Thema 2:
Stellen sie in knapper Form die grundsätzlichen Intentionen des Sturm und Drang dar und erörtern sie dann inwieweit es sich bei dem Stück "Die Soldaten" von J.M.R. Lenz um ein epochentypisches Werk handelt.
Gliederung
A. Einblick in die Epoche des Sturm und Drang
B. Beantwortung der Fragestellung
I. Intentionen des Sturm und Drang
Vielbehandelte Themen des Sturm und Drang
Das Hauptthema der Soldaten
II. Epochentypische Aspekte
Inhaltliche Aspekte
Gottscheds drei Einheiten im Drama
Sprachliche epochentypische Aspekte
a) Sprachstand im Zeitalter des Sturm und Drang
b) Grammatik
c) Stilmittel
d) Französisches Vokabular
e) Neuheiten im Ausdruck
C. Biographie von J.M.R. Lenz
Die Epoche des Sturm und Drang (von 1765 bis 1790) , die ihren Namen von dem gleichnamigen Drama von Friedrich Maximilian Klinger hat stellt eine Umbruchsphase der Literatur dar. Es entstand ein neuer Typus des Drama, der durch eine ausdrucksstarke Prosasprache und die Ablehnung der Einheit von Zeit, Raum und Handlung geprägt war. Die Bewegung des Sturm und Drang ging von der Jugend aus. "Die Epoche wurde eingeleitet durch Rosseaus Naturempfinden und Sozialkritik, durch Hamanns Gefühlsreligion, durch Herders Gedanken über die Volkspoesie und durch Klopstocks Gefühlsdichtungen." Nennenswerte Vertreter dieser Epoche sind Gottfried August Bürger, Johann Gottfried Herder, Friedrich Maximilian Klinger, Heinrich Leopold Wagner, Johann Anton Leisewitz, der junge Johann Wolfgang Goethe, Johann Christoph Friedrich Schiller und Jakob Michael Reinhold Lenz (im Folgenden: J.M.R. Lenz). Sein Ende fand der Sturm und Drang mit dem Alterwerden der Anführer. Im Folgenden werde ich die Absichten der Anhänger des Sturm und Dranges erörtern und darlegen, was an dem Werk "Die Soldaten" von J.M.R. Lenz typisch für diese Epoche ist.
Die überwiegend aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden Autoren des Sturm und Drang hatten allgemein das Ziel, die Menschen aufzuklären und sie aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit zu leiten. Sie übten massiv Kritik an den herrschenden politischen und sozialen Zuständen, richteten sich gegen die höfische Gesellschaft , kämpften gegen Aberglaube und Vorurteile, bekannten sich zu Toleranz und Gleichberechtigung, riefen nach Mündigkeit und Eigendenken und glaubten an Fortschritt, Wissenschaft, Glück und Harmonie. Sie setzten sich für die Emanzipation des Individuums ein, sahen die reinste Verkörperung des sich selbst verwirklichenden Menschen im Genie, wendeten sich gegen die überkommene Geschlechtsmoral und strebten nach einer Einheit von Körper und Geist. Diese Intentionen können durch solche Zitate wie [..] "Sie setzten sich für eine größere Autonomie des Subjekts ein für dessen Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung" [..] , [..] "Ihr Ziel war also die politische, moralische und ästhetische Freiheit." oder "Die Gesamttendenz ist deutlich genug richtet sich gegen die höfische, die feudale Gesellschaft gegen deren Formkonventionen." belegt werden.
Im Sturm und Drang handeln die meisten Dramen von dem Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Ständegesellschaft. Viele Werke handeln von einer beengten und kleinbürgerlichen Umgebung gegen die die Jugend ankämpft. Meist wird dieser Konflikt als Kampf um politische Freiheit, Kampf gegen die Gesellschaft und deren Einrichtungen oder Kampf um die ständeübergreifende Liebe dargestellt. Von letzterem Kampf handelt das Drama "Die Soldaten".
Dieses
Drama zeigt die Problematik der damaligen Sexualmoral auf. Marie Wesener, die
aus bürgerlichen Verhältnissen stammende Hauptperson, wird sowohl Opfer ihrer
eigenen Vergnügungssucht, als auch das skrupelloser Verführer. Die Darstellung
des Bürgertums durch die Stürmer und Dränger konzentriert sich vorwiegend auf
die unteren Gesellschaftsschichten. Im Gegensatz zum Adel werden diese
Schichten hauptsächlich positiv, als brav, bieder, rechtschaffen, ehrlich,
fromm, zärtlich liebend, aber manchmal auch puritanisch streng gezeichnet.
Puritanisch Streng wirkt z.B. auch Herr Wesener, als er seiner Tochter
verbietet mit dem Baron Desportes in die Komödie zu gehen.[5]
Es wird allerdings auch scharfe Kritik am Bürgertum geübt, die in zwei
Richtungen geht. "Einmal richtet sie sich gegen die Engstirnigkeit, die
Beschränktheit dieses Standes, gegen eine selbstverständliche Unterordnung
unter den Adel. Zum Zweiten zielt sie aber auch gegen den Versuch dieser
Schicht, das gesellschaftliche Gefüge zu durchbrechen, nach Höherem zu streben
und sich der Lebensweise des Adels anzupassen" .
Marie versucht genau dieses. Obwohl sie schon mit einem Tuchhändler liiert ist,
lässtläßt sie
sich auf den Baron Desportes ein und beginnt
eine Beziehung mit diesem. Dieser redet ihr ein, dass sie zu Höherem bestimmt
ist und für keinen Bürger gemacht sei.
Marie schenkt allerdings nicht nur Desportes ihre Aufmerksamkeit, sondern auch
noch einem jungen Grafen und zwei Offizieren. Diese Sache geht so lange gut, bis ein Jäger Marie im Auftrag
Desportes' vergewaltigt.
In dem Stück wird der soziale Abstieg der Galanteriehändlertochter geschildert,
der sie so weit an den Rand einer Gesellschaft, die keinen derartigen Fehltritt
duldet, drängt, dassdaß
sogar der Versuch der Gräfin de la Roche, Marie durch bestimmte Maßnahmen
wieder in die Gesellschaft einzugliedern, misslingtmißlingt.
J.M.R. Lenz klagt in seinem Werk aber auch das bestehende Militärsystem an. Die
Soldaten werden durch dieses System zwangsweise zu Mädchenverführern.
Er stellt sich die Lösung dieses Problems so vor: "Wenn der König eine
Pflanzschule von Soldatenweibern anlegte;"
In der später ausgeführten Abhandlung "Über die Soldatenehen" schlägt er eine
Form der Familiarisierung vor, die die Energien in den Kampf gegen den Feind
lenkt, statt auf die Bürgerstöchter.
In
den Werken des Sturm und Drang werden die von Gottsched befürworteten drei
Einheiten (Haupthandlung, Ort, Zeit ) bewusst zerschlagen. "Die Form der
klassizistischen Auffassung der aristotelischen Tragödie entgegengesetzten Regeln
wurden abgelehnt, die drei Einheiten aufgelöst zugunsten eines beliebig
häufigen Ortswechsels, eines vielfältigen, höchstens im Helden zentrierten
Handlungsgefüges und eines freien Verfügens über die Zeit" [13]
Die Sürmer und Dränger wollen mit der Verwerfung der drei Einheiten gegen die
bestehende Gesellschaftsordnung protestieren. In dem Werk die Soldaten zeigen
sich, im Gegensatz zu Gottsched (nur eine einzige Haupthandlung) mehrere Handlungsstränge.
Die Autoren des Sturm und Drang wollen die Welt zeigen, wie sie ist, daher die
Vielzahl an Szenen. Bei Gottsched finden die Dramen immer an einem Schauplatz
statt und nichts geschieht im Verborgenen. Im Sturm und Drang ist diese Einheit
des Ortes niemals zu finden. Die Handlung in Lenz' Werk spielt in mehreren
Orten (Lille, Armentieres, Philippeville) im damaligen Französischflandern. Ein
Beispiel für im Verborgenenim verborgenen
geschehene Handlungen ist die zweite Szene des vierten Aktes, in der plötzlich
Desportes im Prison sitzt, obwohl er einen Akt vorher noch in Philippeville
war.
Im französischen Hoftheater erstreckte sich die Einheit der Zeit über 3 - 4
Stunden. Im Sturm und Drang ist diese Einheit nicht mehr begrenzt.
Die
Sprache des Sturm und Drang war sehr stark durch Kreativität und Individualität
gekennzeichnet. Da die Komödie im 18. Jahrhundert entstanden ist mussmuß
man bedenken, dassdaß sich
die Sprache seitdem weiterentwickelt hat. Man braucht sich also nicht über
Ausdrücke wie "fürtrefflich"
oder [..] "ich laß laß
dirDir auch
die Perlen vor sechs Livres"
wundern. Es war dem Sprachstandard des 18. Jahrhunderts gemäß, dassdaß
man die beiden Präpositionen "für" und "vor" wechselte.
Mit
dem Beispiel "Laß Laß
Sie nur sein, Mama! Ich will ihn recht quälen"
möchte ich belegen, dassdaß die
Grammatik eine als unnatürlich empfundene Regelhaftigkeit verlässt und dem
"Volk aufs Maul schaut", dadurch also wesentlich natürlicher wirkt. Die "neue"
Sprache ist voll von Inversionen und Ellipsen.: "Weil er dir ein paar
Schmeicheleien und so und so - "[..] oder "Kommt denn - "
sind nur zwei Beispiele.
Es war im Sturm und Drang große Mode und galt als schick wenn man französisches Vokabular benützte. Auf fast jeder Seite der Werke des Sturm und Drang findet man mehrere Französische Worte. "arriviert"[20], "Continuation" , Canaille vous même" , Tant pis" [..] , "tête á tête " , "le diable m´emporte, síl nést pas vrai!" , "Hola! La maison!" , "Busoir, Busoir" man könnte beliebig viele Ausdrücke aufzählen.
Es
wurde verstärkt Sprachgut verwendet, das vor dem Sturm und Drang tabu war, da
sich derbe Wendungen, Grobheiten, Beschimpfungen, Flüche und Ausdrücke nicht
vermeiden lassen, wenn man die Welt real darstellen will. Insbesondere sexuelle
Inhalte wie "Du höchster Gegenstand von meinen reinen Trieben "[28]
wurden neu eingeführt. Solche Wendungen wie "Racker" ,
"Schlechte Seele" ,
"verfluchte Arschgesichter" ,
"gottvergeßnegottvergeßne
Alleweltshure" oder "impertinenter Esel"
wurden in Massen verwendet.
Lenz wurde am 12.1.1751 in SeßwegenSeßwegen
(Livland) geboren. Er war russischer Staatsbürger und der Sohn eines Pfarrers.
Er besuchte die Lateinschule in Dorpat und veröffentlichte schon mit 15 Jahren
das Gedicht Der Versöhnung Christi. 1767 schrieb er ein biblisches Drama. 1768
begann Lenz in Königsberg ein Theologiestudium, hörte aber am liebsten die
Vorlesungen Kants. 1769 kam sein erstes Buch, "Die Landplagen" heraus.
1771-1774 war Lenz Hofmeister im Dienst der Brüder Friedrich Georg und Ernst
Nickolas von Kleist. Mit ihnen reiste er 1771 nach Straßburg, wo er zum ersten
mal Goethe traf, dann lebte er in dieser Stadt oder in der Nähe. Von 1775 an
hatte Lenz ein Wanderleben. 1776 in Weimar und Berka, 1777 in der Schweiz. In
dieser Zeit zeigte sich bei ihm die Krankheit Schizophrenie, er musstemußte
also bei anderen Menschen wohnen (bei einem Pfarrer in ElsaßElsaß,
bei Goethes Schwager in Emmendingen). 1779 ging er nach Livland zurück, dann
reiste er 1780 nach Petersburg (RußlandRußland)
und wohnte nachher in Moskau. Man fand Lenz am 24.5.1792 tot auf einer Moskauer
Straße.
Seine wichtigsten Werke waren Die Soldaten (1774) und der Hofmeister (1776).
Das moderne Lexikon Band 18; Bertelsmann Verlag; Gütersloh 1972
Literatur Lexikon Begriffe, Realien, Methoden Band 14; Volker Meid; Bertelsmann Lexikon Verlag, München 1993
Der Sturm und Drang (1770-1785); http://www.orst.edu/instruct/ger341/s&d.htm
Geschichte der Deutschen Literatur Band VI Aufklärung, Sturm und Drang, Frühe Klassik; Sven Aage J RGENSEN; C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung; München 1990
Die Soldaten; Jakob Michael Reinhold Lenz; Reclam Universal-Bibliothek 5899;Stuttgart 1993
Kennwort 11; Diether Krywalski, Andreas Markgraf, Christian Roedig; Schroedel Schulbuchverlag; Hannover 1992
Literatur Lexikon Band 7; Bertelsmann Lexikon Verlag; Gütersloh 1990
Der Literatur Brockhaus; Brockhaus GmbH; Mannheim 1988
Die Kindermörderin; Heinrich Leopold Wagner; Reclam Universal-Bibliothek 5698; Stuttgart 1983
Literatur Lexikon Begriffe, Realien, Methoden Band 14; Volker Meid; Bertelsmann Lexikon Verlag, München 1993; Seite 410
Geschichte der Deutschen Literatur Band VI Aufklärung, Sturm und Drang, Frühe Klassik; Sven Aage J RGENSEN; C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung; München 1990; Seite 428
Kennwort 11; Diether Krywalski, Andreas Markgraf, Christian Roedig; Schroedel Schulbuchverlag; Hannover 1992; Seite 74
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