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Referat über den Roman

"Sofies Welt"

von Jostein Gaarder




und über die Philosophie der Antike

in Anlehnung an dieses Buch




1. Der Autor


1.1 Leben


Der norwegische Autor Jostein Gaarder wurde im Jahre 1952 geboren. Er studierte Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaften in Oslo und unterrichtete 10 Jahre lang Philosophie an Schulen wie auch in der Erwachsenen-bildung. Heute lebt er in Bergen, wo er hauptsächlich seiner schriftstellerischen Tätigkeit nachgeht.


1.2 Werk


Das berühmteste Werk Gaarders ist der hier beschriebene Roman "Sofies Welt", der sich internationaler Beliebtheit erfreut und bereits in über 40 Sprachen übersetzt worden ist. Andere bekannte Werke Gaarders sind der Roman "Das Kartengeheimnis" und der Band "Der seltene Vogel", der aus teilweise nur halbseitigen Kurzgeschichten sowie aus einigen längeren Erzählungen besteht. Auch erwähnenswert ist "Vita brevis", Gaarders Übersetzung eines an den berühmten mittelalterlichen Kirchenvater Augustinus gerichteten Brief einer ehemaligen Konkubine, der Augustinus den Laufpaß gab, um seiner Liebe zu Gott gerecht werden zu können. Darüber hinaus schreibt er Bücher vor allen Dingen für Jugendliche. Im Jahre 1991 erhielt er den Preis der norwegischen Literaturkritik.


2. Einleitung und Inhalt


2.1 Einleitung


Meine eigentliche Absicht bestand darin, ein etwas ausführlicheres Referat über den Roman "Sofies Welt" anzufertigen. Dabei merkte ich jedoch, daß es aus Spannungsgründen unpassend gewesen wäre, den gesamten Inhalt vorweg-zunehmen. Aus diesem Grund war keine konventionelle Analyse oder Interpretation dieses Textes möglich; also habe ich beschlossen, soweit wie möglich kurz auf den Inhalt des Buches einzugehen und mich dafür etwas ausführlicher mit dem in der Buch dargestellten Philosophie zu befassen. Da ansonsten der Rahmen dieser Arbeit gesprengt worden wäre, habe ich mich hierbei auf die Philosophie der Antike beschränkt, da diese meiner Meinung nach genug Stoff enthält, der eingehenderes Befassen und Vorstellen verdient.


2.2 Inhalt


Der Roman "Sofies Welt" von Jostein Gaarder handelt von einem 14-jährigen Mädchen namens Sofie, das mit ihrer Mutter und einigen Haustieren in einem Haus lebt, bald 15 wird und ein zwar nicht langweiliges, doch gewöhnliches Leben führt. Unverhofft erhält sie anonyme Briefe, die Karten mit essentiellen philosophischen Fragen enthalten und sie zum Nachdenken anregen. Bald darauf werden ihr statt der einzelnen Fragen längere Texte zugestellt, die ihr zuerst den Ursprung und Zweck der Philosophie erläutern und schließlich auch einige der berühmten antiken Philosophen und ihre Lehren vorstellen. Von diesen Texten wird nicht nur berichtet, sondern sie haben in voller Länge ihren eigenen Platz im Textkörper des Buches, sodaß dem Leser die Gelegenheit gewährt wird, an Sofies Einführungsstunden in die Philosophie teilzunehmen und seinen eigenen Zugang zu ihr zu finden. Sofie fängt für das Nachdenken über große und bedeutsame Zusammenhänge Feuer.

Zwischenzeitlich erhält sie geheimnisvolle Postkarten von einem gewissen, sich im Libanon aufhaltenden Vater, die an dessen wie Sofie 14-jährige Tochter Hilde gerichtet sind, Sofie aber offenbar trotzdem nicht versehentlich zugestellt werden. Das Erstaunliche an diesen Karten ist, daß die Mehrzahl von ihnen an Sofies fünfzehntem Geburtstag abgestempelt sind, der noch gar nicht statt-gefunden hat.

Im Laufe der Zeit wird Sofie von der Begierde ergriffen, den Verfasser der anonymen philosophischen Lernmaterialien kennenzulernen. Dieser kommt ihrer Außerung dieses Verlangens nur insoweit nach, als er Sofie ein Videoband schickt, in welchem er selbst Sofie neben den wohl berühmtesten Philosophen Sokrates und Platon eigentlich überhaupt nicht mögliche Aufzeichnungen des antiken Athens zeigt.

Einige Zeit und einige philosophische Entwicklungen später bestellt der große Unbekannte Sofie nachts zu einer Kirche. Sofie nutzt diese Möglichkeit, ihn persönlich kennenzulernen und erscheint zu der nächtlichen Verabredung. Der Fern-Philosophielehrer stellt sich ihr als Alberto Knox vor und bringt ihr, diesmal mündlich, die Philosophie des Mittelalters nahe. Darüber hinaus äußert er die Vermutung, daß der Verfasser der geheimnisvollen Postkarten, der Vater ihrer unbekannten Altersgenossin Hilde namens Albert Knag, einen gewissen, nicht unbedingt positiven Einfluß auf die Geschehnisse in der Welt ausübe. Während Sofie die häufiger folgenden Verabredungen mit ihrem Mentor Alberto sehnlichst erwartet und, im Eifer ihrer Ergriffenheit von der Philosophie, sowohl ihre Mitschüler und Lehrer als auch ihre Mutter durch ihre Reden darüber zutiefst verwirrt, ja regelrecht befremdet, tauchen in Sofies Welt immer mehr Spuren der mysteriösen Hilde auf: Sofie findet einen Schal und eine Halskette ihrer Altersgenossin, sowie immer mehr Postkarten, die ihrem Inhalt nach allesamt dem Zweck dienen, Hilde zum Geburtstag zu gratulieren, der am selben Tag stattfindet wie der von Sofie. Alberto führt diese Ereignisse auf den schändlichen Einfluß von Hildes Vater zurück. Diese Vorgänge werden so häufig und penetrant, daß sie Sofie Kopfzerbrechen bereiten und sie schließlich in die Verzweiflung treiben.

An dieser Stelle nimmt die Handlung eine überraschende Wendung, die hier aus Gründen der Spannung nicht näher beschrieben werden soll. Alberto und Sofie setzen ihren Philosophieunterricht fort und gelangen bis zu den Denkern der Neuzeit, den Existentialisten. Das Buch endet damit, daß Sofie und Alberto versuchen, mit Hilde Kontakt aufzunehmen; es wird die Hoffnung nahe gelegt, daß dies gelingt.


3 Philosophie


3.1 Essentielle Fragen


Über die eigentliche Handlung des Romans hinaus lassen sich auch die Vorgänge und Auseinandersetzungen auf der philosophischen Seite betrachten und zur Handlung in bezug setzen.

Das erste Kapitel schildert, wie Sofie zwei anonyme Briefe erhält, die jeweils eine der Fragen "Wer bist Du?" und "Woher kommt die Welt?" enthalten. Diese Fragen regen sie zum Nachdenken an: als sie den ersten Brief erhält, stellt sie sich vor den Spiegel und überlegt unter Anderem, ob sie eine andere Person geworden wäre, wenn man ihr einen anderen Namen gegeben hätte. Außerdem stellt sie fest, daß man sich sein eigenes Wesen und Außeres nicht aussuchen kann und befindet dies für unlogisch.

Als sie den zweiten Brief öffnet, beantwortet Sofie sich selbst die Frage, woher die Welt komme, zuerst, indem sie davon ausgeht, sie sei immer schon dagewesen. Das erscheint ihr jedoch nicht plausibel; sie denkt, alles, was es gebe, müsse auch irgendwo seinen Anfang haben. Dann aber kommt sie darauf, daß die Welt in diesem Fall aus etwas anderem entstanden sein müsse und daß sie das Problem somit nur verschoben hätte. Auch die Erklärung, Gott habe die Welt geschaffen, sei nicht plausibel, da Gott sich ja nicht selbst erschaffen haben könne.

Darüber erhält Sofie die erste Geburtstagskarte an Hilde, die zwar an Sofie adressiert, offensichtlich aber an Hilde gerichtet ist und fühlt sich nun vollends irritiert.


3.2 Was ist Philosophie und welche Menschen betreiben sie?


Im zweiten Kapitel stellt Sofie fest, daß die beiden im ersten Kapitel behandelten Fragen von großer und ursprünglicher Wichtigkeit sind, die alles andere, wie beispielsweise ihren Unterricht oder ihre Freizeit, in dieser Beziehung belanglos erscheinen lassen. Sie erhält wieder einen Umschlag vom anonymen Briefeschreiber, der diesmal einen etwas längeren Text enthält. Dieser legt besondere Gewichtung darauf, daß alles, was ein guter Philosoph brauche, die Fähigkeit sei, sich zu wundern und dementsprechende Fragen zu stellen (vgl. Z.5). Dies betont er mehrfach und führt hierzu auch zahlreiche Beispiele an. Die Antworten auf diese Fragen aber seien oft sehr unterschiedlich und voneinander abweichend. Ferner stellt er fest, die Philosophie sei eine Wissenschaft, die kein persönliches Hobby einzelner Menschen sein dürfe, sondern jeden etwas angehen müsse. Schließlich erklärt er, Philosophen seien in der Regel die Personen, die sich mehr und ernsthaftere Gedanken machten als ihre Mitmenschen und von diesen deshalb oft nicht ernst genommen würden.

Auffällig ist, daß die Regelmäßigkeit der zugestellten Umschläge beibehalten wird: als Vorbereitung auf einen der längeren Texte erhält Sofie jedesmal eine kleinere Karte mit Fragen, die sie zum Nachdenken über das im nachfolgenden Text behandelte Thema anregt.

Als die Mutter einmal durch Zufall einen der Briefe an ihre Tochter entdeckt, äußert sie die Vermutung, diese sei verliebt. Sofie zieht es vor, ihre Mutter in diesem Glauben zu belassen. Um fernerhin von ihrer Mutter unentdeckt zu bleiben, gewöhnt sich Sofie an, ihre Studien in einer kleinen Höhle in ihrem Garten durchzuführen, die sie in ihrer Kindheit oft nutzte. Auch der unbekannte Philosophielehrer paßt sich dieser Maßnahme an, indem er seinen Hund, einen großen Labrador namens Hermes, die Briefe direkt in dieses Geheimversteck bringen läßt. Dies sind wichtige Anzeichen dafür, wie wenig Beachtung und Respekt die Philosophie in der heutigen Zeit trotz ihrer soeben erläuterten Wichtigkeit findet.


3.3 Die Mythen


Ab dem dritten Kapitel enthalten die anonymen Briefe, die Sofie erhält, die Versuche verschiedener Kulturen bzw. Denker, die philosophischen Fragen zu beantworten. Das dritte Kapitel behandelt die Mythen, die vor jeglicher Philosophie existierten und die bewußten Fragen und die Naturprozesse mit der Existenz und dem Handeln von Göttern begründen. Als diese Mythen jedoch von Homer, einem berühmten griechischen Dichter, aufgeschrieben wurden, verloren sie erheblich an Glaubwürdigkeit, da man nun darüber diskutieren konnte und feststellte, die Götter seien den Menschen zu ähnlich und wiesen die gleichen Charakterschwächen auf wie sie. Jetzt entwickelten sich die ersten Ansätze, die Existenzfragen anders zu beantworten: man versuchte, mittels der Vernunft natürliche Erklärungen für die Naturprozesse zu finden.



3.4 Die Naturphilosophen


Im vierten Kapitel behandelt der anonyme Briefeschreiber die Naturphilo-sophen, deren Projekt darin bestand, die Ursachen des Lebens zu erforschen, also beispielsweise zu fragen, wie toter Stoff zu lebendigen Wesen werden könne oder wodurch überhaupt Veränderungen in der Natur ausgelöst würden.


3.4.1 Drei Philosophen aus Milet


Drei der ersten Naturphilosophen stammten aus Milet in Kleinasien und lebten im 6. Jh. v. Chr. Der bekannteste von ihnen, Thales, "hielt das Wasser für den Ursprung aller Dinge" und allen Lebens. Zu dieser These gelangte er vermutlich aufgrund einer Naturbeobachtung, bei der er erfuhr, wie stark sich intensiver Regen auf die Naturprozesse auswirkt.

Anaximander hingegen "meinte, daß unsere Welt nur eine von vielen ist, die aus etwas entstehen und in etwas vergehen, das er das Unendliche nannte" . Dabei dachte er wahrscheinlich weniger, wie Thales, an einen bestimmten Urstoff, sondern an etwas Anderes, Unbekanntes.

Anaximenes schließlich "hielt die Luft oder den Lufthauch für den Urstoff aller Dinge" , wobei er behauptete, Wasser sei verdichtete Luft. Dies schloß er wahr-scheinlich daraus, daß von Zeit zu Zeit Regen scheinbar aus der Luft entsteht.


3.4.2 Uneinigkeit zweier Zeitgenossen


Einige Zeit später, um die Wende vom 6. zum 5. Jh. v. Chr., beschäftigten sich zwei weitere Denker mit diesem Problem:

Parmenides äußerte die Vermutung, in unserer Welt gebe es keinerlei Verände-rungen und alle durch die Sinne wahrgenommenen Prozesse seien Täuschungen. Heraklit hingegen "hielt nun gerade die dauernden Veränderungen für den grundlegendsten Charakterzug der Natur" , befand seine Sinne für zuverlässig  und stellte somit nahezu die exakte Gegenthese zur Aussage seines Kollegen Heraklit auf.

Wiederum einige Zeit später versuchte Empedokles, "den Weg aus dem Netz [zu] finden, in dem die Philosophie sich verheddert hatte" . Er verwarf die These, von der alle bisherigen Denker ausgegangen waren, und behauptete, es gebe vier Naturelemente: Erde, Luft, Feuer und Wasser. Die Veränderung (vgl. Heraklit) bestehe darin, daß "die vier Stoffe sich mischen und wieder voneinander trennen" , trotzdem aber (vgl. Parmenides) in sich gleich blieben, also keine Veränderung erführen. Als Grund für diese Veränderungen spricht Empedokles von den Naturkräften "Liebe" und "Streit".


3.4.3 Auf dem richtigen Weg


Anaxagoras glaubte nicht daran, daß die Welt nur aus verformten Urstoffen bestehe. Vielmehr behauptete er, sie sei aus vielen, sinnlich nicht wahrnehmbaren Teilchen zusammengesetzt, die, vergleichbar mit einer Zelle des menschlichen Körpers, "etwas von allem" enthalten müßten. Die von Empedokles als "Liebe" und "Streit" bezeichneten Naturkräfte faßt Empedokles unter dem Begriff "Geist" zusammen.

Eine wirklich abschließende Lösung dieses Problems, die bis in die heutige Zeit - abgesehen von einigen bedeutsamen Verfeinerungen und Weiterentwicklungen - ihre Gültigkeit bewahrt hat, hat Demokrit gebracht, der im 5. und 4. Jh. v. Chr. gelebt hat: er war der Begründer der Atomtheorie. Da er seinen Vorgängern darin zustimmte, daß die sinnlich wahrnehmbaren Naturprozesse nicht unbedingt zu bedeuten hatten, daß sich wirklich etwas veränderte, trotzdem aber davon ausging, daß sich etwas in der Natur verformte oder neu zusammensetzte, kam er auf die Idee, alles sei aus kleinsten Teilchen zusammengesetzt, deren Kombination sich verändern könne, die selbst aber unteilbar und ewig seien. Im Gegensatz zu Anaxagoras müssen nach Demokrit diese Teilchen verschieden sein, da sie sonst nicht zu dermaßen verschiedenartigen Körpern und Lebensformen zusammengesetzt werden könnten. Überdies behauptet er, es gebe keine Naturkräfte wie Liebe, Streit oder Geist, sondern nur die Atome und den leeren Raum. Schließlich vertritt er die Ansicht, auch die Seele und das Bewußt-

sein bestünden aus Atomen, seien daher also sterblich. Demnach kann er als Materialist bezeichnet werden.


3.5 Ereignisse in Sofies Welt


Das nächste Kapitel beginnt damit, daß Sofie aus Neugier auf seine Identität beschließt, dem unbekannten Philosophielehrer einen Brief zu schreiben. In diesem lädt sie ihn ein, ihre Kommunikation über die Philosophie in einem persönlichen Gespräch fortzusetzen.

Alsbald erhält sie den nächsten großen Umschlag mit den obligaten maschinen-geschriebenen Bögen. Diese enthalten Zusammenfassungen der antiken Entwicklungen im Bereich des Gesundheits- und Politikwesens, die für die hier angestellten philosophischen Betrachtungen unerheblich sind.

Als Sofie nach dem Behältnis mit den inzwischen beträchtlich vielen Papierbögen greift, welches sie unter ihrem Bett aufbewahrt, findet sie dort einen roten Seidenschal, der am Saum mit dem Namen "Hilde" versehen ist. Dies ruft bei Sofie Verwunderung und Erschrecken hervor.


3.6 Sokrates


Im folgenden Kapitel erhält Sofie die Antwort auf ihren Brief an den Unbe-kannten. Dieser möchte sich vorerst noch nicht mit ihr treffen und bittet sie außerdem, falls sie einen roten Seidenschal finde, diesen sorgfältig zu verwahren. Dies veranlaßt Sofie wiederum zu einiger Verwunderung.

Die nächsten Bögen enthalten Informationen über den nächsten großen Denker der Antike, Sokrates. Dieser lebte im Gegensatz zu seinen Vorgängern in Athen und beschäftigte sich auch nicht mehr, wie die Naturphilosophen, mit Naturprozessen und dem Erdenken ihrer Ursachen, sondern vielmehr mit dem Menschen unter soziologischen Aspekten.


3.6.1 Einige Fakten zu Leben und Person Sokrates'


Zum Leben und zur Persönlichkeit des Sokrates sollte erwähnt werden, daß er "sein Leben vor allem auf Marktplätzen und in Straßen [Athens] verbrachte, wo er mit allen möglichen Leuten redete" . Das tat er auf eine besondere Weise: er gab vor, weniger zu wissen als sein Gesprächspartner und, anstatt etwa zu versuchen, diesen zu belehren, wartete er darauf, daß der andere selbst einen etwaigen Fehler seiner Überlegung einsah. Er handelte auf diese Weise, weil er davon überzeugt war, daß wahre Einsicht einem Menschen nicht von anderen aufgedrängt werden könne, sondern aus ihm selbst heraus kommen müsse.

Vom Leben und Wirken des Sokrates weiß man heute vor allen Dingen, weil Platon, der ein Schüler von ihm war und ihm an Bekanntheit kaum unterlegen ist, ihn in vielen seiner philosophischen Dialoge hat auftreten lassen. Sokrates selbst hat in seinem Leben keinen einzigen Satz zu Papier gebracht.

Seine heutige Bekanntheit hat Sokrates vor allen Dingen dem Umstand zu verdanken, daß er aufgrund seiner philosophischen Aktivität zum Tode verurteilt wurde. "Im Jahre 399 v. Chr. wurde er angeklagt, ,die Jugend zu verderben' und ,die Götter nicht anzuerkennen'. Mit knapper Mehrheit []" wurde er zum Tod durch den Schierlingsbecher gerichtet.


3.6.2 Weitere philosophische Thesen und Ansichten Sokrates'


Zu Lebzeiten des Sokrates indessen hatte sich in Athen nach und nach eine Demokratie mit Volksversammlungen und Gerichten entwickelt . Deshalb brachte es mannigfaltige Vorteile mit sich, gebildet zu sein und auch über ein gewisses rhetorisches Potential zu verfügen. Aus diesem Umstand heraus bildete sich die Gruppe der Sophisten, gelehrter Menschen, die viel herumreisten, um sich weiterzubilden. Die Philosophie betrachteten sie skeptisch: sie vertraten die Auffassung, man könne niemals sichere Antworten auf die in der Philosophie gestellten Fragen erlangen, daher brauche man sich gar nicht weiter damit zu befassen. Darüber hinaus stellten sie fest, der Mensch sei das Maß aller Dinge , womit sie meinten, es gebe keine genormten, letztgültigen Moralvorschriften und kein jedem Menschen angeborenes Rechtsempfinden, sondern alle Vorschriften und Verhaltensregeln seien ausschließlich das Produkt der jeweiligen Gesellschaft.

Mit dieser Behauptung stellten sie die exakte Gegenthese zu der Sokrates' auf: Dieser nämlich vertrat die Überzeugung, jeder Mensch verfüge über das gleiche, angeborene Rechtsempfinden und über die Fähigkeit, Gut von Böse zu unterscheiden. Das zeigt sich auch in der Art, auf die er mit den Athenern umging: er belehrte sie nicht, sondern erwartete, daß sie von sich aus auf die "richtige" Lösung des Problems kommen.

Eine weitere Lehre des Sokrates wird durch den Satz "Die klügste ist die, die weiß, was sie nicht weiß" zusammengefaßt. Auch hier bildete Sokrates den exakten Gegensatz zu seinen Zeitgenossen, den Sophisten: sie waren wandernde Gebildete und Lehrer, die sich durch ihr Wissen für überlegen hielten und für ihre Lehrtätigkeit bezahlen ließen. Für Sokrates hingegen war nicht das Wissen an sich, sondern das Streben nach Wissen bezeichnend. Er war sich darüber im Klaren, daß es vieles gab, was er nicht wußte und wahrscheinlich auch niemals lernen konnte.


3.7 Ein Videoband, aufgezeichnet um 400 v. Chr.


Im nächsten Kapitel erhält Sofie das bereits erwähnte Videoband, welches sie mehr erschreckt als alle mysteriösen Ereignisse, die zuvor passiert sind, da sich ihr Philosophielehrer Alberto Knox hier vorstellt und aus dem Athen zu ihr spricht, wie es vor 2400 Jahren aussah. Alsbald erblickt Sofie zwei Männer, einen älteren, häßlichen und einen jüngeren, gutaussehenden Mann. Alberto läßt keinen Zweifel daran, daß dies Sokrates in Begleitung seines nicht minder berühmten Schülers Platon ist. Letzterer wendet sich zur Kamera und stellt Sofie die vorbereitenden Fragen. "Er sprach sehr gebrochen norwegisch." An dieser Stelle endet das Video.

Die Verwirrung, in die Sofie hier getrieben wird, ist so stark, daß sie trotz noch nicht fortgeschrittener Stunde ihr Bett aufsucht und den nächsten halben Tag schlafend verbringt.



3.8 Platon in natürlicher Umgebung


Aufgrund dessen wacht sie am nächsten Tag, einem Sonntag, bereits um fünf Uhr morgens auf und macht sich auf den Weg zu ihrem Geheimversteck. Als der Hund des Pädagogen, Hermes, Sofie den nächsten Umschlag dorthin bringt, unternimmt sie den Versuch, ihm zu folgen, um ihren Lehrer zu finden. Bald sieht sie allerdings ein, daß es ein sinnloses Unterfangen ist, einen Labrador einholen zu wollen. Also läßt sie sich mitten im Wald nieder und beginnt den Umschlag über Platon zu lesen - ein eindeutiges Anzeichen dafür, wie spannend sich diese Geisteswissenschaft darstellen kann.


3.8.1 Ideenlehre


Das Projekt Platons besteht generell darin, hinter dem Vergänglichen und Fließenden in der Welt ewige und unveränderliche Wahrheiten zu suchen, und zwar sowohl hinsichtlich moralischer als auch biologischer Fragen. Man mag sich hier an die Naturphilosophen, wie Empedokles und Demokrit, erinnert fühlen, die behaupteten, es gebe unveränderliche, materielle Urstoffe, wie die Atome oder die vier Elemente. Platon jedoch fragte nach den tatsächlichen Ursachen dafür, daß sich diese Urstoffe immer wieder zu den gleichen Lebensformen zusammenfügen, wobei er sich nicht mit vagen Begriffen wie "Liebe", "Streit" oder "Geist" zufriedengab. Er erklärte die Ahnlichkeit der Lebe-wesen damit, daß es in einer zweiten Realität immerwährende und in alle Ewigkeit fortbestehende Formen gebe, die er "Ideen" oder auch "Urbilder" nannte. Alles, was wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen, bezeichnete er als bloßes Bild oder Abbild dieser Ideen. "Diese bemerkenswerte Auffassung bezeichnen wir als Platons Ideenlehre." Hierbei sah er die Welt der Ideen als die der Vernunft und des Geistes, "unsere" Realität jedoch als die materielle, stofflich bestimmte Welt an. Daraus folgerte er, daß wir von unserer sinnlichen Realität lediglich eine unsichere Meinung haben können. "Sicheres Wissen können wir nur von dem haben, was wir mit der Vernunft erkennen." Daher könne man sich also über ein einzelnes Bild einer Idee (oder einer Sorte) und seine Eigenschaften streiten, durch Gebrauch der Vernunft jedoch bei der Ansicht von dreißig Bildern einen entsprechenden, relativ sicheren Rückschluß auf die ewige Form oder Idee dieses Bildes ziehen.


3.8.2 Höhlengleichnis


Hierzu hat Platon ein berühmtes Gleichnis aufgestellt, das "Höhlengleichnis". Er vergleicht alle Menschen mit den Bewohnern einer unterirdischen Höhle, die mit dem Rücken zum Eingang sitzen. Vor dem Eingang befinden sich die ewigen Ideen, deren Schatten durch ein wiederum vor ihnen brennendes Feuer an die Rückwand der Höhle geworfen werden. Die Höhlenbewohner halten die Schatten für die ganze Wirklichkeit. Einer der Bewohner jedoch erhebt sich nun aus der Dunkelheit und findet aus der Höhle heraus. Er erblickt die im Gegensatz zu den vagen Abbildern in der Höhle farbenfrohen und scharf konturierten Ideen. Statt diese neu gewonnene Freiheit auszunutzen und sich der Schönheit der Ideen zu erfreuen, denkt er an die armen Unwissenden in der Höhle und versucht sie von der Wahrheit zu überzeugen. Sie glauben ihm nicht, und da er nicht locker läßt und sie sich gestört fühlen, erschlagen sie ihn. Die Handlungen des selbstlosen Höhlenbewohners bezeichnet Platon als den Weg des Philosophen, wodurch wieder einmal die Geringschätzung ausgedrückt wird, die die Philosophie demzu-folge offenbar schon damals erfuhr.


3.8.3 Platons Idealstaat


Ein weiteres berühmtes Gleichnis Platons ist das, in welchem er seine Vorstellung eines Idealstaates mit den drei Teilen des menschlichen Körpers gleichsetzt. Er teilt ihn in Kopf, Brust und Unterleib und ordnet jedem dieser drei Teile eine Charaktereigenschaft, eine Tugend und schließlich ein staatliches Organ zu:


Körper

Charakter

Tugend

Staat





Kopf

Vernunft

Weisheit

Herrscher

Brust

Wille

Mut

Wächter

Unterleib

Begehren

Mäßigung

Handelsstand

Hierbei ist wichtig, daß Platon die Auffassung vertritt, der Staat solle am besten von der Vernunft, also durch Philosophen gelenkt werden.


3.9 Weitere Ereignisse in Sofies und ihr Eindringen in Albertos Welt


Das nächste Kapitel beginnt damit, daß Sofie, als sie die Bögen über Platon gelesen hat, merkt, daß sie noch im Wald sitzt und daß sie - da es 7.15 an einem Sonntagmorgen ist - noch etwas Zeit hat, bis ihre Mutter aufstehen wird. So beschließt sie, die Verfolgung des anonymen Lehrers wieder aufzunehmen. Mit traumwandlerischer Sicherheit geht sie auf einen See zu und entdeckt ein Ruderboot, welches sie auch sofort benutzt, um den See zu überqueren. Sie erblickt eine kleine Hütte. Da das Ufer auf der anderen Seite sehr steil ist, gelingt es ihr nicht, das Boot an Land zu ziehen. Sie betritt die Hütte. Aufgrund von Haarspuren und einem herumliegenden, an sie adressierten Umschlag kommt sie zu dem Schluß, daß hier ihr Lehrer Alberto mit seinem Hund Hermes wohnt. Sie sieht sich um und sieht einige ihr kurios erscheinende Gegenstände, unter anderem eine Brieftasche, die 150 Kronen und einen Schülerausweis ihrer Altersgenossin Hilde Møller Knag enthält, und einen Messingspiegel mit unebener Oberfläche, aus dem ihr ein Mädchen mit beiden Augen zuzwinkert. Sie weiß nicht mehr, ob sie in dem Spiegel sich selbst oder jemand anders sieht und wird durch diesen Umstand wieder einmal stark verunsichert. Als sie zudem noch das Bellen des ihr vertrauten Labradors immer näher kommen hört, flüchtet sie panikartig aus dem Haus, wobei sie unüberlegterweise den Umschlag mit ihrem Namen an sich reißt. Zu ihrem Erschrecken stellt sie fest, daß das Boot nun mitten auf dem See treibt und Alberto nicht mehr zu seiner Behausung gelangen kann. Sofie muß, um zurück zu ihrem Haus zu gelangen, ein Moor durchqueren. Als sie in entsprechendem Zustand zu Hause ankommt, wird sie von ihrer Mutter zur Rede gestellt. Sie erzählt ihrer Mutter über ihren "Waldspaziergang", verschweigt aber alles, was mit dem schriftlichen Fernlehrgang oder mit ihrer exakten Altersgenossin Hilde zu tun hat.

Da sie ihre Tat, ihren Einbruch in Albertos Hütte und vor allen Dingen den Unfall mit dem Boot aufrichtig bereut, schreibt Sofie ihm einen Brief zur Entschuldigung.

Nachdem sie sich anschließend über die in dem Umschlag enthaltenen Fragen Gedanken gemacht hat, spricht ihre Mutter sie auf ihren baldigen fünfzehnten Geburtstag an und fragt, wie sie ihn feiern wolle. Sie denken daran, eine Fete zu organisieren.


3.10 Aristoteles


Das nächste Kapitel befaßt sich mit dem dritten große Athener Philosophen, Aristoteles. Dieser war ein Schüler Platons an dessen eigener Schule, die übrigens als erste Lehranstalt überhaupt den Namen "Akademie" trug.

Den Unterlagen über Aristoteles hat Alberto Knox eine Antwort auf Sofies Entschuldigungsbrief beigefügt, in dem er ihr eröffnet, ihr nicht sehr wütend zu sein und Verständnis für ihre Neugier zeigt.



3.10.1 Fakten zu Leben und Person Aristoteles'


Zu Leben und Person des Aristoteles ist zu erläutern, daß dieser nicht nur Geistes-, sondern auch ein bedeutsamer Naturwissenschaftler war war. "Er war nicht nur der letzte große griechische Philosoph, er war auch Europas erster großer Biologe. [] Er war der große Systematiker, der die verschiedenen Wissenschaften begründete und ordnete." Daher interessierte er sich - ganz im Gegensatz zu Platon - nicht für das Ewige und unveränderliche hinter, sondern für die tatsächlich wahrnehmbaren Prozesse in der Natur. In der Hauptsache war er Biologe und führte sehr viele Beobachtungen in der freien Natur durch, arbeitete aber auch für eine Vielzahl anderer Wissenschaften und gelangte zu einer fast als ungeheuerlich zu bezeichnenden Menge an Erkenntnissen. Hier soll natürlich vorwiegend seine philosophische Tätigkeit dargestellt werden.


3.10.2 Aristoteles' Kritik der Ideenlehre seines Lehrers Platon


Mit der Ideenlehre Platons stimmte er insofern nicht überein, als er behauptete, das, was Platon als "Idee" einer Lebensform bezeichnet habe, sei nur die Vorstellung, die sich der Mensch mache, nachdem er eine bestimmte Anzahl an Vertretern dieser Lebensform gesehen habe. In dieser Beziehung kann er der exakte Gegensatz zu Platon genannt werden: Platon behauptete, es gebe nichts in der Natur, was nicht zuerst in der Ideenwelt existiert habe. Aristoteles hingegen war der Auffassung, nichts könne im Bewußtsein der Menschen, in ihrer ganz privaten Ideenwelt, existieren, was nicht vorher vom Menschen durch die Sinne wahrgenommen, empirisch erfahren worden sei. Er gab aber durchaus zu, daß der Mensch etwas Angeborenes hatte: seine Vernunft selbst. "Aber unsere Vernunft ist ganz ,leer', solange wir nichts empfinden. Ein Mensch hat also keine ange-borenen ,Ideen'."

Demzufolge kann Aristoteles als Empiriker (Vertreter der Auffassung, alle Erkenntnis des Menschen beruhe auf dem, was er erfahren habe), Platon hingegen als Rationalist (wahre Erkenntnis ist die, zu der der Mensch durch bloße Vernunftanwendung gelangt) bezeichnet werden.


3.10.3 Weitere Thesen Aristoteles'


Überdies führt Aristoteles bestimmte neue Bezeichnungsweisen ein: er behauptet, jedes Lebewesen bestehe aus Form und Stoff. Dabei bedeute "Form" alle Eigenschaften, die dieses Lebewesen aufweise, und alle Handlungsmöglich-keiten, die ihm offenstünden; der "Stoff" hingegen bezeichne das Material, aus dem es bestehe.

Eine weitere These des Aristoteles lautet, daß alle Naturprozesse einen Zweck oder eine Absicht verfolgen, also, genauer gesagt, neben den den jeweiligen Vorgang tatsächlich herbeiführenden Ursachen eine Zweckursache haben. Der anonyme Briefeschreiber Alberto Knox führt hierzu das Beispiel des Regens an: Aristoteles behauptete, es regne nicht nur, "weil der Wasserdampf in den Wolken abkühlt und sich zu Wassertropfen verdichtet, die aufgrund der Schwerkraft zu

Boden fallen", sondern auch, "damit die Pflanzen wachsen, und Apfelsinen und Trauben wachsen, damit die Menschen sie essen"





3.10.4 Logik


Die vielleicht wichtigste Errungenschaft Aristoteles' ist, die Logik als Wissen-schaft begründet zu haben. "[Er] war ein peinlich genauer Mann der Ordnung, der in den Begriffen der Menschen aufräumen wollte."

Das Bezeichnende dieser aristotelischen Logik ist die Einteilung in Gruppen, in Kategorien. Er unterteilt seelenlose Dinge und lebende Wesen, sodann unter-scheidet er bei letzteren zwischen Pflanzen - die seiner Ansicht nach ihren Platz irgendwo zwischen tatsächlicher Lebendigkeit und vollkommener Seelenlosigkeit einnehmen - und anderen Lebewesen, diese wiederum teilt er in Tiere und Menschen. Dabei behauptet er, der Mensch sei in dieser "Trittleiter der Natur" ganz oben einzustufen. Er geht also "von den Eigenschaften der Dinge aus, genauer gesagt, was sie können oder was sie tun."

Darüber hinaus ist er der Auffassung, es müsse einen ersten Beweger, eine Art Gott geben, der die Naturprozesse das erste Mal in Gang setze. Dieses Wesen ist seiner Meinung nach das einzige, welches höher einzustufen ist als der Mensch.


3.10.5 Ethik


Über die Lebensqualität des Menschen urteilt Aristoteles, diese sei am höchsten, wenn der Mensch in jeder Beziehung ausgeglichen sei, also sowohl seinen Körper als auch seinen Geist genügend pflege und auch in seinen Tugenden auf Ausgeglichenheit achte: "Wir sollen werder feige noch tollkühn sein, sondern tapfer. [] Auch sollen wir weder geizig noch verschwenderisch sein, sondern großzügig."


3.10.6 Fund eines Kleidungsstückes


Als sich Sofie die Ordnung Aristoteles' selbst verdeutlichen will, indem sie ihr Zimmer aufräumt und die Gegenstände dabei in Kategorien unterteilt, stößt sie auf einen weißen Strumpf, von dem sie genau weiß, daß er niemals ihr gehört hat; sie stellt jedoch eine Vermutung an, wer die rechtmäßige Eigentümerin sei.


3.11 Hellenismus


Zu Beginn des nächsten Kapitels entdeckt Sofie auf dem Boden der Straße, in der sie wohnt, die zweite Geburtstagskarte von Albert Knag an seine Tochter Hilde. Aus dieser geht hervor, daß er ein besonderes Geschenk für sie vorbereitet hat und daß er die Karte absichtlich an Sofie geschickt hat, damit diese sie an Hilde weiterreiche. Ferner erwähnt er, daß er von Hildes Verlust ihrer Brief-tasche erfahren habe und daß er die 150 Kronen ersetzen wolle.

Im weiteren Verlauf des Kapitels gelingt Sofie der Geniestreich, in einer Reli-gionsarbeit, für die sie nicht gelernt hat, durch Anwendung ihrer philosophischen Kenntnisse eine "1" zu erlangen.

Der nächste Umschlag eröffnet Sofie, daß sie nun über die Grundlagen der europäischen Philosophie im Bilde sei und daher ohne die einleitenden Denkauf-gaben auskommen könne


3.11.1 Historische Entwicklungen mit drastischen Auswirkungen


Die folgende Philosophie ist vor allem von einigen umfangreichen Eroberungen Griechenlands geprägt. Die Folge davon war, daß die verschiedenen Kulturen und ihre bisher erlangten wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnisse "in einem einzigen großen Hexenkessel" vermengt wurden. Obwohl ab ca.      50 v. Chr. Rom die politische Führungsrolle übernahm, blieb dieser Zustand bis ca. 400 n. Chr., also bis zum Begin des Mittelalters, erhalten. Diesen Zeitab-schnitt bezeichnet man, da Griechenland trotz allem noch die kulturelle und philosophische Führungsrolle innehatte, auch als Hellenismus. Das Bezeichnende für diesen Abschnitt war die Mischung verschiedener Religionen und Weltan-schauungen, der Synkretismus.

Innerhalb des Hellenismus blieben bedeutsame philosophische Umwälzungen und das Erlangen großartiger neuer Erkenntnisse aus. Lediglich "arbeitete die hellenistische Philosophie weiter an den Problemen, die durch Sokrates, Platon und Aristoteles aufgeworfen worden waren." Speziell beschäftigten sie sich mit dem Anliegen, die Lebensqualität zu maximieren. In seinem Lernmaterial beschreibt Alberto vier der wichtigsten philosophischen Strömungen, die sich während des Hellenismus entwickelten.


3.11.2 Kynismus


Eine dieser Strömungen war der Kynismus. Er beruhte darauf, sein Glück nicht von äußeren Faktoren, wie Macht oder materiellem Reichtum, abhängig zu machen. Der wohl bekannteste Kyniker war Diogenes, der "in einer Tonne wohnte und nichts weiter besaß als einen Umhang, einen Stock und einen Brot-beutel. (Da war es nicht leicht, ihm sein Glück zu nehmen!)" Als der berühmte Herrscher Alexander der Große einmal, fasziniert von dem, was er über Diogenes gehört hatte, vor Diogenes' Faß erschien und ihn fragte, ob er ihm einen Wunsch erfüllen könne, antwortete Diogenes seelenruhig: "Ja. Geh' mir aus der Sonne!"

Unser Wort "zynisch" oder "Zyniker" hat seinen Ursprung in der Bezeichnung für diese Auffassung. Wir allerdings meinen damit eher jemanden, der sich dem Leiden anderer gegenüber ignorant zeigt, was durchaus auch zum Kynismus gehörte.


3.11.3 Stoizismus


Die nächste Gruppe, von der Alberto berichtet, sind die Stoiker. Diesen Namen tragen sie deshalb, weil ihr Anführer sie in einem Säulengang (lat. stoa) zu versammeln pflegte. Sie glaubten an eine Weltvernunft, an der alle Menschen teilhätten, und ebenso daran, daß jeder Mensch diese Welt komplett in seinem Inneren trage und widerspiegle. Ferner waren sie, wie Sokrates, von der Existenz eines unabänderlichen Naturrecht überzeugt. Auch bestritten sie jeglichen Unter-schied zwischen Stoff und Geist und behaupteten, es gebe nur eine Natur. Im Gegensatz zu Platons klarem Dualismus, der Zweiteilung der Wirklichkeit, nennt man diese Auffassung Monismus. Im Gegensatz zu den Kynikern waren die Stoiker grundsätzlich offen für aktuelles Zeitgeschehen und Politik. Nicht zuletzt aus diesem Umstand resultierte die Tatsache, daß viele Stoiker angesehene Staatsmänner waren, wie beispielsweise der berühmte Redner und Politiker Cicero, zu dessen größten Verdiensten die Verbreitung der griechischen Kultur und Philosophie in Rom und somit wahrscheinlich auch ihre Erhaltung für die Nachwelt gehört.

Trotz alledem wies der Stoizismus eine Gemeinsamkeit mit dem Kynismus auf: Die Vertreter beider Strömungen glaubten an das Schicksal und sahen, wenn sie in Not waren, keine Notwendigkeit, diese zu bejammern. Auch heute spricht man noch von "stoischer Ruhe", wenn sich ein Mensch nicht von seinen Gefühlen mitreißen läßt.


3.11.4 Epikureismus


Die nächste wichtige philosophische Gruppe des Hellenismus nennt sich, nach ihrem Begründer Epikur, die "Epikureer". Ihre Lebensauffassung bestand darin, jeglichem Schmerz aus dem Weg zu gehen und sich möglichst viel positive Emotionen zu verschaffen. "Lust", womit hier etwas Allgemeineres gemeint sein dürfte als das, was wir heute und diesem Begriff verstehen, war für sie das höchste Gut. Damit meinten sie aber nicht nur die kurzfristige sinnliche Befriedigung, sondern auch den längerfristigen Genuß, der unter Umständen auch eine lange und enthaltsame Zeit bedeuten konnte. (Alberto vergleicht dies mit der Einteilung des Taschengeldes: Es kann "sinnvoll" sein, sich ein Jahr lang sein Taschengeld zu sparen, um es nach dieser Zeitspanne beispielsweise in einen neuen Computer zu investieren.)

Weitere bezeichnende Merkmale für die Epikureer sind unter anderem die nicht vorhandene Angst vor dem Tod - Epikur sagte: "Solange wir sind, ist der Tod nicht da, und sobald er da ist, sind wir nicht mehr." - und die Abgeschiedenheit vor der restlichen Welt, in der sie ihr Leben verbrachten. Man sagt, sie hätten sich in einem großen, vermutlich ein-, also von der Welt abgegrenzten Garten versammelt. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, daß für sie nichts eine Rolle spielte außer dem bloßen Genuß.


3.11.5 Neuplatonismus


Als vierte und letzte philosophische Richtung des Hellenismus bezeichnet Alberto den Neuplatonismus, der durch den aus Alexandria, dem Treffpunkt zwischen griechischer Philosophie und orientalischer Mystik, stammenden Plotin begründet wurde. In Anlehnung an Platons Höhlengleichnis spricht dieser Plotin von einem Feuer, das im Zentrum alles Lebens lodert. Dieses Feuer bezeichnet er als "Den Einen", mitunter auch als "Gott". Mit seinem Schein erhellt er alle Dinge, die sich um ihn herum befinden. Dabei haben diese jeweils einen unterschiedlichen Abstand von "Dem Einen": Der Mensch steht ihm am nächsten, danach die Tiere, danach die Pflanzen. Leblose, tote Körper wie Steine befinden sich dort, wo man vom Licht "Des Einen" nichts mehr sieht.


In dieser Zeit war es üblich, daß Menschen - und nicht nur die Neuplatoniker! - mystische Erlebnisse hatten, was in der Regel bedeutete, daß sie sich fühlten, als verschmölzen sie mit Gott und würden Teil der Weltvernunft - Teil Gottes -, die unendlich viel größer und wichtiger ist als die eigene Person.


3.12 Abschluß der antiken Philosophie


Diese vier Strömungen des Hellenismus sind die letzten philosophischen Entwicklungen der Antike. Was folgt, ist das finstere und lang andauernde Mittelalter, das vor allen Dingen vom nicht unbedingt positiven Einfluß der christlichen Kirche gezeichnet ist. Hier gibt es verschiedene kirchliche Vertreter - unter anderem Bischöfe oder Mönche -, die versuchten, die Lehren z.B. Platons und Aristoteles' mit der christlichen Theologie zu vereinen. Die tatsächliche philosophische Entwicklung jedoch setzte sich erst ein Jahrtausend später in der Renaissance fort.



4 Persönliche Stellungnahme


In diesem letzten Abschnitt werde ich zu einigen wichtigen philosophischen Problemen, sowie auch zu dem Roman Stellung beziehen und Anmerkungen machen.

Da die Hauptprobleme der Naturphilosophie von Demokrit weitestgehend zur Zufriedenheit aller gelöst worden sind, werde ich mich mit ihnen hier nicht weiter beschäftigen.

Eine wichtige Frage ist die des Naturrechts, von welchem Sokrates überzeugt war, an das seine sophistischen Zeitgenossen aber nicht glaubten. Die Frage-stellung lautet hier: Gibt es unveränderliche, ewige und über allen Völkern und Rassen stehende Moralvorschriften? Mit diesem Problem hat sich gut zwei Jahrtausende später auch Friedrich Engels befaßt. Er behauptete, es gebe diese Vorschriften nicht und begründete dies mit einem Beispiel: Er behauptete, das scheinbar allgemeingültige Moralgebot "Du sollst nicht stehlen" verliere in den von ihm idealisierten kommunistischen Gesellschaften, in denen jeder Mensch genug zum Leben hat und niemand mehr besitzt als seine Mitmenschen, an Bedeutung, da es hier schlicht und einfach nicht mehr nötig sei, weil die Menschen zum Stehlen kein Motiv hätten. Die Menschen, die dennoch stehlen, bezeichnet Engels als "geisteskrank". Hier hat Engels meiner Meinung nach aber nicht erfolgreich versucht, sich in die Lage der Menschen hineinzuversetzen: materielle Habgier kann auch dann bestehen, wenn kein Mensch mehr besitzt als der andere. Das Streben nach Besitz ist auch nicht, wie Engels meint, "geisteskrank", sondern vielmehr in mehrfacher Hinsicht für das Motivieren der Menschen und somit letztlich auch für das Funktionieren der Gesellschaft notwendig. Dieses Beispiel halte ich also nicht für greifend. Allerdings gibt es ein anderes, über das man nachdenken könnte: Man denke beispielsweise an bestimmte, von uns als "Zigeuner" bezeichnete Kulturen. In ihren Kreisen ist ein frequentes Austauschen von Gegenständen, auch ohne seine Mitmenschen vorher explizit um Erlaubnis zu bitten, durchaus üblich. Hier könnte man also auch durchaus behaupten, das Gebot "Du sollst nicht stehlen" gelte nicht, erweise sich also als nicht allgemeingültig. Trotzdem aber bin ich von der Existenz dieses Gebots überzeugt, wenn man es etwas exakter formuliert: "Du sollst dem anderen sein Eigentum nicht gegen seinen Willen wegnehmen." Dafür sind die Voraussetzungen einerseits der Begriff des Eigentums, der in der von mir oben beschriebenen Gesellschaft anscheinend nicht in der Form existiert, wie wir ihn kennen, und außerdem der tatsächliche Wille der Menschen, ihr Eigentum zu bewahren, der in dieser Kultur offenbar auch nicht vorhanden ist. Man könnte also behaupten, das Gebot sei hier nicht aktuell, trotzdem aber vorhanden und gültig.

Das nächste philosophische Problem, dem ich mich hier etwas eingehender widmen werde, ist Platons Ideenlehre. Zunächst fällt mir daran auf, daß mir die Vorstellung einer zweiten Realität, in der sich nichts verändert, die nichts als die bloßen "ewigen Ideen" der Lebewesen enthält und fernab jeglichen Bemerkens von menschlicher Seite existiert, unlogisch und fragwürdig erscheint. Wie ist diese Paralleldimension zu erreichen, und wie genau wirkt sie sich auf unsere Realität aus? Kann es möglich sein, daß ihre Existenz niemals begonnen hat und niemals aufhören wird?

Ich denke, die Mehrzahl der Menschen wird meine Zweifel darüber ohne weiteres nachvollziehen können. Aristoteles' Einwand, das, was Platon mit "Idee" meine, sei das Bild, welches sich ein Mensch von einer bestimmten Sache mache, halte ich demnach für berechtigt, allerdings (!) nicht unbedingt für einen Wider-spruch. Viele Denker, wie Heraklit und - vor allen Dingen - die Stoiker (vgl. 3.11.3) hatten ja schon von einem "logos" (griech.: "Gott", "Weltvernunft") gesprochen, an welchem alle Menschen teilhätten. Die "Ideen", die Platon meinte, sind meiner Ansicht nach weder ewige Formen in irgendeiner hermetisch abgeriegelten Paralleldimension noch die Sinneseindrücke, von denen Aristoteles sprach. Vielmehr befinden sie sich im Bewußtsein unserer Weltvernunft, diese hat sie - in ihrer Welt - durch ihre Sinne aufgenommen, und gleichzeitig fungieren sie als Platons "ewige Ideen" für unsere Dimension. Unsere Weltver-nunft, unser "logos" ist möglicherweise ein Wesen in einer anderen Realität, und die Ideen sind der Inhalt ihres Bewußtseins. Ebenso ist jeder einzelne von uns möglicherweise ein solches "logos" und die "Ideen" jedes Einzelnen, ja, jeder Einzelne überhaupt ist von größerer Wichtigkeit, als wir es uns jemals hätten träumen lassen. Im Übrigen stimme ich mit Platon nicht darin überein, daß die Ideen ewig sind und ihr Zustand gleich bleibt, sondern denke vielmehr, die Veränderung und Weiterentwicklung verschiedener Lebensformen durch die Evolution beweist das Gegenteil. Unter dem oben angeführten Gesichtspunkt wäre das ja auch nur logisch. Dies ist der einzige, mir halbwegs logisch erscheinende Weg, die differierenden Auffassungen Platons und Aristoteles' und ihr verschiedenes Verständnis des Begriffes "Idee" miteinander vereinbar zu machen.

Der Aufbau des Romans "Sofies Welt" ist meiner Ansicht nach als geradezu genial zu bezeichnen. Dadurch, daß Gaarder beschreibt, wie ein ahnungsloses Mädchen plötzlich von einem zuerst geheimnisvoll wirkenden Mann Fernkurse in Philosophie per Post erhält, erzeugt er eine gewisse Spannung, die groß genug ist, den Leser auch zum Konsumieren der Lehrtexte zu bewegen. Dabei steigert er die Spannung im Verlauf des Buches schrittweise immer mehr, sodaß einem nie die Lust vergeht, auch die philosophischen Texte zu lesen. Auf diese Weise erhält man jedoch - sozusagen schleichend - nicht nur geisteswissenschaftliche, sondern teilweise auch historische Allgemeinbildung, ohne aber den Lernprozeß - wie das bei vielen Schülern im Unterricht der Fall ist - als in irgendeiner Weise negativ, störend oder belastend zu empfinden. Sollte man trotzdem partout kein Interesse an diesen geschichtlichen Fakten haben, über sie bereits im Bilde sein oder die Sofie zugestellten Texte aus anderen Gründen nicht lesen wollen, so stellt es - zumindest in ungefähr der ersten Hälfte des Buches - kein gesteigertes Problem dar, sie einfach zu überspringen, da sie in einer anderen Schriftart gedruckt und zwar überaus geschickt innerhalb der Handlung plaziert, jedoch nicht mit dieser verwoben und somit für das eigentliche Verständnis unerheblich sind.

Ein weiterer ungeheurer Vorzug dieses Buches ist die Raffinesse, mit der Gaarder es versteht, den Leser in eine bestimmte emotionale Lage zu versetzen. Die bereits erwähnten mysteriösen Spuren von Hilde Møller Knag, die gleichmäßig sowohl qualitativ als auch quantitativ intensiver werden und bei Sofie eine ungeheure Bestürzung auslösen, lassen auch den Leser mitnichten unberührt. Dafür ist zum Teil einfach Gaarders Einfallsreichtum verantwortlich: die in der Zukunft abgestempelten Postkarten an Hilde tauchen an allen möglichen Stellen auf, beispielsweise fällt mitten im Unterricht eine dieser Karten aus einem Schulbuch von Sofie und sie verdächtigt im Stillen ihren Lehrer, diese absichtlich dort versteckt zu haben. Die Geburtstagsgrüße an Hilde erscheinen an den seltsamsten Stellen: sie sieht ein Propellerflugzeug mit einem Banner, auf dem sie irgendeine Reklame erwartet, aber ein "Herzliches Glückwunsch zum 15. Geburtstag, Hilde!" in Blockbuchstaben sieht. Eine ebensolche Mitteilung erscheint spontan auf der Innenseite einer Bananenschale. Durch all dies wird beim Leser eine ungeheure Spannung, wie auch die Vermutung eines großen Wendepunktes erweckt. Dieser setzt gegen Mitte des Buches ein und übertrifft meiner Ansicht nach alle nur möglichen Erwartungen um ein vielfaches.

Außer seiner Spannung ist Gaarder auch für seinen Humor zu loben, der - wie vermutlich aus den obigen Außerungen teilweise schon zu erkennen war - eine leicht groteske Färbung aufweist, was seine Qualität aber keinesfalls mindert.

Zusammenfassend gelange ich zu dem Schluß: Ein derart gekonntes, raffi-niertes, spannendes und freches Buch zu schreiben ist eine Leistung, die in der heutigen Welt der Literatur wahrscheinlich alles andere als häufig anzutreffen ist.










Erklärung:


Ich erkläre, daß ich diese Arbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und außer dem behandelten Roman


Gaarder, Jostein, Sofies Welt, Einmalige Jubiläumsausgabe 1996, München


keine Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.



S.8, Mitte bzw. S. 12, Mitte

vgl. S.20, Mitte und S.23, unten

S.43, Z.3

S.43, Z.23ff.

S.43, unten

S.45, Z.22ff.

S.47, Mitte

S.48, Z.10

S.50, oben

S.80, unten

S.83, Mitte

vgl. S.78, unten

vgl. S.79, Z.25

S.95, Z.24

S.105, unten

S.106, unten

S.129, Mitte

S.131, unten

S.134, unten

S.137, Z.7f.

S.138, Z.8

S.139, Z.4f.

S.140, Z.23ff.

vgl. S.154, oben

S.155, Mitte

S.157, Z.11ff.

S.158, Z.8ff.