. Diesmal sagte ihm
der Alkohol was zu tun war.
Hesse verarbeitete in diesem Buch neben seinen auch die Schulerfahrungen
seines Bruders Hans, der ebenfalls Selbstmord beging.
Personen
Nun zu den Personen.
Hans
Hans ist der sensible Sohn eines ehrgeizigen Kleinbürgers, der es selbst im
Leben zu nichts gebracht hat und nun möchte, daß sein Sohn Lehrer oder
Priester wird. Um diesen Berufsweg einschlagen zu können, muß Hans das
Landesexamen bestehen. Die Vorbereitungen und das ewige Lernen dafür zehren
die gesamte Kindheit des Knabens auf. Im Internat angekommen ist er anfangs
ein braver Musterschüler, dann aber wird er durch den Einfluß Hermann
Heilners zu einem Ausgestoßenen. Als Heilner schließlich aus dem Internat
flieht, bricht Hans endgültig unter der Last der Einsamkeit und des Drucks
der Lehrer zusammen und wird schließlich nach Hause geschickt.
Hermann Heilner
Heilner beeinflußt Hans durch seine revolutionären Reden und sein
anarchistisches Denken. Er ist ein Dichter und Poet und deswegen bedeutet
ihm die Schule so gut wie nichts. Hermann gerät regelmäßig in Konflikt mit
der Klosterordnung und hat dann meistens mit der Isolation zu kämpfen, der
er ausgesetzt ist. Er braucht Hans, den er braucht die Anerkennung. Durch
Hans erhält er die nötige Bestätigung seiner Thesen, denn Hans ist leicht zu
beeinflussen und ein dankbarer Zuhörer. Außerdem beschäftigte er sich mit
den meisten Themen über die Heilner spricht nicht. Hermann ist der Grund und
der Auslöser für Hans endgültigen Zusammenbruch im Kloster.
Aufbau
Das Werk ist in 7 Kapiteln aufgeteilt, die ungefähr gleich lang sind. In den
ersten beiden Abschnitten werden die Charaktere und die Zeit vom Schulschluß
über die Sommerferien bis zum Eintritt ins Seminar dargestellt. In den
folgenden beiden Kapiteln wird über das Klosterleben und über die
Entwicklung Hans vom Musterschüler zum Aussätzigen behandelt. In den letzten
drei Kapiteln wird über die Heimkehr Hans, über seine erste Liebe und
schließlich über seinen Selbstmord berichtet.
Sprache und Form
Das Werk wurde in Prosaform geschrieben. Hesse verwendet eine gehobene, aber
nicht zu schwer verständliche Sprache. Die spätromantische Grundstimmung
seiner beiden früheren Werke "Peter Camenzind" und "Demian" wird hier jedoch
nicht weitergerführt. Die Sätze werden des öfteren durch Gedankenstriche und
Strichpunkte verlängert. Die Regeln der Grammatik wurde meines Wissens
sorgfältig eingehalten.
Veröffentlichung
Das Werk wurde als Buchausgabe 1906 veröffentlicht. Hesse nahm dafür einige
aggressive Formulierungen zurück. Ebenso veränderte er seine unversöhnliche
Haltung gegen das Schulsystem. Trotzdem führte sein Werk zu heftigen
Protesten der Lehrerschaft. Der Abdruck in einer konservativen Zeitschrift
wurde nach mehreren Folgen eingestellt, während die literarische Kritik den
Roman begrüßte.
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