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Liselotte von der Pfalz von Georg Wieland

Liselotte von der Pfalz

von Georg Wieland

nach 'Liselotte von der Pfalz' von Arlette Lebigre (1968)



Zusammenfassung




Am 27. Mai 1652 wird Elisabeth Charlotte (genannt Liselotte), die Tochter des Pfälzi­schen Kurfür­sten Karl Ludwig und seiner Frau Charlotte von Hessen-Kassel in Heidel­berg ge­bo­ren. Mit sieben Jahren wird sie nach Hannover zu ihrer Tante väterli­cher­seits, Sophie, geschickt. Mit elf Jahren kehrt sie nach Heidelberg zurück. Im Jahr 1671 heiratet sie den Bruder von Ludwig XIV Philipp von Orléon ('Mon­sieur'), dessen vorheri­ge Frau Henriette-Anne ein Jahr zuvor verstorben ist. Sie bekommt drei Kinder. 1680 stirbt ihr Vater. 1701 stirbt Monsieur. Am 8. Dezem­ber 1722 stirbt Liselotte in Saint-Cloud.



Liselottes Kindheit


Das Kind Liselotte ist ein Schlingel, eine lebende Herausforde­rung an die guten Manie­ren, die man den jungen Damen zu der Zeit einschärft. Sich nicht zu bewegen oder still zu sein ist eine wahre Marter für sie, die so unru­hig ist. Alle, die sie gekannt haben, beschreiben sie übereinstimmend als eine 'recht schroffe Natur'. Sie selbst wird später zugeben: 'In meiner Kindheit war ich ein wenig mutwillig.' Das pfiffige kleine Mädchen macht gerne Streiche und läßt sich durch die Schliche der Erwachsenen nicht täuschen.

Mit Gewalt kann man bei ihr nichts erreichen, wie sich bei ihrer ersten Gou­ver­nante herausstellt. Die zweite Gouvernante schafft es durch aufrichtige Zunei­gung und durch das Sich-Wenden an ihr Herz und ihren Verstand, den kleinen Wild­fang zu zähmen.


Aber Liselotte ist von frühester Kindheit an in einen Familienkonflikt verwic­kelt. Sie ist, ohne zu begreifen, Zeuge der Zwietracht ihrer Eltern. Alles ist aus zwi­schen dem Kurfür­sten Karl Ludwig und seiner Frau Charlotte.

Sie ist hübsch, elegant, legt Wert auf Kleider, Schminke und Schmuck. Das übrige hat für sie wenig Bedeutung. Um ihre Kinder kümmert sie sich nicht mehr als die anderen großen Damen des 17. Jahrhunderts, außerdem hat sie beschlossen, daß ihr zwei Kinder reichen: sie hat keine Lust, jedes Jahr einen kleinen Pfalz­grafen zur Welt zu bringen, der ihr die Figur verdirbt. Deshalb verbietet sie ihrem Mann den Zutritt zu ihrem Zimmer.

Die Folgen waren leicht vorauszusehen. Der frustrierte Gatte entdeckt unter den Hof­damen seiner Frau die zwanzigjährige Luise von Degenfeld. Er nimmt sie offiziell zur Maitresse, und aus ihrer Beziehung gehen acht Kinder hervor.


Liselotte leidet sehr unter den Streitereien ihrer Eltern. Glück­licher­weise be­schließt Karl Ludwig, Liselotte seiner Schwester Sophie aus Hanno­ver anzuver­trauen. Man kann sich fragen, was der Grund dieser Trennung war. Sollten dem Kind die Szenen erspart werden, die sich seine Eltern gegenseitig liefer­ten? Wollte man die Sorge seiner Erzie­hung loswerden? Es endgültig von seiner Mutter entfernen und es in der Familie des Vaters aufziehen? Diese drei Grün­de dürften die Entscheidung Karl Ludwigs bestimmt haben, der seine Tochter liebt, seine Frau hasst und in seinem Privatleben und mit seinen Verantwort­lichkeiten als Staatsoberhaupt Sorgen genug hat. Sich von einem sechsjährigen Kind zu entlasten, das in Hannover glücklicher sein würde als in Heidel­berg, ist unter diesen Umständen verständlich.


Die durch und durch normale Sophie gewinnt den lustigen, übermütigen Blond­schopf sofort lieb. Die Zuneigung ist gegenseitig.

In Hannover beginnt ein anderes Leben ('die besten Jahre meines Lebens'). Elisa­beth Char­lot­te wird bis an ihr Lebens­ende eine strahlende Erinnerung an diese Zeit behal­ten, die ent­schei­dend war für die Entwicklung ihrer Intelligenz und ihrer Sensibili­tät. Die Herzogin Sophie will keine Hofpuppe aus ihr machen, sondern ein aufrechtes, freimüti­ges, gebildetes, zur Heuchelei unfähiges Mädchen. Das Zeremo­niell wird für sie auf ein Mini­mum reduziert. Liselotte ist weiterhin sehr lebhaft und wissensdurstig.


Sie ist zwölf, als ihr Vater beschließt, sie wieder zu sich zu nehmen, da seine Verhält­nisse wieder 'geordnet' sind, nachdem Kurfürstin Charlotte nach Kassel zurückgekehrt ist. Ein harter Schlag für sie, die verzweifelt ist, sich von ihrer Adoptivfamilie losreißen zu müssen. Aber alles in allem ist das Leben in Heidel­berg nicht unangenehm. Sie verschlingt Bücher, sie studiert die Lebensweise der Tiere, sie macht endlose Spaziergän­ge aufs Land,



Die Umstände der Heirat


Karl Ludwig findet, daß Elisabeth Charlotte mit ihren sechzehn Jahren bereits unterge­bracht sein sollte. Nach einigen mißlungenen Versuchen, einen geeigneten Mann zu finden, kommt Philipp von Orléon ins Gespräch. Eine Heirat mit ihm wäre vor allem für die Pfalz von Vorteil, deren Situation als Pufferstaat zur Folge hat, daß man ständig den Ausschreitungen der französischen Armeen ausgesetzt ist. Im Vergleich dazu haben die Gefühle Elisabeth Charlottes wenig Gewicht.

Liselotte will nichts hören. Der französische Hof lockt sie nicht, genausowenig wie irgendein anderer Hof. Und was die Ehe angeht, so macht sie das, was sie in ihrer Umgebung beobachten kann, eher geneigt, ledig zu bleiben. Aber wenn schon heiraten, dann möchte sie niemals ihr Land verlassen, einen guten Deutschen heiraten, der ihre Liebe zur Natur, zum einfachen Leben und zu langen Spazier­gängen an der frischen Luft teilen würde. Und ausgerechnet sie soll nach Paris geschickt werden. Schlimmer noch: sie muß dem Calvinismus abschwören, um zum römisch-katholischen Glauben überzutreten.

Karl Ludwig ist kein Rabenvater. Bloß ein Vater des 17. Jahrhunderts, dem die Ver­sorgung seiner Kinder wichtiger ist als ihre innersten Sehnsüchte. Es folgen 'liebevolle Verschwörungen' all derer, die sie schätzt, und schließlich gibt Liselotte nach. Ihr Vater war für sie immer ein Held, dem sie eine unerschütterliche Liebe und Bewunderung entgegenbringt. Ja, es war unrecht von ihr, sich ihm zu widersetzen. Sie muß gehorchen.


In Straßburg sagt Elisabeth Charlotte unter Tränen ihrem Vater Lebewohl, der sie bis zur Grenze gebracht hat. Sie wird ihn nicht wiedersehen. Danach fährt sie nach Metz, wo ihre Trauung stattfindet.

An einem einzigen Tag hat sie alles verloren, ihr Land, ihre Familie, ihre Reli­gion. Es gibt keine Liselotte von der Pfalz mehr.



Die ersten Jahre in der Ehe mit Monsieur


Stets heiter und lebhaft, guter Laune und von Natur aus wohltätig, liebt der homosexuel­le Philipp es, wenn man ihn liebt, wenn man ihm schmeichelt. Das übrige kümmert ihn we­nig.

Mit seinen 32 Jahren hat der von ausschweifen­den Tafel­freuden aufgedunsene und mit Firlefanz behängte Philipp auf seinen viel zu hohen Absätzen das lächer­liche Aussehen eines ge­alterten jungen Mannes, der glaubt, er könne die Zeit aufhalten, indem er die Launen der Mode übertreibt.

In der ersten Zeit bemüht er sich noch, der jungen Deutschen, deren bäuerische Frische am französischen Hof unpassend wirkte und Anlaß zum Spott der anderen ist, die An­fangs­gründe der Koket­te­rie beizu­brin­gen und ihre Kleidung dem Hof anzupassen. Ohne Erfolg. Elisabeth Charlot­te ist prinzipiell unzugänglich für all diese Nichtigkeiten, die sie ent­schieden zurück­weist.

Doch sie rührt sein guter Wille. Er hat zwar keine 'Nei­gung zu Frauen', aber könnte er nicht Freundschaft für sie Empfinden? In einem Brief schreibt sie, daß '..er der beste Mensch von der Welt ist.'


Es wäre ein Wunder gewesen, wenn das Glück zwischen diesen beiden so un­gleichen, künstlich vereinigten Menschen nicht flüchtig gewesen wäre. Monsieur liebt Feste, Gesellschaft, Vergnügungen, verabscheut das Reiten, macht sich nichts aus der Jagd und liest nie eine Zeile. Madame fühlt sich nur in einem kleinen Kreis treuer Freunde wohl, reitet täglich, und widmet sehr viel Zeit ihren beiden anderen Leidenschaften, den Büchern und den Briefen.

Philipp und Elisa­beth Charlotte oder die mit den ungleichen Neigungen. Und die ungleichen Charaktere. Der eine ist schüchtern, schwach, intrigant und sät gern Zwist unter seinen Nächsten, ist jedoch tolerant, leutselig und stets von voll­endeter Höflichkeit. Die andere ist aufrichtig und mutig, von Grund auf gut, aber schroff, eigensinnig und unverblümt. Sie denkt, was sie sagt, und sagt, was sie denkt.

Zwar vollzieht Philipp ab und zu seine 'eheliche Pflicht', doch es ist eben nur eine Pflicht. 'Sie waren nie wirklich verheiratet', wird ihre beste Freundin einmal sehr richtig bemerken.

Doch die Ausgeglichenheit ihres Charakters bewahrte sie davor, in Melancholie zu versinken. Ihr Bedürfnis nach Zuneigung richtet sie ganz natürlich auf ihre drei Kinder, über die sie in einem Ton barscher Zärtlichkeit spricht, der für sie charakteristisch ist.


Monsieur ist zwar nicht der beste Mann der Welt, aber auch nicht der schlechte­ste, und das Schloß von Saint-Cloud ist besser als ein Kloster. Darüber hinaus hat sie das Glück, auf das Vertrauen und die Freundschaft des Königs zählen zu können.



Die Freundschaft zu König Ludwig XIV


Wir sind im Jahr 1676. Fünf Jahre sind vergangen seit der Ankunft der kleinen Pfälze­rin, die man damals mit spöttischer Neugierde empfangen hatte, die sich aber recht gut eingelebt hat. Ihr hoher Rang bringt die wahrlich sonderbare Person über­haupt nicht in Ver­legen­heit, und sie findet größtes Vergnügen daran, bei jedem Wetter spazieren­zuge­hen.


Ohne daß die sich darum bemüht hätte, ist ihr Ludwig XIV. von Anfang an zugetan. Das ist um so erstaunlicher, als der König offenbar 'neue Gesichter nicht ertragen' kann. Es wird wohl so sein, daß er mit der für ihn typischen Beobach­tungsgabe bei der jungen Deutschen mit den unregelmäßigen Zügen und der entschiedenen Haltung rasch Her­zensqualitäten erkannt hat, an die er in der oft so heuchlerischen und selbstsüchtigen Welt des Hofes nicht gewöhnt war.

Alle wissen, daß sich der König gerne und ausführlich mit Madame unterhält. Und er läßt keine Gelegenheit aus, ihr seine Freundschaft zu beweisen. Das bleibt nicht ohne Folgen an einem Hof, wo es nur natürlich ist, daß jeder ver­sucht, in seinem Verhalten den Herrscher zu kopieren. Aber Liselotte läßt sich von den Liebenswürdigkeiten, mit denen sie von den Höflingen überschüttet wird, nicht täuschen. Sogar der 'abgeschabte Zobel', über den sich fünf Jahre früher der ganze Hof lustig gemacht hatte, ist nun zum Gipfel der Eleganz geworden.

Die beiden haben viele gemeinsame Interessen: reiten, jagen, spazieren gehen, die Vorliebe für Komödie und Oper und das Sammeln von antiken Münzen und Medallien.

Für Liselotte zählt die Freundschaft des Königs stark. Nicht wegen der eitlen Befriedi­gung, eine 'Prinzessin à la mode' zu sein , sondern weil diese Freund­schaft gerade recht kommt, um die gefühlsmäßige Leere, die Monsieurs Gleichgül­tigkeit hinterlassen hat, zu füllen. Es ist keine Zuneigung, wie Liselotte sagt, aber Achtung, Bewunderung und Dankbarkeit.


Im Herbst 1675 ist Elisabeth Charlottes Beliebtheit auf ihrem Höhepunkt - aber die glorreichen Tage sind gezählt

Schlechte Zeiten


Der Dauphin, Sohn von König Ludwig XIV, heiratet. Und zwar die Schwester des Kurfür­sten von Bayern, Maria Anna Christina Victoria. Madame ist darüber sehr ver­ärgert, weil sie vorhatte den Dauphine mit der ältesten Tochter von Monsieur zu verbinden.

Madame ist nicht mehr 'à la mode'. Es ist nun an der liebenswerten Dauphine, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Doch Liselotte weiß allzu gut, was die Schmeichelei­en des Hofes wert sind.

Ende August 1680 stirbt plötzlich der Kurfürst Karl Ludwig. In ihrem höchsten Schmerz beschuldigt sie seltsamerweise Luwdig XIV (der sie 'um die Freundschaft betrügt'), schuld an seinem Tod zu sein. Vor Kummer soll Karl Ludwig gestorben sein. Da die letzten Verheerungen der Pfalz durch die Franzosen 1674 stattgefunden hatten, wäre es ein verspäteter Kummer gewesen. In Wirklichkeit war er aber eher ein Opfer seiner aus­schwei­fen­den Tafel­freuden. Ludwig XIV bemüht sich zwar noch um eine Versöhnung, aber Liselotte kann ihn nicht mehr leiden.

Und jetzt taucht eine gewisse Madame de Maintenon auf, die weiß, daß man, um ans Ziel zu kommen - worin es auch immer bestehen mag -, Ludwig XIV geistig völlig beherrschen muß. Und Madame ist für ihr Vorhaben gefährlich. Im folgenden Jahr wird sie lauter diffuse Gerüchte und Andeutungen geschickt verbreiten, bis Liselotte so eine traurige Figur abgibt, daß ihr Stolz völlig daran zerbricht. Zu Beginn mißt sie dem nicht allzuviel Bedeutung bei, doch später geht es sogar soweit, daß sie den Hof verlassen möchte, was ihr Ludwig XIV verbietet.

Fremd in ihrem eigenen Haus, vom König, dessen Leben unter dem Einfluß von Madame de Maintenon eine neue Wendung nimmt, auf Distanz gehalten, ist die totunglück­liche Elisa­beth Charlot­te gefangen im goldenen Käfig des französischen Hofes.


1685 stirbt die Königin. Und dadurch wird die Dauphine zur ersten Dame des König­reichs. Weil ihre wirkliche oder eingebildete schlechte Gesundheit sie aber meistens daran hindert 'hofzuhalten', muß Madame an ihrer Stelle 'repräsentieren'. Die Monoto­nie des Hoflebens langweilt Elisabeth Charlotte zu Tode.

Madame de Maintenon wird zur Nachfolgerin der Königin und Liselotte ist untröstlich, den König verloren zu haben.


Dazu kommt noch, daß ihr zärtlich geliebter Bruder stirbt. Es gibt einige Streitereien aufgrund der Erbschaft. Ludwig XIV wird unter dem Vorwand, 'auch Gewalt anzuwen­den, um dafür zu sorgen, daß Madame bekommt, was ihr aus der Erbschaft ihres Vaters und ihres Bruders zusteht', die Pfalz vom Herbst 1688 bis zum Sommer 1689 in ein qualmendes Trümmerfeld verwandeln: zerstörte Städte, massakrierte oder vertriebene Bevölkerung, verwüstetes Land - eine schöne Erbschaft!

Ein Unglück kommt selten allein: Liselottes erste Tochter stirbt. Sie weiß sicht mehr, wem die Tränen gelten, ihrer Tochter oder der Pfalz.



Die Krankheit


Durch den Tod der Dauphine am 20. April 1690 ist Madame an die erste Stelle gerückt. Drei Jahre später wird sie von einer schrecklichen Krankheit heimgesucht. Die Blattern, die schlimmste Krankheit dieser Zeit. Sie ist ansteckend und verläuft meißtens tödlich. Doch Madame hat überhaupt kein Vertauen in die Arzte und in die Medizin, so wie sie in Frankreich praktiziert wird.

Die Krankheit anzunehmen und dem Tod ins Gesicht zu sehen, hindert sie nicht daran, sich um die Lebenden zu kümmern. Madame hat alle ihre Hofdamen entlassen, da sie sie nicht der Gefahr aussetzen will und auch, weil sie nicht möchte, daß man sie leiden sieht. Den Widerstand einer Hand voll Freundinnen, die sich trotzem mit ihr 'einschließen", konnte sie jedoch nicht brechen.

Sie starb nicht. Und zur Schande der Arzteschaft geht es ihr immer besser. Ihre eigenen Methoden waren anscheinend wirkungsvoll.

Aber die Blattern haben sie entstellt. Die Haut ist aufgedunsen, die Nase deformiert, die Wangen geschwollen und hängend - sie ist unbeschreiblich häßlich. Nun braucht sie nur noch dick zu werden, was nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Bis sie viereckig ist 'wie ein Würfel'.



Tod Monsieurs


Die Zeit vergeht ohne große Freuden, aber auch ohne große Leiden.

Als Anfang Mai 1701 die Orléans Versailles verlassen und nach Saint-Cloud reisen, wo sie gewöhnlich den Sommer verbringen, wird Madame erneut krank. Sie bekommt öfters Fieberanfälle, dessen Ursache die Arzte weder kennen noch heilen können. Die Fieberanfälle verschlimmern sich.

Am Morgen des 8. Juni bricht Monsieur, "ganz frisch und gesund", zusammen und ist ohne Bewußtsein. Der Sterbende sieht nichts mehr und hört nichts mehr. Gegen Mittag verlöscht das Lebenslicht ganz. Madame trauert um ihren Gemahl, sowenig er auch ihr Gemahl gewesen war. Vierzig Tage Zurückgezogenheit - so will es die Sitte bei Trauerfällen.

Leider hatte Monsieur einen großen Berg von Schulden hinterlassen. Aufgrund eines Versäumnisses im Heiratsvertrag war Madame vor die Wahl gestellt: Entweder sie bezahlt (mit welchem Geld?) die Hälfte der Schulden, oder sie verzichtet auf die aus der Familie stammenden Güter. Sie muß verzichten. Aber wie soll sie jetzt ihren Lebensunterhalt bestreiten?


Mit dem Tod  von Monsieur ist Madame von einer gewissen Anzahl von Verpflichtungen befreit. Sie braucht die für ihr Gleichgewicht so notwendigen Augenblicke des Alleinseins nicht mehr zu erkämpfen: "Ich bin den ganzen Tag allein in meinem Kabinett, und die Zeit wird mir nicht lang."

Nein, die Zeit wird ihr nicht lang. Auch wenn sie sich mit zunehmendem Alter entschließen muß, auf die Jagd zu Pferde zu verzichten. Sie überhäuft ihre Bekanntschaft mit Briefen. Über viertausend Briefe sind heute bekannt, und hier und da tauchen von Zeit zu Zeit noch neue auf. Dreitausend stammen aus den zwanzig Jahren, die zwischen Monsieurs und Madames Tod liegen.

Hat sie vielleicht mit zunehmendem Alter ein wachsendes Bedürfnis, die Verbindung zur Familie aufrechtzuerhalten, auch wenn es sich um ganz entfernte Cousins handelt, die sie nie gesehen hat und niemals sehen wird? Ist es eine Möglichkeit, dem Hof zu entkommen, der sie nicht meht beachtet?

Madame schreibt alles, was ihr in den Kopf kommt, sie offenbart sich ganz und gar in ihren Briefen.

Außerdem ließt Madame unendlich viel. Ihre Bibilothek zählt mehr als 1300 Titel, die eine erheblich größere Zahl von Bänden umfassen, da es sich um Werke von 5, 6, 12, ja 20 Bände handelt.


Unglück hat auch sein Gutes. Der Tod von Monsieur, den sie so beweinte, hat sie von den Zwängen des Hofes befreit, die ihr die Jugend verdorben hatten. Madame kann sich jetzt ein Leben nach ihrer Vorstellung einrichten.



Tod König Ludwigs XIV


In den kommenden Jahren wird Liselotte ihren Humor bitter nötig haben: Eine Welle polarer Kälte bricht über das Königreich herein, eine Hungersnot wütet mehrere Monate über Paris, blutige Aufstände, Geldmangel,


Die Gesundheit des Königs ist nicht zum Lachen. Seit einigen Jahren hat er sehr abgebaut. Als er sich an einem Oktobertag 1712 ankleidete, wußte er nicht mehr, was er tat, verwechselte die Sachen und redete unzusammenhängende Sätze. Diese Störungen hielten den ganzen Tag an. In des folgenden Tagen fühlte er sich sehr schwach. Der 76jährige, vom Leben verbraucht und von Kummer verzehrt nimmt am 26. August, nachdem er bei der Messe war, Abschied von seiner Familie.  Madame nähert sich ihm unter Tränen. Er wendet sich zu ihr: " Ich habe Euch immer geliebt, Madame, mehr als Ihr selbst glaubtet"



Liselotte von der Pfalz stirbt


Nun ist sie selber eine alte Dame. Wenn der Geist auch genauso lebendig geblieben ist, der Körper ist schrecklich schwerfällig geworden. Seit zehn Jahren leidet Madame unter Beklemmungen, Kopfschmerzen, Erstickungsanfällen. Ihre Beine sind geschwollen, der kleinste Schritt bringt sie außer Atem. Aber die vom Leben mitgenommene alte Dame hat noch immer etwas von der unbezähmbaren Liselotte, "die Natur eines Pferdekutschers".

Madame stirbt am  8. Dezember. Ihrem Wunsch entsprechend wurde ihr Leichnam in größter Schlichtheit nach Saint-Denis gebracht.




'Liselotte von der Pfalz, Schwägerein des Sonnenkönigs Ludwigs XIV., war eine der ungewöhnlichsten und herausragendsten Frauengestalten der deutschen wie auch der französischen Geschichte. Mit scharfem Blick und spitzer Zunge berichtet sie in ihrer umfangreichen Korrespondenz über die Machtverhältnisse, politischen Interessen, Klatsch, Zwist und Intrigen am französischen Hof und schreibt damit die wahrhaft universelle Chronik einer glänzenden Epoche.'







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